Gesundheit Long Covid / Der Rückstau der Sachverständigen
Ausnahmsweise und aus aktuellem Anlass möchte ich dieses Thema hier eröffnen und eure Erfahrungen dazu erbitten.
In der Schweiz warten Long Covid-Betroffene oft Jahre lang auf einen Termin und dann wieder auf einen Bescheid von Experten. Und von den Experten wäre zu vermelden, dass sie oft 1.) selber wenig Ahnung und 2.) eher im Sinne der Versicherung entscheiden, als die berechtigten Anliegen der Versicherten zu vertreten.
So wird z.B. von Erkrankten, die wegen ihrer Langzeit-Erkrankung sich kaum mehr bewegen können, erwartet, dass sie Experten aufsuchen, die viele Kilometer entfernt amten. Auf telefonische Bitten, einen anderen Experten und in der Nähe besuchen zu dürfen, werden die Patienten mit Unverständnis abgewimmelt, ihre Akten geschlossen und sie sogar noch für ihr Nichterscheinen gebüsst.
Ist es bei euch (D/A) anders?
ich hab eh den eindruck, daß in deutschland so einiges besser ist als in anderen ländern.
lg
minerva
Guten Morgen, Schorsch,
das ist hier leider genauso. Eine gute Freundin meiner Frau hat Long-Covid bzw. Post-Covid, wobei der Unterschied ja nur das Auftreten und die Dauer der Erkrankung ist. Sie hat das seit Ende 2020, als sie sich infizierte, ist seitdem nicht in der Lage zu arbeiten, und hat auch große Probleme mit der Begutachtung gehabt, weil das ja eine Erkrankung ist, für die es noch keine wirklichen Diagnose-Sicherheiten gibt (Bluttests usw.). Mittlerweile ist sie in Teilrente, hofft aber immer noch, dass sie mal wieder voll arbeiten können wird.
Experten gibt es hier in D auch nur wenige. In Niederbayern ist einer, der für zwei groß0e Regierungsbezirke zuständig ist, in anderen Gegenden sieht es nicht viel besser aus. In NRW, wo diese Freundin lebt, gibt es aber mehr, vor allem an den Unikliniken.
Es gibt ja unterschiedliche Schweregrade. Die Freundin meiner Frau hat eine schwergradige Form. Auch bei mir wird vermutet, dass ich Post-Covid habe, aber eine leichtgradige Form, die sich bei mir aber "nur" in ziemlich großer Schwäche und Kraftlosigkeit zeigt. Der Gang in den Keller (14 Stufen) fällt mir so schwer, dass ich mich unten erstmal ausruhen muss, bevor ich es (langsamst!) wieder hoch schaffe, wo ich mich dann erst einmal für ein paar Minuten ausruhen muss. Nach dem Einkauf in einem Supermarkt, bin ich so fix und fertig, als hätte ich eine kleine Gebirgstour hinter mir. Spaziergänge wie vor der Infektion (Anfang November 2023) sind kaum noch möglich, vielleicht 500 oder 600 Meter auf ebenem Weg, ohne Anstieg, und dafür brauche ich dann eine Gehhilfe (Stock). Auch mein Geruchssinn ist noch nicht wieder ganz hergestellt wie früher, aber das hat sich doch sehr verbessert.
Um einen Termin beim Spezialisten habe ich mich gar nicht erst bemüht, weil das Ewigkeiten dauert. Ich denke aber auch, dass ich mit dieser leichten Form das auch nicht brauche, ich hoffe einfach darauf, dass es sich noch ein wenig bessert. Falls nicht, dann ist es halt so. Und meine Hausärztin führt auch meine seit 3 Monaten bestehenden deutlich zugenommen habenden Schlafstörungen auf das Syndrom zurück.
LG
DW
Hallo, minerva,
die Begutachtung zur Bestimmung des Pflegegrades ist auch kein Problem. Da hat jede Krankenkasse ihren speziellen Gutachter, meist praktizierende Fachärzte. Manche arbeiten auch nur für die Kassen. Bei Long-Covid, einem Syndrom, das ja noch gar nicht richtig erforscht ist, ist das völlig anders. Wenn es in ganz Deutschland 50 solcher Experten gibt, ist das eher viel als wenig gerechnet. Erst kürzlich gab es entsprechende Nachrichten darüber in einer Gesundheitssendung im TV, ich glaube, bei "Visite", bin aber nicht sicher.
LG
DW
Ich danke euch für die kompetenten Reaktionen.
Was mich besonders beunruhigt:
- dass es offenbar soooo schwer ist, genügend Spezialisten zu finden. Ich habe da den Verdacht, dass man sich "höherenorts" noch gar nicht bewusst ist, dass das Ausbilden an die Hand genommen werden muss. Denn solche Spezialisten wachsen nicht einfach auf Bäumen. Und wer da in den Ämtern glaubt, das sei ja ein vorübergehendes Problem, irrt sich.
- dass man gleichzeitig Schlafmangel haben und gleichzeitig nicht schlafen kann.
- dass auch die Forschungsstätten (z.B. bei den Herstellern von Pharmaka) meinen, dass es sich nicht lohne, sich voll auf Long Covid zu konzentrieren -, weil das ja ein "sich selbst erledigendes" Problem sei.
Das Konsumentenforum "Kassensturz" hat einen der höchsten Verantwortlichen in den Gesundheitsämtern interviewt. Dessen Antworten schienen mir eher Ausflüchte zu sein, als ehrliche Antworten. Ich als Reporter hätte mich vermutlich nicht zurückhalten können, ihn zu fragen, falls es ihn, den "Boss" betreffen würde, er auch so lange auf einen Termin bei einem Spezialisten warten müsste. Denn auch hier, so scheint mir, gilt das Wort "Der Satte glaubt dem Hungrigen nicht"!
Also, hier in D wird da intensiv dran geforscht, Schorsch. Das Problem ist, dass es keine nachweisbaren Kriterien gibt, und man sich nur auf das subjektive Empfinden des Patienten verlassen muss. Jedenfalls war es bisher so. Laut dieser TV-Sendung arbeitet man aber an einem Test, der zumindest teilweise objektivierbare Hinweise geben soll. Da hier sehr viele betroffen sind, ist man schon SEHR daran interessiert, da Fortschritte zu machen, denn viele dieser Menschen sind jung, können nicht arbeiten und fallen sozial in extrem schwierige Situationen.
Bist Du selbst betroffen?
DW
die krankheit, durch die ich pflegegrad2 hab, kennen die meisten ärzte immer noch nicht.
auch der gutachter, der hier war, kannte die krankheit nicht.
er hat einfach nur geschaut, wie ich von der haustür bis in die wohnung gegangen bin (wenige meter, für mich damals aber eine weltreise), hat mich 3 stufen die treppe hochgehen lassen, hat mich sehr genau befragt und anschließend zuhause evtl. auch gegoogelt und wohl auch darauf vertraut, daß er aufgrund seiner langjährigen erfahrung sehen kann, ob jemand wirklich behindert ist oder nur so tut als ob.
jetzt würde ich auch wieder grad 2 bekommen, weil sich nur wenig gebessert hat und ich mich wegen der netzhautblutungen, die vor kurzem mal wieder aufgetreten sind, noch nicht mal mehr bücken kann bzw. darf und deshalb schon das anziehen und das wickeln der beine ein problem ist.
zu long covid gibt es im internet schon sehr viel mehr infos als zu meiner krankheit und auch im tv war schon oft etwas zu long covid usw. (seit einiger zeit gibt es ja sowieso sehr viele wiederholungen aller sendungen bzw. beiträge).
lg
minerva
Also, hier in D wird da intensiv dran geforscht, Schorsch. Das Problem ist, dass es keine nachweisbaren Kriterien gibt, und man sich nur auf das subjektive Empfinden des Patienten verlassen muss. Jedenfalls war es bisher so. Laut dieser TV-Sendung arbeitet man aber an einem Test, der zumindest teilweise objektivierbare Hinweise geben soll. Da hier sehr viele betroffen sind, ist man schon SEHR daran interessiert, da Fortschritte zu machen, denn viele dieser Menschen sind jung, können nicht arbeiten und fallen sozial in extrem schwierige Situationen.
Es ist vermutlich alles noch viel zu kurz her: die Pandemie war völlig neu für alle Menschen auf der Welt. Es war ein Segen, dass so schnell wirksame Impfstoffe entwickelt wurden, die das Massensterben eindämmen konnten und auch weitere Ansteckungen irgendwann reduzierten.
Bist Du selbst betroffen?
DW
Nun kommen die Langzeitbetrachtungen und das dürfte sehr lange dauern, zumal wenn sich oft nur auf subjektive Krankheitsbilder in der Medizin verlassen soll.
Ich habe aber kürzlich im STERN gelesen, dass auch bei Long Covid nach einiger Zeit sich die Symptome rückentwickeln, aber vermutich auch nur, wenn die gepeinigten PatientInnen spürbar mithelfen, dass dies geschehen kann.
In unserem Land fallen aber m.W. die Menschen nicht unbedingt in "sozial schwierige Situationen!, auch wenn sie zeitweise nicht arbeiten können. DAfür ist unser Sozialwesen in Deutschland zu stark und auch zu ambitioniert.. Es ist wohl mehr die psychische Komponente, wenn junge Menschen sich an den Rand gedrängt fühlen und ihr früheres Leben nicht mehr führen können - zumindest für eine gewisse Zeit. Olga
Nein, ich bin nicht betroffen davon.
Es gibt "Sachverständige", die sich Aufträge von Versicherungen ergattern, weil diese wissen, dass genau dieser Experte der richtige ist, wenn es darum geht, dass die Versicherung nicht zahlen will.
Es gibt auch Experten, die behaupten, dass ein grosser Teil der Betroffenen potentielle Versicherungsbetrüger seien. Dabei kennt man doch schon seit Jahrzehnten bei der Polizei die Lügendetektoren. Warum wendet man sie im Zweifelsfalle nicht an?
Das ist natürlich wieder mal ein Thema, wo selbsternannte Experten glauben, viel beitragen zu können. Aber es ist sicherlich einfacher, einen entzündeten Blinddarm oder gar Krebs zu diagnostizieren als die noch sehr grosse Unbekannte "Long Covid", die grossenteils noch darauf basiert ,was Betroffene selbst an sich feststellen.
Aber unsere Medizin macht solche Fortschritte und so wird es auch hier sein. Denn es wäre wichtig für eine nächste Pandemie, die sehr sicher kommen wird.
Ich lese aber derzeit sehr gerne, dass endlich gegen Malaria ein Mittel gefunden wurde Und auch die Fortschritte gegen die grosse Geisel der Menschheit: den Krebs, wo es vermutlich nicht mehr lange dauert, bis die Therapien weniger anstrengend für Patienten sein werden als auch die Prophylaxe effizienter gestaltet sein wird. Olga