Innenpolitik Unser Bundespräsident

adam
adam
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Re: Unser Bundespräsident
geschrieben von adam
als Antwort auf clara vom 19.12.2011, 13:55:41
Clara,

ich glaube, daß der Bürger, dank aber auch trotz der Medien, nur die Spitze des Eisberges zu sehen bekommt, was die Politik und ihre "Unregelmäßigkeiten" anbelangt.

Die Politik entfernt sich, auch standesmäßig, immer weiter von ihren Wählern. Ein Ministerpräsident hat es z.B. nicht mehr nötig, einen Bankkredit zu beantragen wie Otto Normalverbraucher, er bedient sich der Freundlichkeiten aus Reihen der Oberen Zehntausend. Und damit auch niemand merkt, daß dies über einen Geschäftsmann geschieht, wird der Kredit über das Konto der Ehefrau abgewickelt. Merke: Frauen werden hier offenbar als geschäftsunfähig angesehen. Alice Schwarzer dürfte ihre helle Freude haben.

Und Teile der Bevölkerung scheinen dies zu akzeptieren, denn es ist ja alles nicht so schlimm, im Vergleich zu den pädophilen Vorgängen in der Katholischen Kirche. Sollen wir zukünftig also froh sein, wenn schlimme Verbrechen bekannt werden, da sich die Politik dann noch mehr Unmoral erlauben kann? Oder findet hier doch ein nicht statthafter Vergleich statt?

Daß es im politischen Geschäft keine Moral gibt, ist mir schon lange klar. Aber dann sollten doch wenigstens die Gesetze Anwendung finden und danach darf sich, nach meinen Kenntnissen, ein Ministerpräsident kein günstigeres Darlehen beschaffen, wie es Wulff getan und und im Bewußtsein seines Gesetzesbruches, verschleiert hat.

Ich werde es mir ganz sicher verkneifen, die Weihnachtsansprache des Herrn Wulff zu "genießen", sollte er bis dahin noch im Amt sein. Mit seiner Parteizugehörigkeit hat das für mich nichts zu tun.

--

adam



justus39
justus39
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Re: Unser Bundespräsident
geschrieben von justus39
"Es ist tragisch, dass Deutschland in dieser schwierigen Zeit keinen unbefangenen Bundespräsidenten hat, der seine Stimme mit Autorität erheben kann. Es handelt sich in NRW offensichtlich um eine Verfilzung mit schwarzen Reisekassen jenseits der parlamentarischen Kontrolle. Dies stellt eine Belastung des Amtes und für Johannes Rau dar."
geschrieben von Herrn Christian Wulff


Diese Worte sprach wortwörtlich HerrChristian Wulff im Jahr 2000 als bekannt wurde, dass Johannes Rau in die Düsseldorfer Flugaffäre verwickelt war, und forderte damit Raus Rücktritt.
Jetzt hat es ihn selbst eingeholt. Ich bin nicht schadenfroh, aber er hätte sich daran erinnern können, als er seinen Kredit verschwiegen hat.
olga64
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Re: Unser Bundespräsident
geschrieben von olga64
als Antwort auf justus39 vom 19.12.2011, 16:06:14
Papa Heuss hat man bei dieser Betrachtung vergessen: als er Bundespräsident wurde (es lange hochgeachtet war) kam ja raus, dass er damals als ca 50-jähriger das Ermächtigungsgesetz mit unterzeichnete. Ein heutiger Kandidat, dem man dies anlasten könnte, würde nicht mehr Präsident werden. Ist aber unrealistisch,da solch alte Herren sowieso nicht mehr kandidieren würden.
Manchmal bekommt man den Eindruck bei all den erzürnten Kommentaren, Herr Wulff hätte diese 500.000.-- Euro geschenkt bekommen - das war aber nicht so; er erhielt als MP einen verzinsten Kredit, den er dann umlegte auf die Baden Württembergische Bank (Vermittler war anscheinend Herr Oettinger) - und er wird ihn abbezahlen.
Hoffentlich tritt Herr Gauck nicht wieder auf den Plan, der kürzlich erklärte, die Occupy-Bewegung sei eine alberne Angelegenheit - solche Beurteilungen wären auch nicht im Sinne eines Präsidenten dieser Republik.
Ähnlich äusserte sich die grosse alte Dame, früher FDP, Frau Hamm-Brücher gestern bei Jauch: sie reklamierte in jedem ihrer Sätze die Demokratie, erklärte dann aber - sehr undemokratisch - die Piraten wären eine alberne Gruppe.
Ich hoffe, dass Herrn Wulff verziehen wird und er Präsident bleibt. Der deutsche Steuerzahler bezahlt genügend an Alimenten ehemaliger Präsidenten: pro Mann 200.000.- Euro p.a. plus Dienstwagen, plus Büro und Sekretärin. Olga

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Lotte-aus-Aurich
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Nur um der Vollständigkeit halber und wegen der korrekten "Zitierweise"
geschrieben von Lotte-aus-Aurich
als Antwort auf olga64 vom 19.12.2011, 16:20:05
Der vollständige Leitartikel aus der Süddeutschen Zeitung


Das blamierte Amt
Von Heribert Prantl

Christian Wulff ist ein Präsident mit Fehlern. Sein größter Fehler ist, dass er nichts lernt aus den Fehlern, die er macht: Die Kreditaffäre wird ja zur Affäre vor allem dadurch, dass Wulff dazu wahrheitsverformende Erklärungen abgibt. Indes: Auch die Bundespräsidenten, die heute als Vorbilder gelten, hatten ihre Fehler. Sie haben kleine und große, lächerliche, ja sogar historische Fehler gemacht. Der erste Bundespräsident, Theodor Heuss, der dann in liebevoller Verehrung 'Papa Heuss' genannt wurde, hat sich den allergrößten politischen Fehler zuschulden kommen lassen: Er stimmte, 16 Jahre vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten, Hitlers Ermächtigungsgesetz zu, als damals 49-jähriger Abgeordneter der liberalen Staatspartei. Vielleicht würde Heuss heutzutage deswegen gar nicht mehr gewählt werden. Er war dann freilich, von 1949 bis 1959, ein ganz wunderbarer Bundespräsident - gebildet, volksnah, väterlich.

Christian Wulffs Fehler sind keine historischen Fehler, aber es könnte daraus eine historische Krise des Bundespräsidenten-Amts erwachsen. Wenn nach Horst Köhler, dem neunten Bundespräsidenten, auch noch Wulff blamiert als zehnter Bundespräsident zurücktreten müsste: das höchste Staatsamt hielte das kaum aus. Das Amt hätte dann seinen inneren Halt verloren. In der läppisch peinlichen und amtsethisch anstößigen Wulff"schen Kreditaffäre steckt also der Keim zu einer Institutionenkrise, zu einer Staatskrise also. Das höchste deutsche Staatsamt lebt nun einmal von der Person des Inhabers: Allein diese Person macht dieses höchste Amt groß oder klein, allein diese Person gibt ihm eine Aura oder ein Geschmäckle. Es wäre fatal, wenn das höchste Staatsamt von denen, mit denen der Präsident Umgang pflegt, vom Sockel gestoßen würde. Es wäre fatal, wenn es in der Kreditaffäre zu kleiner Münze geschlagen würde.

Die Leute wünschen sich einen ungewöhnlichen Präsidenten - einen, der ungewöhnlich gescheit ist oder ungewöhnlich gut reden kann, der ungewöhnlich gut auftritt oder der wenigstens ungewöhnlich alt oder jung ist; einen halt, der ein wenig Vorbild ist. Wulff immerhin ist für einen Bundespräsidenten ungewöhnlich jung. Er hat eine junge Familie, und zum ersten Mal spielen Kinder im Amtssitz des Präsidenten. Diese präsidiale Ungewöhnlichkeit hat Präsident Wulff aber dadurch arg profanisiert, dass er sich nicht anständig dazu bekannt hat, 2009 einen groben Fehler begangen zu haben. Damals brauchte er einen Kredit, um seine zweite, seine junge Familie zu gründen. Er hat ihn bekanntlich bei einer befreundeten Familie genommen, statt bei einer Bank. Es hätte sympathisch wirken können, wenn ein Spitzenpolitiker sich dazu bekannte hätte, dass er nach einer Scheidung nicht genügend Geld hatte, um sich ein Haus zu kaufen. Wulff hat sich, vielleicht weil er aus kleinen Verhältnissen kommt, dafür geniert. Sodann hat er sich den Kredit unter Umständen geben lassen, für die er sich genieren muss - und sich später scheinheilig dazu erklärt. Es ist dies alles kein präsidentenhaftes Verhalten, sondern eher das eines verdrucksten Kleinbürgers. Es wäre nun freilich besser, wenn Christian Wulff seine Glaubwürdigkeit im Amt repariert, wenn er sich umfassend erklärt, wenn er sich entschuldigt, als dass er das Amt durch einen Rücktritt weiter beschädigt.

Das Kreditverhalten Wulffs war und ist falsch, aber Wulff ist deswegen kein 'falscher', sondern ein fehlerhafter Präsident. Wäre sein einstiger Gegenkandidat Gauck der richtige? Gauck hat vor ein paar Wochen die Proteste gegen den Finanzkapitalismus als 'albern' bezeichnet. Wie albern wäre ein solcher Satz erst von einem Bundespräsidenten! Lieber keine Rede von Wulff zu diesem Thema als eine Rede diesen Inhalts von Gauck. Gewiss: Wulffs privat-politische Peinlichkeiten sind eine Pein für jene, die ihn gewählt haben, und auch für alle, die der Meinung sind, dass er seine Sache ansonsten so schlecht gar nicht macht. Für die, die ihm seit jeher vorhalten, dass er nicht die Reinkarnation von Heuss-Weizsäcker-Herzog ist, kommen die Peinlichkeiten gerade recht.

Es stimmt aber nicht, dass Wulff bisher keine Akzente gesetzt hat. Wie kein anderer Präsident hat er die Integration zu seinem Thema gemacht: Unter seinem Schirm soll, so wünscht er sich, die zweite deutsche Einheit wachsen, also die Vereinigung von Bürgerinnen und Bürgern deutscher und ausländischer Herkunft. Wulff hat das schon 2010 bei seiner Rede zum Tag der deutschen Einheit angekündigt, dann bei seiner klugen Rede vor dem Parlament in Ankara bekräftigt und es beim Evangelischen Kirchentag in Dresden vertieft. Aber der Präsident kann die Integration nur dann voranbringen, wenn er selbst integer ist.

Der Präsident muss kein Jürgen Habermas sein. Um als gescheit zu gelten, müssen bei ihm auch nicht Martin Walser und Sloterdijk ein- und ausgehen. Aber Wulff muss wissen: Das höchste Staatsamt verlangt von ihm viel mehr, als er diesem Amt derzeit gibt. Man erwartet von einem Präsidenten auch ein wenig mehr, als dass er aus Fehlern lernt. Er mag sich sein Privathäuschen einrichten; vor allem aber muss er sich im Haus des Gemeinwesens nützlich machen. Die Chance dazu sollte Wulff nutzen.

Süddeutsche Zeitung
Montag, den 19. Dezember 2011
Seite 4




Lotte


Persönliche Anmerkung/ Zu dem Beitrag von Adam
Und Teile der Bevölkerung scheinen dies zu akzeptieren, denn es ist ja alles nicht so schlimm, im Vergleich zu den pädophilen Vorgängen in der Katholischen Kirche. Sollen wir zukünftig also froh sein, wenn schlimme Verbrechen bekannt werden, da sich die Politik dann noch mehr Unmoral erlauben kann? Oder findet hier doch ein nicht statthafter Vergleich statt?
(Hervorhebung von mir)

Diesem Gedanken stimme ich vorbehaltlos zu.

EehemaligesMitglied58
EehemaligesMitglied58
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Re: Rückenwind für Wulf
geschrieben von EehemaligesMitglied58
Der sprecher des koordinierungsrates der Muslime, B.Alboga, hat in der Mitteldeutschen zeitung eine positive aussage für Wulf getätigt.
In Kurzform:
W. hat sich u.a. hohes internationales ansehen und respekt bei seinen auftritten im ausland erworben.
W. hat gute signale, was die zugehörigkeit der ausländer in und zu deutschland betrifft gesendet.
W. hat eine hohe sensibilität gegenüber den hinterbliebenen der opfer des rechtsterrorismus bewiesen.
Fazit des B.Alboga:
Es wäre deshalb sehr schade, wenn W. aufgrund politischer intrigen diese respekt genießende und respekt gebührende politk nicht fortführen könnte.
Meine frage:
Wollen wir nun unsere muslimischen mitbürger weiter brüskieren, oder lassen wir W. endlich in ruhe weiter seine arbeit tun?


netarip
netarip
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Re: Unser Bundespräsident
geschrieben von netarip
als Antwort auf arno vom 19.12.2011, 09:04:04

Im politischen Berlin wird bereits seit längerer Zeit getuschelt, dass die "Bild"-Zeitung in Kürze mit einer Geschichte aus dem Vorleben von Bettina Wulff aufwarten könne. Die Redaktion soll angeblich über Informationen verfügen, die bisher "auf Weisung von ganz oben" nicht gedruckt werden dürfen.


Hallo Arno


Damit begründe ich meinen Verdacht dass es noch schmutziger wird. Kann mir gut vorstellen dass die gesamte Rechtsabteilung von Springer die Andeutungen, die ja schon länger kursieren, unter die Lupen nimmt.
Bei der BZ dass gleiche. Und wenn man sich mal die div. Blogs anschaut kann man
wirklich Angst bekommen. Da will jemand ein grosses Ding drehen. Gestern hat der Blome bei Jauch ja noch von Blödsinn gesprochen, der richtige Moment ist wohl noch nicht gekommen.

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Medea
Medea
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Re: Rückenwind für Wulf
geschrieben von Medea
als Antwort auf EehemaligesMitglied58 vom 19.12.2011, 18:04:47
Ich habe diesen Rückenwind im Radio gehört -
bei der Unterstützung bleibt zu hoffen
Alles wird gut.

M.




Grenzlandfrau
Grenzlandfrau
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Re: Rückenwind für Wulf
geschrieben von Grenzlandfrau
als Antwort auf Medea vom 19.12.2011, 18:28:30
Ist eigentlich schon jemand auf die Idee gekommen, dass es sich hier wieder einmal um ein gigantisches Ablenkungmanöver handelt?

Neonazis können jahrelang ungestört morden, die zuständige Behörden schlafen oder tolerieren es, sind irgendwie involviert. Alles ist "schrecklich kompliziert" nix Genaues weiß man nicht.
Hier spielt sich die existentielle Bedrohung unserer Demokratie ab. Aber lieber wird der moralische Zeigefinger erhoben und so getan, als könne man grundsätzlich bei Politikern von moralisch einwandfreiem Verhalten ausgehen.
Was ist das überhaupt: moralisch einwandfrei?
Wenn ich jemandem einen Strick drehen will, wird sich immer ein Seil finden!

Und derweil haben diejenigen, die dicken Dreck am Stecken haben, Zeit und Ruhe, Gras über die Sache wachsen zu lassen.

Re: Nur um der Vollständigkeit halber und wegen der korrekten "Zitierweise"
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Lotte-aus-Aurich vom 19.12.2011, 17:06:32
Der vollständige Leitartikel aus der Süddeutschen Zeitung

Das blamierte Amt
Von Heribert Prantl


Aha, noch jemand, der/die es gemerkt hat! Mir ist es auch heute aufgefallen, als ich die SZ gelesen habe. Übrigens nicht zum ersten Mal.
clara
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Re: Unser Bundespräsident
geschrieben von clara
als Antwort auf adam vom 19.12.2011, 14:51:04
Adam,

Deinem Beitrag ist wenig hinzu zu fügen. An meiner Meinung, die ich hier schon äußerte, hat sich nichts geändert und ich sehe sie, besonders auch in dem, was dort zum "Amt" geschrieben steht, jetzt auch von dem klugen Leitartikel in der Süddeutschen bestätigt. Es wird mir zukünftig schwer fallen, bei öffentlichen Auftritten Wulffs diesen "Vorfall" gedanklich auszublenden.
Ja, die Weihnachtsansprache wird bestimmt eine spannende Angelegenheit! Wenn Wulff bis dahin noch Präsident ist!

@ Olga: Die zu zahlenden Alimente sind ein Argument, aber um ihrer Vermeidung willen einen unehrlichen Bundespräsidenten inkauf nehmen? Das Problem ist nur, wo ein durch und durch "sauberer" zu finden ist!

Clara


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