Innenpolitik Wir Älteren und die Nazizeit
Liebe @Mareike,Lieber DW
mir ist jetzt nicht ganz klar, was Du mit dem Beitrag sagen, worauf Du hinweisen möchtest.
Dass KEIN Bericht/Roman/Text wirklich neutral und objektiv sein KANN, sondern immer auch eine wie auch immer geartete gewollte oder ungewollte "Botschaft" dahinter steckt, ist klar. War es das, was Du sagen willst?
LG
DW
Dieser Tage versuchte ich mich zu erinnern, wie die Erinnerungskultur in den Niederlanden war.
Ich versuchte auch Klarheit darüber zu bekommen, ob sich da etwas gewandelt hat.
Und ja, es hat sich gewandelt.
In meiner Kindheit und Jugendzeit waren wir, die Niederländer, die Befreiten - und die Mitläufer und erst recht die aktiven NSB-er wurden geächtet. Erst Jahrzehnten später erfuhr ich, dass die Barackensiedlung, fußläufig 10 Minuten von unserer Straße am Ortsrand entfernt, ein Internierungslager für NSB-er und ihre Familien war.
Die sogenannte Neutralität der Niederlande während der Besatzungszeit war kein Thema, wurde nicht näher betrachtet.
Das hat sich erst so nach und nach geändert.
Da lohnt es, mal bei Wikipedia reinzuschauen: https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Niederlande_unter_deutscher_Besatzung
Zitat: "Der Historiker und Publizist Chris van der Heijden vertrat in seinem 2001 veröffentlichten Buch Grijs verleden: Nederland en de Tweede Wereldoorlog die Ansicht, dass die bisherigen Charakterisierungen des Verhaltens der Niederländer während der Besatzungsjahre falsch seien: Jeder habe um sein Überleben gekämpft und sei Kompromisse eingegangen. Die Entscheidung darüber, ob man im Widerstand aktiv geworden sei oder kollaboriert habe, sei weniger eine Konsequenz aus Entscheidungen für oder gegen den Nationalsozialismus gewesen, sondern eher das Resultat von Zufällen.[248] „Die Niederlande waren das Land, in dem nie etwas passierte, es gab keine Kultur des Kampfes. Wir waren es nicht gewohnt, uns gegenseitig oder andere zu erschießen.“[249] Angesichts der zahlreichen Opfer, die die Aktionen des niederländischen Widerstandes etwa in Putten und der Woeste Hove zur Folge hatten, stellte van der Heijden andererseits deren Sinnhaftigkeit in Frage: Sie hätten nichts gebracht, aber es habe zahlreiche Tote gegeben. Er stellte auch Sinn und Wirkung des Eisenbahnerstreiks ab Herbst 1944 in Frage, wegen dem tausende Menschen an Hunger starben.[250] Van der Heijden sah das Verhalten der niederländischen Bevölkerung während der Besatzung genereller: Die Einteilung in „gut“ und „schlecht“ entspringe einem einfachen Weltbild, das von Religion geprägt und ein „Mythos“ sei: „Wenn der Zweite Weltkrieg eins gelehrt hat, dann ist es die alte Wahrheit, dass der Mensch, abgesehen von einigen Helden und Heiligen, weder gut noch schlecht ist, noch schwarz oder weiß, sondern grau.“[251]"
Letzteres entspricht wohl in etwa auch meine persönliche Einschätzung ...
Mareike
Die Entscheidung darüber, ob man im Widerstand aktiv geworden sei oder kollaboriert habe, sei weniger eine Konsequenz aus Entscheidungen für oder gegen den Nationalsozialismus gewesen, sondern eher das Resultat von Zufällen.[248]Puhh! Für mich etwas heftige Feststellungen. Während meiner sozialistischen Orientierung und politischer Arbeit, hatte ich auch Kontakt zu Menschen, die im Widerstand aktiv waren. Bei niemandem davon würde ich, auch im Nachhinein, davon ausgehen, dass sie "zufällig" gehandelt hätten.
Die Einteilung in „gut“ und „schlecht“ entspringe einem einfachen Weltbild, das von Religion geprägt und ein „Mythos“ sei: „Wenn der Zweite Weltkrieg eins gelehrt hat, dann ist es die alte Wahrheit, dass der Mensch, abgesehen von einigen Helden und Heiligen, weder gut noch schlecht ist, noch schwarz oder weiß, sondern grau.“[251]"
geschrieben von Mareike
Ich hab, den Wikipedia-Eintrag, über "Die Niederlande unter deutscher Besatzung" zunächst nur überflogen. Aber, der von Dir zitierte, Chris van der Heijden, scheint, bei seinen Ausführungen nicht unumstritten (gewesen) zu sein:
"Insbesondere van der Heijdens Buch erregte in den Niederlanden erhöhte Aufmerksamkeit, weil sein Vater in der NSB aktiv war und sein Großvater Mitglied der SS, und ihm wurde Befangenheit unterstellt. Während etwa Hans Blom diese Vorwürfe zurückwies, kritisierten andere Historiker die „Nivellierungstendenzen“ bei van der Heijden und bei van der Boom. So äußerte Bloms Nachfolgerin beim NIOD, Marjan Schwegman, man habe „immer eine Wahl“.Die Amsterdamer Professorin für jüdische Geschichte, Evelien Gans, warf van der Heijden 2011 „sekundären Antisemitismus“ vor und forderte einen „Historikerstreit“."
Quelle: Wikipedia, Die Niederlande unter deutscher Besatzung, letzter Absatz, im Abschnitt "
Rückblick der Historiker", abgerufen, am 20.01.2022
pace e bene
Bernd
Die Einteilung in „gut“ und „schlecht“ entspringe einem einfachen Weltbild, das von Religion geprägt und ein „Mythos“ sei: „Wenn der Zweite Weltkrieg eins gelehrt hat, dann ist es die alte Wahrheit, dass der Mensch, abgesehen von einigen Helden und Heiligen, weder gut noch schlecht ist, noch schwarz oder weiß, sondern grau.“[251]"
Letzteres entspricht wohl in etwa auch meine persönliche Einschätzung ...
Mareike
Manchem kann ich zustimmen, liebe Mareike, aber das hier Fettgedruckte ist m.N.n. eine Relativierung, ja, Verharmlosung des Bösen. Helden und Heilige gibt es in der Tat wenige, und auch böse Menschen können durchaus nette Seiten haben, das sieht man an den Nazigrößen, die liebevolle Eltern gewesen sein sollen. Aber die waren auch das BÖSE, z.B. für meine russisch-polnisch-jüdischen Vorfahren und für die Vorfahren anderer, denen es noch viel schlimmer erging als meinen Vorfahren, die nach Folter und Gefängnis ja immerhin überlebt haben.
Sorry, aber alle Versuche zur Relativierung, ob gewollt oder ungewollt (ich unterstelle Dir nicht, das zu WOLLEN, wirklich nicht!) sind für mich dermaßen unerträglich, dass ich aus diesem Thread raus muss. Ich hoffe, Du verstehst das. Vielleicht kann man das so "rational" sehen wie Du, wenn man keinen DIREKTEN Bezug zu Opfern hat (ich weiß es ja nicht, ob das bei Dir der Fall ist), für mich kann ich das nicht.
Schönen Gruss
DW
Klar ist Von der Heyden nicht unumstritten.
Das macht doch gerade das Wesen der nennen wir es Erinnerungskultur aus: Ein Jeder erinnert auf seiner Weise, auf seinem Hintergrund, UND nicht zu vernachlässigen: Alles das, was ihm mitgeteilt und/oder verschwiegen und gelehrt wurde.
Das ist der Grund dafür, dass ich mich für alle Facetten interessiere.
Auch könnte man nachsinnen über den Begriff des Zufalls.
Die Einteilung in „gut“ und „schlecht“ entspringe einem einfachen Weltbild, das von Religion geprägt und ein „Mythos“ sei: „Wenn der Zweite Weltkrieg eins gelehrt hat, dann ist es die alte Wahrheit, dass der Mensch, abgesehen von einigen Helden und Heiligen, weder gut noch schlecht ist, noch schwarz oder weiß, sondern grau.“[251]"
geschrieben von Mareike
Das, Bernd Heinrich, ist, was Mareike im Kern mit dem Zitat sagt.
Es würde vermutlich die Zustimmung Sebastian Hafners erfahren, der in seinen "Anmerkungen zu Hitler" seinerzeit meinte; wäre dieser 1938 gestorben, würde er vermutlich als großer Staatsmann in die Geschichte eingegangen sein, erinnere ich.
Der Zufall - die Geschichte oder die Vorsehung, welche Hitler oft beschwor - hat es anders erbracht.
Nicht unumstritten?
Das ist gewöhnlich nur banales.
geschrieben von Mareike
Das, Bernd Heinrich, ist, was Mareike im Kern mit dem Zitat sagt.
Es würde vermutlich die Zustimmung Sebastian Hafners erfahren, der in seinen "Anmerkungen zu Hitler" seinerzeit meinte; wäre dieser 1938 gestorben, würde er vermutlich als großer Staatsmann in die Geschichte eingegangen sein, erinnere ich.
Der Zufall - die Geschichte oder die Vorsehung, welche Hitler oft beschwor - hat es anders erbracht.
Nicht unumstritten?
Das ist gewöhnlich nur banales.
Wenn ich zB Filme und Dokus über die ehemalige DDR sehe, versuche ich mir vorzustellen, wie ein Mensch, der in der DDR aufwuchs diesen Film oder Doku beurteilen würde.OT
geschrieben von Mareike
Ja Mareike, bei Filmen wie "Good by Lenin" oder die Serie "Weißensee" u.a. muss ich lächeln oder auch den Kopf schütteln, das ist Kintopp!! Es war nicht auf diese Art lustig und oft noch viel schlimmer und überhaupt ganz anders. Und jeder DDR-Bürger würde Dir sowieso etwas Anderes erzählen. Doch was solls, erzählen würde ich nichts, hier schon gar nicht, bin froh, dass vieles überstanden ist.
Michiko
Nun habe ich mir die Mühe gemacht, mir eine Rezension über
Grijs verleden
Nederland en de Tweede Wereldoorlog
Graue Vergangenheid
Die Niederlande und der zweite Weltkrieg
Die Niederlande und der zweite Weltkrieg
von Chris van der Heijden
zu Gemüte zu führen.
Vielleicht gibt es Möglichkeiten sich diese Seite übersetzen zu lassen, es wäre sehr aufschlussreich.
Jedenfalls widmet Chris van der Heyden sehr viel Zeit, Aufwand und Recherchen, um nachzuweisen, wie sehr verstrickt viele Niederländer waren in den unsäglichen Verbrechen dieser Zeit.
Die Schlussfogerung von @BerndHeinrich schließt hier zu kurz.
Rezension: http://historischhuis.nl/recensiebank/review/show/284
Der Blick auf den Widerstand ist nochmal ein gesondertes Thema. Häufig kam der organisierte Widerstand von den Kommunisten.
Hier ist das von mir genannte Buch von Harry Mulisch "Das Attentat" aufschlussreich, wenn auch nur als Roman. Die Romanfigur des Cor Takes basiert auf dem historischen Widerstandskämpfer Jan Bonekamp, Truus Coster auf Hannie Schaft (1920–1945).
Nicht immer wurden diese Menschen geehrt ... andere bekamen Denkmäler, je nach politischer Ausrichtung.
Ich bin mir bewusst- alles hinterfragbar.
Mareike
Vielleicht gibt es Möglichkeiten sich diese Seite übersetzen zu lassen, es wäre sehr aufschlussreich.
Jedenfalls widmet Chris van der Heyden sehr viel Zeit, Aufwand und Recherchen, um nachzuweisen, wie sehr verstrickt viele Niederländer waren in den unsäglichen Verbrechen dieser Zeit.
Die Schlussfogerung von @BerndHeinrich schließt hier zu kurz.
Rezension: http://historischhuis.nl/recensiebank/review/show/284
Der Blick auf den Widerstand ist nochmal ein gesondertes Thema. Häufig kam der organisierte Widerstand von den Kommunisten.
Hier ist das von mir genannte Buch von Harry Mulisch "Das Attentat" aufschlussreich, wenn auch nur als Roman. Die Romanfigur des Cor Takes basiert auf dem historischen Widerstandskämpfer Jan Bonekamp, Truus Coster auf Hannie Schaft (1920–1945).
Nicht immer wurden diese Menschen geehrt ... andere bekamen Denkmäler, je nach politischer Ausrichtung.
Ich bin mir bewusst- alles hinterfragbar.
Mareike
RE: Wir Älteren und die Nazizeit
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Hier ist das von mir genannte Buch von Harry Mulisch "Das Attentat" aufschlussreich, wenn auch nur als Roman. Die Romanfigur des Cor Takes basiert auf dem historischen Widerstandskämpfer Jan Bonekamp, Truus Coster auf Hannie Schaft (1920–1945).Mit Kommunisten tun die sich schwer. Eben schön in Gießen zu sehen.
Nicht immer wurden diese Menschen geehrt ... andere bekamen Denkmäler, je nach politischer Ausrichtung.
Ich bin mir bewusst- alles hinterfragbar.
Mareike
Das sind und bleiben die Bösen.
Eben!
Die Einteilung in „gut“ und „schlecht“ ...
Die Einteilung in „gut“ und „schlecht“ ...
Was ich sagen möchte @Karl:Guck doch einfach mal in gar nicht sooo ferne Länder wie z.B. Belarus, Polen, Ungarn, Russland, Türkei.....
Auch heute ist es möglich Menschen zu manipulieren.
Es geht doch beim Erinnern nicht nur ums Erinnern, sondern darum sich zu fragen, wäre das heute genau so möglich?!
I...........
Mareike
......oder weiter weg, z.B. nach Nordkorea, Tibet....
......und dann stelle (dir selber) diese Frage nochmals.