Innenpolitik Streit um Bürgergeld

Juro
Juro
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RE: Streit um Bürgergeld
geschrieben von Juro

Hallo,
es tut gut, so viele Meinungen zum Thema Arbeitslosigkeit und Hartz 4 sowie Bürgergeld zu lesen. Vor allem, die Erkenntnis, dass das Vorgehen der Union stark anrüchig ist, zeigt die Solidarität in unserem Volk. Bei dem Verhalten der CDU/CSU-Opposition, die ja nun die Reform erst mal gestoppt hat, kann einem wirklich schlecht werden. Die Steuervermeider und -hinterzieher dürfen weitermachen. Die bewaffneten Verbrecher (Mafia, Waffenhändler) werden geschont.
Hier tauchte auch die Idee von "Zwangsarbeit" für Arbeitsunwillige auf. Das klingt nach scharfer und drakonischer Erziehung, die bei der Kindererziehung schon unter das Strafrecht fällt. Höher kann man einen Menschen nicht stigmatisieren. Da kommt der nie wieder raus.
Manche Menschen haben nicht gelernt, für sich selbst zu planen, sich an Regelmäßigkeiten zu halte. Das ist in allen Gesellschaften so. Denen muss man helfen, sie aber nicht bestrafen. 
Die DDR hatte ja keine solche problematischen Gruppen (behauptete sie!). Aber in den 1980er Jahren sickerte so langsam die Erkenntnis durch, dass es doch eine Klientel gab, die ein anderes Lebensmotto lebte, als das Idealbild es sich ausmalte. 
Es wurden sogenannte "Besondere Brigaden" geschaffen. Diese waren der Kommunalverwaltung unterstellt (oftmals der Abteilung Inneres) und wurden in zahlreichen Projekten der Stadtwirtschaft oder im staatlichen betrieblichen Sektor eingesetzt. Die Leiter solcher Brigaden wurden gut geschult. Ziel war es, die betreffenden Personen an ein geregeltes Leben heranzuführen, Verantwortung für sich und für ihr Umfeld zu entwickeln. Und es gab richtiges Geld für Arbeit. Da ist ein großer Teil dieser Menschen wieder "auf die Füße gekommen".
Nach der Wende war dann erst mal Schluss mit lustig. Dabei hätte es nicht so sein müssen. In der Zusammenarbeit mit West-Berliner Institutionen und einer Sozialen Hochschule erfuhr ich, dass es dort genau das gleiche gab. Also keine spezifische Erkenntnis (oder wie manche heute glauben wollen Unterdrückungsmaßnahme) der DDR sondern eine kluge Entscheidung für Menschen mit einem sozialen Handicap.
Nach ein paar Wochen der Arbeit bildete sich eine Gruppenmoral und die führte zu einer Selbstregulierung für die Menschen. Arbeit als Wert nahm in den Vorstellungen der meisten zu. Man konnte sich wieder etwas leisten, rannte nicht ständig betrunken herum (Goldie war vorher Grundnahrungsmittel), Straftaten wurden nicht mehr zur Lebenserhaltung erforderlich. Wenn "Willy" mal nicht zum Dienst erschien, gingen zwei aus der Gruppe los und kümmerten sich. Nach einer Stunde waren sie mit "Willy" wieder da. Meist kam dieser "Willy" mit einem Problem nicht mehr alleine zurecht. Dann wurde gemeinsam nach einer Lösung gesucht.
Das bildete einen ziemlich festen Zusammenhalt, mit Vertrauen und Mitmenschlichkeit.
In West-Berlin hat das nicht anders funktioniert.

Juro

Bias
Bias
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RE: Streit um Bürgergeld
geschrieben von Bias
als Antwort auf Juro vom 15.11.2022, 11:16:37

Hier ein (möglicherweise gehässiger, neidmotivierter) Einwand von HUGO MÜLLER-VOGG, der die Argumentation der CDU/CSU etwas zu stärken scheint, Juro:
https://www.cicero.de/innenpolitik/streit-ums-schonvermogen-glaubwurdigkeit-des-sozialstaats-steht-auf-dem-spiel

sneja
sneja
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RE: Streit um Bürgergeld
geschrieben von sneja
als Antwort auf Alkmar vom 14.11.2022, 23:11:49

"Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen." (Warren Buffet 2005 - zwei Jahre vor dem Beginn der Finanzkrise).


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zausel2
zausel2
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RE: Streit um Bürgergeld
geschrieben von zausel2

Um in eine soziale Schieflage zu kommen, braucht es manchmal gar nicht viel. Ein Unfall, eine Krankheit, Arbeitsplatzverlust, an sich selbst erfahren oder in der Familie, und schon ist man auf Hilfe angewiesen. Ich habe während meiner Berufstätigkeit im öffentlichen Dienst ein Jahr im Sozialamt im Schreibbüro und später einige Jahre als Sachbearbeiterin in der Bildungsbehörde gearbeitet und war dort zuständig für die Genehmigung von Leistungen für Menschen in Sozialhilfe. Der Mehrheit der Hilfesuchenden war es oft nicht leicht gefallen, den Gang zum Amt anzutreten und um Hilfe bitten. Für die Mitarbeiter war (und ist es sicher heute auch noc) immer nicht leicht, Hilfsgesuche ablehnen zu müssen. Man hat sich an die Gesetze zu halten und muss danach entscheiden. Schwierige Fälle kamen immer wieder vor. Meine Zeit im Sozialamt habe ich deshalb  beendet, weil jemand ins Schreibbüro stürmte, uns bedrohte und eine Kollegin würgte. Wir hatten im Schreibbüro überhaupt nichts mit den Bewilligungen zu tun, sondern mussten nur schreiben, was uns auf Band diktiert wurde (es gab damals noch keine Computer für die Sachbearbeiter).
Später hatte ich mich aus dem Schreibdienst in die Bildungsbehörde "hochgearbeitet" und ich war mit nichtpädagogischen Aufgaben beschäftigt. Die Bewilligung von Fahrkarten für bedürftige Schüler gehörte zu meinen Aufgaben. Wenn diese älter als 12 Jahre waren, wurde ihnen "zugemutet", drei Kilometer Schulweg ohne Straßenbahn und Bus zu bewältigen. Unter 12 waren es 2 km. Um an eine solche Vergünstigung zu kommen, musste der Bescheid der Sozialbehörde vorgelegt werden. Es hat mit der Kundschaft des öfteren Auseinandersetzungen gegeben und es wurden gegenüber meiner Wenigkeit auch Drohungen ausgesprochen. Aber die meisten waren einsichtig und haben es verstanden, dass der Schreibtischmensch nunmal seine Richtlinien und Gesetze einzuhalten hatte.
Gar kein Verständnis habe ich für Leute, die schwarz arbeiten und wenn sie in Rente sind, mangels eingezahlter Beiträge später nur eine Armutsrente bekommen. Als ich im Sozialamt als Schreibkraft in Steuerklasse 5 arbeitete, zeigte ich einer Bekannten mal meinen Abrechnungszettel. Sie hat die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, weil ich so hohe Abzüge hatte. Sie selbst hat damals immer in Restaurants und Spielhallen ohne Steuerkarte gearbeitet und damit geprahlt, was sie alles bar auf die Hand hatte. Als sie dann mit 400 DM in Rente ging, war das Gejammere groß.
Ich wünsche jedem Mitmenschen, dass er nie in die Situation gerät, um Hilfe bitten zu müssen. Aber ich wünsche ihm auch die Kraft, wenn er einmal nicht mehr auf der Sonnenseite des Lebens steht, aus seiner misslichen Lage wieder herauszukommen. Ich bin dem Leben dankbar, dass ich nie in eine solche gekommen bin. Gruss Zausel2

Lorena
Lorena
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RE: Streit um Bürgergeld
geschrieben von Lorena
als Antwort auf Bias vom 15.11.2022, 12:33:24

Leider gibt es bei Deinem Cicero-Eintrag dort eine Bezahlschranke, @Bias

Man kann nur den 1. Abschnitt lesen.

Gruß Lorena 
minerva
minerva
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RE: Streit um Bürgergeld
geschrieben von minerva
als Antwort auf sneja vom 15.11.2022, 12:46:02

ähnliche aussagen gab es auch früher schon, da es schon sehr lange arme und reiche gibt.

merkwürdig ist nur, daß auch leute, die nicht reich sind sowas gut finden..............

minderwertigkeitskomplexe ? und dadurch anbiedern an die meinung der "oberen" um irgendwie doch dazuzugehören ?

oder einfach nur mißgunst, weil man, obwohl offiziell "christlich", da mitglied in einer christl. kirche, alles andere als nächstenliebend ist ? 

oder einfach nur nach oben buckeln und nach unten treten, das schon vor vielen jahren thema im „der untertan“  von heinrich mann war.

und feiglingen, egoisten usw. sicherer erscheint, weil die da oben einem eher schaden können als die da unten......................

keine ahnung. aber ich finde es gut, daß ich im real life mit solchen leuten nichts zu tun habe .  (nein, nicht wegen evtl. blöder bemerkungen. die kämen evtl. nicht, weil ich immer noch arbeite, obwohl ich fast 72 und sehr schwer krank bin. ich finde solche leute nur absolut voll daneben).


lg
minerva


 

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Bias
Bias
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RE: Streit um Bürgergeld
geschrieben von Bias
als Antwort auf Lorena vom 15.11.2022, 13:33:23

Leider gibt es bei Deinem Cicero-Eintrag dort eine Bezahlschranke, @Bias
Man kann nur den 1. Abschnitt lesen.
War nicht der Fall beim Einstellen.
Vielleicht klappts wenn Du den CICERO aufrufst und dort den Artikel anklickst.
Lorena
Lorena
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RE: Streit um Bürgergeld
geschrieben von Lorena
als Antwort auf Bias vom 15.11.2022, 13:54:42


...ich versuche es, @Bias.

Den Newsletter habe ich jetzt bestellt.

LG Lorena 
Mitglied_3fbaf89
Mitglied_3fbaf89
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RE: Streit um Bürgergeld
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf sneja vom 15.11.2022, 12:46:02

aber der wird doch erkennbar lanciert - statt unter denen, die wenig haben, den Neid und Kleinkrieg zu schüren, sollte man endlich die wirklich Vermögenden in diesem Land höher besteuern, nicht länger zulassen, dass goosse Firmen sich in niedrig besteuerten Ländern registrieren lassen, aber in D viel Geld verdienen, ohne Steuern zu zahlen und Wohlhabende genauso viel Kindergeld bekommen wie Geringverdiener - wobi es Hartz4 Empfängern auch noch abgezogen wird.

Beisiel Italien: 
Anders als die Deutschland bemisst sich die Zuwendung nach der Höhe des Einkommens. Bei einem Haushaltseinkommen von maximal 15.000 Euro im Jahr soll es künftig einen Höchstsatz von monatlich 175 Euro für das erste Kind sowie von 610 Euro bei drei Kindern geben. Bei einem Haushaltseinkommen von mehr als 40.000 Euro sind dagegen nur 50 Euro für das erste Kind vorgesehen. Die Details können sich in den nun anstehenden Parlamentsberatungen noch verändern. Die rechtspopulistische Partei Lega will durchsetzen, dass nur Bürger, die sich seit zehn Jahren in Italien aufhalten, Anspruch haben – nicht nur zwei Jahre, wie es der Entwurf vorsieht.

Trotzdem wiederhole ich, dass ich strengere Massnahmen gegen notorische Arbeitsverweigerer absolut begrüssen würde.  

Bias
Bias
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RE: Streit um Bürgergeld
geschrieben von Bias
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 15.11.2022, 14:02:19

Die Erfahrenswelt von Leuten wie Ingo, die im Sozialamt (heute Job Center) gearbeitet haben, unterscheidet sich mit Gewissheit von der anderer Leute.
Von daher: Alles eine Frage der Perspektive.

Alte Odenwälder wissen zu lehren, dass Abschaum immer oben schwimt.
Abgesahnt wird im Zweifel von wenig Vermögenden ebenso wie von jenen, die eh schon nicht wissen wohin mit noch mehr Geld.
Erarbeiten tuns meist Leute, die gar nicht die Zeit haben zu überlegen, wie man leichter als mit der Arbeit welche sie täglich verrichten an Geld kommt.


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