Innenpolitik Wir Älteren und die Nazizeit
@ corgy
Sehr gute Empfehlung. Dieses Buch Klemperers war bei uns Stoff im Staatsbürgerkundeunterricht 9. Klasse.
Ich kann denen von uns, die es noch nicht kennen und auch den Nachkommen hier nur noch einmal das im ST schon sehr oft erwähnte und sehr wichtige Buch von
Victor Klemperer (1881-1960) mit dem Titel LTI empfehlen -
Der jüdische Romanist Victor Klemperer hat während der Hitler-Herrschaft die Sprache der Nationalsozialisten analysiert und dokumentiert. Er zeigt in „LTI“ (Lingua Tertii Imperii) die Manipulation der Menschen mit Stilmitteln wie dem Superlativ.
Liebe Corgy,
danke. Ich möchte das ergänzen durch einen Hinweis auf Victor Klemperers Tagebücher, eines der erschütternsten Dokumente des Lebens eines Juden im Faschismus.
LG
DW
Nein digi, das sehe ich nicht so. Die Fülle an Dokumentationen, die Unmengen an Büchern, die zum Thema verfasst wurden, die Besuche in KZ's, Filme, die Kanäle zdf-history und andere mehr zeigen ständig Originalaufnahmen und Dokus, das alles hat ein Bild der Nazi-Herrschaft geschaffen, dem an Grausamkeit nichts fehlt, um sich eine Meinung zu bilden. Oder auch was mich betrifft, an Ausstellungen zu diesem Thema mitzuarbeiten, Material zusammenzutragen, Zeitzeugen zu sprechen, vlt. auch ein Besuch in Yad Vashem. Das alles genügt, um einen Standpunkt zu haben.
Mal im Emil:
Ich glaube, das Thema kann wirkungsvoll nicht theoretisch behandelt werden.
Diese Grauen muss Mensch erlebt haben, um sie richtig werten zu können.
Die Menschen, die das erlebten und überlebten, gibt es aber kaum noch; denn die sind verstorben.
Meine in der NS-Zeit lebenden Angehörigen hätten das Geschehen nicht in diesem Umfang vermitteln können, sie waren entsetzt und hätten solche Dinge nie für möglich gehalten. Als ich im Alter von ca. 12 Jahren ein KZ besuchte und zu Hause davon erzählte, haben das meine Großeltern kaum geglaubt, was ich mit eigenen Augen gesehen und erfahren habe.
Es ist schade, wenn das heute in den schulischen Lehrplänen kaum noch Platz findet und vermittelt wird, weil es immens wichtig ist, wenn man sieht, dass Nazi-Symbole und -Denkweisen wieder verwendet werden. In meiner DDR-Schulzeit war das anders, Informationen über diese Zeit durch die Schule gab es in allen höheren Klassenstufen.
Michiko
Die Tagebücher und die LTI, die übrigens Bestandteil der Tagebücher ist und dann gesondert herausgegeben wurde, habe ich alle gelesen.
Die Tagebücher sind besonders erhellend, weil sie den Alltag von Juden in der Zeit beleuchten.
In der Schule haben wir das im Geschichtsunterricht nicht thematisiert, nur unsere Deutschlehrerin hat das getan und mit uns das Tagebuch der Anne Frank besprochen.
Darüber hatten wir uns aber schon ausgetauscht, ich wiederhole mich.
In meiner Schulzeit war das alles noch ein Tabu außer für die Linken, zu denen zählte meine tolle Deutschlehrerin.
Ich glaube nicht, dass das heute immer noch so ist, deshalb war ich auch etwas verwundert über manche Pauschalaussagen hier.
Mein Sohn, Jg. 1976, hat in der Schule vieles intensiv vermittelt gekriegt. Ob das alles wieder zurückgegangen ist, weiß ich nicht.
Meine Erfahrungen dazu:
In der Gymnasialzeit der Töchter, somit Mitte bis Ende der 80er Jahren wurde Nazizeit und Holocaust sehr intensiv in allen Klassen/Jahrgangsstufen durchgenommen, häufig an Hand von Lektüren.
Bei den Enkeln war das schon wesentlich anders:
Enkelin (Gymnasiastin) - das Thema wurde eher flüchtig gestreift.
Enkel (Realschule) - wohl auch aufgrund der Zusammensetzung der Schülerschaft wurde dieses Thema nicht als Lehrstoff behandelt, stand aber ständig "im Raum", weil das Schimpfwort Nazi auf dem Schulhof ständig präsent war.
Ob es einen Faktenfinder dazu gibt, weiß ich nicht.
So auf der Schnelle: https://www.bundestag.de/resource/blob/577838/057659f45ba3ae2fc1ba10aca4f1da91/WD-8-091-18-pdf-data.pdf
Soeben bestellt.
Liebe Corgy,
danke. Ich möchte das ergänzen durch einen Hinweis auf Victor Klemperers Tagebücher, eines der erschütternsten Dokumente des Lebens eines Juden im Faschismus.
LG
DW
Aber dein PDF ist doch schon ein Faktenfinder, vielen Dank!
Ich habe jetzt nur mal kurz reingeguckt, ab S. 7 erfährt man dann eine Menge über die Verankerung dieser Zeit im Unterricht.
Zitat:
"Laut Kultusministerkonferenz ist der Themenbereich Nationalsozialismus und Holocaust in allen Bundesländern im Fach Geschichte beziehungsweise in gesellschaftswissenschaftlichen Fächern mit einem hohen Anteil an Geschichte fest verankert. Für die Jahrgangsstufen 9 oder 10, vereinzelt auch 8, sei dieser Themenbereich verpflichtender Unterrichtsgegenstand. In der Regel kämen deshalb alle Schülerinnen und Schüler im Laufe ihrer Schulzeit mit dem Thema in Berührung.
Darüber hinaus würden Nationalsozialismus und Holocaust innerhalb anderer Unterrichtsfächer des Sekundarbereichs I mit einer fachspezifischen Schwerpunktsetzung thematisiert. Dies sei vor allem in Deutsch und Religion/Ethik der Fall. Im Sekundarbereich II sei der Themenbereich erneut verpflichtender Unterrichtsgegenstand, wobei vertiefende und größere Zusammenhänge
aufgezeigt würden.10"
Wie weit die Schulen sich daran halten, wissen wir natürlich nicht. Aber deutlich wird für mich durch deine Verlinkung, dass man vorsichtig sein sollte mit Pauschalbehauptungen, und dass es nicht so klar sein dürfte, dass dieses Thema nicht ausreichend behandelt wird in den Schulen. Das wird für einige gelten, aber sicher nicht für alle.
Du kennst ja sicher meinen Spruch:
Ich glaube, das Thema kann wirkungsvoll nicht theoretisch behandelt werden.
Diese Grauen muss Mensch erlebt haben, um sie richtig werten zu können.
Die Menschen, die das erlebten und überlebten, gibt es aber kaum noch; denn die sind verstorben.
Stimmt. Aber ihre Kinder und Kindeskinder leben noch, @digi, und auch diese sind geprägt von den Erfahrungen und vom Leid ihrer Eltern und Großeltern. Jedenfalls seitens der Opfer. Ob die Nachkommen der Täter auch leiden, weiß ich nicht, zu denen gehöre ich nicht.
LG
DW
Es muss erst richtig weh tun, damit Mensch was (Unangenehmes) lernt.
Ein Beispiel von mir.
Auf mich wurde (ungezielt beim WegRennen) geschossen; was ich abkriegte, ist noch als (kleine) Narbe am Hals zu erkennen. Ich mag mich erinnern, dass ich vor Angst und Anstrengung gekotzt habe. Es war Winter.
Dann habe ich mit erlebt, wie Männer (Opas) aus dem Haus getrieben wurden, und erschossen wurden. Einfach so.
Wenn heute in Medien über irgendwelche Schießereien unter Clans berichtet wird, das geht doch alles allen am Bobbes vorbei. Das ist so weit weg.
Das Grauen jener Zeit kann aber keiner -auch ich könnte es nicht, falls ich wollte- vermitteln.
Auch Dachau gibt vorübergehend einen Eindruck jener Zeit. Bis dieser Eindruck eben wieder übertüncht wird von 'achso-wichtigen' News. Ob zB Hartz-IV erhöht wird um 5 Euro pM, nach jahrelangem Gezergel.
Auch wenn ich hier gelegentlich von der Weimarer Republik was einwerfe, wird das abgekanzelt, dass heute doch ganz andere Zeiten sind. Aber die Zeichen am Horizont werden nicht erkannt. Sie sind aber erkennbar. So werde wohl auch ich meine Erfahrungen mit in die untere Etage des Blumenbeetes nehmen. In Wirklichkeit juckt auch das niemanden, nicht mal mich selber.
Geschichte nimmt ihren Lauf - und wiederholt sich.
Da kann Mensch eigentich glücklich sein, in einem sauberen Umfeld zu leben.
Als eindrucksvolles Beispiel könnte ich dafür Canada nennen.
Noch ein verbundenes Thema.
Wenn es richtig weht tut, dann lernt Mensch (besonders fix). Das trifft auf mich einmal zu, und unsere Kids haben das nicht erlebt.
Von meiner Schwester (16 Jahre voraus) habe ich (nur) einmal richtig Dresche bezogen, da war ich 6. Aber derbe. Danach hab ich festgestellt, dass ich doch etwas kann - so ich es nur möchte. Und das hat mich sehr weit gebracht. Es wird mich aber nie zum Gendern bringen.
Sie -und ich- hatten wohl (damals) keine andere Wahl, um zu meinem Inneren durchzukommen, und zu vermitteln, dass die Wlt anders läuft. Mich wachzurütteln. Weil ich durch diese erlebten Grauen einfach 'dicht' und unfähig war, Neues aufzunehmen, war das einfach notwendig.
Heute erübrigt sich eine solche 'Maßnahme' allerdings, weil das Grauen, die Verstörtheit einfach nicht blockierend davorsteht.
Wie vermittelt man den heutigen Kids dann eindringlich, um was es geht? Heutzutage wird doch alles weichgespült, und das Ganze ist doch dann im Grunde so fern ... also uninteressant, rauscht vorbei. Könnte evtl bei Google irgendwo stehen.
Warum ich diese persönlichen Erfahrungen hier rauslasse?
Weil das hier ein Offenes Forum ist, und auch Wissen und Erfahrung persönlicher Art weitergegeben werden kann. In Grenzen allerdings; denn es gibt (auch hier) immer jemanden, der das übel/bösartig auslegt. Nun denn; dann sei es so. Auch das werde ich überleben.
Jetzt werde ich einen Gang über einige Hügel und/oder durch den Kurpark erleben (wie immer mit Foroapparat); noch ist nämich erträgliches Wetter hier. Erstaunlich was sich dort schon an Knospen zeigt.
Ende der 40er gab es noch 2 m Neuschnee; heuer ist eben ALLES weichgespült - oder aufgeheizt.
Horrido!
Meine Erfahrungen dazu:@Mareike
In der Gymnasialzeit der Töchter, somit Mitte bis Ende der 80er Jahren wurde Nazizeit und Holocaust sehr intensiv in allen Klassen/Jahrgangsstufen durchgenommen, häufig an Hand von Lektüren.
Bei den Enkeln war das schon wesentlich anders:
Enkelin (Gymnasiastin) - das Thema wurde eher flüchtig gestreift.
Enkel (Realschule) - wohl auch aufgrund der Zusammensetzung der Schülerschaft wurde dieses Thema nicht als Lehrstoff behandelt, stand aber ständig "im Raum", weil das Schimpfwort Nazi auf dem Schulhof ständig präsent war.
Ob es einen Faktenfinder dazu gibt, weiß ich nicht.
So auf der Schnelle: https://www.bundestag.de/resource/blob/577838/057659f45ba3ae2fc1ba10aca4f1da91/WD-8-091-18-pdf-data.pdf
ich habe nur die mittlere Reife, erinnere mich aber, dass sehr früh dieser Stoff im Unterricht behandelt wurde, schätze mal so 6. Klasse. Bei meiner Tochter bis fast zum Ende der Gymnasialzeit. Ein Buch hat bei mir Eindruck hinterlassen, vlt. weil es das erste zu diesem Thema war, das ich las. Von Bruno Apitz: "Nackt unter Wölfen", auch verfilmt. Die Geschichte um das Buchenwald-Kind. Und von Anna Seghers: "Das siebte Kreuz", auch ein Pflichtbuch, es geht um sieben Häftlinge, die aus einem KZ fliehen und das im Unterricht behandelt wurde.
Aktuell bin ich gespannt, ab wann mein Enkel (12) mit diesem Thema in der Schule in Berührung kommt.
LG Michiko
Kinder MÜSSEN nicht in allen Einzelheiten VOR einem bestimmten Alter mit den Gräueltaten der Nazis in Berührung kommen .
Das könnte sie erschrecken .
ABER :
man kann durchaus schon früher mit verwandten Themen in den unteren Jahrgangsstufen mit den Themen "Rassismus und Dislkriminierung " beginnen .
DAS wäre schon mal ein guter Anfang .
Weil das Eine mit dem Anderen unmittelbar verwoben ist .
Immer unter der Voraussetzung , dass das altersgerecht stattfindet .
Hatte ich übrigens auch so und nicht anders geschrieben . 😊