Forum Politik und Gesellschaft Innenpolitik Der Urteilsspruch des BGH zum Wahlrecht

Innenpolitik Der Urteilsspruch des BGH zum Wahlrecht

Re: Der Urteilsspruch des BGH zum Wahlrecht
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 25.07.2012, 14:28:39
"Nein, hat es ja nicht. Ich habe nicht umsonst den Artikel aus süddeutsche.de verlinkt. Es gab schon mehrere Anläufe. Nur war das Problem nicht akut oder gar ernsthaft relevant."


Relevant - wie du schreibst - war es bisher bei KEINER Bundestagswahl. Die jeweiligen Regierungen hatten auch ohne die Überhangmandate eine Mehrheit.

Dass es Überhangsmandate gab, ist natürlich seit 1949 bekannt - und ganz sicher auch dem Verfassungsgericht.
---Es ist doch zumindest eigenartig, dass dieser Umstand damals v. Verfassungsgericht als verfassungskonform eingestuft wurde und seit wenigen Jahren nicht mehr.
---Es ist und bleibt doch auch zumindest eigenartig, dass sich SPD und Grüne vor und nach den Wahlen 1998, 2002 und 2005 NICHT um diese Uberhangsmandate kümmerten ( sie hatten ja auch mehr, als die Union) und heute so tun, als wären diese Mandate eine "üble Erfindung" der Union, um Wahlen zu gewinnen.

Deshalb meine Verwunderung darüber, dass das Verfassungsgericht und bestimmte Parteien erst knapp 50 Jahre nach der Gründung der Bundesrepublik auf den Gedanken kamen, es könnte nicht verfassungskonform sein.

Interessant ist natürlich, dass der "Normal-Bundesbürger" sicher schon oft v. diesen Mandaten gehört hatte, ohne so richtig zu wissen, wie die Zusammenhänge dazu sind. Erst in den letzten Jahren erfolgte eine Sensibilisierung der Menschen durch die kleinen Parteien und auf diesen "Zug" ist nun die SPD aufgesprungen, weil sie bei der letzten Wahl überhaupt nicht von den Überhangmandaten profitieren konnte.

Das ist letztendlich natürlich in Ordnung und hat den Erfolg beim Gericht gebracht.

ABER - was soll das Gerede! Fakt ist, alle Parteien müssen sich zusammensetzen, um das Wahlrecht dem Urteil anzupassen.
Das sollte in den komm. 6 Monaten möglich sein - aber einfach wird's nicht.
Mitglied_5ccaf87
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Mitglied

Re: Der Urteilsspruch des BGH zum Wahlrecht
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 25.07.2012, 18:29:47
Relevant - wie du schreibst - war es bisher bei KEINER Bundestagswahl. Die jeweiligen Regierungen hatten auch ohne die Überhangmandate eine Mehrheit.

Also hast du doch nicht den SZ-Artikel gelesen. Immerhin ist es möglich durch Überhangmandate und Negatives Stimmgewicht bis zu 45 Sitze mehr zu bekommen. Die hätte zwar bisher nicht die Koalition geändert, aber A.M. hätte nicht so komfortabel regieren können.

Bedenke nur, das oft in der Vergangenheit von der fehlenden Kanzlermehrheit die Rede war. Da ging es darum, das Gesetze allein mit der Koalition nicht möglich wären. Die Mehrheit im Bundestag wäre einfach nicht zustande gekommen. Sie kam nur mit einigen gekippten Roten und Grünen zustande. Es hätte auch keine Gesetzesvorlagen gegeben, bei denen von vorn herein ein knappes Abstimmungsverhältnis zu erwarten gewesen wäre oder man hätte in der Koalition Hasard gespielt.

Bei der im nächsten Bundestag zu erwartenden Parteienlandschaft bsw. ohne der Mikrometerpartei, aber dafür zusätzlich mit den Piraten und den Freien Wählern wäre das eine politische Katastrophe, wenn auf Grund der Zweitstimmen und Überhangmandate Schwarz Sitze zugerechnet würden, die eigentlich diesen kleinen Parteien zustehen müssten. Der Wille der Wähler wäre völlig aus dem Ruder gelaufen. Eine friedliche Regelung würde es dann vermutlich nicht mehr geben.

Dir ist aber bekannt, das diese hohe Zahl der Überhangmandate erst durch eine Nachwahl in Sachsen entstand, als fest stand, das die FDP eh wieder mit einer hohen Prozentzahl im Bundestag ist und diese ihre Wähler aufforderte, die Zweitstimme der CDU zu geben.
Ist zwar legal, aber unfair.
Re: Der Urteilsspruch des BGH zum Wahlrecht
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 25.07.2012, 20:10:16
"Also hast du doch nicht den SZ-Artikel gelesen. Immerhin ist es möglich durch Überhangmandate und Negatives Stimmgewicht bis zu 45 Sitze mehr zu bekommen. Die hätte zwar bisher nicht die Koalition geändert, aber A.M. hätte nicht so komfortabel regieren können."


Deine hellseherischen Fähigkeiten in Ehren - aber ich muss doch nicht den Artikel lesen, um das festzustellen, was du mir hier versuchst zu erklären.
(Den Artikel habe ich übrigens gelesen!)
Dass eine Kanzlermehrheit oft davon abhängig ist, ob die eigenen Parteimitglieder mitstimmen, ist nun mal eine Tatsache, die in einer Demokratie das Regieren manchmal erschwert - besonders bei knapperen Mehrheiten.
Ich find's gut !

ÜBRIGENS durch die Nachwahl in Sachsen entstand 1 (EIN) WEITERES Überhangmandat von den 24.

Über die Überhangmandate brauchen wir uns ohnehin nicht streiten, da ich sie auch unfair für die kleineren Parteien finde - aber auch das habe ich bereits geschrieben.
Die hohe Anzahl seit 1990 ergibt sich - wie sich leicht ableiten lässt - aus der gestiegenen Anzahl kleinerer Parteien mit über 5% Wahlergebnis.
UND - wenn diese Überhangmandate JETZT verfassungswidrig sind, müssen sie auch schon seit 1949 verfassungswidrig gewesen sein, auch wenn sie damals wegen dem meist "3-Parteien-Bundestag" keine große Rolle spielten.

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Mitglied_5ccaf87
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Re: Der Urteilsspruch des BGH zum Wahlrecht
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 26.07.2012, 09:34:17
UND - wenn diese Überhangmandate JETZT verfassungswidrig sind, müssen sie auch schon seit 1949 verfassungswidrig gewesen sein, auch wenn sie damals wegen dem meist "3-Parteien-Bundestag" keine große Rolle spielten.

Waren sie ja auch und das wusste man. Deshalb schrieb die Süddeutsche auch im Titel von einem Geburtsfehler und zitierte Politiker aus dieser Zeit. (nicht nur überfliegen und Bild angugge ) Es gilt aber nach wie vor die Regel: Wo kein Kläger ist, gibt es auch keinen Richter.

Nach diesem entscheidenden Satz unser allerliebsten A.M. vor der Bundestagswahl 2009: "Das Wahlrecht ist so wie es ist." haben sich doch ein paar Kläger aufgerafft, wurden zudem noch von anderen unzufriedenen Wahlbürgern per Unterschrift unterstützt und haben trotz der Korrektur und viel dummen Geschwätz aus dem schwarzgelben Lager, im vergangenen Jahr nicht locker gelassen.

Das ist es, was die Konservativen nicht verstehen und was heute eigentlich alltägliche Politik sein müsste. Das Wahlvolk lässt sich nicht mehr nur einfach ruhig stellen. Ein Teil der Konservativen hat es kapiert und ich erinnere an Zeit.de: Lammert kritisiert Koalition wegen Wahlgesetz.

Solche Worte aus dem Mund eines führenden CDU-Mannes lassen hoffen. Das war nicht immer so. Er hat vermutlich begriffen, das der Wahlkampf vorzeitig begonnen hat und man das Volk nicht einfach mit paar Worten beruhigen kann. Wann und wer hat sich noch wenigstens zu diesem Thema aus diesem Lager positioniert. Ich lese nur, das jetzt hart verhandelt werden muß. Ich dachte in der Urteilsbegründung steht drin, was zulässig und was unzulässig ist.

Re: Der Urteilsspruch des BGH zum Wahlrecht
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 26.07.2012, 12:38:26
"Ich dachte in der Urteilsbegründung steht drin, was zulässig und was unzulässig ist."



Wie ich lese, lässt die Urteilsbegründung einige ungeklärte Probleme offen.
Ich denke da z.B. an die Übergangsmandate, die es ja auch nach dem Urteil noch gibt - eben max. 15.
(Die Verfassungsrichter hatten in ihrem Urteil eine Höchstzahl an Überhangmandaten festgelegt, die etwa die Hälfte der Zahl von Abgeordneten, die für die Bildung einer Fraktion erforderlich ist, betragen sollte - derzeit also etwa 15.)

"Das Bundesverfassungsgericht hat Überhangmandate erstmals für verfassungswidrig erklärt", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, der Frankfurter Rundschau.
Hat da das Verfassungsgericht gleich mal von sich aus etwas verfassungswidriges zugelassen?
Also - diese Aussage von Oppermann ist schon mal falsch!
Da sind schon vor Beginn von Verhandlungen Schwierigkeiten "eingeplant".

Was wird denn nun aus den Überhangmandaten, wenn es mehr als 15 sind?
Werden die einfach gestrichen?
Werden die "irgendwie" verteilt?

ODER - was wird mit dem schwierigen Problem "Negatives Stimmgewicht".
Stimmen für eine Partei, die sich negativ auf die Sitzanzahl der Partei auswirken - sind ein großer Widerspruch, der gelöst werden muss.
Die Verfassungsrichter geben natürlich keine Hinweise, wie das geschehen soll.

ALSO - so einfach, wie dein oben stehender Satz das ausdrückt, scheint es nicht zu sein.
Mitglied_5ccaf87
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Mitglied

Re: Der Urteilsspruch des BGH zum Wahlrecht
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Mich hat es gerade vom Drehschemel geschleudert:
Das Urteil bestätigt damit im Kern die von der christlich-liberalen Koalition getroffene Lösung. Das bewährte und dem Bürger vertraute Wahlrecht bleibt bestehen.

Wo das geschriebenen steht? Ihr werdet es nicht fassen: cdu.de: Grundzüge des Wahlrechts bestätigt
Die Kläger waren vermutlich ein Haufen wilder Facebook-Chaoten. Man ist jetzt bestrebt im Umgang mit ihnen den richtigen Ton zu finden.

Offensichtlich nehmen die Schwarzen nochmal einmal Anlauf, um vor dem Kadi landen.
Was wird denn nun aus den Überhangmandaten, wenn es mehr als 15 sind?
Werden die einfach gestrichen?
Werden die "irgendwie" verteilt?

Ja. Vermutlich ersteres, falls sie auftreten. Das neue Wahlrecht ist so zu gestalten, das es erst gar nicht zu Überhangmandaten kommt. Das habe ich auf alle Fälle den Worten der Richter entnommen.

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Re: Der Urteilsspruch des BGH zum Wahlrecht
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 26.07.2012, 15:32:54
"Mich hat es gerade vom Drehschemel geschleudert"


Warum eigentlich ?
Es ist nun mal so, dass wesentliche Punkte des vertrauten Wahlrechts erhalten geblieben sind.
Dass das in einigen Passagen nicht unbedingt im Sinne der Kläger war, ist eine andere Frage.
Dass die CDU versucht, aus der offensichtlichen Niederlage - denn das v. der Koalition verabschiedete Wahlgesetz ist streng gerügt worden - doch noch einiges Positives herauszuholen, ist verständlich und würde v. jeder anderen Partei nicht anders gemacht worden sein.

Ich zitiere mal aus deinem Link v. 26.07.2012 ( Du hast ja nur einen Satz aus der Mitte einer Erklärung v. der CDU-Seite herausgefiltert )

" Das heutige Urteil hat zwei Kernentscheidungen des neuen Wahlgesetzes grundsätzlich bestätigt, aber auch nötigen Anpassungsbedarf klar formuliert. Erstmalig wurden in einer einstimmigen Entscheidung Überhangmandate im Grundsatz für zulässig erachtet. Das Ziel der Opposition, ausgleichslose Überhangmandate vollständig abzuschaffen, wurde nicht erreicht. Gute und überzeugende Arbeit in den Wahlkreisen lohnt sich auch weiterhin. Eine zentrale Maßnahme des neuen Wahlgesetzes war die Trennung der Landeslisten, um den Effekt des negativen Stimmgewichts zu beseitigen. Dies wurde vom Bundesverfassungsgericht als zulässige Lösungsmöglichkeit angenommen." (FETT durch mich)

Das ist auf alle Fälle richtiger, als die Behauptung von Oppermann (SPD):"Das Bundesverfassungsgericht hat Überhangmandate erstmals für verfassungswidrig erklärt."
Das nämlich ist ganz einfach falsch.
Mitglied_bed8151
Mitglied_bed8151
Mitglied

Re: Der Urteilsspruch des BVerfG zum Wahlrecht
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 26.07.2012, 15:32:54
tatsächlich hat das bverfg das bestehende wahlrecht bestätigt. offensichtlich geht es nur noch um die überhangmandate (die erstmals als verfassungskonform bezeichnet wurden), deren anzahl mindestens gedeckelt werden muss (max. 15). das sollte machbar sein. schwarz-gelb und rot-grün stehen jetzt gleichermaßen unter zugzwang. - mein eindruck beim beobachten der reaktionen: geradezu hysterisch geht es zu. viel wind wird gemacht um wenig substanz. vor allem die facebooker und twitterer führen sich auf, als ginge es um großes und feiern ihren angeblichen "sieg", den ich beim besten willen nicht erkennen kann. - nun gut - so hat jeder seine spielwiese. lächele
---
w.
Mitglied_5ccaf87
Mitglied_5ccaf87
Mitglied

Re: Der Urteilsspruch des BVerfG zum Wahlrecht
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 26.07.2012, 16:01:00
Vera Bunse hat heute in ihrem Blog opalkatze.wordpress.com alle Bundesgesetze seit 1990 aufgezählt, die vom Bundesverfassungsgericht für nichtig oder verfassungswidrig erklärt wurden. Diese Liste war auch für mich erschreckend.

Nicht aufgeführt sind die Gesetze, welche durch Neue ersetzt wurden. Diese kollektiven Fehlleistungen wurden alle von unseren Steuermitteln finanziert. Das Wahlrechtsurteil der vergangenen Tage ist also kein Einzelfall sondern eher die Regel.

Auch deshalb benötigen wir sofort eine neue, sich an bestehende Gesetze und dem GG orientierende Regierung bzw Parlament.
Mitglied_bed8151
Mitglied_bed8151
Mitglied

Re: Der Urteilsspruch des BVerfG zum Wahlrecht
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 27.07.2012, 11:50:22
wir leisten uns ein bverfg, damit es gesetze daraufhin überprüft, ob sie verfassungsgemäß sind. das ist seine ureigenste funktion. jammern darüber ist fehl am platze. bisher noch jede regierung und jedes parlament wurde gemaßregelt. ich gehe davon aus, dass auch künftige regierungen und parlamente bekanntschaft machen werden mit dem bverfg.
---
w.

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