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Innenpolitik BGH-Urteil gegen KZ-Sekretärin

Anna842
Anna842
Mitglied

RE: BGH-Urteil gegen KZ-Sekretärin
geschrieben von Anna842
als Antwort auf Maya1 vom 21.08.2024, 15:40:04
Liebe Maya, du hast das recht, hier deine Meinung zu schreiben.
Ich will sie auch wissen !
Ich möchte wissen, wie andere über dies oder das denken.
Das ist der Grund, warum ich überhaupt hier bin.
Leitfaden ist die Frage: Wie denkst du darüber ?

Für mich persönlich, die ich Nachkomme auf der Täterseite bin,
ist so ein Prozeß auch noch von Bedeutung.
Und zwar in dem Sinne: Seht wer es war, seht, wer es getan.

" Eichmann in Jerusalem ". Da war ich noch ein Kind.
Es lief im Fernsehen. Ich habe gefragt: Wer ist dieser Mann da
im Glaskasten??
Antwort meiner Altvorderen: Der steht vor einem Judengericht. Der 
hat doch überhaupt nichts getan.
Jedes Gerichtverfahren in der BRD, legte Zeugnis für
das Gegenteil ab-deshalb.

Anna

 
Maya1
Maya1
Mitglied

RE: BGH-Urteil gegen KZ-Sekretärin
geschrieben von Maya1
als Antwort auf Lenova46 vom 21.08.2024, 16:12:36

Liebe Lenova 
Ich habe geschrieben, wie ich das Ganze empfinde, daß mein Gerechtigkeitsempfinden dagegen rebelliert und ich mich für eine solche Aufarbeitung für mein Heimatland schäme.

Das sind meine Empfindungen - keine juristische Aufarbeitung.
Die Kosten für die Prozesse habe ich dabei auch nicht im Blick.

Aber es geht ja hier eh nicht um mich und wie ich mich dabei fühle und - wie ich auch in demselben Beitrag dazu schrieb - wenn NS- Opfer oder deren Hinterbliebene tatsächlich ein gutes Gefühl mit so einem Prozeß haben, dann hat er sich gelohnt und auch die Kosten.

Edita
Edita
Mitglied

RE: BGH-Urteil gegen KZ-Sekretärin
geschrieben von Edita
als Antwort auf Maya1 vom 21.08.2024, 15:40:04
Zitat Maya1:
“Für mich ist das Ganze ein Alibi-Spektakel und ich schäme mich eher für mein Heimatland, das so seine Vergangenheit aufarbeitet“ 


Alibi-Spektakel???
 Mord verjährt nicht. Auch Beihilfe zum Mord verjährt nicht. Deshalb sind Verurteilungen auch heute, mehr als 80 Jahre später, genau so wichtig, erst recht weil es sich um monströse Massenmorde  der NS-Zeit handelt! 



Edita

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Rispe
Rispe
Mitglied

RE: BGH-Urteil gegen KZ-Sekretärin
geschrieben von Rispe
als Antwort auf pippa vom 21.08.2024, 15:07:17
Hubert, die deutsche Justiz war von jeher auf dem rechten Auge blind, und das ändert sich erst jetzt ein wenig.
Im übrigen hatte diese Person offensichtlich nie ein schlechtes Gewissen, sonst hätte sie nicht ein so hohes Alter erreicht.
Wäre ich Richter, ich hätte sie für den Rest ihres Lebens eingesperrt
 
Ich auch, @Pippa.
Und ich verstehe die wortreichen Relativierungen von einigen hier überhaupt nicht.
Die Frau ist sehr gnädig davongekommen, sie wurde nach Jugendstrafrecht und mit Bewährung verurteilt und darf bis zum Ende ihres Lebens in ihrem Heim bleiben. Was ist daran unzumutbar für die frühere Mitläuferin eines Verbrecherregimes?
Auch wenn die Strafen zu spät verhängt wurden und vorher zu viele ungestraft davonkamen, ist das noch lange kein Grund, diese Praxis beizubehalten, wenn man endlich erkannt hat, was man alles versäumt hat.
Mir tut keine/r von denen leid, die sich wissentlich beteiligt haben, zumal es nicht stimmt, dass sie bei Ablehnung bestraft worden wären. Auch damals gab es keinen Zwang, bestimmte Arbeitsstellen anzunehmen.
Ich frage mich, ob die erbitterten Wortgefechte von einigen deshalb geführt werden, weil sie ahnen, dass in ihren Familien auch solche Täter saßen und weil sie sie stellvertretend für diese Frau irgendwo in Schutz nehmen wollen.
Ist meine Hausfrauenpsychologie, aber manchmal stimmen auch Hausfrauenpsychologien, zumal ich mich in der Vergangenheit mal viel damit beschäftigt habe.
 
Rispe
Rispe
Mitglied

RE: BGH-Urteil gegen KZ-Sekretärin
geschrieben von Rispe
als Antwort auf Maya1 vom 21.08.2024, 16:43:03
Liebe Lenova 
Ich habe geschrieben, wie ich das Ganze empfinde, daß mein Gerechtigkeitsempfinden dagegen rebelliert und ich mich für eine solche Aufarbeitung für mein Heimatland schäme.
 
Was für ein merkwürdiges Gerechtigkeitsgefühl.
Ich würde mich genau für ds Ggenteil schämen und tue es sogar: Dafür, dass die Verbrecher zu einem großen Teil nicht belangt wurden und eben lange keine Aufarbeitung stattfand.
Es ist erstaunlich, wie du die Dinge auf den Kopf stellst.
Lenova46
Lenova46
Mitglied

RE: BGH-Urteil gegen KZ-Sekretärin
geschrieben von Lenova46
als Antwort auf Maya1 vom 21.08.2024, 16:43:03
Ich verstehe dich schon. Urteile werden oft als ungerecht von Nichtjuristen empfunden.

Die Kosten sind ein Nebeneffekt.
Wichtiger ist die Aufarbeitung durch Richter, das Anhören und Ermitteln. Alleine die vielen Nebenklägervertreter, dann die vielen Zeugen, die auch aus dem Ausland anreisten. 

Ich wüsste nicht, wem hier etwas vorzuwerfen wäre. Es ist gut so, dass die Revision verworfen wurde. 
 

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Maya1
Maya1
Mitglied

RE: BGH-Urteil gegen KZ-Sekretärin
geschrieben von Maya1
als Antwort auf Edita vom 21.08.2024, 16:44:57

Zur Erklärung, wie ich das mit dem Alibi-Spektakel gemeint habe:

Ich schrieb weiter oben:
"Wenn ich versuche, mich in die Rolle eines Naziopfers bzw eines Nachkommens zu versetzen, würde ich diesen Prozess vermutlich als Heuchelei empfinden.

 
So wie Zaunkönigin weiter oben schrieb:
"Wir "bewältigen" scheinbar mit diesem Urteil etwas und begraben dafür die ganze korrupte Kungelei der letzten Jahrzehnte. Und das - ja das empfinde ich als Hohn - Michael Wolffsohn nennt es Heuchelei. Letztlich ist es eine Mischung aus beidem. "
 
Bauernopfer als Alibi, um sich selbst gut zu fühlen und international besser dazustehen.
Der Ärger darüber würde wahrscheinlich meine Erleichterung und Zufriedenheit über das Urteil überwiegen."

Waldner als Betroffener hat geschrieben, daß er und wohl auch andere Betroffene dies anders empfinden.
Da ich nur von mir selbst ausgehen kann, will ich natürlich nicht mein Empfinden dazu über das der Opfer stell und sagen, das ganze sei sinnlos gewesen.
Dennoch bleibt bei mir dieses ungute Gefühl im Hinblick auf den Prozeß.
Michiko
Michiko
Mitglied

RE: BGH-Urteil gegen KZ-Sekretärin
geschrieben von Michiko

Ich frage mich, ob die erbitterten Wortgefechte von einigen deshalb geführt werden, weil sie ahnen, dass in ihren Familien auch solche Täter saßen und weil sie sie stellvertretend für diese Frau irgendwo in Schutz nehmen wollen.
geschrieben von @Rispe



Na, wieder auf Identifizierungskurs? Meine Meinung ist einfach die, dass man so langsam bei einer 99jährigen Frau Gnade vor Recht ergehen lassen könnte. Denn in den letzten 3 Jahren hat sie trotz ihres hohen Alters und bescheidenen Gesundheitszustandes allerhand mitgemacht. Nein, ich sehe sie nicht als arme alte Frau, aber als einen hochbetagten Menschen, dem man einen jahrelangen Prozess zumutet.

Stelle Dir ruhig nur mal vor, es würde sich um Deine Mutter oder Grossmutter handeln. Ich führe auch kein erbittertes Wortgefecht, ich schließe mich nur der Meinung von Michael Wolffsohn und einigen anderen an.
JuergenS
JuergenS
Mitglied

RE: BGH-Urteil gegen KZ-Sekretärin
geschrieben von JuergenS
als Antwort auf Bandagenanderl vom 21.08.2024, 15:58:54

Deine Ausführungen bilden in etwa das ab, wie ich es auch betrachte.

Die Versäumnisse Deutschlands nach dem Krieg können nicht korrigiert werden durch die Verurteilung von Greisen.
Mein Onkel, der sich fast bei den Nazis den Tod eingefangen hätte, liess als Postbeamter und bei der Entnazifizierung viel Befragter eher von Milde leiten, wenn er zu dem Ergebnis kam, dass ein Mitläufer mitsamt Familie in ein Elend getrieben worden wäre, wenn sein Mitlaufen dies nach seiner Meinung einigermassen in Grenzen hielt. Es gab Millionen zwielichtiger MItläufer, die später am Wirtschaftswunder mitgearbeitet haben, ein Wirtschaftswunder, das die Basis für unseren heutigen Lebens-Standard ist.

Wir teilen ja hier Meinungen, diese, eher ein Report,  müsst ihr aushalten, weil sie nicht wertet.

olga64
olga64
Mitglied

RE: BGH-Urteil gegen KZ-Sekretärin
geschrieben von olga64
als Antwort auf pschroed vom 21.08.2024, 16:29:03
Das heutige Drama was sich mit Faschist Höcke im Osten abspielt macht mir persönlich Sorgen, wie kann das sein dass der Zulauf wieder so groß ist ? Haben die Bürger EU weit noch immer nichts gelernt ? Es ist richtig dass diese ehemalige Nazi Sekretärin verurteilt wird. Es soll mehr als ein Zeichen setzen gegen das Erstarken der heutigen Neo - Nazis.
Werden die heutigen Migranten die nächsten Juden sein ? Phil.
danke Phil - so sehe ich das auch. Eine der erfreulichsten Mitteilungen, die mich heute erreichte, ist,dass eine geplante Wahlkampfveranstaltung des Herrn Höcke in Thüringen abgesagt werden musste,weil es zu viele Gegendemonstranten gab,d ie das nicht zugelassen haben. Es demonstrierten 2000 Menschen gegen diese Veranstaltung - ein guter Anfang.

Was ich aber in diesem Thread nicht verstehe, ist das doch ziemlich heuchlerische Mitleid mit dier alten Dame, die nun recht gnädig nach Jugendstrafrecht auf Bewährung verurteilt wurde. Wenn sie vielleicht selbst mal zurückdenkt an all das, was sie anscheinend seit Jahrzehnten gedanklich verdrängt und was sie von ihrem Bürofenster aus sehen konnte, wenn wieder mal verfügt wurde, wer, wann in die Gaskammer geschickt wird (wofür sie vorher ordnungsgemäss die Zyankalikapseln eingekauft hatte) kann sie Frieden machen mit ihrem Leben,das vermutlich - insbesondere als sie vor dem Mauerbau in den Westen kam - sicher recht erfreulich war.

Als Helfer in diesen hochbürokratisch geführten KZ`s machten sich nicht nur Männer mit Gewehren und Uniformen schuldig,wenn sie die Gefangenen auf deren Weg in den Tod bewachten.
Alle trugen zu der vernichtenden Effizienz bei,die die Mordmaschine am Laufen hielten.

Diese Ex-Sekretärin arbeitete vorher bei der Dresdner Bank, wo sicher keine Gefahr bestand,das sie irgendwann in einen Gewissenskonflikt kam - sie wechselte dann freiwillig in das KZ (vermutlich gab es mehr Geld - es hat sie aber keine zwangsverpflichtet, sie hätte auch NEIN sagen können).
Aber dann beschäftigte sie sich mit der Einteilung für Todesmärsche,bestellte Zyklon B und wurde ein Glied inder einer todbringenden Kausalkette.

Es gab in solchen KZ`s weder Schlupflöcher, um zu überleben oder für eine persönliche Unschuld als dort Beschäftigter; Stutthoff praktizierte mal Zwangsarbeit und dann den Massenmord.
Keiner dort hatte saubere Hände und auch späteres, jahrzehntelanges Händewaschen führte nie mehr dazu, sie wieder zu erlangen.
Das alles mag für eine alte Frau am Ende ihres Lebens eine bittere Erkenntnis sein.
Aber für die deutsche Gesellschaft bleibrt es auch Jahrzehnte nach dem Holocaust nötig, dass dieses Prinzip der persönlichen Verantwortlichkeit juristisch ausser Zweifel bleibt, insbesondere in einer Zeit, wo aktuell wieder vermehrt Trends zurück in eine unselige Vergangenheit zeigen - wir sie also bis heute nicht überwunden haben, diese "Ewigkeits-Schuld". Olga

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