Innenpolitik Wir Älteren und die Nazizeit
" 900.000 Vergewaltigungsopfer habe es in Deutschland nach Kriegsende durch die Alliierten gegeben, so die Historikerin Miriam Gebhardt. Und das sei nur eine Hochrechnung, sagte sie im Dlf. Sie gehe von einer hohen Dunkelziffer aus. Für ihr Buch „Wir Kinder der Gewalt“ sprach sie mit Kindern der Opfer."
Massenvergewaltigungen bei KriegsendeDer Versuch, mit dem Trauma fertig zu werden
Edita
Ich beglückwünsche Jeden , und ich freue mich für Jeden , der als Kind aus dieser Zeit unversehrt und vollständig heile herauskommen konnte .
Danke für den Link, Edita!
pace e bene
Bernd
Ich möchte hier an dieser Stelle einen Text und ein Video einstellen, weil ich Alex Latotzky persönlich kenne und schätze und seine Geschichte wissenswert ist und er im Video erzählt, wie er mit den schrecklichen Erfahrungen seiner Kindheit umgeht. Das Video ist kurz 3 Minuten, schaut es Euch an.
Alexander Latotzky wurde 1948 im sowjetischen Speziallager Nr. 4 in Bautzen geboren. Seine Mutter Ursula Hoffmann war 1946 wegen angeblicher Spionage verhaftet und zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Im Speziallager in Torgau begann sie eine Liebesbeziehung mit dem sowjetischen Wachsoldaten Wladimir Brjutschkowski, der im „Dritten Reich“ Zwangsarbeiter in Brandenburg/Havel gewesen und nach einem Fluchtversuch zeitweise in Gestapo-Haft gewesen war. Bei Aufdeckung der Beziehung wurde er verhaftet, verurteilt und in die Lager des GULag verbracht. Während Mutter und Sohn bis 1950 im Speziallager in Sachsenhausen zusammenblieben, wurden sie nach der Übergabe von Ursula Hoffman an die DDR-Behörden getrennt. Alexander Latotzky kam in ein Kinderheim. Nach sieben Jahren konnte die dann entlassene Mutter ihn nach West-Berlin zu sich nehmen. 1995 wurde Ursula Hoffmann fast 30 Jahre nach ihrem Tod von den russischen Behörden rehabilitiert. 1999 konnte Alexander Latotzky erstmals seinen Vater in Russland treffen.
Übrigens: Die Rehabilitierung der Mutter konnte in Zusammenarbeit mit der nunmehr verbotenen Organisation Memorial e.V. erreicht werden.
Danke , Michiko.
Was soll ich sonst dazu sagen ?
Danke , Michiko.Nichts Tina, das reicht mir schon....
Was soll ich sonst dazu sagen ?
"Ueber die Nazizeit wurde bei uns nicht gesprochen"
Das war vermutlich in den meisten Familien der Fall, meine Eltern gehörten zu den Vertriebenen Stalins, lebten in einem Lager in Polen und dann mussten sie in den letzten Kriegsjahren aus Polen flüchten. Aber das Wort Nazi, das ich irgendwo aufschnappte und dann daheim Fragen zu diesem mir unbekanntem Wort stellte, loeste bei meiner Mutter fast Schnappatmung aus und sie Verbot mir dieses Wort zu benuetzen.
Schweigen überall, in der Schule sowieso.
Rosenbusch
In der Familie habe ich das ähnlich erlebt. Aber ich war ja nicht taub: wenn mein Vater Besuch von seinen alten Nazi-Kameraden bekam und sie das Hitlerbild (das versteckt irgendwo lag) herauskramten und dann diese Lieder gesungen haben, wo u.a. Juden verrecken sollen, liess mich dies schon als Teenager nicht unberührt und ich wollte mehr wissen, was damals geschah.
Es gab dann schon Leute in meiner Verwandtschaft und vor allem engagierte Lehrer und später an der Uni eine ganze Bewegung, die sich gegen das Schweigen der Eltern wehrte und auch dieProfessoren "in die Mangel nahm". Und dann kamen Filme wie Holocaust, die m.E. einen Umbruch brachten auch in der deutschen Bevölkerung. Parallel die Auschwitz-Prozesse des mutigen Herrn Bauer usw., der Prozess gegen Eichmann in Israel, der mit einem Todesurteil für diesen endete (und der vorher aus Argentinien entführt wurde).
Da war ich dann schon in dem Alter, wo ich dies auch begreifen konnte und es war schwierig, mich von anderer Seite anzulügen oder anzuschweigen.
Aber was mir aktuell die grösste Sorge bereitet, ist das Wiedererstarken dieser Nazis und zwar z.B. in Ostdeutschland in ähnlichem Rattenfänger-Ton, wie ihn z.B. der Faschist Höcke von der AFD anwendet,dem dann auche (wie dem Rattenfänger aus Hameln) die Leute zuströmen und ihn motivieren, immer noch widerlicher zu sprechen.
Ich b in seit langem gespannt darauf, welche Partei in Ostdeutschland die erste sein wird, die mit dieser AFD koalieren wird; dann wird ein Dammbruch erfolgen, wenn die nicht nur hetzend und keifend in den Parlamenten sitzen, sondern wirklich mitregieren.
Es wird hier bemängelt, dass in den SChulen zu wenig über die Nazizeit gelehrt würde. Ich kann das nicht beurteilen ,weil ich schon lange keine Schulen mehr besuchte und auch keine schulpflichtigen Enkel habe.
Es wird dann auch angeregt, es müsse Fächer wie Ethik geben, also eine Moralphilosophie als 'Grundlage für menschlich-zivilisiertes Verhalten.
Das dürfte die Sache aber nicht treffen: nach fast 100 Jahren vom Beginn der Hitlerzeit an gerechnet, gehört diese blutige und unmenschliche Phase, wo wir Deutsche die Zivilisation aufgekündigt hatten, in denGeschichtsunterricht. Dort wird diese Zeit aufgrund der langen Zeitspanne von SchülerInnen sowieso verortet - denn Zeitzeugen sterben nach und nach aus und alle, die später geboren wurden, können auch nur das berichten, was ihnen erzählt (oder nicht erzählt) wurde. Olga
"Ueber die Nazizeit wurde bei uns nicht gesprochen"Ich gebe dir Recht. Auch bei uns zu Hause wurde nicht viel darüber geredet. Mein Vati war erst in russischer, dann in amerikanischer Gefangenschaft. Eine Episode erzählte er aber manchmal voller Dankbarkeit: Verwundet und mit Erfrierungen wurde er von einer alten russischen Bäuerin gefunden. Die hat ihn erst mal aufgepäppelt, bis sie ihn dann der Kommandantur melden musste. Ohne sie wäre mein Vati wohl in Russland gefallen.
Das war vermutlich in den meisten Familien der Fall, meine Eltern gehörten zu den Vertriebenen Stalins, lebten in einem Lager in Polen und dann mussten sie in den letzten Kriegsjahren aus Polen flüchten. Aber das Wort Nazi, das ich irgendwo aufschnappte und dann daheim Fragen zu diesem mir unbekanntem Wort stellte, loeste bei meiner Mutter fast Schnappatmung aus und sie Verbot mir dieses Wort zu benuetzen.
Schweigen überall, in der Schule sowieso.
Rosenbusch
Sonst haben meine Eltern nicht viel erzählt. Auch nicht über die Judenverfolgung.
Dafür haben wir in der Schule viel darüber gelernt. Sowohl im Geschichtsunterricht als auch in Deutsch erfuhren wir von dem, was uns unsere Eltern nicht erzählen konnten oder wollten. Jede 8. Klasse wurde außerdem in Vorbereitung der Jugendweihe in ein Konzentrationslager geschickt. Wir waren immer in Buchenwald. Das erste Mal war ich 1963 dort, das letzte Mal1989. Was ich nicht verstehen konnte, war die Tatsache, dass ich als Kind noch die Berge von Schuhen, Haaren, Lampenschirmen aus Haut sowie viele "Untersuchungsräume" im Original sehen konnte, später aber nur noch Fotos gezeigt wurden. Wir waren damals beeindruckt, erschüttert. Sogar die frechsten Jungs hielten die Klappe. Die Fotos haben die Jugendlichen später nicht mehr so berührt. Es wird Gründe gegeben haben, warum das geändert wurde.
Und früher kamen öfter Großeltern mit in den Unterricht, die ein Konzentrationslager überlebt hatten. Es ist ein Unterschied, ob etwas aus eigener Erfahrung berichtet wurde oder ob man es nur gelesen hat. Solche Gespräche - die Kinder durften ja auch Fragen stellen - waren immer sehr emotional. Inzwischen kann diese Generation als ausgestorben betrachtet werden, so dass unmittelbare Augenzeugen nur noch im Video gezeigt werden können.
Simiya
Während wir hier diskutieren, fällt mir wieder der Film ein: "der Junge im gestreiften Pyjama",den ich nun schon einige Male gesehen habe und der mich immer wieder beeindruckt.
Hier wird, basierend auf einem irischen Buch, die Gestalt von Rudolf Höss, des Kommandanten von Auschwitz und seiner Familie nachgezeichnet.
In diesem Buch und Film wohnt die Familie direkt neben dem KZ. Der Sohn erkundet die Umgebung und landet vor dem Zaun, wo ein jüdisches 'Kind in Gefangenschaft in seiner Sträflingskleidung sitzt. Die beiden freunden sich Zaun:Zaun an; der deutsche Junge bringt dann auch Essen und Süssigkeiten, die er im Nazi-Haushalt stiebitzt.
Irgendwann möchte der deutsche Junge hinter den Zaun und sich das ansehen. Dafür beschafft ihm der jüdischer Junge Sträflingskleidung. Die beiden Buben spazieren zusammen ins Lager. Er wird dann zu Hause im Nazi-Haushalt von der Mutter vermisst, die den Vater informiert. Dieser will seinem Sohn zu Hilfe kommen, aber es ist zu spät, weil gerade eine 'Vergasungsaktion läuft, wo der jüdische Junge mit diesem deutschen Jungen (dem Sohn des KZ-Kommandanten) sterben werden.
Das ist u.v.a. das Perfide bei diesen Nazigestalten in höherer Position: sie mordeten und quälten - aber im familiären und auch privaten Leben waren sie dann wieder umgängliche und auch nette Menschen.
Olga