Innenpolitik Die Schande von Chemnitz
Margit,
mir ergeht es ähnlich wenn ich mir Livestreams anschaue in denen Politiker sich Fragen der Bürger stellen.
Nebenbei kann man in Echtzeit dazu kommentieren.
Ich lese die Kommentare nur noch sporadisch.
Ein großer Teil der Schreiber schreibt nichts zum Thema, sondern benutzen diese Funktion überwiegend nur um Hetze und Beleidigungen los zu werden.
Monja.
Tina, ich sehe auf Bildern viele Plakate mit Slogans wie "Ausländer raus" ... Dieser Aussage ein Pauschalurtei zugrunde liegt: Weil ein Mensch vo einem Ausländer getötet wurde, sollen Ausländer das land verlassen? Weil ein Flüchtling kriminell wird vermutet, dass andere es andere auch sind, warum will man dann aber die Ausländer (die wichtige Arbeiten verrichten) davonjagen. Es geht darum, was in den Köpfen der Menschen in Chemnitz oder Sachsen sich geht. Woher kommt das Gefühl der Rache und die Sehnsucht nach Selbtsjustiz? Vorausgesetzt es sind Sachsen.
"In dem jetzigen Thema haben die Medien vorgegeben, um was es gehen soll. Um diese schlimmen Ausschreitungen bei den Demonstranten u. um den Mord an einem deutschen mit Migrationshintergrund." Tina1
Tina, die Medien haben m. E. nicht vorgegeben um was es gehen soll. Die Ausschreitungen und Hetze gegen Ausländer jedenfalls haben sie nicht vorgegeben, aber gemüß ihrer vorgegebenen Informationspflicht haben sie darüber berichtet, was nach dem Stadtfest um 03:00 vorgefallen ist (der Mord and dem jungen Mann). Um 20:00 sei die Veranstaltung beendet worden. Das lässt wirklich Raum für Überlegungen.
An der Deutung dieses Geschehens hat sich der weitere Streit entzündet.Auch bei vergangenen Stadtfesten soll nicht alles glatt verlaufen sein Die AfD ist stärkste Partei in Sachsen bei der Bundestagswahl geworden, knapp vor der CDU, sie hat aber nicht die absolute Mehrheit. Die Vorgänge insbes. der Mord an dem jungen Deutschen wurden von der AfD und anderen Rechtsgruppeierungen dazu benutzt, um eine Machtdemonstration zu inszenieren, die Anhängerschaft zu stärken: Schauplatz Chemnitz.
Was ich gerade bei Marina lese, was Prantl in der SZ über Sachsen berichtet (jeder Sachse sei mit braunen Punkten behaftet) macht mich besorgt. Es lassen sich Vermutungen anstellen und Hypothesen, inwieweit DDR-Denkweisen und Einstellungen heute noch virulent sind. Aber müssen wir das tun? Ja, wenn es darum geht akute Probleme anszusprechen. Ein Reporter in den Nachrichten interviewt eine Frau, die zu berichten weiß, dass sich etwas ändern muss. Leider sagt sie nicht, was sich ändern muss und wie. Sie hat eben ein Gefühl . Aber die vielen Flüchtlinge erwähnt sie doch, die Ausländer. Jedenfalls sieht sie Schuldige, Arm sah sie nicht gerade aus: Gut genährt und gut gekleidet. Vor der 1848er Revolution gab es den so gen. "Franzsosensturm" im Südwesten. Die Menschen erwarteten Veränderungen. Die gab es in Paris im Februar 1848 mit der Februarrevolution. In den Dörfern und Städtchen Badens und Württembergs blickte man Ende Februar mit Sorge nach Westen und sah dort Rauchwolken, was immer das auch war. Das konnten eigentlich nur die frz Revolutionsheere sein. Wie ein Lauffeuer ging es durch das Land. Nach ein paar Tagen ließ der Erregungssturm nach, weil keine Franzosen kamen.
Wir sollten nicht vergessen, dass Hitlerdiktatur und DDR einen Zeitblock von zwei Generationen darstellen, in dem Mitteldtld von Diktaturen regiert wurde. Im Westen war der Spuk nach 195/49 beendet. Ich erinnere mich heute aber heute noch an Gespräche der Nachkriegszeit und Äußerungen von Lehrern oder Bekannten, die ich als heute als typisch für die Hitlerzeit ansehe. Beispiel: Mein Deutschlehrer nahm das von mir in eienm Aufsatz verwendete Wort "mulmig" zum Anlass die deutsche Sprache in ihrer ganzen Schönheit zu würdigen. Mir wurde klargemacht, wie sehr ich gesündigt hatte, als ich schrieb, dass ich beim Anblick von ... "ein mulmiges Gefühl" hatte. In der Zeitung lese ich dies heute Wort aber öfter. Dabei denke ich an meinen Deutschlehrer Dr G. "Interessant" sei kein dt. Wort, meinte e auch r, wir verwenden dafür "wissenswert." Elektrizität müsse durch das Wort "Bernkraft" ersetzt werden. Man nennt diese deutschtümelnde Richtung der Philologen "Purismus." Die dt. Biologie basierte auf der Rassenlehre, eine deutsch Physik lehnte Eisnteins Relativitätstheorie als jüdischen Hokuspokus ab. Der Bürgermeister in unserem kleinen Ort wurde von meinem Vater nur der Hitlerjunge tituliert, weil er u. a. auch Flüchtlinge (Deutsche) schikanierte. Jede Diktatur hinterlässt Spuren in den Hirnen. Es kann nicht anders sein. Gerade deshalb ist ein Dialog wichtig. Mit dem Verschwinden der DDR und dem Verlust des Arbeitsplatzes ist dasdort Gefühl der sozialen Sichereit verloren gegangen, die Zukunftsängste oft übertrieben hoch. Dazu die Fremden, die Arbeitsplätze angeblich wegnehmen. Auch im Westen gab es Attacken gegen Fremde, aber nicht in der Vielzahl wie in der ehemaligen DDR.
Viele Grüße
c
Lieber Karl,
danke für deine Mitteilung und den Literaturhinweis. Ich kann leider nicht alles lesen und fange jetzt erst wieder an. Ich kenne den Spruch seit langem, bei Lichtenberg habe ich ihn mal gelesen oder jemand anderem.
Viele Grüße
c
Danke Carlos für Deinen Betrag.
Ich freue mich Dich wieder lesen zu können.
Ich lese Deine Beiträge gerne, weil diese sachlich, gut recheriert und informativ sind.
Inhaltlich gehe ich mit Dir konform.
Monja.
Danke Carlos daß du wieder schreibst.
Phil.
Jeder weiß doch die Gründe, woran es beim heutigen "Spuk" liegt, aber niemand nennt die Mittel dagegen. Vor zwei Tagen hatte ich die provokative Forderungen in Kopf und Fingern, zu schreiben "Laßt uns doch endlich die Sachsen integrieren!". Ich schrieb es nicht, weil ich nicht wieder eine der unleidlichen DDR-Diskussionen vom Zaun brechen wollte. Hätte ich es doch geschrieben, denn gestern hörte ich die Fordeung bei Anne Will, wo sie ehemaligen DDR-Bürgern zugeschrieben wurde. Überhaupt: Geschimpft werden darf, aber Lösungen zu nennen bedeutet, sich ins rechte Lager verdammt zu finden.
Wir sollten nicht vergessen, dass Hitlerdiktatur und DDR einen Zeitblock von zwei Generationen darstellen, in dem Mitteldtld von Diktaturen regiert wurde. Im Westen war der Spuk nach 195/49 beendet.
Carlos, du beklagst zu Recht die Deutschtümelei aus Hitlerzeiten, aber ein klein wenig Patriotismus täte uns heute gut. Er würde der Rechten Wind aus den Segeln nehmen, brächte Verständnis für den Patriotismus anderer Nationen und gäbe Menschen, die sich bei uns integrieren wollen, einen Schirm, unter den sie sich mit stellen können, um sich zuerst neu zu identifizieren und dann einen Grund zu haben, sich zu intergrieren. Jeder braucht einen Grund, gerne zu einer Nation zu gehören, warum nicht auch Deutsche und Zuwanderer? Warum sollte uns die Aufarbeitung der Vergangenheit daran hindern, in der Gegenwart selbstbewußt aufzutreten? Ich bin stolz darauf mir das Rauchen abgewöhnt zu haben, warum nicht auch selbstbewußt, weil ich weiß, warum ich noch nie nationalistisch war und anderen erklären kann, warum?
Mir geht diese ewige Schimpferei gegen die Rechten, ohne Vorschläge zur Abwehr, nur noch auf die Nerven und ich beteilige mich nicht mehr daran. Jetzt wurden Reden gehalten, warum die Sachsen in der Mehrheit verfassungstreu sind, aber in zwei Jahren werden die Neonazis wieder mehr sein. Jetzt wird ein Konzert gegeben unter dem Motto "Wir sind mehr!", aber in zwei Jahren werden es die Neonazis sein, die mehr sind und in nicht allzu langer Zeit werden sie in der Mehrheit sein. Vor knapp 30 Jahren waren sie eine Minderheit, da hätte man sie noch leiten können, heute ist das nicht mehr möglich, denn es sind Hunderttausende. Heute gibt es nur noch zwei Mittel, ihrer Herr zu werden: Gewalt und Bestechung. Also haut sie, jagt sie aus den Dörfern, zerrt sie aus ihren Clubs und Nistplätzen, sperrt sie ein und bringt ihnen Respekt vor der Gesellschaft bei. Gebt ihnen Arbeit, die ihnen Selbstbewußtsein bringt, damit sie keine Schwächeren mehr schlagen müssen. Haut sie und laßt sie Geld verdienen, aber hört auf mit dem intellektuellen Gequatsche. Die, denen es gilt, verstehen es sowieso nicht.
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adam
Ich war gänzlich gegen Bürgerwehren, bis ich um 1980 herum in New York miterlebte, wie Bürgerwehren ganze Stadtviertel befriedeten (ich wohnte z.B. in Lower Eastside, das damals ein finsterer Slum war). Mit krassen Mitteln von Kontrolle und Zwang. Aber ohne "Haut sie"!
Ich würde alles was du sagst unterschreiben, aber den Aufruf "Haut sie" lehne ich ab. Da wird Bürgerwehr zu Bürgerkrieg.
Ich finde, das ist ein kluger Text von Thomas Schmid in der Welt:
Herzenskalt und politisch dumm
Ich habe mir mmnews.de angesehen und bin entsetzt über die rechtsradikalen Kommentare und das Niveau der Kommentatoren. Äusserungen, die weder kommentiert noch gelöscht wurden.Nicht nur die Kommentare, viele Artikel in dem Blog passen ganz gut in das Schema rechtslastig. Dort findet man immer wieder Begriffe wie „Medienhuren“ , „Volkszertretung“ usw. Der eine oder andere Mitarbeiter hält gerne mal Vorträge auf AfD Veranstaltungen. Es besteht auch eine Nähe zu Jürgen Elsässers Compact-Magazin, auch pi-news übernimmt gerne mal Artikel aus dem Blog.
Margit
Der Betreiber des Blogs, Michael Mross, hatte früher bei n-tv, ARD, CNBC, N24 über die deutsche Börse berichtet, aber seit der Finanzkrise 2008, ist er immer weiter nach rechts gerückt, bis hin zu Verschwörungstheorien. Die Neue Weltordnung, die Hochfinanz findet man dort immer wieder. Werbung gibt
es dort selbstverständlich auch für Thilo Sarrazins neues Buch, oder für den Kopp Verlag usw.
Viele Artikel in dem Blog sind natürlich wesentlich subtiler gestaltet als die übliche rechte Hetze, womit er
wahrscheinlich auch ein ganz anderes Klientel anspricht. Damit erreicht er vermutlich auch so einige aus der konservativen Mitte.
Pat
@adam,
ich bin bin auch für streitbare Demokratie und dafür, dass die Polizei stärker durchgreift. Auch z. B. bei den rechtsradikalen Kommentatoren auf mmnews.de die offen dem Bürgerkrieg das Wort reden.
Karl