Internationale Politik Es ist Krieg in Europa
Allerdings gab es in den 90er Jahren in Bremen
mal eine " Krüppelgruppe ", diese Bezeichnung fand
ich grauenhaft.
Ich kannte einige, die in dieser Gruppe waren.
Ihre Begründung: Sie wollten diese Bezeichnung, die ihnen
so oft abfällig an den Kopf geknallt worden ist " positiv besetzen ".
Ihr Vorbild waren dabei die Schwulen.
Auch das eine abwertende Bezeichnung, welche sie aufgenommen
und als Selbstbezeichnung für sich, positiv besetzt haben.
Wir sind stolz, Schwule zu sein.
Sie haben damit versucht, den Wind aus diesem abfälligen Wort zu
nehmen.
Es gab auch in den Großstädten Kneipen " Zur schwulen Sau ".
Ich sag mal so: Zum Teil ist es ihnen gelungen, den Begriff für sich
anders zu nutzen. Sie haben dem etwas entgegen gesetzt.
Es wird seriöser, selbstverständlicher genutzt: Schwul.
Auch wenn es zum Teil weiterhin als Herabwürdigung herhalten muss.
Die " Bremer Krüppelgruppe " gibt es nicht mehr.
Ich war auch nicht davon begeistert, eine Gruppe so zu nennen,
obwohl Selbstbezeichnungen akzeptiert werden sollten.
Ich denke, bestimmte Begriffe kann man nicht " positiv " besetzen.
Die betreffenden Frauen, die ich kannte, fanden Krüppel für sich
besser, als den Begriff " Behinderung ".
Anna
Ich denke, bestimmte Begriffe kann man nicht " positiv " besetzen.Das ist auch nachvollziehbar. 'Krüppel' war ja auch nicht immer negativ besetzt, war nicht immer beleidigend. Erst ab Mitte der 1950-er, Anfang der 1960-er Jahre drehte sich das Verständnis bis hin zur totalen Herab- bzw. Entwürdigung von Menschen, die anders sind, schwächer sind, eben nicht dem Idealbild des leistungsstarken, immer gesunden, allzeit voll einsetzungfähigen, fitten, 'Normalbürgers' entsprechen.
Die betreffenden Frauen, die ich kannte, fanden Krüppel für sich
besser, als den Begriff " Behinderung ".
Noch heute werden auf dem Schulhof z.B. die etwas Nicht - Konformen als "Spasti" (oder Schwule) bezeichnet. Meist gedankenlos, aber die Betroffenen meistens sehr belastend und deprimierend. Dazu gehört m.E. z.B. auch das 'Treten' auf am Boden liegende Opfer.
Das Thema der "Entwürdigung" (Menschenwürde, Entmenschlichung) ist aber hier OT (es sei denn, es beträfe die Behandlung und das Handeln der Soldaten beim gegenseitigen 'Abschlachten' in der Ukraine, wo man im militärischen Leistungsjargon feststelt, dass auf einen toten ukrainischen Soldaten acht russische 'kommen'. Das ist dieses 'body counting', das mir so verhasst ist und das ich schon in den ersten Tagen des Krieges hier (vergebens) geiselte.
Ganz am Rande : die Liberalen im Europäischen Parlament bestehen auf einem speziellen Ausschuss "Verteidigung" unter ihrem Vorsitz. Dabei gibt es keine eigenstädnige Verantwortung der EU /Kommission (Kommissar ?`) für das bewaffnete Konfliktmanagement der 27. Dazu gibt es ja die NATO. Für ein weiteres Zeichen, dass die Militarisierung derzeit einen guten Lauf, 'Konjunktur' hat.
Wie du schreibst geht es um die Entwürdigung des Menschen,
sowie um die Begrifflichkeit und um dessen Inhalt.
Gestern ging es im WDR5 Radio um das Thema, ob hier wieder
die Wehrpflicht eingeführt werden soll.
Bei dieser Sendung können Hörer anrufen.
Einer fasste sich sehr kurz: Es gibt keine Pflicht zu töten, und es
gibt keine Pflicht getötet zu werden. Dieser Begriff gehört auf den
Müllhaufen der Geschichte.
Dann ging es um die ukrainischen Männer, die hier sind.
Für einige waren es tatsächlich feige Vaterlandsverräter, die andere
für sich sterben lassen.
Ein anderer vertrat die Ansicht, man solle doch die feigen Vaterlandsverräter
nicht so diffamieren, sondern sich solidarisch zeigen, auch
von der Fahne flüchten und nach Deutschland kommen.
Wie du siehst, geht es auch hierbei um die Begrifflichkeit und mit welchen
Inhalten sie gefüllt werden kann.
Danke für deine Ergänzungen zu dem Begriff " Krüppel ".
Das war auch für mich neu.
Anna
Ich denke, bestimmte Begriffe kann man nicht " positiv " besetzen.Das ist auch nachvollziehbar. 'Krüppel' war ja auch nicht immer negativ besetzt, war nicht immer beleidigend. Erst ab Mitte der 1950-er, Anfang der 1960-er Jahre drehte sich das Verständnis bis hin zur totalen Herab- bzw. Entwürdigung von Menschen, die anders sind, schwächer sind, eben nicht dem Idealbild des leistungsstarken, immer gesunden, allzeit voll einsetzungfähigen, fitten, 'Normalbürgers' entsprechen.
Die betreffenden Frauen, die ich kannte, fanden Krüppel für sich
besser, als den Begriff " Behinderung ".
aixois
War das wirkich so?
Und was ist mit behinderten Menschen, die in der NS-Zeit umgebracht wurden? Wurden die damals nicht „Krüppel“ genannt?
Und wenn nicht, was spielt der Begriff dann noch für eine Rolle?
Entscheidend ist doch, wie man mit ihnen umgegangen ist und nicht, wie sie genannt wurden.
Lieber aixois,
dem größten Teil Deiner Ausführungen stimme ich zu, aber nicht, dass das Wort Krüppel erst in den 1950er/60er Jahren zum Schimpfwort wurde. Schau Dir mal die Propagandafilme der NS-Zeit an, dort wird lebensunwertes Leben als "Krüppel" bezeichnet (@Rispe wies ja schon darauf hin). In den Akten der Kliniken (ich habe in Hadamar mit meiner Studiengruppe während des Studiums geforscht) war überall von Krüppeln die Rede, usw.
Ich glaube, Du vertust Dich da.
Ansonsten: Zustimmung.
LG
DW
Sehr richtig Rispe!!!
Früher mal bezogen sie auch ihre Rente aus der ganz offiziellen „Krüppelkasse“……..
Edita
Es kommt letztlich immer auch darauf an, wer diese Wort verwendet. Ein behinderte Mensch selbst darf das natürlich tun. Beispiel Hr. Schäuble. Ich erinnere mich noch genau an sein Interview mit dem "Stern", als es um seine Kanzlerkandidatur als Nachfolge von Helmut Kohl ging:
Am 12. Oktober 1990 wurde Wolfgang Schäuble während einer Wahlkampfveranstaltung von einem psychisch kranken Mann niedergeschossen. Seit dem Attentat war Schäuble vom dritten Brustwirbel an abwärts gelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen. Ungeachtet seiner Behinderung kämpfte sich Schäuble zurück in das fordernde Leben eines Berufspolitikers und galt als Kandidat für die Nachfolge des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl. In einem stern-Porträt aus dem Jahr 1997 thematisierte Schäuble selbst, ob er als Behinderter für das Amt geeignet ist: "Ein Krüppel als Kanzler? Diese Frage muss man stellen", sagte Schäuble damals zum stern-Reporter Hans-Peter Schütz.
Im Moment, wo man über 'Inklussion' viel diskutiert - driftet das Thema gerade ins unappetitliche ab.
Menschen, die der Euthanasie anheim fielen wurden nicht allesamt
als " Krüppel " bezeichnet.
Die Rheinische Landesklinik hat ihre Geschichte während der
NS-Zeit gründlich aufgearbeitet.
Es gab in einem großen Raum eine Ausstellung zu dieser Thematik.
Ich brauchte fast fünf Jahre, um mir diese anzusehen.
Ich wusste, wer dort ermordet worden ist. !
Ich war nur eine halbe Stunde in der Ausstellung, dann hat es mir
gereicht.
Alle, die alleine dort ermordet worden sind, wurden nicht als
" Krüppel " bezeichnet, sondern mit einem Begriff belegt, der heute noch,
in allen möglichen Kreisen, üblich ist. Ganz selbstverständlich in Gebrauch.
( Das sind alles Verrückte, die die AFD wählen ! Normale wählen die nicht.)
Vierzig Jahre früher. und ich hätte nicht überlebt.
Das wird gerne unter den Teppich gekehrt.
Ein absolutes Tabu. Bis heute. Un-Sagbar. Nicht-Kommunizierbar.
Ein grenzwertiges Thema und nun wirklich O.T. - O.T. - O.T.
Auch aus persönlichen Gründen.
Wollte aber nochmals auf diese vergessene ermordete Personengruppe
hinweisen.
Ich gehe jetzt in den Garten.
Anna
Warum verdrehst Du Rispes Worte???
Rispe schrieb nicht, daß „Menschen, die der Euthanasie anheim fielen allesamt als " Krüppel " bezeichnet wurden, sie schrieb „ und was ist mit behinderten Menschen, die in der NS-Zeit umgebracht wurden? Wurden die damals nicht „Krüppel“ genannt?“
Der „Krüppel“ Begriff ist älter als die Nazis sind, zuvor schon, also vor 1933, gab es sogar den Begriff der „Krüppelpädagogik“, mit ihrer Hilfe sollten die Ursachen von Krankheit und Behinderung von Kindern und Jugendlichen erforscht werden.
Diese Kinder durften ab da auch zur Schule gehen, allerdings getrennt von nicht behinderten Kindern.
Edita