Innenpolitik Bildungspaket floppt

clara
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Re: Bildungspaket
geschrieben von clara
als Antwort auf Gillian vom 27.04.2011, 15:28:29
@ Gillian: Meine Ostberliner Freunde standen damals vor der Entscheidung, ihren Sohn entweder zur Erweiterten Polytechnischen Oberschule zu schicken, die nur mal eben um die Ecke lag – oder zum weiter entfernten Gymnasium in Westberlin. Die Eltern entschieden sich für Letzteres. Ob dies nur im Berlin der Wendejahre möglich war, weiß ich nicht.

@ Mart: Damit ist auch vielleicht das Missverständnis geklärt, denn ich meinte nicht die Entscheidung Hauptschule oder Gymnasium, sondern den gleichwertigen Schulabschluss, also Abitur auf dem westlichen Gymnasium oder auf der Erweiterten POS der DDR. Nun ist man ja fast in allen Bundesländern so weit, das Abitur schon nach 12 Jahren (statt 13) zumindest parallel anzubieten, so wie es in der DDR üblich war.
Ohne Frage ist eine höhere Schulbildung der Hauptschule vorzuziehen, so wie sich diese momentan darstellt und deshalb im Begriff ist, auszusterben.

Mit meinem Satz ... "Die Ansatzpunkte zu einer grundlegenden Besserung liegen ganz woanders, dies wäre aber ein anderes Thema."...meine ich konkret, dass einem Schulversagen von Kindern aus gewissen Bevölkerungskreisen (und dies schon seit mehreren Generationen) ganz früh begegnet werden muss, am besten schon im Vorschulalter. So ähnlich habe ich Dich auch verstanden. Dabei muss eine - wie Du sagst - „großzügige Unterstützung“ aus etwas mehr, als 10 Euro bestehen.

@ Mulde: Nicht ärgern! Alle Berufe sind wichtig und nötig! Genau diese Dinge, die Du ansprichst, fand ich im DDR-Schulwesen gut! Um berufliche Fähigkeiten der Lehrer und Lerninhalte geht es bei dem Thema hier nicht. Aber mit der zu frühen Entscheidung auf einen bestimmten Schulzweig sprichst Du einen wichtigen Punkt an, der bei dieser Diskussion schon auftauchte. Damit hängt nämlich auch der Schulerfolg zusammen, bzw. es ist für Kinder aus allen Schichten für die Sozialisation wichtig, lange gemeinsam zu lernen. Wobei natürlich in einzelnen Fächern je nach Begabung ein Kurssystem greift, wie in anderen Ländern auch. Nicht jeder Beruf verlangt nach Abitur, aber ein tüchtiger Handwerker wird es nur durch gediegene schulische Grundlagen.

"Wenn man all das Geld in ein besseres und vor allem einheitliches Schulsystem gesteckt hätte, wäre vielleicht einiges besser geworden." (Pippa) Das meine ich auch, und damit sind „wir“ wieder beim Bildungspaket.

Clara
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Re: Bildungspaket
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf clara vom 27.04.2011, 21:59:12
Danke für deine Klarstellung. Wir haben hier in weiten Bereichen ähnliche Meinungen... eben Fachleute



Jetzt möchte ich noch eine Ergänzung bringen zu deinem Satz "...meine ich konkret, dass einem Schulversagen von Kindern aus gewissen Bevölkerungskreisen (und dies schon seit mehreren Generationen) ganz früh begegnet werden muss, am besten schon im Vorschulalter."

Das Schulversagen, das in manchen Familien an die Kinder weitergegeben wird, ist ja nicht genetisch vererbt, wie wir über die Vererbung von Intelligenz und die Interaktion von Umwelt und Genen wissen, sondern es handelt sich um eine soziale Vererbung.
Aber auch Kinder von Eltern, die keine Schulversager waren, die einen ordentlichen Beruf haben oder gehabt haben, können ihr Potential in diesem Regelschulwesen schwer ausschöpfen.
Früher war einmal klar, dass der Schuster bei seinem Leisten zu bleiben hatte, und das Schulsystem war inklusive der typischen Geschichten in den Lesebüchern darauf ausgerichtet, dass niemand auf die Idee käme an seinem "gottgewollten" Platz in der Hierachie der Gesellschaft zu rütteln.
Abgesehen davon, dass dann von gleichen Lebenschancen für alle Kinder keine Rede sein kann, abgesehen davon, dass dadurch bis zum 10.Lebensjahr praktisch der weitere Lebensweg festgelegt wird, führt das zu einer unerhörte Verschwendung von menschlichen Potential, das sich kein Staat auf Dauer leisten kann. (Der letzte Halbsatz könnte durch den wirtschaftlichen Neusprech vielleicht diejenigen überzeugen, denen ein Gerechtigkeitsargument zu theoretisch erscheint.)

Mulde, ich bewundere viele Handwerke für ihre Geschicklichkeit (meine halbe Verwandtschaft gehört dazu) und ich finde es unerträglich, wie heute diese für die Gesellschaft lebenswichtigen Berufe von vielen als minderwertig angesehen werden.
Ich finde allerdings, so wie du sicherlich, dass aufgrund der weitgehenden Undurchlässigkeit des Schulsystems die Entscheidung für diesen oder einen anderen Lebensweg von Kindern allzu früh getroffen werden muß. Solange das so bleibt, wird eben der Handwerker, der Gewerbetreibende, der Hausmeister, die Kellnerin den Geruch nicht los, es nicht geschafft zu haben, als Kind zu dumm oder zu faul gewesen zu sein oderIund aus einer Familie zu stammen, die vom Harzgeld zumindest zeitweise leben.

Rückkehr zu den vererbten sozialen Schichtungen eben!

Die "großzügige" 10 Euro Unterstützung kann daran nichts im mindesten ändern.
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So sieht ein Professur für Volkswirtschaftslehre, Soziologie und Sozialpolitik das Bildungs"paket"
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 27.04.2011, 22:44:07
Sell, Stefan: Bürokratie2 oder: Die Schildbürgerstreichhaftigkeit des „Bildungspakets“ im Rahmen der Hartz IV-Reform

14 Seiten, die es wert sind gelesen zu werden!

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margarethe
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Re: So sieht ein Professur für Volkswirtschaftslehre, Soziologie und Sozialpolitik das...
geschrieben von margarethe
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 27.04.2011, 23:21:12




Padon, irgendwas schief gelaufen mit dem neuen Fenster!!


Das Schulversagen, das in manchen Familien an die Kinder weitergegeben wird, ist ja nicht genetisch vererbt, wie wir über die Vererbung von Intelligenz und die Interaktion von Umwelt und Genen wissen, sondern es handelt sich um eine soziale Vererbung. geschrieben von mart 1


diesen Satz untersreiche ich voll und ganz. Die soziale Schranke (besonders die in den Köpfen der Heranwachsenden)zu überwinden ist eine unvorstellbare Leistung, die nur in verhältnismäßig wenigen Fällen gelingt. Warum war es zu Zeiten der DDR so schwer, Arbeiterkinder für die Arbeiter- und Bauernfakultäten zu gewinnen? Beworben haben sich viele aus dem Mittelstand stammende, die aber aus politischen Gründen abgelehnt wurden.

clara
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Re: So sieht ein Professur für Volkswirtschaftslehre, Soziologie und Sozialpolitik das...
geschrieben von clara
als Antwort auf margarethe vom 28.04.2011, 10:56:18
Margarete, jetzt weiß ich auch, warum Hermann Kant mit seiner "Aula" eine so große Bedeutung in der DDR hatte! Aber im Ernst: Auch in der alten BRD scheuten sich noch vor wenigen Jahrzehnten "einfache" Familien, ihr begabtes Kind auf ein Gymnasium zu schicken, eben weil sie dieses als Schule der Bildungsbürger betrachteten. Dann bot der 2. Bildungsweg doch noch eine Chance zum Aufstieg. Und die Vorstellung der Politik ist, durch das Bildungspaket diese soziale Schranke niedriger zu legen.

@ Mart: Der Link ist eine gute Zusammenfassung der Thematik, danke!

Clara
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Vorsicht Bildungspaket: Jobcenter droht mit Leistungseinstellung!
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf clara vom 28.04.2011, 12:51:26

Ein Jobcenter droht alle Leistungen einzustellen, wenn bis 28.April nicht die richtigen Nachweise für den Zeitraum vom Jänner bis März vorliegen.

Hier ist nachzulesen, dass wohl manche zurecht die Finger von dem großzügigen Geschenk des Staates für ihre Kinder lassen.

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olga64
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Re: Bildungspaket
geschrieben von olga64
als Antwort auf mulde vom 27.04.2011, 20:06:28

Was meinst Du wer Dir mal den Wasserhahn repariert!
Wer wohl in Zukunft falls Dein Dach mal undicht ist?
den Schaden beheben kann ?
Der Handwerker oder ein Akademiker?
Aber für Dich sind das Menschen , die Dir zu dienen haben! Sie sind Dir ja nicht ebenbürtig!

Wie sagte die leider zufrüh verstorbene Regine Hildebrand
zum Westabitur?
Die brauchen das 13 Schuljahr nur zum Schauspielunterricht und die Frau hatte mehr als Ahnung davon.
Du aber anscheinend zu wenig ![/quote]


WAs für ein Nonsens und dies in epischer Breite!
Den Wasserhahn lasse ich natürlich von einem Handwerker reparieren (allerdings nicht vom Fleischer oder Bäcker); geht ja mittlerweile auch gut über Internet-Recherche. Das Dach des Hauses, wo ich zur Miete wohne, ist Sache meines Vermieters. Und am liebsten sind mir die Handwerker, deren erste Frage nicht ist: brauchen Sie eine Rechnung? Und damit durchblicken lassen, dass sie nichts gegen einen Betrug an der steuerzahlenden Gesellschaft haben.
Sie halten mir Ahnungslosigkeit vor. Ich denke, die auch von mir geschätzte Regine Hildebrand hatte kein Westabitur gemacht (im Gegensatz zu mir) und hatte davon eben auch keine Ahnung, wie dies ablief (insbesondere in Bayern, wo das Abi immer schon schwieriger war als in anderen Bundesländern). Olga
Re: Vorsicht Bildungspaket: Jobcenter droht mit Leistungseinstellung!
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 28.04.2011, 14:59:07
"Hier ist nachzulesen, dass wohl manche zurecht die Finger von dem großzügigen Geschenk des Staates für ihre Kinder lassen."


Nun frage ich dich allen Ernstes, warum "manche" ZURECHT die Finger vom Bildungspaket lassen sollen?
Ich kenne die Anträge und weiß, wie schwer sich einige tun, sich um das Angebot zu kümmern - aber sie auch noch geradezu aufzufordern, darauf zu verzichten, wie z.B. das von dir verlinkte Blättchen, indem es schon in der Überschrift formuliert :"Vorsicht Bildungspaket..." treibt mir die Zornesröte in's Gesicht.


So werden z.B. die Bescheinigungen mit dem Nachweis der Essenanbieter von den Schulen an die Kinder übergeben und die Bescheinigungen der Sportverbände werden in Übereinkunft mit den Sportverbänden direkt von den Übungsleitern ausgehändigt... - alles auch nachträglich.
Ansonsten sind nur einige Kreuzchen zu machen und das ausgefüllte Formular ebzugeben.
Dafür ist nun auch der Zeitraum verlängert worden.

Nur - weil die "neue linke onlinezeitung" unter www. scharf-links.de mit allen Mitteln gegen das Paket opponiert- mit der offensichtlichen Absicht, das Bildungspaket scheitern zu lassen, weil es nicht von den "Linken" stammt, musst du doch nicht auch noch in diese idiotische Kerbe schlagen.

Tut mir leid - mart1 - das ist mir unverständlich.
Ich bin jeden Tag wegen dieser Fragen in meinem Heimatort unterwegs und kenne die Schwierigkeiten.
Inzwischen sehe ich aber, dass die Mehrheit der "Problemfälle" immer einsichtiger wird, weil die scheinbaren Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt wurden.
Re: Bildungspaket
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf olga64 vom 28.04.2011, 15:47:27
Polen am Bau

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Re: Vorsicht Bildungspaket: Jobcenter droht mit Leistungseinstellung!
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 28.04.2011, 16:44:23
Na ja, wenn ich einen Bescheid bekäme (in der Linken-Zeitung als pdf-Dokument nachzuprüfen), dass ich bis zum 28.April diese erforderlichen Nachweise für das Bildungspaket zu erbringen hätte, da ansonsten alle Leistungen von Harz gestrichen werden, würde ich zumindest sehr, sehr vorsichtig sein.

Außerdem finde ich, dass Bildung, und dazu gehört Sport, Musikunterricht etc. in erster Linie nicht die Aufgabe von privaten Anbietern sein sollte, sondern zu den grundlegenden Aufgaben eines Bildungswesens gehört.
Ebenso heute der Lunch und eine Aufgabenbetreuung bzw. Nachhilfe.

Ich hätte keine Lust mit meinem Kind beim Psychologen für eine Bestätigung vorstellig zu werden, ob es eine Nachhilfe nötig hat - Schulnoten genügen offensichtlich nicht - um dann ein Almosen dafür als Beitrag zu erhalten.

Wie kann man noch jämmerlicher mit armen bzw. sozial schwachen bzw. sich nicht helfen zu wissenden bzw. sich in einer Notsituation befindlichen Menschen umgehen?

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