Innenpolitik Wir Älteren und die Nazizeit
Meine Enkelin hatte in der 4. Klasse eine Lehrerin in Ethik, die als "Fleißarbeit" das Thema "Adolf Hitler" aufgab. Dadurch ist sie über Hitlers "Werdegang" ganz gut informiert und interessiert sich für seinen psychischen Zustand. Im Unterricht wurde das 3. Reich nie durchgenommen. Sie ist jetzt in der 8. Klasse, vielleicht kommt es ja noch.
Ich bin am Kriegsende geboren. Von meinen Eltern oder Großeltern habe ich nicht viel über die Nazizeit erfahren. Sie schwärmten nur wie gut Hitler usw die Massen durch ihre Reden begeistern konnten. Meine Tante zeigte allerdings immer wieder ihre "braune Gesinnung". Da hörte ich dann so Sätze über Menschen die sie nicht mochte "die kommen wie Ratten aus ihren Löcher" 😨. Oder sie ging im Schwimmbad aus dem Wasser, sobald ein Badegast mit dunkler Hautfarbe dort schwamm. 😨 Das fand ich schrecklich!
LG Heidrun
Ich wurde nach dem Krieg in Österreich geboren, meine Eltern lebten während des Krieges in Deutschland, mein Vater war deutscher Soldat. Meine Eltern sprachen nie viel über diese Zeit. Mein Mann ist Däne. Sein Vater war in der dänischen Widerstandsbewegung was resutierte dass meine Tochter sich sehr für diese Zeit interessierte. Sie fand noch einige alte Widerstandskämpfer in unserer Stadt und wir erfuhren viele interessante Dinge aus der Zeit.
da war also ganz schön viel Schweigen nach dem Krieg, klar, denn die damals als Erwachsene lebten, waren ja dabei, als Soldaten, als Überlebenskünstler, als Profiteure, als Mitläufer, als Begeisterte, manche nicht permanent. Aber es gab ja auch unermeßliches Leid, eigenes oder zugefügtes, ständige Angst, etc.
Und alles großer Intensität.
Die "Konkursmasse" der Nazizeit war eben so gigantisch, dass man vielleicht das halbe Volk isolieren hätte müssen für einen Neuanfang, war illusorisch.
Leider kann ich betreffs Nazizeit nur als "Kollateralschaden" mitreden. Aber immerhin haben mich die Ereignisse der 1930er bis 1950er-Jahre so geprägt, dass ich aufschreien möchte: "Nie wieder so etwas".
Nützt aber nichts. Denn irgendwo auf der Welt finden sich immer wieder "Nazis", die glauben, andere Menschen seien minderwertig und müssten deshalb ausgerottet werden!
Da hörte ich dann so Sätze über Menschen die sie nicht mochte "die kommen wie Ratten aus ihren Löcher"Solche Sätze hörst und liest Du, ob Du willst oder nicht, auch heute wieder, Heidrun.
LG Heidrun
"Ratten", die aus ihren Löchern kommen, "braunes Gesocks", "Pack", "Mob", "Nazis", "Hass" der aus denen da spricht, etc.
Das ist doch ganz was anderes, das ist berechtigt, meinst Du?
Kann sein,
doch ich vermute: Genau so könnten jene, welche Du anführst, seinerzeit auch gedacht haben.
Im Ergebnis meiner Betrachtungen stelle ich fest:
Der Widerstand gegen Hitler, gegen dessen unseliges Wirken, gegen seine Entourage und Anhänger,
gegen Mitläufer und Mitmacher in damaliger Zeit
wächst proportional zum zeitlichen Abstand.
Möglicherweise lag Helmut Kohl vollkommen richtig, als er von der "Gnade der späten Geburt" gesprochen hat.
Was meinst Du?
Es ist schlimm wenn man manches hier liest von der Nazi Zeit,
Es ist nur zu hoffen daß nie mehr die braunen Gesellen an die Macht kommen, EU weit.
Gut daß die von Faschisten geführte Nazi NPD/AFD am absteigenden Ast ist und auf 9% bei den letzten Umfragen steht.
Auch Marie le Pen Rassemblement National ist zu hoffen daß Macron sich durchsetzen kann.
Phil.
Berechtigt ? Für niemanden ist das berechtigt! 😠Da hörte ich dann so Sätze über Menschen die sie nicht mochte "die kommen wie Ratten aus ihren Löcher"
LG Heidrun
Das ist doch ganz was anderes, das ist berechtigt, meinst Du?
In einem Bericht über das 3. Reich (da ging es um Juden) fiel immer wieder dieser Satz. Da wusste ich woher meine Tante diese Einstellung zu Menschen hatte, die sie nicht mochte. 😖
LG Heidrun
Bin 1946 in den Niederlanden geboren und aufgewachsen.
Selbstverständlich wurde sowohl zuhause als in der Schule über den 2. Weltkrieg gesprochen.
Es wurde nie einseitig über Nazitum gesprochen, sondern über Not, Elend, politische Verhältnise und Verirrungen. Ja, auch die Verfolgung der Juden und andere Verfolgten wurde thematisiert. Das was man wußte, das was man nur ahnte.
Es wurde erzählt, dass Pfarrer Spierts Juden im Kirchturm versteckt hielt.
Der Vater berichtete aber auch, dass es auf einmal wieder Arbeit gab: Ein für damaligen Verhältnisse gut bezahlter Job im Bergwerk. Dass man damit indirekt Hitlers Krieg ermöglichte, spielte für die persönliche Entscheidung nicht die bestimmende Rolle, es war eine Familie zu versorgen.
Der Befreiungstag wurde wirklich als Befreiung gefeiert.
Über NSB-er erfuhren wir Kinder wenig.
( Die Nationaal-Socialistische Beweging in Nederland (NSB) war in der Zeit von 1931 bis 1945 eine zunächst faschistische, später nationalsozialistische Partei in den Niederlanden. Die NSB hatte nur geringen Erfolg.)
Hinter unserem Garten, fussläufig 10 Minuten von unserem Haus erntfernt, gab es eine Siedlung. Viele Baracken, dicht an dicht.
Es wurde uns verboten dort zu spielen.
Es gab auf dem Weg dahin allerdings viel Brachland, geradezu Freiraum zum Spielen, Verstecken, Höhlen bauen, Kaninchenfutter sammeln ..
Oft wurden wir von Bewohnern des "Tuindorfes" = Gartendorf bespuckt und beschimpft.
Erst vor einigen Jahren erfuhr ich durch Recherchen, dass dieses Tuindorp ursprünglich ein Internierungslager für NSB-er war.
Der Stacheldraht war entfernt worden, aber viele dieser Leuten lebten auch in den 60er Jahren noch dort.
Als ich 1968 nach NRW zog, war ich plötzlich in einer anderen Welt, obwohl mein Geburtsort nur 50 km entfernt war.
und im KZ starb. Meine Mutter und meine Großmutter haben ihn sehr gemocht
und konnten das Ganze nicht begreifen. Sie wohnten in Berlin. Die Judenverfolgung
ist ihnen erst bewusst geworden, als sich im Haus gegenüber ein jüdisches Ehepaar
aus dem Fenster gestürzt hat, um der Deportation zu entgehen.
Meine Mutter erzählte mir mal, dass sie zu einer Veranstaltung mit Hitler auf dem
Reichssportfeld war. Sie konnte sich später nicht mehr erklären, dass sie dort
mitgejubelt hat und meinte, er hätte die Massen mit seinen Reden hypnotisiert.
Mein Vater ist ja dann für "Führer, Volk und Vaterland" bei der Ardennen-Offensive
gefallen und in Frankreich begraben. (Das Schreiben hab ich immer noch!)
Unglücklicherweise sind wir in Ostdeutschland gelandet und ich konnte das Grab
meines Vaters nie besuchen. Jetzt ist es zu spät...
Klara
Als 39er Jahrgang früh ohne Mutter und Vater als Kind der Großeltern im kleinen Dorf aufgewachsen kam ich sehr früh in die Schule die ich auch zeitig verließ (Klasse übersprungen) und eine Lehre begann.
Meine Großeltern waren sehr christlich und mein Großvater war politisch immer gegen alles, was er aber schlitzohrig in schwejkscher Manier verdeckte.
Als Beispiel sagte er nie „Heil Hitler“ wenn jemand mit dem Gruß sein kleinen Friseurladen betrat sondern antwortete „ja,ja“ oder russische Jäger nannte er immer „Friedenstauben“.
So kam ich mit dem Faschismus kaum in Berührung sah aber die amerikanischen Bomberstaffeln am hellen Tag auf Chemnitz zu fliegen.
Alle meine Lehrer waren junge „Neulehrer“ ohne braune Vergangenheit. In der Schule gab es natürlich schon Informationen zu den Machenschaften der Nazis und alle Schüler besuchten das KZ „Buchenwald“ - Der Besuch hinterließ bleibende Eindrücke.
Zu Russland hatte man sehr wenig interessante Informationen jedoch las ich umfangreich russische Literatur. Den stillen Don oder alle Werke von Tschingis Aitmatow usw.usw. Das ergab für mich wohl etwas Verständnis für die sog. „Russische Seele“. Aitmatow kann ich sehr empfehlen.
Mit 13 hatte ich die erste Mittagsschicht an der Maschine, hatte mit 15 ausgelernt und musste mit 17 zu ersten Mal in der Nacht arbeiten.
Auch ich hatte in politischer Hinsicht etwas von meines Großvaters Talent, sodass ich nie in eine Partei eintreten musste, was natürlich in der DDR eine Aufstiegsgrenze bedeutete.
lupus