Forum Politik und Gesellschaft Innenpolitik Kommunismus, die schönste Zeit in meinem Leben.?

Innenpolitik Kommunismus, die schönste Zeit in meinem Leben.?

RE: Kommunismus, die schönste Zeit in meinem Leben.?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Federstrich vom 02.12.2018, 16:54:15

Federstrich, du hast recht. Ich hatte vielleicht zu wenig nachgedacht, weil ich nur diese politischen Begriffe vor Augen hatte.
Ansonsten - Die Berichte, die du erwähnst, habe ich auch mit Interesse gelesen.
Also keine Panik bitte! Und ein klein wenig freundlicher könnten deine durchaus hilfreichen Belehrungen auch sein. Lächeln

Tina1
Tina1
Mitglied

RE: Kommunismus, die schönste Zeit in meinem Leben.?
geschrieben von Tina1
als Antwort auf justus39 vom 02.12.2018, 13:46:58
Ich habe lange an den Sozialismus geglaubt u mich als Kind auch wohlgefühlt. Meine Kinder haben sich aber nicht mehr wohlgefühlt, sie spürten schon in der Schule, was die selbsternannten Kommunisten sich als Sozialismus vorstellten. Die Zeit hatte sich schwer zum negativen verändert. Erst als wir erwachsen waren, haben wir mitbekommen, dass der Staat eine Diktator ist, weit weg vom Sozialismus.Wenn ich so über mein Leben zurückdenke, dann spielen auch die vielen Jahre in der DDR eine sehr beachtliche Rolle, denn es waren ja die Wichtigsten in meinem Leben. Ich möchte diese Zeit nicht missen, aber ich möchte sie auch nicht zurückhaben. Dabei denke ich an viele Erlebnisse, Erfahrungen an gute Freunde und an die Sicherheit (im doppelten Sinne) und auch an die kleinkarierten Schreibtisch- und Salonsozialisten, die mir das Leben schwer gemacht haben.
Über meine Zukunft und meinen Arbeitsplatz musste ich mir weder Sorgen noch allzu große Hoffnungen machen.

Im vereinten Deutschland hatte ich nun die Gelegenheit, all das zu erleben was mir in der DDR vorenthalten wurde, und es macht mich doppelt glücklich, mich dabei daran zu erinnern auf was wir so alles verzichten mussten und wie wir uns über jede Kleinigkeit freuen konnten, die heute selbstverständlich ist. Das können nun die wieder nicht so mitempfinden, die es nie anders kannten.

So gesehen haben beide Systeme mein Leben bereichert, und ich habe allen Grund, dafür dankbar zu sein.
justus
Lieber Justus,

ich hatte ja geschrieben, dass ich gute Erinnerungen an meine Kindheit, was den Staat betrifft, habe. Ich war damals gern Pionier. Und ich habe auch eine tolle Jugend erlebt, wir haben uns damals nicht mit Politik beschäftigt, sondern dass gemacht, was Jugendliche so machen. Auch später als Familie habe ich schöne Erinnerungen. Aber das hatte dann mit guten Freunden, Arbeitskollegen und Verwandten zu tun, es gab ganz viele Feste u Feiern. Das hat nichts mit dem Regime zu tun.

Ich erinnere mich auch gern an die Brigadeausflüge u Feste, wir haben viel gelacht. Ich war z. B. Kulturobmann u habe das alles organisiert u später darüber einen Bericht fürs Brigadetagebuch geschrieben. Auch diese positiven Erinnerungen, hat mit meinen Kolleginnen u Kollegen zu tun u mit meinem langjährigen Chef, der kein roter Parteigenosse war, Da hatten wir großes Glück. Kurz vor unserem Ungarn- Urlaub hatte ich einen Zahnarzt als Chef, ich bin in meinen Beruf zurückgegangen, der hatte die Ausreise gestellt. Ein guter Gesprächspartner für mich..

Also wir haben einfach zusammen gehalten u uns gegenseitig geholfen, denn es fehlte ja in den letzten 15 Jahren an allem. Wir haben das Beste draus gemacht, wir kannten es nicht anders u wir sahen die andere Welt auch nicht, denn wir konnten kein Westfernsehen sehen. Nur durch meine Tante, die erst später auf Besuch kam, habe ich über das andere Leben, auf der anderen Seite viel erfahren.

Ich möchte all diese Erinnerungen in der DDR auch nicht missen. Aber das sind Erinnerungen an Menschen, an Ereignissen. Diese Erinnerungen haben aber das, was politisch mit Menschen, Familien, Kindern passiert ist, nicht weggewischt. Das war alles da u darüber haben wir uns mit unseren Freunden u Verwandten im geheimen stundenlang diskutiert. Man konnte es ja nur noch in den Wohnungen tun.Überall waren Stasispitzel.

Fakt ist, die Menschen konnten nicht frei leben, nicht selbstbestimmt. Der Staat hat dir gesagt, was u zu denken hast. Er hat dir gesagt, wohin du fahren darfst u wohin nicht. Du durftest nicht deine Verwandten im Westen besuchen. Mit welchem Recht wurde das verboten? Menschen, die einen Ausreiseantrag gestellt haben, fliehen wollten wurden zum Feind, Verbrecher u so wurden sie auch behandelt. In Bezug Ausreiseantrag habe das alles bei meinen Arbeitskolleginnen mitbekommen. Sie wurden auf dem Rat des Kreises denunziert, es wurde ihnen Angst gemacht. Sie haben immer wieder gesagt bekommen, dass sie nie rauskommen werden. Im Betrieb wurden sie sofort versetzt, sie kamen weg von der EDV, vom großen Ingenieur-Bürohochhaus u kamen in die Fabrikhallen. Sie mussten eine primitive Arbeit verrichten, möglich in 3 Schichten.

Ein Parteifunktionär hat zu meiner Kollegin gesagt, ob sie wüsste, dass sie als Prostituierte arbeiten müsste, wenn sie in den Westen geht. Die ganzen Gespräche waren erniedrigend und nur ein Anbrüllen. Mir wurde nahegelegt, dass ich keinen Westkontakt in Ungarn haben sollte u. wenn, muss ich das sofort melden. Man wurde wie unmündig behandelt u ständig beobachtet. Auch in Ungarn oder dann über die Post, wenn Briefe aus dem Westen kamen.

Justus, das sind einige meiner Erfahrungen u. Erlebnisse. Du kannst andere haben, was ich respektiere.
Tina

 
Bote Asgards
Bote Asgards
Mitglied

RE: Kommunismus, die schönste Zeit in meinem Leben.?
geschrieben von Bote Asgards
als Antwort auf wandersmann vom 02.12.2018, 17:03:52
@ Bote Asgards

Und was hatte ER/DU eigentlich angestellt, um in den "Genuss" der U-Haft zu kommen?
Z.B. sind wir nach der Niederschlagung des Prager Frühlings mit Trauerbinden am Arm mit der Aufschrift "ČSSR " und "Dubček" in der Stadt rumgelaufen Lächeln  Auf mehr möchte ich hier nicht eingehen. Die Anklage lautete letztendlich "staatsfeindliche Hetze im schweren Fall", Strafmaß 3-10 Jahre.

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pippa
pippa
Mitglied

RE: Kommunismus, die schönste Zeit in meinem Leben.?
geschrieben von pippa
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 02.12.2018, 16:23:58

Liebe Pippa,
danke für deinen Beitrag, aber ich hatte gar nix zum Kommunismus geschrieben.
von @marina

Na, das ist ja ‚n Ding - und ich dachte, ich hätte was überlesen, war dann aber zu faul, zurück zu blättern.

Ich glaube, dass es bisher noch kein einziger Staat geschafft hat Kommunismus als Staatsform zu praktizieren.

Für mich wurde er einzig in den ersten Kibbutzim Israels (ich glaube noch vor der Staatsgründung) praktiziert.
Pippa
justus39
justus39
Mitglied

RE: Kommunismus, die schönste Zeit in meinem Leben.?
geschrieben von justus39
als Antwort auf Tina1 vom 02.12.2018, 17:32:11
Justus, das sind einige meiner Erfahrungen u. Erlebnisse. Du kannst andere haben, was ich respektiere.
Tina

 Liebe Tina,
Deine Erfahrungen, über die Du sehr umfangreich geschrieben hast, decken sich völlig mit meinen Erlebnissen.
Ich habe vieles sogar noch deutlicher und persönlicher erleben müssen, aber ich versuche im Nachhinein auch allen noch etwas Positives abzugewinnen.
Ich wage mir auch nicht vorzustellen wo die DDR jetzt wäre, wenn es die Wende nicht gegeben hätte.
justus


 
 
Federstrich
Federstrich
Mitglied

RE: Kommunismus, die schönste Zeit in meinem Leben.?
geschrieben von Federstrich
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 02.12.2018, 17:17:36

Wo siehst du Panik? Ich habe mir, was Duktus und Inhalt anbelangt, immer an dir ein Beispiel genommen, sonst wäre es mir erst gar nicht aus der Feder geflossen. Lachen

Federstrich
 


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RE: Kommunismus, die schönste Zeit in meinem Leben.?
geschrieben von ehemaliges Mitglied

Ich finde eure Berichte sehr interessant. Endlich mal nicht die Schönfärberei, die sonst oft hier zu lesen war. Wenn ich vorher kritisch zum Thema geschrieben hatte, was Federstrich gerügt hat, hatte das gar nichts damit zu tun. Denn eure Berichte zeigen erlebte Praxis und sind nicht realitätsfern theoretisch, ideologisch. Letzteres hatte ich mit meiner Kritik gemeint: diese rein abgehobenen Theorien, die oft gar nichts mit der Praxis zu tun haben.

Also ich lese gern weitere Berichte dieser Art, weil ich zu wenige bzw. keine Kontakte in den Osten hatte und eigentlich viel zu wenig darüber weiß.
Deshalb bitte weiterschreiben, das ist teilweise sehr spannend. Lächeln

lupus
lupus
Mitglied

RE: Kommunismus, die schönste Zeit in meinem Leben.?
geschrieben von lupus
als Antwort auf Tina1 vom 02.12.2018, 17:32:11

Tina schrieb. Mir wurde nahegelegt, dass ich keinen Westkontakt in Ungarn haben sollte u. wenn, muss ich das sofort melden.

 
Dieser Satz von Tina erinnerte mich an Begebenheiten:
Auch in meiner Arbeitsstätte wurde gefordert dass man "Westkontakte" melden sollte und eigentlich vorher.

1. Ich meldete, dass ich mich mit meiner Schwester in der CSSR treffen würde. Sie war eine aus der Haft Freigekaufte! Es geschah nichts.
2. Mein Kollege meldete er habe im Urlaub an der Ostsee zufällig seinen Bruder getroffen. Er bekam wohl rechte Vorwürfe denn sie fühlten sich veräppelt.
3, Nach der Wende: Ein Fachkollege ( beim Aufbau helfender Sachgebietsleiter in einer Behörde aus Bayern) erzählte, dass er eine Schiffsreise im Mittelmeer bei der Oberbehörde melden musste weil das Schiff unter russischer Flagge fuhr,
( eigenartige Parallele)
4. In meiner Stasiunterlage war ein zu prüfender Westkontakt vermerkt.
Ich hatte auf der Fahrt an die Ostsee auf dem Parkplatz an der Autobahn mit einem Mann aus dem Westen geredet.


lupus

schorsch
schorsch
Mitglied

RE: Kommunismus, die schönste Zeit in meinem Leben.?
geschrieben von schorsch

Als "Neutraler" sehe ich mit Freuden, dass in dieser Rubrik seit langem wieder ernsthaft über die "Zweiseitige deutsche Vergangenheit" geredet wird. Und ich hoffe, dass die Ergebnisse dieser Diskussion an die nächsten Generationen weitergegeben wird.

wandersmann
wandersmann
Mitglied

RE: Kommunismus, die schönste Zeit in meinem Leben.?
geschrieben von wandersmann
als Antwort auf schorsch vom 02.12.2018, 19:18:11
@ schorsch

Zweiseitig?

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