Forum Politik und Gesellschaft Internationale Politik Ein Militärputsch kann nicht die Lösung sein

Internationale Politik Ein Militärputsch kann nicht die Lösung sein

pippa
pippa
Mitglied

Re: Ein Militärputsch kann nicht die Lösung sein
geschrieben von pippa
als Antwort auf dutchweepee vom 20.07.2016, 20:36:19
@pschroed

Erdogan ist Deiner Meinung nach krank? Putin ist krank wegen der seit Jahrhunderten russischen Krim? War G.W.Bush krank, als er einen sinnlosen und völkerrechtswidrigen Krieg mit hunderttausenden Opfern im Iraq angefangen hat? Wir finden garantiert noch einige imperialistische Kranke und fallen ihnen nicht in den Arm.

Wo bleiben die UNO-Truppen die Erdogan stoppen beim Menschen erschießen oder die schnelle Eingreiftruppe der NATO? Die kann doch binnen Stunden für Ordnung und Einhaltung der Menschenrechte sorgen.

Ach nee ...sorry! Die sauteure Eingreiftruppe muss ja Russland bedrohen. Die Türkei ist ja unser NATO-Verbündeter.

In meinen Augen sind sie Psychopathen - allesamt!

Leider gibt es auf dieser Welt viel mehr, als wir denken. Darunter sind auch jede Menge Wirtschaftsbosse.
Pippa
olga64
olga64
Mitglied

Re: Ein Militärputsch kann nicht die Lösung sein
geschrieben von olga64
als Antwort auf dutchweepee vom 20.07.2016, 20:36:19
Es ist allmählich eine Zumutung, was Sie hier absondern, Dutch.
Da soll also die Nato (mit Beteiligung deutscher Soldaten und Soldatinnen) ein Mitglied angreifen, also den Brand mit Feuer löschen? Jeder freiwillige Feuerwehrmann in einem kleinen Dorf wird Ihnen erklären können, dass eine Löschung so nicht funktioniert.
Aber by the way: warum motivieren Sie den von Ihnen so geschätzten Herrn Putin nicht, hier zu zeigen, was er unter Krisenintervention versteht?

Es ist sehr verständlich,dass aktuell mal wieder keiner das Tun und Handeln des Herrn Erdogan versteht; aber es spielt sich in der Türkei ab, in einem Land, von dem wir zwar recht abhängig sind, aber keinerlei Kompetenzen haben, uns wirklich einzumischen. Solchen Despoten evtl. noch mit militärischem 'Eingriff zu drohen, dürfte der schlechteste aller Wege sein und wird mit Sicherheit auch von erfahrenen Menschen nicht befürwortet. Olga
urmelviech
urmelviech
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Re: Ein Militärputsch kann nicht die Lösung sein
geschrieben von urmelviech
als Antwort auf olga64 vom 21.07.2016, 14:40:25
Ja und ???

Bei Putin war man schnell Sanktionen verhängt. und hat sie selbst aktuell nicht gemindert.
Also wenn man wöllte konnte man schon Herrn Erdogan Paroli bieten.
aber das ist die hohe Politik des Geldes und der Unternehmen.
Das will man aber nicht.
Im Augenblick reduziert sich alles nur darum nicht den fragwürdigen Flüchtlingsdeal zu gefährden.
Die Tone der übrigen EU Mitglieder sind deutlicher und schärfer als aus Berlin und der EU Elite in Brüssel.

Feuer mit Feuer bekämpfen, gibt es schon. Sowas nennt man Gegenfeuer. ( Buschbrände, Kalifornische Waldbrände usw. also da nützt hiesige FFW Erfahrung nix) Man kann sich aber auch eingraben und nichts tun. Um nicht das Kapital und Deutsche Wirtschaft zu gefährden. ???
Spielte aber bei Putins Sanktionen keine Rolle.
Neben der Landwirtschaft und Maschinenbau leiden auch deutsche Unternehmen unter den Sanktionen gegen Putin. Der hat sich mittlerweile auf diesen Gebieten schon unabhängiger gemacht.

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Mitglied_81b4260
Mitglied_81b4260
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Re: Ein Militärputsch kann nicht die Lösung sein
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf urmelviech vom 22.07.2016, 07:37:19
...Realpolitik=Machtpolitik

Welch moralischer Verfall seit der einstigen hochnotpeinlichen Untersuchung einer österreichischen Regierung und den damals angedrohten Sanktionen und heute!
dutchweepee
dutchweepee
Mitglied

Re: Ein Militärputsch kann nicht die Lösung sein
geschrieben von dutchweepee
Bei unserem NATO-Partner Türkei wurden in den letzten fünf Tagen:

2.700 Richter und Rechtsanwälte verhaftet oder entlassen
24 Radiostationen geschlossen
15.200 Lehrer und Kindergärtner verhaftet oder entlassen
8.000 Polizisten verhaftet oder entlassen
5.000 Militärangehörige verhaftet oder entlassen
1.500 Hochschulprofessoren und Intellektuelle verhaftet oder entlassen

Dieser Zustand ist alternativlos!

Entweder die Türkei raus aus der NATO.

oder Deutschland raus aus der NATO.
JuergenS
JuergenS
Mitglied

Re: Ein Militärputsch kann nicht die Lösung sein
geschrieben von JuergenS
als Antwort auf dutchweepee vom 24.07.2016, 15:39:57
Hauruck, dutch, bitte ausführlicher. Du weisst, politische Mühlen mahlen langsam, und alles ist kompliziert, auch wenn ein neuer Diktator rumfetzt.

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carlos1
carlos1
Mitglied

Re: Ein Militärputsch kann nicht die Lösung sein
geschrieben von carlos1
als Antwort auf Karl vom 17.07.2016, 14:00:43
"Ich bin kein Freund von Erdogan, aber ich versuche mir eine klare Sicht auf die Dinge zu bewahren." Karl

" So wird es wohl sein und von Europa und USA wird nichts hinterfragt werden, nichts in Zweifel gezogen, nichts kritisiert und schon gar nichts verurteilt, .......auch eine Art von Terrorismus gegen Freiheit, Demokratie und Menschlichkeit, so wird's gemacht! Edita


Wenn ein Militärputsch nicht die Lösung sein kann, darf es ihn nicht geben; es darf ihn überhaupt nicht geben. Wofür wird dann aber eine Lösung benötigt? Wo liegen also die Probleme?

Die Gefahr des Bürgerkrieges? Den Bürgerkrieg gibt es schon vor dem Putsch im Osten der Türkei, gegen die Kurden. Nicht nur gegen die PKK, die als Terrorgruppe bezeichnet wird. Städte und Dörfer werden durch massiven Militäreinsatz zerstört. Der Kampfeinsatz der türkischen Armee im Osten der Türkei richtet sich gegen Kurden, die auch türkische Staatsbürger im eigenen Land sind. Die Vorsitzende des kurdischen Vereins "Freunde helfen Freunden" in unserer Stadt brachte Hilfsgüter vor einiger Zeit in die Kurdengebiete. Erst nach langen Verhandlungen mit dem Militär durfte sie in ihre Heimatstadt. Die Stadt war großenteils zerstört. Sie weinte, als sie die Zerstörung sah. Das ist Krieg. Wann soll hier der Frieden einkehren?

Damit ist die innere Spaltung des Landes angesprochen. Eine Armee, die gegen einen äußeren Feind kämpft, ist anders motiviert als eine Armee, die im Innern des Landes gegen eigene Bürger kämpft. Das muss bei einem Putsch beachtet werden. Gab es Konflikte zwischen der politischen Führung und dem Militär? Es geht auch um Syrien. Die Soldaten kommen aus dem Volk. Wir wissen nichts über die Überlegungen, die zum Putsch führten. Von Verschwörungstheorien halte ich nicht viel. Welchen Sinn soll denn die Bombardierung des Parlamentes in Ankara machen? Dort haben auch oppositionelle Abgeordnete ihren Sitz. Bei einem Putsch ist die Eroberung der Exekutive als Schaltzentrale entscheidend, nicht die Legisative. Der Putsch löst die unmittelbaren und langfristigen Probleme nicht. Lösen die Säuberungen aber die Probleme, Verhaftungen Suspendierungen und Entlassungen, die Ausreiseverbote für Akademiker, die Zensur .... ? Vor kurzem erst noch hatte Erdogan einen Dialog mit den Kurden praktiziert. Dann abrupt abgebrochen. Jetzt wird wieder mit aller Härte gegen die Kurden vorgegangen. Türken, die über das türkische Fernsehen informiert werden, könnten mir, um das zu verstehen, auch nicht weiter helfen.,

Es gibt weitere solche eruptiven Handlungen des Staatspräsidenten. Sie sind Alleinstellungsmerkmal des Staatspräsidenten. Er (oder/und sein Geheimdienst) unterstützten lange Zeit seit Beginn des syr. Bürgerkrieges den IS logistisch. Dann wandte er sich gegen ihn. Drohte mit Einmarsch in Syrien. Möglicherweise unterstützen islamistische Helfer in der Türkei den IS immer noch. Erdogan ist Islamist und für ihn gilt der Satz des Gründers der Moslembruderschaft: "Der Islam ist die Lösung."

Zu Israel hatte die Türkei lange gute Beziehungen, bis es zu dem israelischen Kampfeinsatz gegen die Gazaflotille zur Unterstützung Gazas kam, bei dem 10 türkische Staatsbürger zu Tode kamen. Eiszeit folgte, bis vor kurzem wieder die Nachricht in der Presse erschien, dass die Beziehungen geglättet seien und eine für beide Seiten eine akzeptable Regelung für eine mögliche Versorgung der Bewohner Gazas durch die Turkei gefunden wurde.

Im November 2015 wurde ein russischer Jet an der Grenze zu Syrien abgeschossen. Eienr der Piloten wurde von Turkmenen ermordet. Der Abschuss wurde gerechtfertigt als Maßnahme zum Schutz der eigenen Souveränität. Nach neuesten Meldungen sollen nun nach dem Putsch die am Abschuss beteiligten Piloten festgenommen worden sein. Grund: Sie sollen im Auftrag der Gülen-Bewegung bewusst das Verhältnis zu Russland gestört haben. Russland fordert die Verurteilung des Mörders eines der abgeschossenen russischen Piloten. Es ist schwer in diesem irrlichternden Hin und Her eine klare Linie der Außenpolitik zu erkennen. Es sind eher dem Augenblick geschuldete Ad-hoc-Entscheidungen, um die Türkei aus einer gefährlichen Isolierung freizubekommen. Erdogan ist weniger Akteur als Getriebener, scheint mir.

Die Türkei sah sich traditionell als Schirmherrin der Krimtataren und Tataren in Russland an. Davon ist derzeit wenig zu sehen.

"Als Erdogans AKP 2011 zum dritten Mal die Parlamentswahlen gewann, sagte Erdogan vor jubelnden Anhängern: "Heute hat Sarajevo genauso gewonnen wie Istanbul, Beirut genauso wie Izmir, Damaskus genauso wie Ankara, Ramallah, Nablus, Dschenin, die Westbank, Jerusalem genauso wie Diyarbakir."

Link: http://www.t-online.de/wirtschaft/id_78487950/tuerkei-wirtschaft-die-wackligen-saeulen-des-erdogan-booms.html


Das könnte als Ansatz für ein außenpolitischcs Programm gesehen werden. Wobei zu fragen ist, was es mit dem Panturanismus auf sich hat, der die Beziehungen zu den in Innerasien lebenden Turkvölkern in den Vordergrund stellt. Vielleicht will Erdogan warten, bis er einen Weltmachtstatus erreicht hat?

Erdogan hat die Unterstützung des größeren Teils der Bevölkerung, vor allem der Landbevölkerung. Die in der Bundesrepublik lebenden Türken wählten Erdogans AKP mit 59,7%.

Vor allem die wirtschaftlichen Erfolge der Türkei haben Erdogan weitgehende Zustimmung gebracht. Er wird diese Erfolge in der Zukunft dringend benötigen. Es fragt sich aber, ob er damit Erfolg haben wird.

"Ihr Image als Macher-Partei trieb die AKP mit zahlreichen Großprojekten voran. Dazu gehörten der Marmaray-Bahntunnel unter dem Bosporus und der weltgrößte Flughafen, den Erdogan in Istanbul bauen lässt - gegen den Widerstand von Umweltschützern und Verwaltungsrichtern, die das Projekt nur kurzzeitig stoppen konnten.
"Wir haben die Welt überholt, in der Luft kennen wir keine Konkurrenten", prahlte Verkehrsminister Lütfi Elvan kurz vor Baubeginn."
Link: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/wirtschaft-in-der-tuerkei-erdogans-achillesverse-a-1104444.html


In der Tat: Weltniveau, wenigstens rhetorisch. Die Frage ist jedoch, ob die ökonomischen Erfolge der Vergangenheit wirklich in erster Linie ein Erfolg Erdogans sind oder nur der Gunst der in jener Zeit (zu Beginn des Jahrhunderts) herrschenden Umstände geschuldet waren. Die Reformen, die der parteilose Finanzminister, der Vorgänger, in die Wege geleitet hatte, trugen wesentlich zum Erfolg Erdogans bei.

Der kurze Blick auf die Politik Erdogans vor und nach dem Militärputsch zeigt einen Zickzackkurs und keine Kontinuität. Nur Beständigkeit führt aber zu Transparenz und Stabilität, welche neben Vertrauen Voraussetzung ist für Investitionen, die die türkische Wirtschaft jetzt dringender benötigt als je. Die Auslandsverschuldung ist hoch, ebenso die private Verschuldung. Wenn der Geldfluss aus dem Ausland ausbleibt, wichtige Industriezweige wie der Tourismus einbrechen, kann es zu wirtschaftlichen und sozialen Problem kommen, was wiederum staatliche Repressionen zur Folge haben wird. 43% der internationalen Kredite müssen im nächsten Jahr refinanziert werden. Es macht wenig Sinn Türken danach zu fragen, um die Lage zu erklären, wie hier in einem anderen Thread suggeriert wurde . Selbst Leute, die gebildet genug sind, schwelgen in Großmannsucht. Erdogan habe alle türkischen Auslandschulden getilgt, behauptete vor einigen Jahren ein bei einem Autokonzern beschäftigter leitender türkischer Angestellter. Beim Überprüfen der Angaben bei Google stellte ich fest, dass die Türkei nur die vom IWF zur Verfügung gestellten 45 MRD USD getilgt hatte.

Die Türkei nimmt unter den islamischen Staaten eine Ausnahmestellung ein: Sie wird als Demokratie klassifiziert. Für mich lautet deshalb die Frage: Kann ein islamisch bestimmter Staat eine Demokratie sein? Besteht Demokratie nur aus formalen Regeln der Willensbildung und Entscheidungsfindung? Unmittelbar nach dem Putsch sprachen westliche Politiker und die Parteien im türkischen Parlament von einem Sieg der Demokratie. Kann aber ein Staat, der die Minderheiten- und Oppositionsrechte und Freiheitsrechte schon vor und dann nach dem Putsch rigoros missachtet, eine Demokratie genannt werden? Mit dem Wahlerfolg der gemäßigten Kurdenpartei HDP mit 16% hatte Erdogan die angestrebte Zweidrittelmehrheit (?) verfehlt. Er strebte kurz Neuwahlen an. Das Wahlrecht mit einer Sperrklausel von 10% für kleine Parteien hatte seinen Zweck für Erdogan verfehlt. Wir wissen, dass es Neuwahlen gab mit einem großen Erfolg für Erdogan. Aber die Sperrklausel im Wahlrecht ist der casus knacktus. Alle abgegebenen Stimmen für eine Partei unter 10% fallen automatisch an die stärkste Fraktion, also an die AKP.

Viele Grüße
c.
olga64
olga64
Mitglied

Re: Ein Militärputsch kann nicht die Lösung sein
geschrieben von olga64
als Antwort auf urmelviech vom 22.07.2016, 07:37:19
xxxx Bei Putin war man schnell Sanktionen verhängt. und hat sie selbst aktuell nicht gemindert.
Also wenn man wöllte konnte man schon Herrn Erdogan Paroli bieten.
aber das ist die hohe Politik des Geldes und der Unternehmen.
Das will man aber nicht.
Im Augenblick reduziert sich alles nur darum nicht den fragwürdigen Flüchtlingsdeal zu gefährden.
Die Tone der übrigen EU Mitglieder sind deutlicher und schärfer als aus Berlin und der EU Elite in Brüssel.


Sind Sie sicher, dass die Sanktionen gegenüber Russland von der Nato installiert wurden oder war es nicht einstimmig die EU mit ihren 28 souveränen Staaten, weil Russland in einer Nacht- und Nebelaktion die Krim annektierte?
Sind Sie auch sicher, dass Sie bei einer Beendigung des sog. Flüchtlingsdeals als BürgerIn dieses Landes es wünschen, dass Millionen Flüchtlinge zu uns kommen? Und was empfehlen Sie dann, mit diesen zu tun, wo sie unterbringen, wie sie integrieren usw.?
Welcher Ton der übrigen EU-Mitglieder ist "deutlich und schärfer"? ERklären diese sich auch parallel explizit bereit, wenigstens einen Teil der dann zu erwartenden Millionen Flüchtlinge im eigenen Land aufzunehmen? Oder sind es nicht die Länder in der EU, die keine grossen "Geschäfte" mit der Türkei (übrigens auf Gegenseitigkeit) machen?
Wirtschaftlich wird die Türkei auch ohne diese Sanktionen schwer zu leiden haben: die Touristen bleiben weg, eine der wichtigsen Einnahmequellen. Und darunter wird nicht in erster Linie Herr Erdogan leiden, sondern Millionen Türken, die sich damit ihren Lebensunterhalt finanzieren. Olga
Re: Ein Militärputsch kann nicht die Lösung sein
geschrieben von ehemaliges Mitglied
24. Juli 2016 - Amnesty International hat glaubwürdige Beweise zusammengetragen, denen zufolge Gefangene in offiziellen und inoffiziellen Hafteinrichtungen in der Türkei gefoltert werden. Unter anderem gibt es Berichte über Schläge und Vergewaltigungen. Amnesty fordert, dass unabhängigen Beobachterinnen und Beobachtern sofort Zugang zu allen Hafteinrichtungen gewährt wird, in denen nach dem Putschversuch Personen inhaftiert wurden. Dazu zählen Polizeizentralen, Sportstätten und Gerichtsgebäude. Seit dem gescheiterten Putschversuch vom 15. Juli 2016 sind bereits mehr als 10.000 Menschen inhaftiert worden.
Laut glaubwürdigen Berichten, die Amnesty vorliegen, beleidigt und bedroht die Polizei in Ankara und Istanbul Gefangene und verweigert ihnen Essen, Wasser sowie medizinische Versorgung. Außerdem zwingt sie Gefangene dazu, bis zu 48 Stunden in Stresspositionen zu verharren. Zudem wurden einige Gefangene brutal geschlagen und vergewaltigt.

"Die Berichte über Misshandlungen wie Schläge und Vergewaltigung in Haft sind äußerst besorgniserregend, insbesondere angesichts der Anzahl der Inhaftierungen in der vergangenen Woche. Die grauenvollen Details, die wir dokumentiert haben, sind nur einige der Misshandlungen, die möglicherweise gerade in Hafteinrichtungen stattfinden", so John Dalhuisen, Programmleiter für Europa und Zentralasien von Amnesty International.

"Die türkischen Behörden müssen diese abscheulichen Taten beenden und internationalen Beobachtern Zugang zu all diesen Gefangenen gewähren."

Viele Inhaftierte werden willkürlich festgehalten, teils in informellen Hafteinrichtungen, und erhalten keinen Zugang zu ihren Rechtsbeiständen und Familienangehörigen. Zudem wurden sie nicht angemessen über die gegen sie erhobenen Anklagen informiert, was ihr Recht auf ein faires Gerichtsverfahren untergräbt.

Am 23. Juli verkündete die türkische Regierung die erste Verfügung unter dem neu ausgerufenen Ausnahmezustand. Demnach können Gefangene nun nicht mehr nur wie bisher vier Tage lang ohne Anklage in Haft gehalten werden, sondern ganze 30 Tage lang. Inhaftierte sind damit einer erhöhten Gefahr von Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt. Zudem dürfen Beamtinnen und Beamte nun Treffen zwischen Untersuchungshäftlingen und deren Rechtsbeiständen beobachten oder gar aufzeichnen, und Inhaftierten wurden Einschränkungen bei der Wahl eines Rechtsbeistands auferlegt. All dies bedroht das Recht auf ein faires Verfahren noch weiter.
Folter und andere Misshandlung

Amnesty International sind mehrere Berichte zugegangen, nach denen Personen an inoffiziellen Orten wie Sporteinrichtungen und einem Stall festgehalten werden. Einige Häftlinge, darunter auch mindestens drei Richter, wurden in den Fluren von Gerichtsgebäuden festgehalten.

Die Organisation hat mit Rechtsbeiständen, Ärztinnen und Ärzten sowie mit einer in einer Hafteinrichtung beschäftigten Person über die Haftbedingungen gesprochen.

Die Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchten, berichteten über Folter und andere Formen der Misshandlung an Häftlingen, insbesondere in der Sporthalle der Polizeizentrale in Ankara sowie in der Başkent-Sporthalle in Ankara und den zugehörigen Reitställen.

Diesen Berichten zufolge zwingt die Polizei Gefangene dazu, in Stresspositionen zu verharren, beleidigt und bedroht sie und verweigert ihnen Essen, Wasser sowie medizinische Versorgung. Zudem wurden einige Gefangene brutal geschlagen und misshandelt, in einigen Fällen auch sexuell genötigt und vergewaltigt.

Zwei Rechtsbeistände, die Gefangene in Ankara vertreten, gaben gegenüber Amnesty International an, dass Häftlinge gesehen hätten, wie hochrangige Militäroffiziere im Gewahrsam von Polizeikräften mit einem Knüppel oder mit Fingern vergewaltigt wurden.

Eine in der Sporthalle der Polizeizentrale in Ankara beschäftigte Person berichtete über einen Gefangenen, der schwere Verletzungen und eine Schwellung am Kopf aufwies, was darauf schließen lässt, dass er geschlagen wurde. Der Gefangene soll nicht mehr in der Lage gewesen sein, gerade zu stehen oder seine Augen zu fokussieren, und verlor schließlich das Bewusstsein. Während manchen Inhaftierten eine begrenzte medizinische Versorgung gewährt wurde, verweigerte die Polizei diesem Gefangenen offenbar trotz seiner schweren Verletzungen die dringend nötige Behandlung. Ein Polizeiarzt soll gesagt haben: "Lass ihn sterben. Wir sagen einfach, dass er schon tot hier ankam."
geschrieben von Amnesty International


Vollständiger Artikel hier lesbar:

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