Innenpolitik Stuttgart 21

pilli
pilli
Mitglied

Re: Stuttgart 21
geschrieben von pilli
als Antwort auf adam vom 01.10.2010, 09:18:49
Aber auch die Diskussion sollte nicht eskalieren und Gerüchte (z.B. über eine Tote) außen vorlassen. Nach Focus-online waren es 10 Demonstranten, die sich im Krankenhaus behandeln lassen mußten, nicht hunderte und es wurden auch Polizisten verletzt.

geschrieben von adam


ich hörte heute in den nachrichten (unterschiedliche sender) von vierhundert augenverletzungen; weißt du da mehr?


...

nun eko

nur gut, dass manche der maßgebenden leute der CDU sich differenziertes denken bewahrt haben; so habe ich heute mit freude festgestellt, dass Wolfgang Bosbach, ein kluges, ausgeschlafenes kerlchen, den ich schätze, ohne mich der CDU als partei nahe zu fühlen; sich nicht wie Angela Merkel hinter simplen phrasen versteckt:

...sie wünsche sich friedliches demos, aber ansonsten unterstütze sie das projekt...

sondern klartextliche aussagen machte und ebenso wie ich, nur eine stunde später bei einem interview auf N24 auf das "Verhältnismäßigkeitsprinzip" hingewiesen hat.


--
pilli

Cathalina
Cathalina
Mitglied

Re: Stuttgart 21
geschrieben von Cathalina
als Antwort auf pilli vom 01.10.2010, 23:08:59
Ich hänge mich mal hier ran.

Dieses Projekt gibt es doch nun schon bereits seit 16 oder 17 Jahren. Es wurde durchgekaut, hat alle Instanzenhürden soweit genommen und nun endlich nach 16 oder 17 Jahren soll das ganze umgesetzt werden.

Ich sag's ja immer wieder, der Behördenweg ist in Deutschland der helle Wahnsinn. Warum wurde das Projekt nicht schon vor 10 oder 12 Jahren durchgezogen? Warum erst jetzt? In vielen anderen Ländern dieser schönen Erde wäre das ganze schon lange kein Thema mehr. Nur in Deutschland ist es immer noch aktuell, weil man sich wohl nicht entschließen konnte vorher anzufangen oder hat hier wieder der Amtsschimmel zugeschlagen? Sind Planungen die vor 17 Jahren begonnen wurden heute noch eigentlich aktuell oder sind sie nicht schon so was von veraltet, veralteter geht es schon gar nicht mehr? Das Zahlenwerk hat sich in 16 oder 17 Jahren deutlich verändert, die Infrastruktur, die Technologie, Bauvorschriften, Gesetze und die Meinung der Menschen auch.

Bei solcher Lahmarschigkeit sind doch wohl Eskalationen vorprogrammiert. Oder sehe ich da was falsch?

Cath
adam
adam
Mitglied

Re: Stuttgart 21
geschrieben von adam
als Antwort auf pilli vom 01.10.2010, 23:08:59
sondern klartextliche aussagen machte und ebenso wie ich, nur eine stunde ...später [zwinkern] bei einem interview auf N24 auf das "Verhältnismäßigkeitsprinzip" hingewiesen hat.


@pilli,

wie man den Stellungnahmen der Kontrahenten entnehmen kann, stehen die sich auch im Verständnis der Vorfälle konträr gegenüber und da gibt es vor der Beurteilung, ob die Polizeiaktionen der Verhältnismäßigkeit entsprachen, meines Erachtens etwas Grundsätzliches zu klären:

MP Mappus stellt sich hinter die Polizei und spricht von deren Berechtigung, die Baustelle zu schützen. Sollte er damit Recht bekommen, gilt das Landesrecht und das zugehörige Polizeirecht von Baden-Württemberg.

Die Demonstranten berufen sich auf das Demonstrationsrecht[/url] und damit auf die durch das GG garantierte Versammlungsfreiheit. Dafür gilt Bundesrecht und die Polizei hätte keine Handhabe, gegen die Demonstranten vorzugehen. Sie dürfen die Demonstration nur begleiten und das Eingreifen wäre grundsätzlich illegal gewesen. Von einem eigenen Versammlungsrecht BWs ist mir nichts bekannt.

Man darf gespannt sein, ob sich überhaupt und wer sich hierzu noch äußert.

Meine Überzeugung hat sich, nach Äußerungen, sowohl der Landes- als auch der Bundesregierung, erhärtet: [u]Politiker
, besonders wenn sie ein öffentliches Amt bekleiden, sind Feinde der Demokratie. Sie wollen Macht und davon möglichst viel, um auch am Wähler vorbei regieren zu können. Wir erleben es in Baden-Württemberg. Leider dauert es bis zu den Landtagswahlen noch ein halbes Jahr.

--

adam


Anzeige

hafel
hafel
Mitglied

Re: Stuttgart 21
geschrieben von hafel
als Antwort auf adam vom 01.10.2010, 23:54:16
@ Adam:

Und es wäre noch anzumerken, dass der Polizeieinsatz an der Verhältnismäßigkeit der Mittel gemessen wird. Das ist im Gesetz geregelt. Stehen dem Angegriffenen mehrere Mittel zur Verfügung, hat er das mildeste anzuwenden. So heißt es im Gesetz: "Gegenüber Kindern, Geisteskranken oder sonst ohne Schuld Handelnde (z.B. Betrunkene) kann es geboten sein, auf eine Abwehr zu ganz verzichten oder sich ohne eine ernstliche Gefährdung des Angreifers zu verteidigen". Bei einem unerträglichen Missverständnis zwischen dem angegriffenen Rechtsgut und der durch die Verteidigung herbeigeführten Verletzung oder Gefährdung ist die Verteidigungshandlung i.d.R. ein Rechtsmissbrauch und daher nicht geboten.

So hat auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit daher Verfassungsrang.

Hafel

adam
adam
Mitglied

Re: Stuttgart 21
geschrieben von adam
als Antwort auf hafel vom 02.10.2010, 00:25:51

Ja hafel,

so summieren sich die Gründe gegen das Vorgehen des Staates. Ich bin der Überzeugung, daß zwischen Politik und Polizei schon vor dem Einsatz Einvernehmen geherrscht hat. Jetzt hackt eine Krähe der anderen kein Auge aus.

--

adam

hafel
hafel
Mitglied

Re: Stuttgart 21
geschrieben von hafel
als Antwort auf adam vom 02.10.2010, 00:34:33
@ Adam:

Das der Innenminister sich nun vor oder hinter seine Polizei stellt, halte ich für normal. Schließlich hat er sie ja auch auf den Weg geschickt. Das wäre ja noch schlimmer, würde er jetzt der Polizei die Schuld alleine geben. Das wäre ja dann wie in NRW bei der Großveranstaltung., wo letztendlich keiner es gewesen war.

Ich kann nur wünschen, dass einige beherzte Eltern Strafanzeige stellen. Normaler Weise wird Gewalt gegen Kindern bei der Polizei angezeigt. (Ein Lehrer sollte es mal wagen einen Schüler, wenn er aufsässig ist, mit Pfefferspray zu besprühen oder zu verprügeln) Ein Aufschrei durch die Gesellschaft! Nun ist die Polizei selber der Täter, und das ist recht fatal. Aber unsere Rechtsprechung sollte da unabhängig sein.

Hafel

Anzeige

miriam
miriam
Mitglied

Re: Stuttgart 21
geschrieben von miriam
Ein sehr beeindruckendes Foto von der heutigen, friedlichen Demonstration in Stuttgart:

http://www.heute.de/ZDFheute/s_img/39/0,6994,7178791-render-Y2-,00.jpg[/img]


Es hat mich hauptsächlich das kluge Plakat beeindruckt mit dem Text:
"Stellt Euch vor es ist Wahl, und wir gehen hin" - eine Paraphrase auf dem berühmten Satz von Carl Sandburg ([i]Stellt Euch vor es ist Krieg - und keiner geht hin
).

Miriam
marianne
marianne
Mitglied

Re: Stuttgart 21
geschrieben von marianne
als Antwort auf Karl vom 01.10.2010, 08:16:34
Guten Morgen!

Ich bin da, "südlich von Stuttgart", wie die Werbefritzen zu sagen pflegen.

Aber ich bin fassungslos.

Karl, danke für das " s a u d u m m "!!
M
hafel
hafel
Mitglied

Re: Stuttgart 21
geschrieben von hafel
als Antwort auf hafel vom 02.10.2010, 00:50:03
Ich wundere mich schon, wie wenig die klaren "Proteste der Straße" von den Verantwortlichen zur Kenntnis genommen werden.

So erklärte die Kanzlerin vor Tagen, es gäbe einen "Herbst der Entscheidungen" und machte dabei ohne Not Stuttgart 21 zu ihrer eigenen Sache. Mehr noch: wiederum ohne Not hat sie die BW-Landtagswahlen im März 2011 zu einer Volksabstimmung über das Bahn-Projekt ernannt. Was um alle Welt geht nur im Kopf dieser Frau vor, so wenig Gespür für die Sachlage zu haben? Seit der Eskalation der vergangenen Tage ist doch glasklar, es könnte einer ihrer größten Fehler gewesen sein, da sie damit auch ihr Schicksal verbunden hat. Ich befürchte, das Merkel jeglicher Realitätssinn verloren gegangen ist.

Denn ausgerechnet im konservativen Baden-Württemberg könnte das Ziel mit Polarisierung einstiger Stammwähler wieder an die CDU zu binden, restlos verfehlt werden. Der Widerstand formiert sich weit bis ins bürgerliche Lager.

Wer sich für einen "Augen-zu-und-durch-Politik" entscheidet, verprellt auch das eigene Klientel. Das kennen wir ja aus der Schröders Basta-Politik. Hat da niemand gelernt?

Angesichts der brutalen Bilder aus dem Schlossgarten verblast der wirtschaftliche Aufschwung, der unter normalen Umständen die große Trumpfkarte des Schwarz-Gelben Wahlkampfes hätte sein können.

Nun aber müssen Merkel und Mappus mit Glaubwürdigkeitsproblemen kämpfen. Wer die Wahl zur Volksabstimmung machen möchte, darf dann im Vorfeld keine Fakten schaffen – zumal die Projektentscheidung auf einer Kosten-Nutzen-Analyse beruht. Hier gibt es unterdessen erhebliche Zweifel, da die Kosten enorm gestiegen sind. Diese Zweifel zu diskutieren, müsste Thema des Wahlkampfes sein. Danach kann dann gebaut werden – oder eben nicht.

Es ist einfach das Gefühl der Menschen, dass Politik über ihre Köpfe hinweg geht. Die meisten gutwilligen Protestanten fordern mehr Verständnis und Überzeugungskraft der Politiker. Um diese Menschen sollte die Politik sich dringend kümmern – ohne Polizei-Eskalation.

Hafel
carlos1
carlos1
Mitglied

Re: Stuttgart 21
geschrieben von carlos1
als Antwort auf hafel vom 01.10.2010, 09:23:58
„Die Behauptung zur Instrumentalisierung der Kinder und Jugendlichen zeugt lediglich von der Verantwortungslosigkeit der Verantwortlichen.“ Hafel
„Es wäre zu begrüßen, dass alle Eltern Strafanzeige gegen die verantwortlichen Polizeikräfte und ihre Leitung zu stellen.“ Hafel




Die Planung für die Demonstration der Schüler begann im August 2010. Es sollte eine Demonstration für höhere Bildungsausgaben sein.

Am 24.9. genehmigte das Ordnungsamt die angemeldete Demo. Beginn sollte 10 Uhr sein (Unterrichtszeit für Schüler). Die Route des Protestzuges der Schüler sollte durch die Innenstadt führen und zu einer Abschlusskundgebung im Schlosspark führen. Am Tage vorher, wurde die Einsatzplanung für die Baumaktionen vom Termin Donnerstags 15Uhr (ursprünglich sollte sie am Abend begonnen werden) auf 10Uhr vorverlegt. Der geplante Termin war durch Indiskretion bekannt geworden. Die Demo hatte kaum begonnen als über SMS, Facebook und andere digitale Netzwerke von der Parkschützerinitiative Mitteilung an Tausende von Aktivisten (Berufstätige?) erging, dass im Schlosspark gegen 10.25 Uhr eine Polizeikolonne gesichtet worden sei.


Nach dieser Mitteilung der Parkschützer bricht bei der Schülerdemo (1000 bis 2000 Schüler) alles auseinander. Viele der Schüler haben diese Mitteilung auf ihr Handy erhalten. Die Schülerdemo ist beendet, ehe sie richtig begonnen hat. Die Schüler stürmen in Richtung Schlosspark.


Vor allem die Jungen und Mädchen von der Schülerdemo beginnen bis 12 Uhr das Aufstellen der Abstellgitter durch die Polizei zu stören und damit zu verzögern. Dadurch können weitere Demonstranten nachrücken.

Die Polizei beginnt härtere Methoden anzuwenden. Gegen 12.20 Uhr wird erstmals Pfefferspray eingesetzt.

Bei der Genehmigung der Schülerdemo wusste die Stadt Stuttgart nicht dass am Donnerstag die Bäume gefällt werden sollten. Die Polizeiaktion wurde in Unkenntnis der zeitlich dicht verschränkten Schülerdemo anberaumt. Ein Versäumnis.


Ein weiteres Versäumnis liegt darin, dass Polizei und Rettungskräfte nicht eng kooperierten. Mindestens ein halbe Stunde nach den ersten Pfeffersprayeinsätzen wurde noch kein Kontakt zu Rettungskräften aufgenommen. Die DRK-Zentrale wurde durch eine zufällig in der Nähe eingesetzte Rettungswagenbesatzung informiert (12.56 Uhr). Erst dann kommt es „aus dem Stand“ (DRK- Sprecher) zu einem Großeinsatz. Lagezentrum der Polizei und Rettungsdienstleitstelle arbeiten jetzt zusammen.

Die weitere Eskalation war durch die S21-Gegner vor Wochen schon ausdrücklich angekündigt worden. Folgerichtig wurden von den Parkschützern alle verfügbaren Aktivisten über die elektronischen Medien mobilisiert. Die Einsatzleitung hat unterschätzt wie schnell Menschenmassen sich dadurch bewegen lassen. Die Indoktrination mit aufputschenden Hetzparolen tut ein übriges dazu.


Es geht gar nicht um S21, es geht um die Macht im Staat. K21 entspricht Vorstellungen und Studien in früheren Planungsstadien, die verworfen wurden.


100 000 Bäume gibt es in Stuttgart, Bäume gemessen und statistisch erfasst mit mehr als 25cm Durchmesser. 800 werden jedes Jahr gefällt, ohne dass hysterische Frauen den Verlust der Natur beklagen und sich in Tränen auflösen. Jetzt wurden mehr als zwei Dutzend Bäume gefällt. Mir tut es weh im Herzen.


Schüler besitzen kein Streikrecht. Die genehmigte Demo wurde von Schülern besucht, die den Unterricht schwänzten. Gerade für mehr Bildungsausgaben sollte demonstriert werden. Das ist ohne weiteres außerhalb der Unterrichtszeit möglich. Die Schulen waren informiert darüber. Eine Freistellung für Demonstrationen ist nicht möglich. Das würde die Schulpflicht verletzen. Sanktionen gegen Schulschwänzer wären möglich. Gerade Eltern, die in der Öffentlichkeit mit großem Engagement für mehr Bildungsausgaben eintreten (Lehrer), sollten mit ihren 14 jährigen Kindern (Name stand in der Zeitung) in solchen Fragen sensibel sein. Wie weit die Empfindlichkeit und Reizbarkeit bei Lehrerinnen gehen kann, zeigt die Äußerung eines Hausmeisters, der im Lehrerzimmer einer Grund- und Hauptschule schluchzende Lehrerinnen vorfindet und erfährt, dass einige ihr Klassenzimmer wechseln mussten. Ein völlig normaler Vorgang, der aber zeigt, was an Selbstverständlichkeiten im Staat nicht mehr möglich ist. Es wird keinerlei Mehrarbeit zugemutet, aber schonsetzt es Tränen. Tränenüberströmte Frauen auch beim Abriss des grottenhässlichen alten Gemäuers des Nordflügels des Stuttgarter Bahnhofs . Der Grünenchef Özdemir ließ sich neulich zu einer Diskussion in der Innenstadt mit dem Helikopter einfliegen weil die Zeit von einer Dreiviertelstunde zu kurz gewesen wäre. Wäre er vernünftig, träte er für S21 ein. Dann würde er mit dem ICE in 9 Minuten in der Innenstadt sein.


Die Verkehrssituation in Stuttgart ist so verworren, dass unsere türkische Nachbarin uns heute Mittag verzweifelt anrief, ihr NAVI jage sie kreuz und quer durch Stuttgart, sie möchte zum Flughafen und ihren Mann abholen. Sie traue dem NAVI nicht mehr. Nach einem kurzen Check konnten wir ihr versichern, dass die Technik sie richtig führe, sie solle weiterfahren. Stuttgart hat keinen Nordostring, eigentlich gar keinen Ring. Das wäre die nächste erforderliche Baustelle. Aber dann würden wieder Frauen weinen, Schüler die Schule schwänzen, Gottesdienste würden abgehalten und ein Bürgerkrieg würde geführt werden. Die einzige Lösung für diese Verkehrsmisere liegt in der Abwanderung der Industrie. Dann gäbe es mehr Platz zum Träumen. Es wird so weit kommen.

Zurück auf die Bäume.
c.

PS: Meine Frau wurde auch gebeten sich doch im Schlosspark an einen Baum anketten zu lassen.

Anzeige