Innenpolitik Bürgerrat
Ich habe zu diesem Thema noch keine wirkliche Meinung und bin noch ziemlich zwiegespalten. Muss ich noch näher drüber nachdenken.
Einerseits erkenne ich an, dass das ein Versuch ist, mal wieder "näher ans Volk" zu kommen. Was ja oft gefordert wird.
Andererseits sehe ich es als Problem an, dass 160 zufällig bestimmte Menschen - letztlich auch in meinem Namen - Handlungsempfehlungen an den gewählten Bundestag geben!
Die Bundespolitiker müssen das nicht umsetzen, können sich aber dann jederzeit darauf berufen.
Aber ich weiß nichts von diesen Menschen, auch nichts von den Experten, die Beratung geben. Und vermutlich auch nichts von diesen Handlungsempfehlungen..
Oder werden die der Öffentlichkeit bekannt gegeben?
Katja
Aber wie kommen die an die Verteilung,Gute Frage, aber leicht zu erklären, weil nämlich sozialwissenschaftlich sauber stratifiziert aufgestellt. Offensichtlich ist bekannt wie viele Veganer es unter 100.000 Einwohner gibt und wo die verteilt sind. Da müsste eine Schwäbin darunter sein, vielleicht sogar noch aus Berlin, wenn das Los es gut mit ihr meinte.
Frag mich nicht jetzt nach einem geeigneten Algorithmus (Du hast recht, da ist schon -igitt ! - einiges an Stochastik und mit Mathematik und so, mit drin,) die errechneten Quoten scheinen statistisch zumindest so vertretbar zu sein, wie das wöchentliche Politbarometer. waren, jedenfalls meines Wissens, bei keinem der vielen bisherigen Bürgerräte, weder auf kommunaler noch Bundesebene noch in anderen Ländern ein Problem. Vielleicht trifft das Los ja auch einen Reichsbürger, auch der darf mitmachen, sofern er konstruktiv drauf ist und nicht bloß herumstänkert.
Jedenfalls, das ist meine feste Überzeugung, schlagen die Ratsmitglieder um Längen die Repräsentativität des Parlaments, das ja angeblich einen Querschnitt des Volks widerspiegeln soll.
Viele regen sich über die 160 Ratsmitglieder auf, keiner aber über die über 700 MdBs.
Weil keiner so recht zu wissen scheint, wie die aufgestellt und damit in den Bundestag kommen. Von wegen repräsentativ, nicht einmal für die paar tausend Bürger, die sie als Parteimitglieder auf die Listen hieven. Aber das sit ein Thema für sich.
Ich weiß nicht, wie viele der Beamten und Juristen, Volks -und Betriebswirte verschiedenster Couleur -, sich eine auf fachlichem Verständnis fußende, persönliche Meinung gebildet haben zu einem Thema, über das sie dann abstimmen müssen nach Vorgabe der Fraktionsführung. Wozu auch ? Man vertraut einfach den Kollegen des jeweiligen Fachausschusses und hofft, dass sie den Durchblick haben und nicht zu sehr von den vielen, mehr als die MdBs selbst entlohnten Lobbyisten, auf den Leim gehen. Demokratie pur wie sie leibt und lebt, aber nicht immer die Stimme des Volkes darstellend.
Auf dem Weg zur Abstimmung wurden MdBs einmal gefragt, um wie viel Geld es denn bei dem Beschluss ginge. Von denen , die nicht gleich abgewinkt haben, wussten viele gar keinen Betrag zu nennen, andere einen falschen und Millionen von Milliarden zu unterscheiden, fiel auch nicht allen leicht....
Für mich, als einem dezidierten Befürworter von Bürgerräten (ich habe etliche Male diesem Sinne kommentiert, wenn z.B. es um die Notwendigkeit ging,die in die Jahre gekommenen Strukturen der Demokratie-Praxis auf den Prüfstand zu stellen) ist ein Bürgerrat i.w.S. vergleichbar mit einem Bundestagsausschuss, wo Meinungen durch Informationen, Expertenanhörungen und viele Fragen und gegenseitigen Meinungsaustausch gebildet werden. Da wird echt debattiert, und keiner traut sich rum zupöbeln oder gar ad personam Angriffe loszutreten wie man das ja von so manchem Forum nur allzu gut kennt.Selbst die erbittertsten Hardliner geben z u den anderen jetzt besser zu verstehen und ein Bierchen (alkoholfrei) zusammen zu trinken geht auch .
In Bürgerräten wird mehr Zeit aufgewendet und intensiver um die Beurteilung von Positionen gerungen, als dies in der Regel in den Fachausschüssen des Bundestags der Fall ist , besser , sein kann, wo ja neben den Zeitlimits auch noch politische Vorgaben eine sehr wichtige Rolle spielen, die nicht unbedingt dem gesunden Volksverstand (oder-willen) entsprechen müssen, sondern den Interessen der Klientel, das die jeweiligen Parteipositionen unterstützt (es müssen ja nicht immer Spenden sein).
Ich jedenfalls bin überzeugt, dass eine Position eines Bürgerrats (der gut moderiert wird) demokratischer und bürger-fundierter sein kann , und oft auch ist, als der meist wenig transparente Beschluss eines BT-Ausschusses oder gar des Plenums, wo die Mehrheit eher eine de facto Stimmvieh-Funktion ausübt, wie das jeder zu sich und seinen Wählern gegenüber ehrliche Abgeordnete auch zugeben wird.
Wie so oft in Diskussionen, nicht nur hier, man übt Kritik, weiß es besser, hat aber im Grunde nicht die Informationen, die eine fundierte Meinungsäußerung stützen könnten. Aber drauf los ballern macht halt doch auch mehr Spaß ...
Ich bin nicht überrascht, dass kein Medienvertreter die Frage stellt, z.B. an die Parlamentspräsidentin Bas, die es wissen müsste,wie das Parlament eigentlich mit seinen Versprechen umgegangen ist, die es bei der jeweiligen Übergabe der bisherigen Bürgerratsempfehlungen abgegeben hat, nämlich, sich deren Berichte zu Herzen zu nehmen, genau zu lesen und möglichst viel davon in der alltäglichen Arbeit umzusetzen.
Nicht überrascht, weil sie , die Medienleute, davon auch (OK, meist) keine Ahnung haben oder ihnen der Mut fehlt, die Volksvertreter in die Bredouille zu bringen.
Es stimmt, es ist der erste Bürgerrat, der vom Parlament eingesetzt wird. Man konnte nicht anders,es wurde ja höchste Zeit.
Davor gab es aber schon sieben andere Bürgerräte auf Bundesebene, zur Demokratie, KI, Rolle DE auf internationaler Bühne, Bildung und Lernen, Zukunft Europa , Klima ...
Solange das Parlament keine Rechenschaft ablegen muss, der Öffentlichkeit gegenüber, was es von den Vorschlägen hält (pro-contra) und was es dann mit ihnen gemacht hat (ins Archiv gegeben ?) , solange wird auch der neue BT -Bürgerrat keinen Unterschied machen.
Macron hat von den gemachten rund 90 Empfehlungen seines Bürgerrats Umwelt/Klima, ich glaube, fast die Hälfte aus den verschiedensten Gründen abgelehnt oder als derzeit nicht umsetzbar angesehen. Den Rest gut 30 - 40 hat er versprochen, zu berücksichtigen und darüber zu informieren.
Warum nicht auch so bei uns ?
Wenn ich die Selbstkritik-Bereitschaft und den Willen zu echten Veränderungen richtig einschätze, wird es ausgehen wie das Hornberger Schießen und man wird wieder mal sagen, außer Spesen nichts gewesen.
Es sei denn, die Medien und auch die Wähler bleiben diesmal am Ball, obwohl es derzeit brennendere Themen geben dürfte, als das jetzt gewählte, eher harmlose, das aber durchaus auch wichtig ist und an dem man leichter nachverfolgen kann, welche Bedeutung die Machteliten einem von den Menschen da unten gebildeten Gremium beimessen wollen.
Hätte es einen Bürgerrat gegeben zur Umstellung auf CO2 arme Heizungen, hätten wir den hinter uns liegenden, ärmlichen Schlamassel nicht gehabt.
Selbst die Opposition hätte sich offen blamiert, durch ihre inhaltsleere, ideenlose Kritik um der Kritik willen (bzw. der Parteistimmen, nicht der Sache wegen).
Meine zunehmende Skepsis habe ich nicht verborgen und tue es auch jetzt nicht. Da wird wieder viel schön geredet. Umso mehr wünschte ich mir , dass wenigstens dieser Bürgerrat nicht so floppt, wie die anderen vor ihm.
Es würde mich, als einem Apologeten von mehr direkter Demokratie und bürgerlicher Partizipation, freuen auf meine herbstlicher werdenden Tage.
Von Schwächung des Parlaments habe ich kein Wort gesagt. Meine Gedanken sind ganz andere.
Aber sicher. Wozu denn sonst "mehr Demokratie" wagen ? Transparenz das ist das mindeste, was man von einem Bürgerforum erwarten muss.Oder werden die der Öffentlichkeit bekannt gegeben?
Jedenfalls sind alle bisherigen Empfehlungsberichte der Bürgerräte online zugänglich gewesen oder sind es noch.
Mich interessieren aber nicht die einzelnen Menschen, mich interessiert der Meinungsbildungsprozess und die Nachvollziehbarkeit, Schlüssigkeit der fachlichen Ergebnisse. Wie da die alleinerziehende Mutter, Veganerin, ohne Schulabschluss oder der Herr Professor der Architektur, Fleischliebhaber, abgestimmt haben, interessiert mich nicht im Geringsten.
Was sollte denn daran problematisch sein ? Da treffen sich doch keine 160 verstockte Dummköpfe,sondern engagierte Mitbürger,die sich bereit erklärt haben aus Interesse mitzumachen. Aus 20 000 motivierten Bewerbern wurden 2000 in die engere Wahl gezogen (auch der Gendergerechtigkeit wegen,die 20 000 Bewerbungen waren nicht fifty - fifty, nehme ich jetzt mal an) daraus hat das Los 160 zufällig bestimmt. Aber jeder von den 2000 war vergleichbar qualifiziert, nicht zufällig auf der Straße aufgelesen worden.
Guten Morgen, lieber aixois,
was ich aber immer noch nicht so ganz verstehe: Wie kommen die an die "spezifischen" Gruppenvertreter. Nehmen wir als Beispiel die Veganer: Man sagt, dass ca. 1-2% der Bevölkerung teilweise oder ganz vegan lebt. Das dürften bei 160 Bürgerräten 2-3 Personen sein. Wie können die per Los bestimmt werden? Wurden aus den 2000 im engeren Kreis 20-40 Veganer aussortiert, und daraus ausgewählt? Verstehst Du, was ich nicht verstehe? 😉
An sich finde ich mehr Bürgerbeteiligung ja sehr gut, und es gab ja auch schon mehrere Bürgerräte, wie ich in Wikipedia las (das habe ich nicht gewusst, bisher wurde nicht so viel über die berichtet, wie gerade jetzt über diese neue Gruppe), die wohl gute Arbeit geleistet haben.
LG
DW
Schon komisch!
Da macht das Parlament mal etwas, um die Demokratie zu stärken, und hier behaupten einige genau das Gegenteil: die Demokratie würde geschwächt. Wie kommt man darauf?
Ich werde es hier wohl nie erleben, dass gute Ideen von der Bundesregierung mal gelobt werden, immer feste druff, das ist wichtig!
So etwas gab es sogar schonmal, das ist gar nicht neu:https://demokratie.buergerrat.de/
Und auch komisch: Warum ist eigentlich noch niemandem aufgefallen, dass das genau ist, was die Klimakleber fordern? Da war neulich ein Vertreter von denen bei Lanz, und als er auch diese Forderung erläuterte, hat niemand von der Runde darauf hingewiesen, dass genau das gerade etabliert wird. Stattdessen wurde er von allen Seiten kritisiert, bis auf Alena Buyx vom Ethikrat, nur die hatte Verständnis dafür. Aber auch sie hat nicht darauf hingewiesen, dass gerade so etwas neu im Aufbau ist, sondern nur auf frühere Bürgerräte hingewiesen.
Guten Morgen, lieber aixois,Stimmt, lieber Waldler, genau das ist es, was mir auch zu denken gibt. Und ich vermute, wenn nicht zuvor in den Medien explizit darauf hingewiesen wurde, dass die Gruppe ALLE Bevölkerungsgruppen in ihrer Stärke widerspiegelt, hätte kaum jemand was dazu gesagt.
was ich aber immer noch nicht so ganz verstehe: Wie kommen die an die "spezifischen" Gruppenvertreter. Nehmen wir als Beispiel die Veganer: Man sagt, dass ca. 1-2% der Bevölkerung teilweise oder ganz vegan lebt. Das dürften bei 160 Bürgerräten 2-3 Personen sein. Wie können die per Los bestimmt werden? Wurden aus den 2000 im engeren Kreis 20-40 Veganer aussortiert, und daraus ausgewählt? Verstehst Du, was ich nicht verstehe? 😉
An sich finde ich mehr Bürgerbeteiligung ja sehr gut, und es gab ja auch schon mehrere Bürgerräte, wie ich in Wikipedia las (das habe ich nicht gewusst, bisher wurde nicht so viel über die berichtet, wie gerade jetzt über diese neue Gruppe), die wohl gute Arbeit geleistet haben.
LG
DW
Simiya
Guten Morgen @ aixois,
ich finde es ja gar nicht schlecht, wenn man mal durch kenntnisreiche Beiträge und Leidenschaft so ein bisschen "aufn Pott gesetzt" wird... 😉 und das Nachdenken dadurch weitere Nuancen bekommt.
Ich danke Dir für Deine Antwort und auch für Deine anderen Texte in diesem Faden!
Wie dem @ Waldler war mir die Arbeit der bisherigen Bürgerräte nicht bekannt.
Dass darüber nicht so breit informiert wurde, verwundert mich aber nicht. Sie sind von einer Stiftung "in Gang gesetzt" worden und waren für die Politik sicher nicht sehr bequem.
Durch Deine Beiträge bin ich nun auf die "Montag Stiftung Denkwerkstatt" aufmerksam geworden und werde mich für deren Arbeit auf jeden Fall weiter interessieren! Das scheint alles "Hand und Fuß" zu haben und sehr professionell zu sein.
Ich hatte ja bereits geschrieben, dass ich den ersten "offiziellen" Bürgerrat nicht rundweg ablehne. Trotzdem würde ich gern mehr über die Menschen erfahren, die in meinem Namen Handlungsvorschläge erarbeiten. Durch die o.g. WebSite habe ich aber zur Kenntnis genommen, dass ich wohl zu ungeduldig bin. Die bisherigen Bürgerräte haben sich ja dort alle vorgestellt.
Auf jeden Fall bin ich heute deutlich offener dazu, als ich es noch gestern war.
Du hast natürlich Recht damit, dass Keiner sämtliche Abgeordnete des Bundestages kennt! Für mich persönlich kann ich aber sagen, dass mir "meine" zuständigen Abgeordneten bekannt waren und sind (bin ja öfter umgezogen).
Ich habe mich auch mehrmals schriftlich dorthin gewandt, um festzustellen, dass ich selten Antwort bekomme. Bei Wahrnehmung persönlicher Sprechstunden bin ich meistens auf geschulte Menschen getroffen, die viel geredet und dabei nichts gesagt haben..
Aber in diesem Fall würden sie mir nicht so leicht von der Angel gehen!
Denn das ist (für mich) Deine wichtigste Aussage: Wenn dieses Projekt nun gestartet wird, dann ist es wichtig, dass der Bundestag dazu auch Stellung bezieht. Welche Vorschläge können aus welchen Gründen nicht umgesetzt werden. Und bei Zusagen gehört überprüft, ob und wann aus Worten Tatsachen werden.
Das ist dann tatsächlich die Aufgabe der Wähler!
Danke, Du hast mich wirklich weiter gebracht!
Katja
Ich denke, man muß den Rat erst mal arbeiten lassen, bevor man abschliessend ihn einordnen kann, man könnte sicher einige hundert Kategorien definieren, alle werden denk ich dann nicht beteiligt sein.
Es werden sicher auch Räte mit breiterer Interessenabdeckung dabei sein und solche die sehr schmalspurig denken, wie z.B. die "Kleber".
Nachtrag, es ist sicher gut, wenn man, was ja geschehen ist, die Themenbreite erst mal einschränkt, die von den Beiräten bearbeitet werden sollen.
Auf jeden Fall bin ich heute deutlich offener dazu, als ich es noch gestern war.
Darf ich sagen, dass mich das freut ?
Wenn man letztlich doch für ein paar offene Augen geschrieben hat und das zur eigeninitiativer 'Recherche' (ich vermeide zunehmend einfach nur links einzustellen, die 99 % ohnehin nicht öffnen, die 1 % Interessierten werden die Zusatzinformation leicht finden können) geführt hat, ist das doch für uns beide, und nicht zuletzt für das Forum und seine Zielerreichung, schön.
Und ws das Fragen angeht :
. Bei Wahrnehmung persönlicher Sprechstunden bin ich meistens auf geschulte Menschen getroffen, die viel geredet und dabei nichts gesagt haben..das ist in aller die Erfahrung, die man in der Praxis machen kann.
Man kann aber auch Fragen schriftlich an die MdBs stellen über das private und daher einer netiquette unterliegende Portal von Abgeordnetenwatch stellen. Der Vorteil ist die bundesweite Transparenz. Jeder kann die Frage, sofern netiquettentauglich - und auch die Antwot darauf lesen. Die Antwortenden sind "geschulte Menschen",die ihre Wortmodule , meist Kopien von Parteiprogrammen kennen, und wissen sollten, welches Modul am besten auf die Frage passt.
Neulich hat mir ein MdB nach über 1 1 /2 Jahren (!) auf eine Frage von mir geantwortet. Immerhin. Besser als gar nicht. Nur einmal hat mich eine MdB zur Beantwortung zum direkten Gespräch eingeladen. Das fand dann auch statt und ich konnte dere MdB mein Verständnis, ich will nicht sagen 'Mitleid' aussprechen, was ihr Eingebundensein in das System der Parteien und der 'governance' Strukturen und Verfahren angeht.
Die Zeiten, wo ein Josef Filser noch ins 'Barlamend' gehen und so einfach mal 'regiern' konnte sind vorbei.
Aber das wissen wir ja, und weil wir das wissen, muss auch die Frage erlaubt sein, ob es nicht ein Besseres gibt, das des Guten Feind ist.