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Internationale Politik Friedenspolitik hilft, Kriege zu verhindern

aixois
aixois
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RE: Friedenspolitik hilft, Kriege zu verhindern
geschrieben von aixois
als Antwort auf Lenova46 vom 30.11.2024, 09:45:32
... setzen Regeln der Konfliktlösung auf,
Deshalb ist Krieg eben nicht Krieg (der m.E. immer destruktiv ist ) und Frieden nicht Frieden.

Militärs/Kriegslogiker verstehen darunter etwas anderes als Friedenslogiker.
Das ist nicht kritisch zu sehen, beide handeln so, wie sie es gelernt haben und praktizieren. Sie 'liefern' das, was 'bestellt' , und daher von ihnen erwartet wird.

Nur: wer kennt noch mal gleich die Telefonnumer des Dienstleisters, den man bestellt, wenn man 'Frieden' geliefert bekommen will ?
Die Kontaktdaten der Verteidigungs-/Kriegsministerien sind dagegen allen bekannt.

Fehlanzeige also, oder kennt jemand "geeignete Institutionen", die dazu befähigt und autorisiert wären ?

Es ist daher nicht überraschend, dass -  wenn die Militärs aufhören müssen, weil sie gesiegt  oder ihre Einsatzziele nicht erreicht haben - Leute übernehmen müssen, die dazu keine fundierte professionnelle Ausbildung haben.

Nicht selten sind das dann sogar wieder die (gewendeten) Militärs oder politische Zivilisten, denen man unterstellt, sie handelten in Wahrnehmung der Regeln (die es aber so, weil fallbezogen, nicht gibt)  der 'Verantwortungsethik', im Gegensatz zu den illusionären, schöngeistigen 'Gesinnungsethikern'.

Das soll nicht heissen, dass es nicht zu tragfähigen Lösungen auf dem Weg zum Frieden kommen kann. Das ist dann aber eher dem Zufall geschuldet und nicht regelbasierten Prozessen.

Es liegt dann an der Beteiligung einzelner Individuen, die verstanden haben, was 'Frieden' meint,  und die beidseits der Frontlinien auch über den 'guten Willen' verfügen, ohne den alle Friedensbemühungen früher oder später zum Scheitern verurteilt sind.

Was der Philosoph Pascal Delhom (der Autor des verlinkten FR Artikels) fordert,  ist im Grunde das, was Kant schon mit seiner Philosphie des "ewigen Friedens" formuliert hatte, aber nicht erreicht wurde.

Der Völkerbund von W.Wilson, der dieser Kantschen Vorstellung einer geregelten Weltengemeinschaft und eines Weltfriedens  am nächsten kam, scheiterte - wenig überraschend - an den imperialen Positionen der siegreichen Großmächte bzw. deren Unwille, sich einfügen, gar Regeln 'unterordnen' zu müssen, die nicht die eigenen waren:
"Dass ausgerechnet die USA nicht beitraten, war eine politische und moralische Schwächung, die der Völkerbund nie überwinden sollte. Von der universalen Wertegemeinschaft, wie sie Wilson vorgeschwebt hatte, war nicht mehr viel zu spüren: In den Zwanzigerjahren entwickelte sich der Völkerbund zum Schauplatz eines internationalen Kräftemessens; in den Dreißigerjahren sank er zur bloßen Fassade herab."  Quelle ZEIT online
Viel erfolgreicher als der Völkerbund ist der zweite Versuch, die Vereinten Nationen,  auch bis heute nicht gelungen,  was das Schaffen von Frieden und den Respekt des völkerrechtlichen Regelwerks und seiner Institutionen (z.B. IGH , IStGH) angeht.
M.E. gehört neben dem guten Willen und den institutionsgesteuerten Prozessen noch mindestens eine weitere Voraussetzung dazu - zum in Frieden leben wollen -  das gegenseitige Vertrauen und damit eng verbunden, die Bereitschaft zur Versöhnung und Redlichkeit für eine Kooperation zum gemeinsamen Nutzen.

An diesen 'Werten' fehlt es allen derzeit 'heißen' Kriegen, weshalb es auch zu keinem Frieden, allenfalls zur Trennung der Kämpfer und dem 'Einfrieren' der Fronten kommen kann. Im Gegenteil, wir riskieren ernsthaft einen Rückfall in eine Zeit des quo ante, was den "Weltfrieden" angeht.
Mit dem Unterschied, dass die Karten andere sind  wie auch die Mitspieler ...

Nur eines ist gewiß: auch in Zukunft werden   auch weiterhin nur Promillebruchteile der Militärausgaben für  strukturierte Bemühungen um Frieden und praktizierte Friedenslogik  verfügbar sein.
Wenn überhaupt.
 
olga64
olga64
Mitglied

RE: Friedenspolitik hilft, Kriege zu verhindern
geschrieben von olga64
als Antwort auf Karl vom 29.11.2024, 21:43:17
Ja, Hoffnung darf man haben. Aber Skepsis bleibt. Trump will den Frieden offenbar mit militärischem Druck erzwingen. Ob das gelingen wird, wird sich erst noch zeigen müssen.

Russlands Wirtschaft geht es jedoch schlecht. Der Rubel entwertet sich in Rekordtempo. Für Ende 2024 wird eine Inflationsrate von 6,5 bis 7 % erwartet. Die Zentralbank hat den Leitzins auf 18 % angehoben, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Der Rubel hat seit August 2024 etwa ein Viertel seines Wertes verloren. Quelle

Ich frage mich, was wird mit Russlands Wirtschaft, die inzwischen auf Kriegswirtschaft umgestellt ist, eigentlich passieren, wenn plötzlich Frieden wäre? Trägt dann der Bau von Waffen noch zum BIP bei? Meine Prognose: Putin wird nach einem Friedensschluss sehr viel Gegenwind in Russland selbst bekommen.

Karl
geschrieben von Karl
Auch wenn Putin irgendwann versucht, die Wirtschaft wieder weg von derKriegswirtschaft in normale Richtungen zu wechseln - wer sollte dafür sorgen,dass die nötige Produktivität wieder wächst? Hunderttausende junger Menschen werden gestorben sein; weitere Hunderttausend gut ausgebildete Menschen haben das Land verlassen.
Sie fehlen sowohl auf der Seite der Produktion als auch als Kunden, die die Waren dann abnehmen könnten.
Putin selbst hat nichts mehr zu verlieren; er wird weiter versuchen, seine erlogenen Kulissen aufrechtzuerhalten, um den Rückhalt im eigenen Volk nicht zu verlieren. Aber wie lange das klappt und welche Opfer die russische Bevölkerung in immer höheren Ausmasse bringen muss,das ist die grose Gefahr für ihn und seit Weiterwirken. Ich hoffe sehr darauf, dass es zu einem solchen Wechsel kommt. Olga
Juro
Juro
Mitglied

RE: Friedenspolitik hilft, Kriege zu verhindern
geschrieben von Juro

Hallo,
mit dem folgenden Beitrag möchte ich das Wissen über Friedenspolitik wieder ein Stückchen weiter öffnen. Vielleicht ist es für den einzelnen Anregung, in seinem Wissensschatz zu kramen.
(wird locker fortgesetzt)


Friedensforschung
 
Wer sich um den Frieden bemüht und die Herstellung von Frieden beschreiben will, muss das leider an dessen Gegenteil un, dem Konflikt.
Konflikte sind kein Schicksal. Konflikte entstehen nicht aus dem luftleeren Raum, haben nichts mit göttlicher Fügung zu tun. Konflikte werden systematisch gemacht und richten sich nach den Interessenlagen der einzelnen Konfliktparteien. Die Mechanismen von Konflikten sind also erkennbar und, wenn sie einmal erkannt sind, steuerbar.
Konflikte sind, wenn sie zum Krieg führen, Vorstufen der Gewaltanwendung, also Teil jedes Krieges.
Konflikte führen nicht zwangsläufig zu Kriegen, wenn die Konfliktparteien eine friedliche Konfliktlösung anstreben und erfolgreich gestalten können.
Die Konfliktparteien sind fast immer eingebunden in größere politische Systeme und folgen den Interessenlagen der umfassenderen oder übergeordneten Systeme. Je nach Ausdehnung dieser Systeme resultieren lokale, regionale oder globale Konflikte die dann zu lokalen, regionalen oder globalen Kriegen führen können.
Analog können Konflikte zwischen sozialen Gruppen innerhalb eines Staates zu innerstaatlichen Kriegen führen. Es kommt zu Bürgerkriegen.
Konflikte können verschiedene Ursachen haben
       

  • Nahrungs- oder Wasserknappheit,
    Hierbei geht es um das reine Überleben einer Population. Man kann das vielleicht einordnen als „Kampf aus Verzweiflung“. Die ausgegrenzte Konfliktpartei hat keine Möglichkeit des Überlebens und stirbt lieber im Kampf als an Hunger und Durst.
  • Abschneiden des Zugangs zu wirtschaftlichen Ressourcen
    Enteignungen von Grund und Boden, von Produktionsmitteln, von Bodenschätzen
    Kongo - Bodenschätze
  • Ethnische Verdrängung
    Kann auf physischer Vertreibung basieren (Armenier in Arzach durch Aserbaidschan, Rohinga, Sinti und Roma in zahlreichen europäischen Ländern, extrem während des Holocaust, Palästinenser durch Israel)
  • Monopolbildung und damit Verdrängung von Staaten aus Entscheidungsprozessen
    Transnationale Konzerne durch ihre Firmenaktivität, Ausbeutung von Bodenschätzen durch ausländische Konzessionsnehmer, Mehrheitseigner des Kapitals oder sogar Eigentümer Bergwerke, DR Kongo)
  • Machterhalt durch restriktive Ausübung des Gewaltmonopols und der Rechtsprechung
    politische Unterdrückung durch diktatorische Führung
  • Machterhalt gegenüber abhängigen Staaten
    Dollar als Leitwährung mit Einforderung von „Wohlverhalten“
  • Politische Zielstellung im lokalen, regionalen oder globalen Rahmen
    Georgien – Konflikt zu Mitgliedschaft in EU und NATO (Präsidentin) und Aufschieben einer Mitgliedschaft (Parlament, Regierung)
Die Erforschung von Konflikten ist eine noch sehr junge Wissenschaft. Sie begann 1959 in Schweden. In Deutschland wandte man sich nach 1968 dieser Wissenschaft zu. Ein Förderer war Gustav Heinemann. Private Institute, Gesellschaften von Friedensforschern und in Berlin die Einrichtung von zwei Lehrstühlen datierten aus den frühen 1970-er Jahren. Eine Anerkennung und Förderung des Wissensgebietes aus staatlichen Mitteln datiert erst im Jahr 2000, also vor 24 Jahren.

Schon möglich, dass sich das noch nicht herumgesprochen hat und daher auch hier im ST die Kriegsrhetorik noch breiten Raum einnimmt.

Juro
 

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