Haustiere Bindung stärken beim Hund
Als ich Mina bekam, war sie anfangs total unsicher – sie ließ sich nicht anfassen, mied meinen Blick, sprang auf, wenn ich mich in der Wohnung bewegte, wich mir aus und fühlte sich sogar angegriffen, wenn ich ihr Bein berührte, um die Leine unter ihrem Fuß heraus zu ziehen.
Allerdings konnte sie gut "ohne Leine", denn sie ließ mich nie aus den Augen – obwohl ihre Runden manchmal recht weit um mich herum führten.
Wir haben in Kiel einen richtigen "Hundewald" – ein großes Waldstück, das als Freilauffläche ausgeschildert ist. Und hier wollte ich das Versteckspiel üben mit ihr, damit sie mir näher kommt (in jeder Beziehung). Das war aber eher nervig für mich. Sie wusste immer, hinter welchem Baum ich stand – egal, wie geschickt ich mich auch versteckte. Wenn ich nichts sagte, stand ich stundenlang hinter dem Baum. Sie wusste ja, wo ich war, und das beruhigte sie sehr. Wenn ich sie rief allerdings, kam sie ganz gemächlich angetrabt, nicht ohne hier nochmal zu gucken, da nochmal zu schnüffeln und dort nochmal zu markieren. Es war ein relativ undynamisches Versteckspiel. Allerdings begriff sie sehr schnell, wie's geht, und sie wollte wohl auch mir eine Freude machen, als sie sich selbst versteckte ...
Was weisst du denn über Minas Vorgeschichte? Ich glaube, du hast mal geschrieben, dass sie mit wenigen Monaten ins TH kam und dort viele Jahre lang bleiben musste. Stimmt das so?
Wenn sich im TH niemand so richtig und regelmässig um ihre Sozialisierung gekümmert hat (und ihr von dir geschildertes Verhalten spricht dafür), dann hatte sie in diesem Bereich enorme Defizite.
Das kennt man ja von den Auslandshunden z.B.
Bindung an Menschen kennen solche Hunde nicht. Wie auch, die meisten haben den Menschen hauptsächlich als Bedrohung erfahren. Deshalb weichen sie auch sofort jedem Blick aus oder reagieren aggresssiv, lassen sich nicht anfassen. Was bei regelmässiger Beschäftigung mit einem Welpen/Junghund ein Kinderspiel ist, lässt sich nur noch sehr schwer/langsam oder gar nicht mehr zufriedenstellend auftrainieren bei einem schlecht sozialisierten Hund.
Warum ich so weit aushole?
Meine Enya hätte dieses Arrangement kurz und bündig als Ticket in die Freiheit verstanden:
Leine ab - Enya weg. Feddisch.
Damit will ich sagen, dass es je nach Hund sehr lange dauern kann, bis man von einer Bindung sprechen kann.
Bei Ridgeback Selma war die Bindung blitzartig da. Das hatte wohl auch damit zu tun, dass sie der Welt nicht so recht traute. Sie war nach kurzer Zeit wieder an die Züchterin zurückgegeben worden, mit einem sehr ausgeprägten "kleine blonde Mädchen Trauma" - woran wir noch lange zu knabbern hatten.
Wir hatten zum Glück eben kein solches Mädchen zu Hause, sonst wäre das mit dem Bindungsaufbau um einiges problematischer geworden. Mir vertraute Selma sofort. Sie ging auch von Anfang an ohne Leine mit mir durch Wald und Flur.
Was habt ihr denn von Anfang an gemacht um eure Bindung aufzubauen? Und wie stärkt ihr sie ausser mit dem Versteckspiel?
Mina wurde als Welpe im Urlaub in der Türkei gekauft, ein Kieler Ehepaar (mit Kind) brachten sie mit. Allerdings suchten sie eher was zum Schmusen, und Mina war damals so'n richtig kleines Wuschelknäuel.
Sie lebten in einem Reihenhaus, und wenn Mina mal musste, ging sie auf den Rasen hinaus. Sie hat aber als Herdenschutzhund doch einen anderen Bewegungsdrang und wurde schnell übergriffig aus Unterforderung heraus. Das wieder machte dem Ehepaar Angst, sie versuchten sie durch Schläge zu erziehen, dadurch wurde sie bissig und wurde mit knapp sechs Monaten im Tierheim angegeben. Da ließ sie dann kaum noch jemanden an sich heran.
Ich entdeckte sie acht Monate später. Ich hab' heute noch keine Ahnung, was es war, dass ich von ihr mein Leben auf den Kopf stellen ließ.
Anfangs suchte ich nur ihr Vertrauen. Ich fand mich selbst eigentlich nett genug, dass sie mir nicht übergriffig begegnen müsste 😁 Tatsächlich hatte nach ein paar Tagen sowas wie einen "Waffenstillstand" erreicht. Ich ging in der Folgezeit jede mögliche Minute mit ihr, und sie wurde auch im Tierheim zunächst ruhiger und erträglicher.
Erst nachdem ich sie das erstemal mit nach Hause genommen hatte, wurde sie dort wieder rabiater (mir gegenüber nicht), mein Zuhause wurde offensichtlich zu ihrem vorrangigen Ziel. Nach einigen Wochen ging ich schon jeden Nachmittag mit ihr nach Hause, weil das die einzige Richtung war, in die sie sich führen ließ. Und irgendwann "schmiss" das Tierheim uns – die mir keine Chance bei dem Hund einräumten – raus.
Das erste, was Mina dann zerstörte, war ihr tolles neues Hundebett. Ich konnte sie kaum bändigen. Erst als Matratze und Decke total zerstört waren, ließ sie ab und legte sich auf einen Läufer Im Wohnzimmer. Das wurde "ihrer", und heute ist das ihr "Beuteteppich" und liegt vor meinem Bett.
Ich hatte in den ersten Tagen bei mir zufällig eine Tiertherapeutin kennengelernt, die selbst mit ihren beiden Hunden unten am See unterwegs war. Die riet mir, dem Hund zuzuhören, um ihn ergründen und erkennen zu können. Sie war eine Verfechterin der alten Weisheit: Das Problem steckt immer am anderen Ende der Leine. Das wurde tatsächlich zum Maßstab für mich.
Ich machte und mache lange Spaziergänge mit Mina. Meist ohne Leine. Sie ist sehr selbständig – so komisch sich das anhört –, ignoriert so ziemlich alles, was um uns herum läuft oder fährt, hat aber immer mich im Auge. Manchmal sehe ich sie gar nicht, weiß aber mittlerweile immer, wo sie ist – sie hat so ihre Wege. Und unsere Bindung hat sich eigentlich aus lauter Ritualen ergebe.
So spielt sie zum Beispiel kaum mit mir, es nervt sie. "Zeitunglesen" ist ihr wichtiger. Allerdings spielt sie mit dem Ball, wenn wir an der Ostsee sind. Sie liebt es, dem Ball hinterher durch die Brandung zu wetzen.
Und die Opfersocke ist morgens unser wichtigstes Ritual. Anfangs hat Mina mir beim Anziehen versucht, die Socken zu stibitzen und sogar vom Fuß zu ziehen (tat manchmal weh 😄). Das hörte auf, als sie ihre "eigene" Socke kriegte – und die muss nun jeden Morgen leiden.
Mittlerweile ist Mina ein Hund, den man "tiefenentspannt" nennen kann. Im Spiel springt sie mich gerne mal an, aber ich bin der Einzige, bei dem sie's noch tut. Wenn wir rausgehen wollen, bellt sie mich an, weil ich mir die Schuhe nicht schnell genug binde (ansonsten bellt sie zu Hause so gut wie nie), sie schnappt nach meiner Nase, wenn ich nicht richtig aus der Couch hochkomme und sie raus will (sie hat sie noch nie erwischt) ... Sie weiß haargenau, wie sie mit mir umzugehen hat und respektiert immer mein "Aus!".
Die Opfersocke hat schon ein wenig gelitten. Hier liegt Mina auf ihrem Beuteteppich.
ich bin immer wieder fasziniert von der Hundetrainerin Katrin Scholz, hier beim Gassi gehen mit über 30 Hunden..
Unglaublich.
Bei mir herrscht schon Chaos wenn ich mit zweien unterwegs bin 😁
Das klingt prima. Ich habe mich im ersten Post verschrieben als ich vom "Jahren im TH" schrieb.
"Monate" wollte ich schreiben.
Aber dennoch.... ich bekomme wirklich die Krise, wenn ich so was lese:
Fellknäuel dem Kind als Spielzeug gekauft, und wenn der Hund anspruchsvoller wird, schlägt man ihn.
Sterben diese Blödmänner und -frauen denn nie aus?
Wie du mit Mina umgegangen bist, klingt wirklich gut. Vor allem hast du ihr wohl vermittelt, dass du dich von ihr nicht verunsichern lässt. Das ist schon die halbe Miete. Und du hast keine Gewalt angewendet, das war enorm zielführend - wie man ja lesen kann.
Dass so ein junger Hund erst mal die Wohnung umdekoriert, kommt vor. Sie kannte ja wohl nicht viel aus dem TH.
Die "Opfersocke", ein schönes Ritual! Hunde lieben Rituale - eine Freundin sagte mal den wahren Satz:
Hunde sind die größten Spiesser!
Zur Stärkung der Bindung sind vom Hund etablierte Rituale enorm wichtig. Enya z.B., die mal wg einer Wirbelblockade von der TÄin Rückenmassagen zur Lockerung der Muskeln verordnet bekommen hatte,
legt seither größten Wert auf die Einhaltung dieser "Regel". Jeden Morgen, wenn mein Mann sich angezogen hat, steht sie schon vor dem Bett. Mein Mann muss sich auf den Bettrand setzen und Enya parkt eifrig mit dem Pos vorwärts zwischen seinen Knien ein: die Massage kann starten. Enya ist hin und weg...😘
Toll, dass dir die Therapeutin weitergeholfen hat!
Klar, soll ein Hund so "erzogen" werden, dass er in die Menschenumwelt passt, anders geht es meist leider nicht. Aber ganz wichtig ist der Weg dahin: nie mit Gewalt - eigentlich sind die ausgeglichensten
Hund - Halter - Gespanne die, die Kompromisse miteinander eingehen. Da , wo es geht. Nicht beim Rückruf, das kann böse enden. Aber sonst gibt es ganz viele Gelegenheiten zum Miteinander.
Tatsächlich habe ich ein einziges Mal Gewalt angewendet. Mina hat mich einige Male "angebockt". Einmal ist mir dabei die Hand ausgerutscht und es gab einen Klaps auf die Seite. Damit war das Thema allerdings auch endgültig erledigt. Beide Themen ;-)
Die Wohnung zerlegt hat sie nie, auch nichts zerstört. Sie hat immer "meins" respektiert (außer meine Socken *g*) und in der Folge auch beschützt. Sie selbst hat nur wenig, was ich respektieren muss: ihr Beuteteppich, ihre Höhle und ihren Knochen, den sie einmal in der Woche für ihre Zähne kriegt. Aber den frisst sie sowieso nur auf ihrem Beuteteppich.
Ihre Höhle ist der Küchentisch – ein Rückzugsort, den sie aufsucht, wenn sie Angst hat oder verunsichert ist. So beispielsweise bei einer Verletzung, einer Zecke oder wenn ich mit dem Unterfellkamm wedele (Mina haart glücklicherweise nur zweimal im Jahr. Dann allerdings für jeweils sechs Monate).
Massieren muss ich sie auch, so wie du deine Enya. Mina "badet" darin, wenn ich nach einer Arschkraulorgie in die Rückenmassage übergehe. Und abends, wenn ich ins Bett gegangen bin, muss ich ihr immer die rechte Wange streicheln. Keine Ahnung warum. Aber das sind halt unsere Rituale.
Bisschen OT ?
Einen Hund hatte ich zwar schon lange nicht mehr, aber ich sehe viele Parallelen zu deiner Geschichte, Ernu, mit Mina und meiner Geschichte mit meiner Katze Picco.
Picco ist eine Bauernhofkatze aus dem Tierheim. Der Bauer vernachlässigt alle seine Katzen, will sie auch nicht kastrieren lassen. Dort springt immer der Tierschutz ein und fängt die kleinen Kätzchen, sobald die Katzenmama sie nicht mehr haben möchte.
Die Kitten werden ärztlich versorgt und danach im Tierheim vermittelt. Picco kam mit 3 Monaten dorthin und musste fast 1 Jahr ausharren, keiner wollte sie. Eine Katze, die nicht auf die Menschen zugeht, will keiner (außer mir). Weil ich nicht daran glaube, dass Katzen, wenn sie auf einen zugehen, zu diesem einen Menschen wollen. Es gibt scheue, schüchterne, die niemals zu (fremden) Menschen gehen und andere, die zu jedem beliebigen gehen .....
Ich sah nur Piccos Gesicht, alles andere war in einem Kuscheltunnel versteckt. Sie hat mir mitten ins Herz geschaut mit ihren knallgrünen Augen.
Dass ich viel Geduld mit ihr brauchte, sagte man mir, auch dass sie widerspenstig, eigenwillig und misstrauisch ist. Ganz langsam bekam ich viel in den Griff, aber nicht alles. Scheu gegenüber anderen Menschen ist sie geblieben, auch ein bisschen widerspenstig. Aber sie vertraut meistens "ihren" Menschen. Leider ist es jedesmal ein Vertrauensbruch, wenn ich ihr Parasitenmittel geben muss, dann ist sie meistens eine Zeitlang beleidigt und ich muss mich anstrengen, damit sie mir wieder wohl gesonnen ist. Das langwierigste war die Katzenklappe. Es hat Wochen gedauert, bis sie durch ist, ich habe oft stundenlang auf dem Boden gelegen und ihr die Katzentür aufgehalten, Leckerchen gegeben und sonstwie gelockt, nix. Irgendwann ging sie dann raus und rein, die Dame möchte aber heute noch, nach etwa 12 Jahren, die Tür geöffnet haben und auch wieder zur Tür hereingelassen werden. Diese Pforte darf ich bedienen, ist doch super, oder ?
Ein Schmusebär ist sie geworden. Wenn ich frühstücke, muss ich das mit der rechten Hand tun, mit der linken will sie gestreichelt werden, sie sitzt da nämlich auf meinem Schoß.
Obwohl sie eine Freigängerkatze ist, sieht es hier aus, als hätte ich ein paar kleine Kinder, so viel Zeug will sie zum Spielen haben. Sie hat extra Badevorlagen bekommen, weil sie mit denen am liebsten kämpft. Jede Nacht, so etwa um 0.00 Uhr, will sie mit mir Pfotenball spielen, das ist echter Sport. Bälle einsammeln darf natürlich ich.
Es gäbe noch viel zu erzählen .... ich bin einfach nur sehr glücklich mit meiner Picco, schon allein wenn sie herkommt und schnurrt durchströmt mich ein Glücksgefühl. 😽
Ich wünsche allen, die ein Haustier haben (oder mehrere) weiterhin viel Freude ! Sie sind eine echte Bereicherung.
@Jill
Ich finde nicht, dass dein Beitrag OT ist. Eher hab' ich meinem Thread einen falschen Titel gegeben 😁
Ich hätte irgendwas mit "Seelenmenschen" formulieren sollen.
Oder "Seelentieren".
In deiner Erzählung entdecke ich Parallelen zu Mina. Bei Katzen allerdings scheint sich die Eigenständigkeit noch zu potenzieren – insofern bin ich froh, dass ich bei einem Hund gelandet bin. Eine Katze wäre mir einfach zu anstrengend ;-)
...................Bei Katzen allerdings scheint sich die Eigenständigkeit noch zu potenzieren – insofern bin ich froh, dass ich bei einem Hund gelandet bin. Eine Katze wäre mir einfach zu anstrengend ;-)Stimmt, Katzen sind anstrengender, so richtig folgsam wie ein Hund werden sie nicht. Aaaaaber meine kommt, wenn ich auf eine bestimmte Weise pfeife !!! 😁
Und was mein kleiner Nachttiger draußen so macht, weiß ich nicht. Ist sicher auch besser so .......