Innenpolitik Sind Deutsche disziplinierter als andere Nationen oder nur gehorsamer ?

Wenn ich im TV die Ausschreitungen in England sehe oder jene vor nicht langer Zeit in Frankreich , kommt bei mir doch immer öfter Überlegungen, ob dies in gleichem Maße genauso in Deutschland möglich wäre? Auch hier gibt es Brennpunkte in Großstädten mit Randgruppen, Arbeitslosen - vor allem Jugendliche ohne Zukunftsperspektive , schuldlos Verarmte, illegale Einwanderer aus Drittweltländern etc. Aber außer gelegentlichen Randalen - weit entfernt von jenen Englands oder Frankreichs - herrscht hier trotz zunehmender sozialer Ungerechtigkeit ziemliche Ruhe, auch wenn hin und wieder Autos angezündet werden und Steine fliegen oder heftig demonstriert wird.
Braucht es einfach nur einen Zündfunken, damit auch der deutschen Regierung und ihren Ordnungskräften die Fetzen um die Ohren fliegen wie jetzt in England zu sehen? Oder haben die Deutschen mehr Disziplin, sprich "Gehorsam gegenüber der Obrigkeit" oder das Denken des vielgeschmähten "deutschen Michels"? Möglicherweise läuft aber auch in Deutschland nicht alles so falsch, wie man oft aus kritischen Worten gegen die Regierung hören kann?
Was also wären hier die Voraussetzungen, um gleiche Brandherde zu entzünden wie wir sie derzeit in England sehen ?

Luchs

Demonstrationen verfolgen den Zweck, die Regierenden aufmerksam
zu machen auf wahrgenommene Mißstände innerhalb oder außerhalb der
Republik - so etwas wie "Volkes Willen" in den Fokus zu rücken.

Randale, mutwillige Zerstörungen, Schlägereien mit zum Teil
Schwerverletzten, auch Polizisten, sind für mich keine
legalen Mittel mehr - bekannterweise initiieren solche Auswüchse
sogenannte schwarze Block-Chaoten. Die wollen nur Kaputtmachen.

Was in England, Spanien etc. derzeit abläuft, ist für mich in
Deutschland in dieser Form nicht vorstellbar - ich hoffe sehr,
daß ich mich da nicht eines Tages korrigieren muß.

Möglicherweise ist auch das deutsche Sozialnetz dichter
gewebt und es fallen nicht zu viele durch die Maschen .....

Einen "besonderen" Gehorsam sehe ich nicht.

Medea.

@ luchsi: "ob dies in gleichem Maße genauso in Deutschland möglich wäre?"


Natürlich gab es das hier auch. Denke an den Tod von Benno Ohnesorg. Mit dem Tod von Benno Ohnesorg begann vor 40 Jahren die Eskalation zwischen der radikalen Linken und dem Staat, die drei Jahre später auch zur Gründung der RAF führte.

Hafel

Nachtrag: Medea hast Du das alles schon vergessen?

Nein, Hafel
nix vergessen -
aber das ist rund 40 Jahre her und jetzt ist jetzt -
möglicherweise ist der Zeitgeist ein wenig anders geworden?

M.

Hahaha Medea, aber auch nur möglicher Weise. Der richtige Funke zum richtigen Anlaß und es ist bei uns nicht anders. Ich weiß nicht was Du Dir da schön redest? Nun mag ja Hamburg meilenweit von Dir entfernt sein. Ich erinnere da an 2011: Verletzte und Festnahmen bei Krawallen in Hamburger Schanzenviertel. Da brennen auch Autos und es gibt jede Menge Verletzte.

Nein, bei uns ist das alles ebenso möglich. Nur in Hamburg bereitet sich die Polizei etwas sorgfältiger darauf vor. In London hat die Polizei geschlafen.

Hafel

Wenn in Deutschland weiterhin am falschen Ende das Geld gespart wird, dass den Banken in den Ar... geblasen wird, kommt es auch in Deutschland zu diesen Ausschreitungen.

Wenn weiterhin Jugendclubs und Sozialarbeiter ausgerechnet in Stadtbezirken mit sozialen Problemen gestrichen werden, brennen dort auch die Häuser, Geschäfte und Autos.

Maggie Thatcher galt mit ihren Maßnahmen zur Kürzung der Sozialleistungen und Zerschlagung der Gewerkschaften jahrelang als Vorbild der europäischen Neoliberalen. Nun fährt zunächst UK die Quittung dafür ein.

Randale, mutwillige Zerstörungen, Schlägereien mit zum Teil
Schwerverletzten, auch Polizisten, sind für mich keine
legalen Mittel mehr - bekannterweise initiieren solche Auswüchse
sogenannte schwarze Block-Chaoten. Die wollen nur Kaputtmachen.
Medea.

Das ist in Hamburg jedes Jahr der Fall.
Die Anfänge in der Hafenstraße kennt man noch.
Zum Schanzenfest rücken auch immer "schwarze Blöcke" an.
Inzwischen sehr zum Unwillen der Veranstalter und der Bewohner.

Kennst Du das Gedicht von Heinz Ehrhardt ?
Etwas gewandelt.

Ein linkes und ein rechtes Horn,
spazieren durch die Wüste,
das linke Horn fällt auf die Schnauz´
da sagt das Rechte: "Siehste".

nordstern



nordstern

"Nein, bei uns ist das alles ebenso möglich. Nur in Hamburg bereitet sich die Polizei etwas sorgfältiger darauf vor. In London hat die Polizei geschlafen."

Korrespondenten in London sprechen da vom "Bobby-Phänomen" - also vom Polizisten, die unbewaffnet - allein durch ihre Anwesenheit - für Ruhe und Ordnung sorgen.

Dieses Phänomen ist immer noch in den Köpfen vieler Londoner, obwohl sich die Zeiten längst geändert haben.

Der Hauptanteil der Randalierer - es sind ja keine Demonstranten - sind Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 17 Jahren. Angeführt - per Internet und Handy - werden sie von Menschen, die sich selbst als Anarchisten bezeichnen und das Ziel ausgeben, das "Volksvermögen umverteilen" zu wollen.
Ausgeplündert und angezündet werden aber gerade die Wohnviertel der Armen, und die Geschäfte, die in diesem Gebiet ausgeraubt und zerstört werden, gehören Ladenbesitzern, die sich ohnehin oft am Existenzminimum bewegen.

Zitat Klaus: "Angeführt - per Internet und Handy - werden sie von Menschen, die sich selbst als Anarchisten bezeichnen..."

Vielleicht sitzen ja auch ganz andere Leute an der "Fernsteuerung"? Leute denen eine Aufrüstung der Polizei und ein Einsatz des Militärs im Innern gut gefallen würde? Eingeschleuste Undercover-Polizisten gibt es nicht nur in Deutschland.

Fakt ist, dass diese Kids und Jugendlichen perspektivlos und unzufrieden sind - das ändert man nicht durch Polizei-Einsätze.

Natürlich kennen wir alle diese Ausschreitungen in deutschen Großstädten.

Aber ich habe bisher noch keine Schlagzeilen wie in London gesehen : "London brennt"!
Hier brennen ganze Straßenzüge im Stadtteil Tottenham. Menschen rufen: "Wir bauen den Wohlstand um" und plündern hemmungslos die Geschäfte. Nun hat dies auch auf andere Städte -wie z.Bsp. Birmingham- übergegriffen, Städte, in denen sich die Armenviertel sehr schnell ausdehnen.
Ich glaube nicht, dass es nur jugendliche kriminelle Randalierer sind, die sich aus einem zuerst friedichen Demonstrationszug wegen des ungeklärten Todes eines jungen Familienvaters, den ein Polizist erschoss, zu diesem Aufstand entschlossen haben. Hier kocht auch die Wut der immer schneller anwachsenden Anzahl von Menschen hoch, die mit der weit geöffneten Armutsschere immer mehr in ein unwürdiges Leben gedrängt werden und kaum eine Chance haben, aus eigener Kraft wieder herauszukommen. Junge chancenlose Menschen neigen dann noch mehr zu Überreaktionen als vielleicht besonnenere Ältere.

Die Uhr tickt auch in Deutschland. Wie lange klappt noch das Zusehen, wie "Schutzschirme" über Spekulanten und Banken aufgespannt werden , während viele Menschen immer tiefer fallen und auch dann noch geschröpft werden, indem Renten stagnieren oder gar gekürzt werden, Arbeitslose in Ein-Euro-Jobs gedrängt, HartzIV blüht, das Sozialwesen rapide beschnitten wird..etc. etc. etc...?

Die Resignation der heute Betroffenen könnte morgen zu einem Brandherd werden, nicht zu vergleichen mit den heute bekannten Ausschreitungen in Berlin und Hamburg.

Luchs