Forum Politik und Gesellschaft Innenpolitik BGH-Urteil gegen KZ-Sekretärin

Innenpolitik BGH-Urteil gegen KZ-Sekretärin

Rispe
Rispe
Mitglied

RE: BGH-Urteil gegen KZ-Sekretärin
geschrieben von Rispe
als Antwort auf Michiko vom 21.08.2024, 17:04:04

Michael
Michael Wolffsohn ist mir wohlbekannt. Und er und seine Meinung waren für mich noch nie ein Maßstab.
Aber bitte sehr - ein jeder, wie er mag!
 

Zaunkönigin
Zaunkönigin
Mitglied

RE: BGH-Urteil gegen KZ-Sekretärin
geschrieben von Zaunkönigin
als Antwort auf Rispe vom 21.08.2024, 16:49:16
Ich frage mich, ob die erbitterten Wortgefechte von einigen deshalb geführt werden, weil sie ahnen, dass in ihren Familien auch solche Täter saßen und weil sie sie stellvertretend für diese Frau irgendwo in Schutz nehmen wollen.
Ist meine Hausfrauenpsychologie, aber manchmal stimmen auch Hausfrauenpsychologien, zumal ich mich in der Vergangenheit mal viel damit beschäftigt habe.
 
Das möchte ich mir verbitten, denn das ist eine Unterstellung und geht weit über eine Hausfrauenpsychologie hinaus!

In wie fern meine Familie, was in diesem Fall die Familie meines Mannes ist, diesbezüglich Erfahrungen/Erkenntnisse gesammelt hat, habe ich hier bereits geschrieben. Auch, wie das nach Kriegsende weiter lief und was ich - und auch mein Mann - davon halte(n). 

Aber gerade weil uns bekannt ist wie das bereits in den ersten Wochen nach dem Krieg ablief und auch in den folgenden Jahrzehnten, gerade deshalb stelle ich zwar das Urteil nicht in Frage (ich bedauere diese Frau nicht), aber das, was dieses Urteil eigentlich sein soll. Eine Dokumentation darüber, dass Deutschland sich seiner Vergangenheit stellt. Denn nein, das tut es meiner Meinung nach nicht - allenfalls pressewirksam. Es ist Augenwischerei und wenn wir hier von Signalwirkung schreiben, dann signalisieren mir die letzten Jahrzehnte eigentlich nur, dass man nur wichtig und schlau genug sein und vor allem gute Kontakte haben muss, um am Ende wieder auf die Füsse zu fallen.

Und das ist eigentlich eine reichlich bittere Erkenntnis.

 
lupus
lupus
Mitglied

RE: BGH-Urteil gegen KZ-Sekretärin
geschrieben von lupus
als Antwort auf Rispe vom 21.08.2024, 16:49:16
Manchmal kann ich mich deinen Meinungen anschließen aber hier finde ich Pasagen die ich als unzumutbar betrachte:

Ich frage mich, ob die erbitterten Wortgefechte von einigen deshalb geführt werden, weil sie ahnen, dass in ihren Familien auch solche Täter saßen und weil sie sie stellvertretend für diese Frau irgendwo in Schutz nehmen wollen.

Diese Verdächtigung ist für meine Begriffe unmöglich.

......zumal es nicht stimmt, dass sie bei Ablehnung bestraft worden wären. Auch damals gab es keinen Zwang, bestimmte Arbeitsstellen anzunehmen.

Das kannst du doch nicht wissen. Wenn die ihre Arbeit aufgegeben hätte mußte sie doch sagen warum.
Dafür gab es wohl auch keinen Anlaßß denn sie war ja sicher Nazi und frühere Mitläuferin die aber nicht alle eingespert werden konnten weil es zu viele waren.

lupus

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Der-Waldler
Der-Waldler
Mitglied

RE: BGH-Urteil gegen KZ-Sekretärin
geschrieben von Der-Waldler
als Antwort auf Maya1 vom 21.08.2024, 17:00:22

Dennoch bleibt bei mir dieses ungute Gefühl im Hinblick auf den Prozeß.


Das bleibt bei mir auch, Maya.

Ein ungutes Gefühl, weil sich gewisse Leute nun in ihrem guten Gewissen suhlen dürfen, und meinen, nun sei der Gerechtigkeit ja Gepüge getan. Ein ungutes Gefühl, weil all diese Prozesse im Laufe der Zeit seit Fritz Bauer, auf den @Lenova46 und andere hingewiesen hatten, so schleppend vonstatten gingen, viele im Sand verlaufen sind, weil Politik und Justiz und Gesellschaft sie im Sand verlaufen lassen WOLLTEN.

Das alles bereitet mir auch ein sehr ungutes Gefühl, auch ein Gefühl der verpassten Chancen.

Aber das mindert m.M.n. nicht den Wert der Prozesse, DIE noch stattfinden. Das zu bemängeln, oder zu kritisieren, ist genau der Punkt, den ich nicht verstehe,.

LG

DW
olga64
olga64
Mitglied

RE: BGH-Urteil gegen KZ-Sekretärin
geschrieben von olga64
als Antwort auf Michiko vom 21.08.2024, 17:04:04
Ich frage mich, ob die erbitterten Wortgefechte von einigen deshalb geführt werden, weil sie ahnen, dass in ihren Familien auch solche Täter saßen und weil sie sie stellvertretend für diese Frau irgendwo in Schutz nehmen wollen.
geschrieben von @Rispe


Na, wieder auf Identifizierungskurs? Meine Meinung ist einfach die, dass man so langsam bei einer 99jährigen Frau Gnade vor Recht ergehen lassen könnte. Denn in den letzten 3 Jahren hat sie trotz ihres hohen Alters und bescheidenen Gesundheitszustandes allerhand mitgemacht. Nein, ich sehe sie nicht als arme alte Frau, aber als einen hochbetagten Menschen, dem man einen jahrelangen Prozess zumutet.

 
Michiko ich akzeptiere selbstverständlich Ihre Meinung, aber dies beinhaltet auch, dass andere eine andere Meinung vertreten und Ihre vermutlich nicht nachvollziehen können.

"Gnade vor Recht" ist keine juristische Kategorie und wenn überhaupt, hatte diese Frau in ihrem sehrlangen Leben viel,viel Gnade erfahren, weil sie mutmasslich ein gutes, langes Leben hatte,das denjenigen, die in dem KZ dem Tode zugeführt wurden, nicht vergönnt war.

Sie hatte auch nicht "allerhand mitgemacht". Aufgrund ihres gesundheitliches Zustandes durfte täglich nur wenige Stunden verhandelt werden (deshalb dauerte derProzess auch so lange, weil sie teilweise auch tagelang völlig ausfiel, wenn Ärzte dies bestätigten).
Sie wurde nach Jugenstrafrecht verurteilt, muss in kein Gefängnis, hattePflichtverteidiger, die vom deutschen Steuerzahler honoriert wurden (und die übrigens alle mit dem Urteil einverstanden sind).

Und es geht bei so einem Prozess auch nicht um das Wohlgefühl der Täterin - sondern um den Respekt vor den Opfern, deren Hinterbliebene ebenfalls vor Gericht waren. Wer hatte es da wohl schwieriger? Die Frau im Rollstuhl mit lebenslanger Verdrängungsstrategie - oder die Hinterbliebenen, denen teilweise die gesamte Familie genommen wurde und die mit dieser schreckichen Tatsache leben müssen?

Olga
Der-Waldler
Der-Waldler
Mitglied

RE: BGH-Urteil gegen KZ-Sekretärin
geschrieben von Der-Waldler
als Antwort auf Michiko vom 21.08.2024, 17:04:04
Ich frage mich, ob die erbitterten Wortgefechte von einigen deshalb geführt werden, weil sie ahnen, dass in ihren Familien auch solche Täter saßen und weil sie sie stellvertretend für diese Frau irgendwo in Schutz nehmen wollen.
geschrieben von @Rispe


Na, wieder auf Identifizierungskurs? Meine Meinung ist einfach die, dass man so langsam bei einer 99jährigen Frau Gnade vor Recht ergehen lassen könnte. Denn in den letzten 3 Jahren hat sie trotz ihres hohen Alters und bescheidenen Gesundheitszustandes allerhand mitgemacht. Nein, ich sehe sie nicht als arme alte Frau, aber als einen hochbetagten Menschen, dem man einen jahrelangen Prozess zumutet.

Stelle Dir ruhig nur mal vor, es würde sich um Deine Mutter oder Grossmutter handeln. Ich führe auch kein erbittertes Wortgefecht, ich schließe mich nur der Meinung von Michael Wolffsohn und einigen anderen an.

Liebe Michiko,

ich kann und will nur für mich reden. Ich will keine Rache. Wirklich nicht. Aber es hätte mich zutiefst berührt, wenn diese Frau die Verantwortung übernommen hätte, oder wenigsten Einsicht gezeigt hätte. Sie hat das weder im Prozess getan noch danach, als sie in Revision ging. Zumindest ein Jahr der drei Jahre, die sie "mitgemacht" hat, hätte sie sich selbst ersparen können. Hätte sie das Urteil angenommen, hätte ich ihr für ihre restlichen Lebensjahre sogar alles Gute gewünscht. Und das meine ich nicht ironisch, sondern ernst.

LG

DW

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Lenova46
Lenova46
Mitglied

RE: BGH-Urteil gegen KZ-Sekretärin
geschrieben von Lenova46
als Antwort auf Maya1 vom 21.08.2024, 17:00:22

M. E. liegt weder korrupte Kungelei noch Heuchelei vor, wenn wie hier das höchste Gericht (BGH) eine Entscheidung fällt.

Mir widerspricht es einfach, hier pauschal Personen aus der Justiz u. a. verantwortlich zu machen.

Ein mutiger und arbeitsamer Fritz Bauer z. B. wird überhaupt nicht erwähnt. 

 

aixois
aixois
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RE: BGH-Urteil gegen KZ-Sekretärin
geschrieben von aixois
als Antwort auf lupus vom 21.08.2024, 14:55:49
Wer und was vorher waren wohl die, die dieses Urteil gefällt haben?
Sehr gute Frage, auch weil das Urteil jetzt vor diesem Hintergrund betrachtet werden muss. Da ist eine neue Richter/Staatsanwaltgeneration herangewachsen, die aus den braunen,  dunklen Katakomben der deutschen Justiz herausgefunden hat , die sich schon zu Weimarer Zeiten  nicht besonders mit respektablen Urteilen hervorgetan hatte.

Hoppe,  dem Lagerkommandanten von Stutthof wurden übrigens von seinen 9 Jahren Zuchthaus , 6 Jahre erlassen ... wahrscheinlich wegen guter Führung, aber das war, bevor die 68-er versuchten den Augias Stall auszumisten und anfingen die Juristen  mit brauner Vergangenheit an den Pranger zu stellen.

Für Hoppe und seine Mitangeklagten suchten und fanden die Richter nur entlastende Gründe für ihr mildes Urteil (kein lebenslanges Zuchthaus)  - zitiert aus TAZ 20 08 :

Hoppe "litt" an Entscheidungsschwäche - er konnte sich nicht zwischen Gut und Böse entscheiden wegen seiner Charakterschwäche (die ja kein Verbrechen ist und als mildernder Umstand galt), heute könnte man sagen 'jugendliche, naive Unschuld":

... seine Schuld entspringe " nicht [ seiner]  eigenen Ideen- und Gefühlswelt. „Sie wurzelt vielmehr in einer inneren Entscheidungsschwäche, die die Angeklagten daran gehindert hat, sich entsprechend rechtlichem und sittlichem Gebot auch fremdem verbrecherischen Willen zu entziehen und jeden Beitrag zu dessen Verwirklichung standhaft zu versagen."

" „bisher gerichtlich nicht bestraft und offensichtlich keine verbrecherische Natur [ ist} . Vielmehr ist dem Angeklagten Hoppe zu bescheinigen, dass er als tapferer Frontoffizier auf den Hauptkriegsschauplätzen sich bewährt hat“.

" ... von den Judentötungen abgesehen – [ hätten ihm ] sonst keine konkreten persönlichen Verfehlungen und Übergriffe gegenüber Lagerhäftlingen nachgewiesen werden [können]“ .

Für das Töten tausender  Juden reichte aber eine " Zuchthausstrafe von 5 Jahren und 3 Monaten für die erforderliche, aber auch ausreichende Sühne. "

In einer Neuverhandlung (LG Bochum 1957) wurden es dann 9 Jahre Zuchthaus, knapp 3 Jahre (bis 1960) musste er absitzen, mehr brauchte es nicht,  um die Morde an Juden zu bestrafen. Aufgregt hat das kaum einen, war doch ein rechtsfehlerfreies, um nicht zu sagen 'gerechtes' , Urteil.

Die Revision war abgelehnt worden., Im Urteil des BGH 1956  dazu hiess es  :
" Ausserdem war Hoppe nicht unverschuldet in eine solche Lage gekommen,...  denn er wusste schon bei Antritt seiner Stellung als Lagerkommandant, dass in den Konzentrationslagern Straftaten aller Art an der Tagesordnung waren, und er kannte den dadurch begründeten schlechten Ruf dieser Lager. Trotzdem hat er sich der neuen Aufgabe mit Eifer und Hingabe gewidmet, weil er als junger und strebsamer Offizier bei seinen Vorgesetzten nicht den Eindruck der Unfähigkeit erwecken wollte. Obwohl er voraussah, dass er als Lagerkommandant auch in die Lage kommen würde, "schmutzige Arbeit" verrichten zu müssen, liess er die Möglichkeit, seine baldige Ablösung - wie sein Vorgänger - durch mangelnden Eifer zu erreichen, ungenutzt. "


Es würgt mich. Das muss nicht weiter kommentiert werden. So urteilten deutsche Richter (1955), anders aber als das von Nazi Richtern freie BGH (1956).

Na das passt doch alles schön zusammen ... auch noch vorbildhaftes Verhalten und im heldenhaften Kampfe bewährt ... 

Was aber hat er bloss mit seiner Entscheidungsschwäche gemacht als es in den Kampf ging ? Sich 'tapfer' und 'standhaft'  hinter einem Baum versteckt ?
Michiko
Michiko
Mitglied

RE: BGH-Urteil gegen KZ-Sekretärin
geschrieben von Michiko
als Antwort auf olga64 vom 21.08.2024, 17:14:07


Na, wieder auf Identifizierungskurs? Meine Meinung ist einfach die, dass man so langsam bei einer 99jährigen Frau Gnade vor Recht ergehen lassen könnte. Denn in den letzten 3 Jahren hat sie trotz ihres hohen Alters und bescheidenen Gesundheitszustandes allerhand mitgemacht. Nein, ich sehe sie nicht als arme alte Frau, aber als einen hochbetagten Menschen, dem man einen jahrelangen Prozess zumutet.

 
Michiko ich akzeptiere selbstverständlich Ihre Meinung, aber dies beinhaltet auch, dass andere eine andere Meinung vertreten und Ihre vermutlich nicht nachvollziehen können.

"Gnade vor Recht" ist keine juristische Kategorie und wenn überhaupt, hatte diese Frau in ihrem sehrlangen Leben viel,viel Gnade erfahren, weil sie mutmasslich ein gutes, langes Leben hatte,das denjenigen, die in dem KZ dem Tode zugeführt wurden, nicht vergönnt war.

Sie hatte auch nicht "allerhand mitgemacht". Aufgrund ihres gesundheitliches Zustandes durfte täglich nur wenige Stunden verhandelt werden (deshalb dauerte derProzess auch so lange, weil sie teilweise auch tagelang völlig ausfiel, wenn Ärzte dies bestätigten).
Sie wurde nach Jugenstrafrecht verurteilt, muss in kein Gefängnis, hattePflichtverteidiger, die vom deutschen Steuerzahler honoriert wurden (und die übrigens alle mit dem Urteil einverstanden sind).

Und es geht bei so einem Prozess auch nicht um das Wohlgefühl der Täterin - sondern um den Respekt vor den Opfern, deren Hinterbliebene ebenfalls vor Gericht waren. Wer hatte es da wohl schwieriger? Die Frau im Rollstuhl mit lebenslanger Verdrängungsstrategie - oder die Hinterbliebenen, denen teilweise die gesamte Familie genommen wurde und die mit dieser schreckichen Tatsache leben müssen?

Olga

Eine Unterstellung unterscheidet sich sehr von einer anderen Meinung und worauf ich - noch gelassen - geantwortet habe, war eine böswillige Unterstellung.

Sie widersprechen sich selbst mit Ihrem Text was den Gesundheitszustand einer 97-99jährigen Frau angeht. Ausserdem sind Ihre Argumente hinlänglich bekannt, das ändert nichts an meiner Beurteilung dieses Prozesses. Ob die Frau eine "lebenslange Verdrängungsstrategie" lebte, das wissen Sie doch gar nicht. Ihr ganzer Beitrag besteht aus Annahmen, Vermutungen und geht mit keinem Wort auf die miserable bis nachlässige Strafverfolgung in der alten Bundesrepublik ein. Das ist der eigentliche Missstand, der hier zu beklagen wäre.

Ich bleibe im übrigen bei meiner Meinung.
Maya1
Maya1
Mitglied

RE: BGH-Urteil gegen KZ-Sekretärin
geschrieben von Maya1
als Antwort auf Der-Waldler vom 21.08.2024, 17:09:01
 

Ein ungutes Gefühl, weil sich gewisse Leute nun in ihrem guten Gewissen suhlen dürfen, und meinen, nun sei der Gerechtigkeit ja Gepüge getan.

DW

Genau das ist es, was mich stört. 
Die Opfer haben nicht viel davon und "gewisse Leute" fühlen sich jetzt gut damit.

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