Forum Politik und Gesellschaft Innenpolitik Muss Uniper vom deutschen Steuerzahler gerettet werden?

Innenpolitik Muss Uniper vom deutschen Steuerzahler gerettet werden?

pschroed
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RE: Muss Uniper vom deutschen Steuerzahler gerettet werden?
geschrieben von pschroed

Für den Energiesektor ist es sehr ernst, manche vergleichen die Situation im Energiesektor schon mit dem Zusammenbruch der Lehmann-Bank von 2008. Phil.

QUELLE SZ

Nun sind historische Vergleiche in der Wirtschaft meistens schwierig. Aber es ist nicht ganz weit hergeholt, die Gefahren eines möglichen Zusammenbruchs des Düsseldorfer Gashändlers mit der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers zu vergleichen. Der Kollaps des US-Instituts provozierte 2008 einen weltweiten Dominoeffekt, löste damit die Weltfinanzkrise aus und drohte, das Finanzsystem zu sprengen. Uniper dagegen hat als einer der größten europäischen Gasversorger das Zeug, die Grundkoordinaten des Energiesystems zu zerlegen. Würde Unipers Geschäftsmodell - russisches Gas günstig einkaufen und an Kunden wie die Stadtwerke und Industrieunternehmen weiterreichen - wegen des Russland-Krieges weiter implodieren, wären die Effekte verheerend, gerade auch für Privathaushalte. Uniper ist zwar nicht Lehman. Aber die Sorgen vor einem Lehman-Effekt sind berechtigt. Whatever it takes.

olga64
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RE: Muss Uniper vom deutschen Steuerzahler gerettet werden?
geschrieben von olga64
als Antwort auf ingo vom 22.07.2022, 18:32:42

Das sehe ich anders: wenn Investoren Geld anlegen wollen, bevorzugen sie zukunftsträchtige Investitionen mit kontiniierlich steigenden Rendite-Möglichkeiten  und nicht solche,die sich in einigen Jahren sowieso erledigen, weil der Grund des Investments entfällt. So also bei Gas,das vermutlich und hoffentlich in einigen Jahren kein grosses Thema mehr für Verbraucher sein wird.
Da kann man als Investor nur Geld verlieren, wenn man einsteigt.
Die staatliche 30%ige Investition liegt da vermutich anders und wird auch zeitlich befristet sein.
Habe soeben gehört, dass - wenn man Uniper nicht gerettet hätte - dies nach dem Domino-Prinzip weitere Energieunternehmen mit sich gerissen hätte, die dann alle nicht mehr in der Lage wären, den deutschen Gasbedarf in irgendeiner Art und Weise zu bearbeiten. Olga

ingo
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RE: Muss Uniper vom deutschen Steuerzahler gerettet werden?
geschrieben von ingo
als Antwort auf olga64 vom 22.07.2022, 19:06:50

Stimmt, @olga64! Daran, dass Gas ein Auslaufmodell sein soll/wird, habe ich bei meinem Beitrag nicht gedacht. Das mit dem Domino-Effekt ist klar. Selbst meine Stadtwerke würden zu den Folgen gehören.


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SamuelVimes
SamuelVimes
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RE: Muss Uniper vom deutschen Steuerzahler gerettet werden?
geschrieben von SamuelVimes

Für mich ist die Erklärung nicht nachvollziehbar.

Ich vereinfache mal, damit es verständlicher wird.

Nach eigenen Angaben (Geschäftsbericht 2022, 2021, 2020)
sichert Uniper seine Gaslieferungen und die mit den Abnehmern
vereinbarten Preise  am Terminmarkt ab.

Alles andere wäre ja auch kaufmännisch unvernünftig.

In der Preisspirale kann also kein Risiko stecken - es sein denn
es wurde geschlampt oder (ver)spekuliert.

Die gestiegenen Gaspreise belasten aber die Liquidität.
Uniper kauft heute Gas und füllt die Speicher.
Da wird eine Riesenmenge an teurem Gas bevorratet, das erst
im Winter verkauft wird und somit bis dahin zwischenfinanziert
werden muss.

Habeck hat mit seinem Gesetz zur nationalen Gasreserve (5/2022)
die Situation für Uniper nochmal stark verschärft.
Warum es bis dahin keine nationale Gasreserve gegeben hat ist mir
ein Rätsel. Beim Erdöl (Erdölbevorratungsverband) gibts das schon ewig.

Die Verluste von Uniper resultieren wohl eher aus den
Abschreibungen auf Nordstream 2 und das Russlandgeschäft (Unipro).
Die russische Tochter Unipro trug zuletzt mit ca. 20 %
zum Gewinn bei.

LG
Sam

 

olga64
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Mitglied

RE: Muss Uniper vom deutschen Steuerzahler gerettet werden?
geschrieben von olga64

Man kann jetzt Details zu dieser Rettungsaktion für Uniper in Erfahrung bringen:

Uniper wird vorläufig mit bis zu 15 Milliarden Euro gerettet.
Aktuell laufen monatlich mehr als 1.5 Milliarden Euro Verlust bei Uniper auf, da Uniper die von Russland ausbleibenden Gasmengen auf dem freien Markt zu sehr viel höheren Preisen kaufen muss, um ihre Lieferzusagen an deutsche Stadtwerke und Industrieunternehmen aufrechtzuerhalten.
Uniper als grösster Auslandskunde von Gazprom hat bislang Gas aus Russland eingekauft und dieses dann vor allem an deutsche Kunden weiterverkauft. Das brachte inder Vergangenheit gute Margen - jetzt führt das KOnzept in das Verderben.
Die Bundesregierung hat angekündigt, 30% der Anteile von Uniper zu einem Vorzugspreis zu übernehmen; ausserdem soll sich das Unternehmen mit Geld der staatlaichen KfW über Wasser halten. Ausserdem vergibt der Staat Kredite an Uniper,diedann später in Aktien umgewandelt werden können.
Zuletzt hielt der finnische Konzern Fortum ca 80% der Aktien; diese Beteiligung wird auf ca 56% verwässert. Es ist nicht bekannt, ob Fortum auch zukünftig dabeibleiben wird. Fortum, mehrheitlich im Besitz des finnischen Staates hatte sich geweigert, neues Kapital bereitzustellen und wollte Uniper zerschlagen.
Den Gashandel, der für die Misere verantwortlich ist, sollte Deutschland übernehmen.
Der Reste sollte bei Uniper und Fortum bleiben - all das scheint aber vom Tisch zu sein.
Ein weiteres Problem ist, dass sich Uniper sehr lange an Gazprom gebunden hat - einige der Langfrist-Verträge würen bis Mitte der 30er Jahre laufen.
Die Manager von Uniper erklären,dass sie versuchen werden, Gazprom für den SChaden haftbar zu machen, den das Unternehmen erleidet - die Erfolgsaussichten dürften vermutlich als sehr gering eingestuft werden. Olga

pschroed
pschroed
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RE: Muss Uniper vom deutschen Steuerzahler gerettet werden?
geschrieben von pschroed
als Antwort auf olga64 vom 25.07.2022, 18:08:47

Liebe Olga, UNIPER ist to big to fail und macht erst dann wieder Gewinne wenn die alten Verträge im Oktober auslaufen, dann werden die Preise für den Konsumenten nach oben stramm angepasst.

Putin hat sich ein schönes Spielzeug angelegt, wo er den Westen in die Knie zwingen kann, ich bin mal gespannt wie wir wieder aus dieser Nummer ohne Verwerfungen herauskommen, wie und wo das Gas herkommen soll.

Wir befinden uns in einer sehr ernsten wirtschaftliche Situation. Phil.


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olga64
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RE: Muss Uniper vom deutschen Steuerzahler gerettet werden?
geschrieben von olga64
als Antwort auf pschroed vom 25.07.2022, 18:24:39

Ja, so ist es, lieber Phil.
Wie man hört, konnte Herr Habeck bisher keine wirklich grossen Alternativlieferanten für Gas aufbauen. Katar wünscht in einem solchen Fall eine Vertragslaufzeit von mindestens 20 Jahren.Und alle sind sie längerfristig bereits vertraglich an andere Abkommen gebunden.
Dazu kommt, dass die LNG-Terminals in Norddeutschland erst in einigen Monaten einsatzbereit sein dürften.
Innerhalb der EU hört man schon 'Stimmen, dass einige Staaten nicht bereit sind, sich einzuschränken, damit Deutschland im Winter nicht frieren muss.
Österreich schliesst jetzt den Gasspeicher in Heidach bei Salzburg an das österreichische Netz an; von dort kamen bisher die Gaslieferungen für Bayern, also für Privathaushalte und die Industrie.
Es klingt alles so auswegslos und ich hoffe nur, dass die jetzt handelnden Politiker nicht alles hinwerfen und zurücktreten und das Land in diesem ungelösten Chaos bleiben muss. Olga

pschroed
pschroed
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RE: Muss Uniper vom deutschen Steuerzahler gerettet werden?
geschrieben von pschroed
als Antwort auf olga64 vom 25.07.2022, 18:30:36

Ich konnte es fast nicht glauben daß Habeck grössere Schwierigkeiten hat um Gas zu besorgen, egal wie es wird da müssen wir jetzt alle durch. Phil.

aixois
aixois
Mitglied

RE: Muss Uniper vom deutschen Steuerzahler gerettet werden?
geschrieben von aixois
als Antwort auf SamuelVimes vom 23.07.2022, 12:18:20

Das mit den Termingeschäften hat schon so seine Richtigkeit, aber nur für die Gasmengen, die nicht von Gazprom unter längerfristigen Verträgen  (übrigens auch mit Preisanpassungsklauseln) bezogen werden. Und wenn Gazprom nur noch die Hälfte oder so liefert, dann muss das Liefer-Delta halt an der Leipziger Börse teuer besorgt werden.

Dass aus anderen Geschäften auch Verluste/Gewinne gemacht werden ist nicht das Hauptproblem.
Es ist eng geworden mit dem  "cash auf den Tisch" (Vorkasse) beim Gas einkaufen.

Uniper hat aktuell 42 GWH von insgesamt 80 GWh Kapazität gespeichert. Mit 52 % liegt die Quote deutlich unter dem Durchschnitt der Gesamtspeicher in DE (66 %), d.h. die (geringe) Speicherung ist eher eine Folge, nicht (Haupt) Ursache für die Liquiditäts'enge'.

Die Rückstellungen (noch keine Abschreibungen - Rechtsweg wg. Schadensersatz ist noch nicht beschritten) wg NS 2 stehen erstmal in den Büchern,wo sie den Gewinn schmälern, begründen aber nicht die aktuellen Zahlungsprobleme.

Warum der Staat die Verantwortung für den Energiemarkt privaten Unternehmen = dem Markt überlassen hat, hatten wir ja schon mal diskutiert.
Es herrscht bis heute die (nicht völlig grundlose) Überzeugung vor, dass die Marktkräfte es besser können als ein (teil-) regulierter Markt.

Ansonsten gilt halt das ERFT-/Ahrtal-Argument :"hat ja keiner ahnen können, dass es anders kommt als wie wir es bisher gewohnt waren".

Wenn ich mich mit 2 großen Pipelines sehenden Auges in eine Abhängigkeit zum  Lieferanten begebe, dann sollte ich eine (Außen-) Politik betreiben, die aktiv vorausschauend und absichernd ist.

Leider haben die nationalen Interessen verhindert, das z.B. einem gemeinsamen Vorgehen bei der Versorgungssicherheit wegen den jeweiligen nationalstaatlichen Energiestrategien nicht die erforderliche Priorität gegeben wurde.

Ich erinnere mich noch gut daran, als man plötzlich merkte, das das Gasverbundnetz unidirektional ausgerichtet war, d.h. einem bedürftigen Mitgliedsstaat konnte nicht ausgeholfen werden, weil man  ihm kein Gas in die andere Richtung schicken konnte.

Die Ausstattung mit bidirektionalen  Ventilen, um einen reverse flow zu ermöglichen, gehört zu den bis 2025 abzuschließenden Infrastrukturmassnahmen (neben den LNG  Schiffterminals - FSRU) allerhöchster Priorität.
Dazu gehört - ganz am Rande bemerkt - auch die "Parfümierungsanlage"  zur "Odorierung" des Gases in der Nähe von Lörrach wichtig bes.  BaWü... aber das hat mit Uniper wenig zu tun.


 

Raucher
Raucher
Mitglied

RE: Muss Uniper vom deutschen Steuerzahler gerettet werden?
geschrieben von Raucher
als Antwort auf olga64 vom 25.07.2022, 18:08:47
Man kann jetzt Details zu dieser Rettungsaktion für Uniper in Erfahrung bringen:

Uniper wird vorläufig mit bis zu 15 Milliarden Euro gerettet.
Aktuell laufen monatlich mehr als 1.5 Milliarden Euro Verlust bei Uniper auf, da Uniper die von Russland ausbleibenden Gasmengen auf dem freien Markt zu sehr viel höheren Preisen kaufen muss, um ihre Lieferzusagen an deutsche Stadtwerke und Industrieunternehmen aufrechtzuerhalten.
Uniper als grösster Auslandskunde von Gazprom hat bislang Gas aus Russland eingekauft und dieses dann vor allem an deutsche Kunden weiterverkauft. Das brachte inder Vergangenheit gute Margen - jetzt führt das KOnzept in das Verderben.
Die Bundesregierung hat angekündigt, 30% der Anteile von Uniper zu einem Vorzugspreis zu übernehmen; ausserdem soll sich das Unternehmen mit Geld der staatlaichen KfW über Wasser halten. Ausserdem vergibt der Staat Kredite an Uniper,diedann später in Aktien umgewandelt werden können.
Zuletzt hielt der finnische Konzern Fortum ca 80% der Aktien; diese Beteiligung wird auf ca 56% verwässert. Es ist nicht bekannt, ob Fortum auch zukünftig dabeibleiben wird. Fortum, mehrheitlich im Besitz des finnischen Staates hatte sich geweigert, neues Kapital bereitzustellen und wollte Uniper zerschlagen.
Den Gashandel, der für die Misere verantwortlich ist, sollte Deutschland übernehmen.
Der Reste sollte bei Uniper und Fortum bleiben - all das scheint aber vom Tisch zu sein.
Ein weiteres Problem ist, dass sich Uniper sehr lange an Gazprom gebunden hat - einige der Langfrist-Verträge würen bis Mitte der 30er Jahre laufen.
Die Manager von Uniper erklären,dass sie versuchen werden, Gazprom für den SChaden haftbar zu machen, den das Unternehmen erleidet - die Erfolgsaussichten dürften vermutlich als sehr gering eingestuft werden. Olga
geschrieben von olga64

Ja eine Firma die 2,7 Millarden Wert ist mit 15 Milliarden Kredit unterstützen..wow🙌🙌🙌

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