Innenpolitik Gaucks Antrittsrede

Die ersten Kommentare sind sehr positiv, ich lese die Rede jetzt und werde sie dann kommentieren und die mir wichtigen Passagen hervorheben. Karl

Ich denke, viele Menschen werden Gaucks Aussage begrüßen:[i]Es soll »unser Land« sein, weil »unser Land« soziale Gerechtigkeit, Teilhabe und Aufstiegschancen verbindet. Der Weg dazu ist nicht der einer paternalistischen Fürsorgepolitik, sondern ein Sozialstaat, der vorsorgt und ermächtigt.[/indent][i]Wir dürfen nicht dulden, dass Kinder ihre Talente nicht entfalten können, weil keine Chancengleichheit existiert. Wir dürfen nicht dulden, dass Menschen den Eindruck haben, Leistung lohne sich für sie nicht mehr und der Aufstieg sei ihnen selbst dann verwehrt, wenn sie sich nach Kräften bemühen. Wir dürfen nicht dulden, dass Menschen den Eindruck haben, sie seien nicht Teil unserer Gesellschaft, weil sie arm oder alt oder behindert sind.[/indent]Besonders wichtig finde ich, dass Gauck sich dem Hauptthema von Wulff so genähert hat:[i] In "unserem Land" sollen auch alle zu Hause sein können, die hier leben. Wir leben inzwischen in einem Staat, in dem neben die ganz selbstverständliche deutschsprachige und christliche Tradition Religionen wie der Islam getreten sind, auch andere Sprachen, andere Traditionen. In dem der Staat sich immer weniger durch die nationale Zugehörigkeit seiner Bürger definieren lässt, sondern durch ihre Zugehörigkeit zu einer politischen und ethischen Wertegemeinschaft. In dem nicht ausschließlich die über lange Zeit entstandene Schicksalsgemeinschaft das Gemeinwesen bestimmt, sondern zunehmend das Streben von Unterschiedlichen nach dem Gemeinsamen: diesem unseren Staat in Europa, in dem wir in Freiheit, Frieden und in Solidarität miteinander leben wollen. (...)

(...) Für eine einladende, offene Gesellschaft hat Bundespräsident Christian Wulff in seiner Amtszeit nachhaltige Impulse gegeben. Herr Bundespräsident Wulff, dieses - Ihr - Anliegen wird auch mir in meiner Amtszeit am Herzen liegen.[/indent]Für die Neonazis hatte er folgende Botschaft:[i]Wir lassen uns unsere Demokratie nicht wegnehmen, wir stehen zu diesem Land, nicht weil es so vollkommen ist, sondern weil wir nie zuvor ein besseres gesehen haben. Und speziell zu den rechtsextremen Verächtern unserer Demokratie sagen wir in aller Deutlichkeit: Euer Hass ist unser Ansporn. Wir lassen unser Land nicht im Stich. Wir schenken euch auch nicht unsere Angst. Ihr werdet Vergangenheit sein und unsere Demokratie wird leben.[/indent]Ich denke, Gauck hat mit dieser Rede, die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllt. Offenbar hat er auch manche im Vorfeld wahrgenommene Kritik aufgenommen und durch diese Antrittsrede entschärft. Ein guter Start ist nicht alles, aber wir dürfen gespannt sein auf das, was noch kommt. Ich wünsche uns viele positive Überraschungen.

Karl

Wenn auch nur die Hälfte davon nicht nur eine Sonntagsrede war, sondern der eine oder andere Satz als Impuls von den politischen Entscheidern aufgegriffen wird, können wir voll zufrieden sein.

Ich wünschte mir, dieses notorische Herumnörgeln an ihm oder an anderen Politikern würde sich da und dort in konkrete und konstruktive, vor allem sachliche Kritik verwandeln. Alle nickten bei seinen Sätzen, im Plenarsaal und vermutlich auch vor den Bildschirmen. Ein bisschen konkrete Umsetzung wäre schon ganz schön.

Und eiderdaus: der geschmähte "Prediger" redet nicht von Religionen, sondern von ethischer Wertegemeinschaft. Das hat mir sehr gut gefallen.

Endlich eine Rede, die schnörkellos das Positive der Bundesrepublik als Basis hatte: Ja zur Demokratie, Ja zu Europa, Ja zu Freiheit und Gerechtigkeit und, aus dieser positiven Stimmung heraus, die Forderung an die Bürger zu Mitverantwortung und Mitgestaltung und an die Adresse der Politiker, sich den Bürgern wieder zu nähern.

Mir hat es Spaß gemacht, Gauck zuzuhören und weil es Spaß gemacht hat, sind seine Worte bei mir auch angekommen. Es macht Ehrgeiz und ist deshalb erfolgversprechend, Probleme aus einer positiven Grundstimmung heraus anzugehen.

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adam

Interessant, dass es zu einem positiv eröffneten Thema weniger Resonanz als zu Streitthemen gibt. Da frage ich mich natürlich schon, ob einige wirklich nur an Streit und Zoff interessiert sind.

Gibt es wirklich sonst keine Kommentare zu der Antrittsrede von Gauck? Dabei hätten die angesprochenen Themen eine Diskussion verdient.

Die Art und Weise wie Gauck sich dem Wulffschen Thema "Der Islam ist ein Teil Deutschlands" genähert hat, fand ich z. B. sehr geschickt. Was Gauck sagte wird sicherlich bei einigen wie ein tief sitzender Stachel schmerzen, aber sie werden nicht umhin kommen, ihm zuzustimmen.

Spannend auch die m. E. richtige Wahrnehmung von Gauck, dass sich der moderne Staat vom Nationalstaat einer historischen Schicksalsgemeinschaft zu einer Organisation Unterschiedlicher mit gemeinsam geteilten Wertvorstellungen wandeln muss. Wir werden immer heterogener in Sprache, Kultur und Religion, aber wir brauchen einen Grundkonsens über Werte, um zusammen leben zu können; wir werden eine Wertegemeinschaft multipler Kulturen werden müssen, denn alle, die hier zuhause sind, müssen sich auch zuhause fühlen dürfen!

Die türkische Gemeinde hat auf die Worte von Gauck sehr positiv reagiert. So hat diese Rede nicht gespalten, sondern zusammen geführt. Das darf m. M. n. zu unser aller Wohl so weiter gehen

Karl

Karl, ich lehne mich zurück und bin zufrieden, weil ich nichts anderes erwartet habe ! Meine Kriterien an eine Antrittsrede hat er einfach erfüllt !

Edita

Interessant, dass es zu einem positiv eröffneten Thema weniger Resonanz als zu Streitthemen gibt.

Ich denke, dass dies eine erfreuliche Tatsache und eher positiv zu bewerten ist, karl.

Ich meine den Grund darin zu sehen, dass es einfach nix oder nicht viel zu meckern gibt.

Man munkelt, das selbst die, die unserem BP nicht seine Stimme gaben, angenehm überrascht, wenn nicht sogar begeistert waren, denn die Rede war in sich stimmig, ließ sehr viele neue Wege erkennen, die da eingeschlagen werden sollen und was auch vielen gefiel, war wohl auch die sehr entschlossen rüber gebrachte Kampfansage gegenüber Terrorismus sowohl aus den Reihen des Islam als auch aus der Neonaziszene.

Und last but not least – alles sehr bürgernah und sympathisch rüber gebracht.
Es hat mir gefallen .......... ohne wenn und aber.

loretta

Die Art und Weise wie Gauck sich dem Wulffschen Thema "Der Islam ist ein Teil Deutschlands" genähert hat, fand ich z. B. sehr geschickt. Was Gauck sagte wird sicherlich bei einigen wie ein tief sitzender Stachel schmerzen, aber sie werden nicht umhin kommen, ihm zuzustimmen.

karl,

warum reduzierst Du die Rolle jetzt schon zweier Bundespräsidenten hauptsächlich auf die Probleme der Integration? Wulff hatte den Islam in einem Atemzug mit den christlich/jüdischen Wurzeln Europas als zugehörig genannt, dabei den Kampf der Humanisten gegen Unterdrückung durch Adel und Kirche außen vor gelassen. Das war falsch und Gauck hat das jetzt, sehr geschickt, wie Du es ausdrückst, gerade gerückt.

Natürlich gehört der Islam im heutigen, täglichen Leben zur Bundesrepublik und die Probleme, die daraus entstehen, müssen gelöst werde. Allerdings hat Gauck auch allen Extremisten eine klare Abfuhr erteilt, inklusive des islamistischen Radikalismus. Eine dauerhafte Zugehörigkeit kann nur auf der Basis des Grundgesetzes bestehen. Das hat Joachim Gauck exzellent zum Ausdruck gebracht.

Noch wichtiger als die Integration, war für mich der Teil der Rede, die Europa betraf und die notwendige Überwindung von Nationalstaatsinteressen. Das hast Du ja auch angesprochen.

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adam

Adam,

ich reduziere die Rolle des BP nicht auf die Integrationsfrage. Ich halte die Integrationsfrage allerdings für sehr zentral für die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft - neben der demografischen Frage, zu der ich in der Rede wenig vernommen habe.

Karl

Gestattest Du, daß es mir trotzdem langsam auf den Wecker geht? Wir haben noch andere, drängende Probleme

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adam