Innenpolitik BGH-Urteil gegen KZ-Sekretärin
Angst hatten die "Bösartigen" m. E. nicht.
Sie befriedigten ihre grausamen Triebe.
Im KZ Ravensbrück haben Frauen, Frauen beaufsichtigt.
Mehr als 3.500 Aufseherinnen wurden zwischen 1939 und 1945 im KZ Ravensbrück ausgebildet.
Viele waren kaum älter als 20 Jahre. Manche meldeten sich freiwillig.
Nun jeder hat natürlich das Recht auf seine eigene Meinung und auf sein moralisches Urteil über andere Menschen.
Ich habe schon vor Jahren, als ich zum ersten Mal von diesem Prozess hörte, den Kopf geschüttelt über die Unverhältnismäßigkeit, mit der ein Schauprozess gegen ein kleines Rädchen im Getriebe geführt wird, angesichts der vielen großen Verbrecher, die keiner belangt, weil sie bspw nützliche "Leistungsträger" der Gesellschaft sind.
Ich weiß zu wenig über diese Frau und die Umstände, die sie dazu gebracht haben, diese Stelle anzutreten, um mir ein moralisches Urteil zuzutrauen.
Sophie Scholl habe ich schon als Kind bewundert und ich habe mich damals schon gefragt, ob ich an ihrer Stelle wirklich ihre Mut gehabt hätte.
Solange ich diese Frage nicht beantworten kann, verurteile ich auch niemanden, der das damals auch nicht tat.
Sophie Scholl habe ich schon als Kind bewundert und ich habe mich damals schon gefragt, ob ich an ihrer Stelle wirklich ihre Mut gehabt hätte.
Solange ich diese Frage nicht beantworten kann, verurteile ich auch niemanden, der das damals auch nicht tat.
Maya,
siehst Du den Unterschied nicht, ob man mutig sein "soll" und es nicht sein kann (ich wäre wohl eher NICHT mutig) oder ob man sich auf einem Job bewirbt, dessen eindeutiges Umfeld man nicht ignorieren KANN! Das hat mit "moralischem Urteil" nichts zu tun.
DW
Maya1 ich kann dir nur zustimmen und möchte lediglich ergänzen:
Wie sich doch die Geschichte wiederholt.
Die nützlichen " Leistungsträger" der Nazizeit, die nach dem Krieg in gehobene Positionen gespült wurden und keinerlei Interesse daran hatten irgendwelche Vergangenheit aufzuarbeiten und 40 Jahre später SED Funktionäre die nach 1989 leitende Funktionen übernahmen und noch immer innehaben.
Wann wird denn der letzte Verbrecher der DDR verurteilt ?
Ein Muster ? Ein rein deutsches Phänomen ? Ein Interessenkonflikt ?
Ich glaube dass das Thema Vergangenheitsbewältigung ein sehr schwieriges für uns alle ist und sich die Geister daran scheiden und immer scheiden werden.
oder ob man sich auf einem Job bewirbt, dessen eindeutiges Umfeld man nicht ignorieren KANN! Das hat mit "moralischem Urteil" nichts zu tun.
DW
Ich sagte ja, ich weiß zu wenig über ihre Lebensumstände.
Ich weiß nur, daß sich damals Jugendliche meistens nicht so um Jobs beworben haben, wie das heute der Fall ist. So wie mir erzählt wurde, haben damals die Eltern in der Regel Lehrstellen vermittelt und Jobs ausgesucht.
Und je nachdem, wie die Situation der Familie ist, kann auch von außen ein ziemlich großer Druck bestehen.
Und wer damals jahrelang in der Schule und in der Hitlerjugend nur positive Propaganda gehört hat, an dem ist das bestimmt nicht spurlos vorüber gegangen. Von "Vernichtung in den Konzentrationslagern" wurde aber nichts verlautet, meine Eltern haben jedenfalls erst nach Kriegsende davon erfahren.
Ich möchte keinesfalls um Mitleid für die Arme alte Frau werben.
Aber dafür, daß - statt moralisch zu verurteilen, ohne wirkliche alle Umstände genau zu kennen - man diesen Prozess lieber als Denkanstoß dafür nimmt, wie leicht man in so etwas hinein rutschen kann und sich mit schuldig macht und nicht mehr raus kommt.
Denn wie schnell können sich die Zeiten ändern und die Frage kann sich auftun, ob man wie Sophie Scholl sein will oder was man tut, wenn man als Sekretärin entdeckt, daß der Chef schreckliches Unrecht begeht.
Für uns direkt wohl nicht mehr, aber für unsere Kinder oder Enkel 😉
Dass andere "davon kamen" oder noch schlimmer waren, relativiert aber nicht die Schuld dieser Frau und nicht die Strafwürdigkeit ihrer Taten. Wenn ein Jugendlicher einen anderen zusammenschlägt und ein anderer Jugendlicher einen anderen tötet, ist dadurch die Schuld des Schlägers nicht relativiert. Ich würde eine Verurteilung des ersten nicht als "Hohn" bezeichnen. Dass schlimmere Taten NICHT verfolgt wurden/werden, ist die Schande, aber nicht, dass weniger schlimme Straftaten bestraft werden.
DW
über ihre Schuld oder geringere Schuld geht es mir doch an dieser Stelle gar nicht. Um dazu eine abgeschlossene Meinung zu haben, habe ich zu wenig über das wie sie zu dieser Anstellung kam bis jetzt gelesen (und das wäre für mich relevant). War ich diesbezüglich so unverständlich?
Mir geht es um diese angebliche positive Signalwirkung dieses Urteils.
Jahrzehnte lang hat dieses Land Schwerverbrecher sogar noch in ihrer Karriere gefördert. Hat ihnen Jobs zugeschanzt die sie vermögend haben werden/bleiben lassen. Wenn es mal zu Urteilen kam, waren diese lächerlich mild.
Wäre ich Nachkomme eines KZ-Opfers, ich würde dieses Urteil vor dem Hintergrund der anderen Urteile und Nichturteile als Hohn empfinden.
Um bei Deinem Beispiel mit den Jugendlichen zu bleiben.
Wenn meine Tochter von einer Gruppe von 10 Jugendlichen getötet worden wäre und dabei 2 Jugendliche untätig zugeschaut hätten und wenn mir bekannt ist dass davon
6 unbehelligt weiter leben konnten
2 berufliche und gesellschaftlich gefördert wurden und einer Strafe entkamen
1 nur eine kleine Strafe absitzen musste
1 die Höchststrafe erhalten hatte
und wenn dann von den Jugendlichen die zugeschaut haben einer nicht belangt worden wäre weil er sehr früh den Tatort verlassen hat und der zweite Zuschauerjugendliche aber, der am Tatort verblieb, allerdings auch in keinster Weise eingegriffen hat dann zu einer Strafe auf Bewährung verurteilt wird .. wie würde ich dieses letzte Urteil wohl einordnen?
Ich jedenfalls nicht das was @Schorsch beschrieben hat: (Zitat): es ist ein Zeichen an die Welt: "Seht her, wir heutigen Deutschen geben nicht Ruhe in der Vergangenheitsbewältigung".
Ich jedenfalls hätte das Gefühl, dass ich auf billige Art und Weise ruhig gestellt werden soll. Richtig wäre es wenn all diese bewussten Unterlassungen angeklagt würden. Aber damit wird man, wenn überhaupt, damit warten, bis alle Verantwortlichen verstorben sind. *Ironieoff*
@Michiko möchte ich noch zitieren. Sie hat im Wesentlichen umrissen um was es mir geht. Und auch was Michael Wolffsohn äusserte:
"Es ist eine juristische Heuchel-Show. Das Landgericht Itzehoe verhängte über die 97-jährige Irmgard Furchner eine Jugendstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Welche Straftat hatte sie begangen?
Als 18-Jährige „arbeitete“ sie im KZ-Stutthoff. Das war eine NS-Mord-, Folter- und Schreckensstätte. Wer dort „arbeitete“, gehörte zweifellos bestraft. Aber bereits vor Jahrzehnten. Nicht erst jetzt. Damals traute sich die deutsche Justiz nicht.
Wie viele andere wollte das Justizsystem nichts sehen oder sah weg. Wo kein Kläger, da kein Richter. „Bloß nicht dran rumrühren“, zumal vor Jahrzehnten das Personal in den Rechtsbehörden BRD und DDR NS-braun getränkt war. Das hätte durch mehr NS-Prozesse ja rauskommen können…".
Michael Wolffsohn = geboren am 1947 in Tel Aviv ist ein deutscher Historiker und Publizist. Er lehrte von 1981 bis 2012 Neuere Geschichte an der Universität der Bundeswehr München.
Ebenso der Beitrag von @Maya1 Beitrag BGH-Urteil gegen KZ-Sekretärin | Seite 5 | Forum im Seniorentreff
Wir "bewältigen" scheinbar mit diesem Urteil etwas und begraben dafür die ganze korrupte Kungelei der letzten Jahrzehnte. Und das - ja das empfinde ich als Hohn - Michael Wolffsohn nennt es Heuchelei. Letztlich ist es eine Mischung aus beidem.
Bei "Wikipedia" habe ich gelesen, dass Frau Furchner während ihrer Tätigkeit im Stutthof den SS-Oberscharführer H.Furchner kennenlernte, den sie nach Kriegsende heiratete.
Welche Position mag H. Furchner im KZ ausgeführt haben.
Ich zitiere aus meinem Beitrag #11874252 :
"Eine Juristin, die zwischen 2014 und 2016 zu dem Lager-Komplex Stutthof vorermittelt hatte, sagt aus, dass Irmgard F. und viele andere viel früher hätten angeklagt werden können. Dass die Angeklagte erst jetzt vor Gericht steht, sei ein juristisches, politisches und gesellschaftliches Versagen."
Gut, dass Du noch einmal Michael Wolffsohn zitiert hast Zaunkönigin, danke. Genau das ist der Fall, pure Heuchelei für die Welt: "Seht her, wir haben die I. Furchner verurteilt, Revision abgewiesen!!
I. Furchner wurde zwangsverpflichtet und sie hat nicht widersprochen. Vielleicht wurde sie so erzogen, von ihrem Elternhaus weiß man nichts.
Die ersten Stutthof-Verfahren fanden unmittelbar nach dem WK II in Polen statt. In den 50-/60er Jahren in Hamburg und Bochum und da war sie als Zeugin vorgeladen. Ab diesem Moment war bekannt, wo ihre Arbeitsstelle war.
Warum geht hier niemand auf das Hauptproblem ein, das die BRD zweifellos bewusst hinausschob, die Nazi-Mörder mit Blut an den Händen statt zu verurteilen, z.B. Gesetze wie das Dreher-Gesetz zu erlassen und auch noch für den 1956 neu gegründeten BND als geeignet zu halten. Darüber wird stillschweigend hinweg gegangen, "das hat man sicher nicht gewusst"👀.
Michiko
Wäre ich Nachkomme eines KZ-Opfers, ich würde dieses Urteil vor dem Hintergrund der anderen Urteile und Nichturteile als Hohn empfinden.
Du schriebst, Du wüsstest zu wenig über all das und schriebst dann den oben zitierten Satz.
Mir scheint, Du kennst keine Verfolgten des Naziregimes, weder KZ-Insassen noch Opfer von "Verhören".noch deren Angehörige, deren Kindheit und Jugend und Leben bis zum heutigen Tag davon betroffen sind.
Schade, dass meine Großeltern nicht mehr leben, ich würde sie bitten, es Dir hier öffentlich zu berichten.
Von mir ist nun alles gesagt in diesem Thread. Ich ertrage es nicht mehr, wie hier ein wichtiges Urteil niedergemacht, als Hohn denunziert, und gleichzeitig von den Opfern gar nicht mehr geredet wird.
Nur noch eines: Nein, ich glaube, Du würdest als Nachkomme NICHT von Hohn sprechen. ich glaube, Du würdest sagen, dass alles zwar sehr spät aufgearbeitet worden ist,und dass die Großen wieder einmal "davongekommen" sind, aber ich glaube, Du wärst genauso erleichtert und ein wenig zufrfieden darüber, , dass auch die Kleinen zur Verantwortung gezogen würden. ICH bin es.
DW
Eine Juristin, die zwischen 2014 und 2016 zu dem Lager-Komplex Stutthof vorermittelt hatte, sagt aus, dass Irmgard F. und viele andere viel früher hätten angeklagt werden können. Dass die Angeklagte erst jetzt vor Gericht steht, sei ein juristisches, politisches und gesellschaftliches Versagen."
Liebe Michiko,
das sehe ich auch so. Es ist ein Versagen und Anlass für Zorn und Scham. Aber deswegen wird das Urteil, das nun ENDLICH gesprochen wurde, nicht zum Hohn. Es schüttelt mich, wenn ich solche Aussagen lese...
Deiner von mir zitierten Aussage oben stimme ich ausdrücklich zu. Dass man die Großen laufen liess, ihnen sogar half, das land zu verlassen, ist ein nicht wiedergutzumachender Skandal! Aber das kann nicht bedeuten, dass die "kleineren" Schuldigen unbestraft bleiben sollten.
Liebe Grüße
DW