Internationale Politik Kann Lebensrettung falsch sein?
Hier waren es gestern 36 Grad im Schatten und in der Sonne Saunatemperaturen. Trotzdem war der Bürgersaal in Merzhausen brechend voll. Es sprach Georg Albiez, der Schiffsarzt von Lifeline, dessen Kapitän jetzt auf Malta angeklagt ist. Das Verbrechen: Über 400 Menschen vor dem Ertrinken gerettet.
Organisiert hatte das Treffen die örtliche SPD, aber wie später in der Diskussion deutlich wurde, waren aus allen Parteien Menschen im Saal (einzige Ausnahme wohl die AfD, zumindest gab es keine entsprechende Wortmeldung). Es herrschte Einigkeit, dass eine Bewegung aus der Mitte der Gesellschaft dem Rechtsdrall in der Politik Einhalt gebieten müsse.
Georg Albiez sprach nicht nur über die Seenotrettung, sondern er schlug die Brücke zu den europaweiten gesellschaftlichen Veränderungen, zu dem Aufstieg rechter Parteien, insbesondere geiselte er den "faschistischen, rassistischen Innenminister" Italiens, Salvini und die Verrohung der Sprache. Salvini hatte von "Menschenfleisch", das nach Libyen zurückverfrachtet werden müsse, gesprochen. Albiez sprach ausführlich über die chaotischen Verhältnisse in Libyen. Ein funktionierender Staat, in dem viele Gastarbeiter aus Afrika ein Auskommen gefunden hatte, wurde vom Westen zerbombt und den Warlords überlassen, die sich nun teilweise über das Schleusertum finanzieren würden. Die vom Westen anerkannte und finanziell unterstützte Libysche Regierung habe gerade einmal die Hoheit über die Hauptstadt Tripolis. Die meisten Flüchtlingsboote würden jedoch aus den Gebieten unabhängiger Warlords zu See gebracht.
Die Berichte der Flüchtlinge über die Zustände in Libyen sind erschütternd. Sie werden dort als Sklaven oder wie Vieh gehalten. Ihr Leben wird ihnen in Libyen so zur Hölle gemacht, dass - falls die vom Westen finanzierte libysche Küstenwache die Flüchtlinge zurücktransportieren will - diese freiwillig ins Meer springen, obwohl sie nicht schwimmen können, also lieber ertrinken, als in Libyen wieder gefoltert oder vergewaltigt zu werden. Georg Albiez hat Folteropfer auf dem Rettungsschiff persönlich behandelt.
Am Schluss gab es eine lebhafte Diskussion. Es wurde übereinstimmend festgestellt, dass Seenotrettung nicht nur menschliche Pflicht, sondern auch juristisch alternativlos ist und die derzeitige Praxis der Europäischen Union geltendes Recht bricht. Seenotrettung kann allerdings nur die Symptome bekämpfen, die Bekämpfung der Fluchtursachen muss parallel intensiviert werden. Afrika darf nicht ausgebeutet werden, sondern muss entwickelt werden. Entwicklungen wie der Frieden zwischen Eritrea und Äthiopien können Hoffnung machen. Solche Entwicklungen müssen unterstützt werden.
Lassen wir weiter Menschen im Mittelmeer ertrinken?
Derzeit gibt es praktisch keine Rettung mehr im Mittelmeer. Malta hat aufgrund politischen Drucks aus Italien 3 Rettungsschiffe und ein Aufklärungsflugzeug von NGOs festgesetzt.
Zwischen dem 19. Juni und dem 4. Juli 2018 sind nachweislich mindestens 483 Menschen im Mittelmeer ertrunken. Die Dunkelziffer könnte nach den Worten von Albiez 10mal höher als die offiziellen Zahlen sein.
Er beendete seinen Vortrag mit der Bitte aktiv zu werden. Geschwiegen werden dürfe nun nicht mehr.
Aufruf
Wer den faktischen Stopp der Seenotrettung schlimm findet, kann eine Petition an den dt. Außenminister Heiko Maas unterschreiben, er möge sich dafür einsetzen, dass die Schiffe und das Flugzeug wieder freigegeben werden.
Mehr Informationen gibt es auch unter sea-watch.org , mission-lifeline.de und seebruecke.org
Karl
Petition unterschrieben.
1400 Menschen sind alleine dieses Jahr ertrunken
Phil.
Flüchtlings Aufnahme
Köln, Bonn, Düsseldorf schreiben Merkel: Wir wollen mehr Flüchtlinge aufnehmen
10.27 Uhr: Mit einem Brief an die Bundeskanzlerin setzen sich die Städte Bonn, Köln und Düsseldorf für weitere Flüchtlingsaufnahme und gegen einen Stopp der Seenotrettung im Mittelmeer ein. „Wir wollen ein Signal für Humanität, für das Recht auf Asyl und für die Integration Geflüchteter setzen“, heißt es in dem Schreibender drei Stadtoberhäupter Henriette Reker (parteilos), Thomas Geisel (SPD) und Ashok Sridharan (CDU) an die CDU-Politikerin Angela Merkel.
Bis es die gewünschte europäische Lösung für die Aufnahme und Integration oder Rückführung gebe, sei es dringend geboten, die Seenotrettung im Mittelmeer wieder zu ermöglichen. „Unsere Städte können und wollen in Not geratene Flüchtlinge aufnehmen“, betonten sie.
Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind in diesem Jahr bereits mehr als 1400 Menschen bei der Flucht über das Mittelmeer ums Leben gekommen. Damit habe, so heißt es in der Mitteilung der Städte von Donnerstag weiter, „die menschliche Katastrophe im Mittelmeer neue erschreckende Ausmaße erreicht.“ Dies sei auch Folge der Behinderung und Kriminalisierung von privaten Initiativen zur Seenotrettung.
gar keine Frage in diesem Fall!
unterschrieben und an Freunde verteilt
Lieber Karl,
vielen Dank für deine Mühe. Die Petitionen bekomme ich immer regelmäßig, hier ist noch eine, die man unterschreiben kann, bitte beteiligt euch auch daran: https://www.change.org/p/fl%C3%BCchtlingspolitik-in-europa-erst-stirbt-das-recht-dann-der-mensch-seenotrettung-masterplan-seehofer
Vorgestern gab es ein sehr interessantes Interview mit dem Kapitän der Lifline, Claus-Peter Reisch, im WDR: "Lifeline"-Kapitän: "Es ist kein Hobby zu helfen"
Da erfährt man eine Menge, auch über die Zustände in Libyen hat er gesprochen, darüber habe ich aber auch vorher schon oft Horrorberichte gelesen. Und er hat nochmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Seenotrettung gesetzlich geboten und die Verweigerung sogar strafbar ist. Übrigens war der Mann vorher CSU-Wähler, davon ist er vorerst geheilt. Dieser Mann steht nun vor Gericht und seine Rettung wird als Verbrechen geahndet, es ist nicht zu fassen.
Es ist auch ein Ammenmärchen zu glauben, mit der Festsetzung der Schiffe würde die Flucht aufhören, den Leuten geht es in Libyen so schlecht, dass sie dann andere Wege suchen, rauszukommen, die noch größere Lebensgefahren beinhalten, die Schlepper finden immer neue Wege. Reisch klärt auch auf über die libysche Küstenwache, die die Menschen im Meer aufgreift und zurückbringt. Er weist darauf hin, dass das Verbrecherbanden sind, die vorwiegend von Italien bezahlt werden, damit sie uns die Flüchtlinge vom Leib halten.
Hier der Podcast zum Interview, das hochinteressant ist: Interview mit Reisch
Es wird wieder einmal alles in einen Hut geworfen und durcheinander gemischt. Wieder einmal sprach der falsche Mann vor falschem Publikum und wieder einmal wird nicht begriffen, daß sich Grundlegendes der europäischen Politik ändern muß. Es geht natürlich um die Rettung von Leben, aber deshalb muß es in erster Linie auch um die Rettung Europas gehen.
Flüchtlinge sind auch Teil der Kriegführung von Verbrechern und unliebsame Bürger von Verbrecherregierungen. Somit sind sie auch als destabilisierende Kriegsführung gegen die Staaten zu sehen, die Verbrecherregierungen zur Verantwortung ziehen können.
Es geht nicht um die Entwicklung Afrikas, das müssen die Afrikaner selber machen und nicht positiv rassistische Neokolonisatoren, die Menschen in ihrem Sinn in Europa "integrieren" und in Afrika in ihrem Sinn "entwickeln" wollen.
Es geht nicht um das Recht von Asyl, wenn wir von Seenotrettung und Afrika reden, sondern um Flucht in Sozialsysteme.
Es sind nicht "wir", die Menschen ertrinken lassen. Schluss mit dieser politmasochistischen Suggestion.
Der deutsche Aussenminister kann keine Schiffe vom Anker lassen, die von Italien und Malta festgesetzt wurden.
Petitionen erreichen nichts, wenn sie dort einhaken, wo wirkliche Hilfe nicht beginnen kann und dort enden, wo das Sterben schon begonnen hat, jeweils mitten auf dem Meer.
Der politische Kampf gegen rechts wird natürlich in der Mitte der Gesellschaft ausgefochten, wo sonst? Das bedeutet aber nicht, daß diese Mitte kämpft, sondern daran gehindert werden muß, rechts zu wählen. Das kann nur geschehen, indem man der Rechten die Themen wegnimmt und die Probleme demokratisch und wirkungsvoll löst. Gegen das Ertrinken und für Afrika bedeutet das, schnelle Jobs in Afrika zu schaffen und dazu muß die Wirtschaft der EU zusammen arbeiten, nicht die Politik. Die Politik kann nur Gelder frei geben.
Logischerwiese muß deshalb Schluß sein mit der Beschimpfung von Rechtswählern. So bekommt man sie nicht ins demokratische Lager zurück. Es gibt keine anderen. Schluß damit, rechte Politiker in anderen Ländern zu beschimpfen. Das ist nationalistisch. Höflichkeit muß wehtun und kommt bei den ausländischen Mitbürgern viel besser an und ist deshalb wirkungsvoller.
Gegen Methoden von verbrecherisch geführten Staaten helfen keine demokratisch abgesegneten Methoden und kein Recht und Rechtsverständnis von Rechtsstaaten. Also muß das Völkerrecht unterlaufen und so für die Völker ausgelegt und realisiert werden. Die derzeitige Handhabe schützt die Diktatoren nicht die Völker. Praktisch heißt das, die EU, samt EU-Staaten dürfen in z.B. in Libyen nicht bei jedem Schritt die dortigen "Regierungen" um Erlaubnis bitten. Schließlich wollen wir nicht mit Militär einmarschieren, sondern mit Geld und wollen wirtschaftlich helfen. Daß diese Hilfe nicht als Korruption verstanden werden darf, ist selbstverständlich.
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adam
Ich gebe mir Mühe etwas in deinem Beitrag zu finden, dem ich zustimmen könnte, adam. Es fällt mir schwer, aber ich gehe einmal davon aus, dass wir uns auf die gemeinsamen Ziele, weniger Tote, weniger Flüchtlinge, bessere Hilfe für Afrika verständigen könnten. Aber deine Wege dorthin halte ich für falsch.
Mir fällt der innere Widerspruch in deiner Argumentation auf:
adamWie passt das zu
Es geht nicht um die Entwicklung Afrikas, das müssen die Afrikaner selber machen und nicht positiv rassistische Neokolonisatoren, die Menschen in ihrem Sinn in Europa "integrieren" und in Afrika in ihrem Sinn "entwickeln" wollen.
adamMeines Erachtens hat eine Haltung wie die Deine
die EU, samt EU-Staaten dürfen in z.B. in Libyen nicht bei jedem Schritt die dortigen "Regierungen" um Erlaubnis bitten.
adamuns die ganze Misere im nahen Osten und in Libyen erst eingebrockt. Diese ungesetzlichen Kriege (Irak) und die Bombardements (Libyen) habe einen wesentlichen Anteil an dem Chaos, das uns jetzt einholt. Auch die Kolonialisierung (Ausbeutung) Afrikas und die willkürliche Bildung von Staaten ohne Berücksichtigung ethnischer und sprachlicher Grenzen durch die Europäer haben einen maßgeblichen Anteil daran, dass in Afrika noch immer soviele Bürgerkriege toben.
Gegen Methoden von verbrecherisch geführten Staaten helfen keine demokratisch abgesegneten Methoden und kein Recht und Rechtsverständnis von Rechtsstaaten.
Andererseits zeigen die positiven Entwicklungen zwischen Eritrea und Äthiopien, dass Afrika sich in der Tat selber helfen kann. Der Friedensschluss dort darf m. E. durchaus mit Entwicklungszusammenarbeit belohnt werden. Denn dies beseitigt Fluchtursachen. In Zukunft dürften sich wesentlich weniger junge Männer von Eritrea aufmachen, um Europa zu erreichen. Deshalb dürfen wir aus solchen Entwicklungen, die die Afrikaner selber anstoßen, die Hoffnung schöpfen, dass Afrika noch nicht verloren ist.
Karl
Gerade gelesen:
Zitat:
SPD-Fraktion zeichnet Lifeline-Kapitän Reisch mit Europa-Preis aus
Stellvertretend für alle Seenotretter wird heute Claus-Peter Reisch aus Landsberg mit dem Europa-Preis der bayerischen SPD ausgezeichnet. Der Kapitän der Lifeline habe sich besonders um die europäischen Werte verdient gemacht - wie dem Schutz der Menschenwürde.
Mutige Menschen wie Claus-Peter Reisch würden die Werte am Leben erhalten, für die unsere Gemeinschaft stehe, so Natascha Kohnen - die Vorsitzende der Bayern SPD im Vorfeld der Verleihung. Es sei eine Bankrotterklärung an die Menschlichkeit, dass diesem tapferen Mann ein Gerichtsverfahren drohe, weil angeblich das Rettungsschiff nicht ordnungsgemäß registriert sei.
Hier der Link: SPD-Fraktion zeichnet Lifeline-Kapitän Reisch mit Europa-Preis aus
Die Menschen, die flüchten, wissen, welche Gefahren ihnen drohen - und sie steigen trotzdem in die Boote.
"Da die Politik versagt, Italien mit dem Flüchtlingsproblem allein gelassen wird und eine gesamteuropäische Lösung noch Jahre entfernt ist, braucht es die Seenotrettung heute mehr denn je. Menschen vor dem Ertrinken zu retten, ist unsere humanitäre Pflicht.» (20 Minuten.Schweiz )
http://www.20min.ch/schweiz/news/story/Fluechtlingshelfer-30155733
Die Verzweiflung ist größer als die Angst vor dem Tod.
Luchs35
Lieber Karl,
die Petition habe ich gerade unterschrieben und abgeschickt. Werde die Seite unverzüglich an Freunde, Bekannte und Nachbarn (nebenan.de) weiterleiten.
Danke für Dein Engagement!!!
Viele Grüße
Rosi65