Innenpolitik Rechtsradikalismus und die Frage: Warum habt ihr damals (2013) nichts getan?
Rechtsradikalismus und die Frage: Warum habt ihr damals (2013) nichts getan?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Entwicklung in Frankreich
Miriam hat uns unter diesem Thema einen guten Überblick gegeben, wie infiziert Europa von der rechtsradikalen Ideologie ist.
Ich werde mich hier auf Deutschland beschränken und ich habe die Absicht, mich dem Thema sorgfältig und ausführlich zu widmen – in jeweils einzelnen Abschnitten.
Warum habt ihr damals nichts getan? So lautete die Frage meiner Generation an Eltern. Ihr habt doch gewusst. Heute wissen wir auch und tun erneut nichts. Wollen wir mal die Zeichensetzungen wie aufgeregtes Schreiben in Foren oder die üblichen Anti-Rechts-Demonstrationen außer acht lassen. Haben Sie bislang etwas ausrichten können? Warum aber geschieht nicht mehr?
Angst! Es ist die pure Angst. Wer Rechtsradikalen merklich auf die Füße tritt, lebt gefährlich. Ihr erinnert Euch an Marwa al-Sherbini? Sie wählte in einem demokratischen Land rechtsstaatliche Mittel sich gegen Beschimpfungen und Beleidigungen zur Wehr zu setzen. Ihr Vorgehen war richtig, selbstbewußt und mutig. Richtig war ihr Vorgehen, weil es sich nicht um Beleidigungen allgemeiner Art handelte, sondern diese auf rassistisches, ausländerfeindliches Gedankengut und daraus resultierenden Handlungen stützte, die niemand in Deutschland billigend in kauf nehmen muß. Selbstbewußt deshalb, weil sie sich ihres Wertes als Mensch bewußt war. Mutig war sie, weil sie sich vor Diskriminierung nicht duckte, sondern legal und friedlich ihr Recht einforderte.
Ihr Vertrauen in das rechtsstaatliche System bezahlte Marwa al Sherbini mit ihrem Leben.
Miriam hat uns unter diesem Thema einen guten Überblick gegeben, wie infiziert Europa von der rechtsradikalen Ideologie ist.
Ich werde mich hier auf Deutschland beschränken und ich habe die Absicht, mich dem Thema sorgfältig und ausführlich zu widmen – in jeweils einzelnen Abschnitten.
Warum habt ihr damals nichts getan? So lautete die Frage meiner Generation an Eltern. Ihr habt doch gewusst. Heute wissen wir auch und tun erneut nichts. Wollen wir mal die Zeichensetzungen wie aufgeregtes Schreiben in Foren oder die üblichen Anti-Rechts-Demonstrationen außer acht lassen. Haben Sie bislang etwas ausrichten können? Warum aber geschieht nicht mehr?
Angst! Es ist die pure Angst. Wer Rechtsradikalen merklich auf die Füße tritt, lebt gefährlich. Ihr erinnert Euch an Marwa al-Sherbini? Sie wählte in einem demokratischen Land rechtsstaatliche Mittel sich gegen Beschimpfungen und Beleidigungen zur Wehr zu setzen. Ihr Vorgehen war richtig, selbstbewußt und mutig. Richtig war ihr Vorgehen, weil es sich nicht um Beleidigungen allgemeiner Art handelte, sondern diese auf rassistisches, ausländerfeindliches Gedankengut und daraus resultierenden Handlungen stützte, die niemand in Deutschland billigend in kauf nehmen muß. Selbstbewußt deshalb, weil sie sich ihres Wertes als Mensch bewußt war. Mutig war sie, weil sie sich vor Diskriminierung nicht duckte, sondern legal und friedlich ihr Recht einforderte.
Ihr Vertrauen in das rechtsstaatliche System bezahlte Marwa al Sherbini mit ihrem Leben.
Re: Rechtsradikalismus und die Frage: Warum habt ihr damals (2013) nichts getan?
geschrieben von Karl
Zum Fall Marwa El Sherbini kann man bei Wikipedia mehr lesen. Wir können uns nicht mit "Ihr Mörder war ein Einzeltäter" herausreden. Spätestens die lange NSU-Mordserie hat uns vor Augen geführt, dass in diesem Land viele auf dem rechten Auge blind sind.
Karl
Karl
Re: Rechtsradikalismus und die Frage: Warum habt ihr damals (2013) nichts getan?
Pagena - danke dir, dass du uns dieses schwierige aber sehr wichtige Thema, vorschlägst.
Danke auch dir, Karl.
Werde mich erst morgen damit befassen können - heute bin ich beim Reittournier meiner Enkeltöchter.
Gruß von Miriam
Danke auch dir, Karl.
Werde mich erst morgen damit befassen können - heute bin ich beim Reittournier meiner Enkeltöchter.
Gruß von Miriam
Re: Rechtsradikalismus und die Frage: Warum habt ihr damals (2013) nichts getan?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Noch gibt es keinen neuen Hitler (dazu später mehr), aber doch ist Angst und Wegducken vor der braunen Brut weit verbreitet.
Drei Beispiele aus meinem Alltagsleben: Ich stand an einer wenig belebten Straßenbahnhaltestelle. Mit mir zwei rasierte Glatzköpfe. Ihr kennt die Situation alle, wenn Leute in einer Lautstärke reden, die dich nicht in ein Gespräch einbezieht, aber doch lauter als nötig ist, damit du auch alles mitbekommst. Das Gerede drehte sich um die üblichen ausländerfeindlichen Parolen. Ich gab mich unbeteiligt, sagte nichts dazu, denn weder wollte ich im Rollstuhl, noch auf dem Friedhof landen. Oder es war da der Rechtsradikale, der mal kurz die Wartenden an der Kasse eines Supermarktes an die Seite drückte. Alle nahmen es billigend in Kauf.
Mein Problem ist nicht die wie auch immer geartete Beurteilung meines Verhaltens durch andere. Mein Problem ist die Zunahme dieser Situationen (auch dazu später mehr)und das Kuschen davor. Nachwuchsprobleme haben die neuen Nazis keine, wie mein drittes Beispiel zeigt.
Wieder stand ich an einer -diesmal belebten (ca. 15 Menschen)- Straßenbahnhaltestelle in der Innenstadt. Warum ich mich nach hinten umdrehte, weiß ich nicht. Ich sah, wie vier Jugendliche (geschätzt zwischen 13-15 Jahre alt)eine Frau (vermutlich Vietnamesin) bedrängten. Ich ging auf die Gruppe zu und das nicht wortlos und in einer nicht zu ignorierenden Lautstärke. Ganze zwei von den 15 Leuten kamen, wenn auch zögerlich, so doch unterstützend hinzu. Die Jugendlichen sind dann abgehauen. Was, wenn die vier Erwachsene gewesen wären?
Im NSU-thread stellte ich diesen Link ein: Dorf in Nazihand
Ein ganzes Dorf in der Hand von Nazis. Deutschland im Jahre 2013. Bitte lest den Artikel!»....Vor einigen Monaten besuchte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse das Dorf. Der SPD-Mann saß eine halbe Stunde bei den Lohmeyers im Wohnzimmer und versprach, sie im Kampf gegen die Neonazis zu unterstützen. Geschehen ist bis heute nichts. Jamel ist zum Symbol dafür geworden, dass es Orte in Deutschland gibt, an denen die Rechten nahezu alles tun können, was sie wollen.....«(Quelle s. oben).
Drei Beispiele aus meinem Alltagsleben: Ich stand an einer wenig belebten Straßenbahnhaltestelle. Mit mir zwei rasierte Glatzköpfe. Ihr kennt die Situation alle, wenn Leute in einer Lautstärke reden, die dich nicht in ein Gespräch einbezieht, aber doch lauter als nötig ist, damit du auch alles mitbekommst. Das Gerede drehte sich um die üblichen ausländerfeindlichen Parolen. Ich gab mich unbeteiligt, sagte nichts dazu, denn weder wollte ich im Rollstuhl, noch auf dem Friedhof landen. Oder es war da der Rechtsradikale, der mal kurz die Wartenden an der Kasse eines Supermarktes an die Seite drückte. Alle nahmen es billigend in Kauf.
Mein Problem ist nicht die wie auch immer geartete Beurteilung meines Verhaltens durch andere. Mein Problem ist die Zunahme dieser Situationen (auch dazu später mehr)und das Kuschen davor. Nachwuchsprobleme haben die neuen Nazis keine, wie mein drittes Beispiel zeigt.
Wieder stand ich an einer -diesmal belebten (ca. 15 Menschen)- Straßenbahnhaltestelle in der Innenstadt. Warum ich mich nach hinten umdrehte, weiß ich nicht. Ich sah, wie vier Jugendliche (geschätzt zwischen 13-15 Jahre alt)eine Frau (vermutlich Vietnamesin) bedrängten. Ich ging auf die Gruppe zu und das nicht wortlos und in einer nicht zu ignorierenden Lautstärke. Ganze zwei von den 15 Leuten kamen, wenn auch zögerlich, so doch unterstützend hinzu. Die Jugendlichen sind dann abgehauen. Was, wenn die vier Erwachsene gewesen wären?
Im NSU-thread stellte ich diesen Link ein: Dorf in Nazihand
Ein ganzes Dorf in der Hand von Nazis. Deutschland im Jahre 2013. Bitte lest den Artikel!»....Vor einigen Monaten besuchte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse das Dorf. Der SPD-Mann saß eine halbe Stunde bei den Lohmeyers im Wohnzimmer und versprach, sie im Kampf gegen die Neonazis zu unterstützen. Geschehen ist bis heute nichts. Jamel ist zum Symbol dafür geworden, dass es Orte in Deutschland gibt, an denen die Rechten nahezu alles tun können, was sie wollen.....«(Quelle s. oben).
Re: Rechtsradikalismus und die Frage: Warum habt ihr damals (2013) nichts getan?
geschrieben von pitt
Hallo karl,
mit deiner formulierung :
wir können uns nicht....herausreden erteilst du eine kollektivschuld und möchtest das den deutschen seit jahrzehnten eingeredete schlechte gewissen wieder anfachen.
Weder ich noch meine kinder noch enkel sind schuld, wenn ein fanatischer einzeltäter eine so furchtbare tat begeht.
Eigentlich sind doch hier zwei migranten aus unterschiedlichen ländern und kulturkreisen betroffen.
Ich kann auch nicht feststellen, daß für terroranschläge der islamisten eine formulierung zu finden ist, daß es sich nur um einzeltäter handelt und alle muslime sich fragen müssen..... .
mit deiner formulierung :
wir können uns nicht....herausreden erteilst du eine kollektivschuld und möchtest das den deutschen seit jahrzehnten eingeredete schlechte gewissen wieder anfachen.
Weder ich noch meine kinder noch enkel sind schuld, wenn ein fanatischer einzeltäter eine so furchtbare tat begeht.
Eigentlich sind doch hier zwei migranten aus unterschiedlichen ländern und kulturkreisen betroffen.
Ich kann auch nicht feststellen, daß für terroranschläge der islamisten eine formulierung zu finden ist, daß es sich nur um einzeltäter handelt und alle muslime sich fragen müssen..... .
Re: Rechtsradikalismus und die Frage: Warum habt ihr damals (2013) nichts getan?
geschrieben von adam
Einen Spiegelartikel von 2013 habe ich nicht gefunden, aber den hier von 2011: Allein unter Nazis
Es macht sich wohl allgemeine Ratlosigkeit breit. Was sollen Einzelne gegen den braunen Mob ausrichten? Der Rechtsstaat kann kaum präventiv agieren, sondern nur reagieren und braunes Denken kann man nicht verbieten oder unter Strafe stellen. Und dann ist da die Angst, die selbst Polizei und staatliche Behörden zu lähmen scheint, wenn nicht sogar der Verdacht im Raum steht, daß für die Rechten sogar Sympathien vorhanden sind. Siehe die sogenannten Pannen bei Verfassungsschutz, Polizei und Staatsanwalrschaft im Fall der NSU-Morde.
Die eigene Ratlosigkeit bringt mich nur zu der Erkenntnis, daß das primitive Fußvolk der Neonazis wohl nur auf Gegengewalt anspricht. In einigen Fällen erwische ich mich dabei, die Rechtsstaatlichkeit hinten an zu stellen und mir einen Polizeikessel zu wünschen, bei dem drauf gehauen wird, bis sich nichts mehr muckst. Keinesfall möchte ich das aber irgendwelchen selbsternannten "Antifa"gruppen überlassen, die das gleiche Gesocks in Rot stellen.
Hier noch eine Übersichtskarte: Atlas des Rechtsextremismus
--
adam
Es macht sich wohl allgemeine Ratlosigkeit breit. Was sollen Einzelne gegen den braunen Mob ausrichten? Der Rechtsstaat kann kaum präventiv agieren, sondern nur reagieren und braunes Denken kann man nicht verbieten oder unter Strafe stellen. Und dann ist da die Angst, die selbst Polizei und staatliche Behörden zu lähmen scheint, wenn nicht sogar der Verdacht im Raum steht, daß für die Rechten sogar Sympathien vorhanden sind. Siehe die sogenannten Pannen bei Verfassungsschutz, Polizei und Staatsanwalrschaft im Fall der NSU-Morde.
Die eigene Ratlosigkeit bringt mich nur zu der Erkenntnis, daß das primitive Fußvolk der Neonazis wohl nur auf Gegengewalt anspricht. In einigen Fällen erwische ich mich dabei, die Rechtsstaatlichkeit hinten an zu stellen und mir einen Polizeikessel zu wünschen, bei dem drauf gehauen wird, bis sich nichts mehr muckst. Keinesfall möchte ich das aber irgendwelchen selbsternannten "Antifa"gruppen überlassen, die das gleiche Gesocks in Rot stellen.
Hier noch eine Übersichtskarte: Atlas des Rechtsextremismus
--
adam
Re: Rechtsradikalismus und die Frage: Warum habt ihr damals (2013) nichts getan?
geschrieben von JuergenS
In erster Näherung sieht der Atlas von deutschen Nazis so aus, als bräuchten wir uns nur im Osten Deutschlands deswegen Sorgen zu machen. Ist das eine Folge der jahrzehntelangen Bevormundung der Menschen im Osten+Fehlentwicklungen nach der Vereinigung?
Ich habe dennoch das Gefühl, dass vor allem andere Nationen eher Gefahr laufen, Nationalismus zu stark zu dulden.
Der nächste Hitler kann, m.E. kaum in Deutschland entstehen, er ist eine weltweite "Gesinnungskrankheit".
Ich habe dennoch das Gefühl, dass vor allem andere Nationen eher Gefahr laufen, Nationalismus zu stark zu dulden.
Der nächste Hitler kann, m.E. kaum in Deutschland entstehen, er ist eine weltweite "Gesinnungskrankheit".
Re: Rechtsradikalismus und die Frage: Warum habt ihr damals (2013) nichts getan?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Danke Adam für den korrigierten Link.
Ich werde mich natürlich an der Diskussion beteiligen. Zunächst will ich aber das niederschreiben, was ich mir vorgenommen habe. Aus Zeitgründen dauert das ein bißchen. Bis später.
Ich werde mich natürlich an der Diskussion beteiligen. Zunächst will ich aber das niederschreiben, was ich mir vorgenommen habe. Aus Zeitgründen dauert das ein bißchen. Bis später.
Re: Rechtsradikalismus und die Frage: Warum habt ihr damals (2013) nichts getan?
geschrieben von Karl
@ Pitt,
ich bin 1948 geboren und es gibt keinen Hinweis, dass meine Eltern in irgendeiner Weise in die Vernichtungsmaschinerie der Nazis eingebunden waren. Sie haben mir allerdings von der Nazizeit erzählt und ich habe über Schule, Zeitungen, Funk, Fernsehen, Filme und durch Eigeninitiative soviel Wissen über diese Zeit erworben, dass ich mich verantwortlich fühle für die Zukunft, für die Verhinderung ähnlicher Zustände im Ansatz.
Ich habe also kein Schuldgefühl eingetrichtert bekommen, aber Verantwortung zu übernehmen bin ich bereit.
Glücklicherweise bin ich hier nicht allein und es gibt viele, die so denken wie ich. Ich werde immer versuchen Initiativen zu unterstützen, die nationalsozialistische Machenschaften bei uns oder anderswo anprangern und bekämpfen.
Karl
ich bin 1948 geboren und es gibt keinen Hinweis, dass meine Eltern in irgendeiner Weise in die Vernichtungsmaschinerie der Nazis eingebunden waren. Sie haben mir allerdings von der Nazizeit erzählt und ich habe über Schule, Zeitungen, Funk, Fernsehen, Filme und durch Eigeninitiative soviel Wissen über diese Zeit erworben, dass ich mich verantwortlich fühle für die Zukunft, für die Verhinderung ähnlicher Zustände im Ansatz.
Ich habe also kein Schuldgefühl eingetrichtert bekommen, aber Verantwortung zu übernehmen bin ich bereit.
Glücklicherweise bin ich hier nicht allein und es gibt viele, die so denken wie ich. Ich werde immer versuchen Initiativen zu unterstützen, die nationalsozialistische Machenschaften bei uns oder anderswo anprangern und bekämpfen.
Karl
Re: Rechtsradikalismus und die Frage: Warum habt ihr damals (2013) nichts getan?
geschrieben von sammy
Glücklicherweise bin ich hier nicht allein und es gibt viele, die so denken wie ich. Ich werde immer versuchen Initiativen zu unterstützen, die nationalsozialistische Machenschaften bei uns oder anderswo anprangern und bekämpfen.
Da stellt sich natürlich die Frage wie weit in der Realität, nämlich in alltäglichen Leben, geht das "Anprangern und Bekämpfen" ? Geht es bis zur Gefährdung für Leib und Leben, weil eben erfahrunggemäß in einer "Demokratie" sich auch "Schlupflöcher" für "radikales Denken und auch Handeln" befinden.
Besser würde ich es finden, wenn Radikalismus in jeder Form der Boden entzogen werden würde, indem klare Worte ausgesprochen und Misssstände für alle minimiert würden.
sammy