Geisteswissenschaft / Philosophie Was ist Wahrheit

Mitglied_81b4260
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Re: Was ist Wahrheit
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf clara vom 07.09.2011, 11:16:28
Meine Wahrheit
Deine Wahrheit
Unsere Wahrheit
Eure Wahrheit

"Wahrheit" ist kein Begriff, mit dem sich eine ergebnisorientierte Kommunikation führen läßt.
clara
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Re: Was ist Wahrheit
geschrieben von clara
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 07.09.2011, 11:19:58
Völlig richtig, Mart! Aber brauchen "wir" bei Diskussionen hier immer Ergebnisse? Hauptsache, "wir" schlagen uns verbal nicht die Köpfe ein.

Clara
carlos1
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Re: Was ist Wahrheit
geschrieben von carlos1
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 07.09.2011, 11:19:58
"Wahrheit" ist kein Begriff, mit dem sich eine ergebnisorientierte Kommunikation führen läßt. Mart1


Über den Wahrheitsbegriff lässt sich sehr wohl eine Diskussion führen. Mit welchem Ergebnis, hängt ab von dem Bereich, in dem Wahrheit gesucht wird. Im Bereich der formalen Logik, der Grundlagen der Logik, der aussagenlogische Verknüpfungen, logisches Schließen, Syllogistik, etc. lässt sich sehr wohl diskutieren. Hier liegen bestimmte Wahrheitsbegriffe zugrunde und es wird angegeben, welche Operationen notwendig sind, um wahre Aussagen zu treffen und wahre Aussagen von falschen zu unterscheiden. Erafina und andere Teilnehmerinnen meinen diese Art von Wahrheit nicht. Es geht ihnen um eine existenzielle, subjektive Wahrheit.

Erafina braucht sich nicht zu entschuldigen. Sie geht in ihrem Beitrag vom 05.09.2011 12:21 explizit auf die Korrespondenztheorie der Wahrheit (s. Kant) ein, stellt dann aber fest, dass absolute und relative Wahrheit identisch sind, und behauptet, dass die Hirnforschung seit Jahren bewiesen hat, dass die Wahrheit von „meinen persönlichen Gefühlen“ abhängt. Wo hat die Hornforschung das bewiesen? Vielleicht liegt eine Verwechslung vor mit dem in der öffentlich Diskussion hochgespielten Problem der Willensfreiheit, bei dem es eigentlich nicht um Willensfreiheit, sondern eher um Handlungsfreiheit geht. „Das Wollen , den Finger zu heben (Libet-Experimente!) ein Letztes … oder seinerseits ursächlich bedingt.“ (E. Tugendhat)? - Auch Tiere bewegen Gliedmaßen, besitzen sie nun Willensfreiheit oder nicht??? Ich vereinfache bewusst.

„Umgekehrt kann niemand, der seine persönliche Wahrheit in sich spürt ,mir erklären, dass m e i n e Wahrheit keine wirkliche Wahrheit ist und dass ich mich befleißigen sollte, seine (Anm. des anderen) Wahrheit anzunehmen,….
Jeder Mensch sollte seine eigene Wahrheit haben dürfen. Wahrheit ist i m m e r subjektiv. Kaum etwas ist so, wie wir es sehen.“ Erafina


So neu ist dieser Gedanke nicht. Er findet sich in der Existenzphilosophie bei Kierkegaard: Die „Subjektivität ist die Wahrheit.“

Bei Marx auch: „Die Wahrheit ist“ für L. Feuerbach „nur die Totalität des menschlichen Lebens und Wesens“. Diesen Wahrheitsbegriff nimmt MARX auf und setzt sich zugleich von ihm ab, da er den „Hauptmangel alles bisherigen Materialismus" (den Feuerbachschen
mit eingerechnet) darin sieht, „dass der Gegenstand, also die Wirklichkeit, Sinnlichkeit nur unter der Form des Objekts oder der Anschauung gefaßt wird; nicht aber als sinnlich menschliche Tätigkeit, Praxis; nicht subjektiv.“ Aha. Wahrheit hängt also mit Praxis zusammen. Deswegen wies ich auf praktische Bedeutung der Beherrschung wichtiger Techniken hin, die sind auch Wahrheit. Marija verweist auch auf die Subjekt-Objekt-Beziehung.

Beiträge wie der von Erafina sind wertvoll, nicht weil sie absolut richtig sind, sondern weil der Denkansatz interessant ist, außerdem gut formuliert ist. Es lohnt sich die Aussagen zu untersuchen oder zu widerlegen.

Kant ging davon aus, dass wir die Erscheinungen sehen, aber nicht das, was die Erscheinungen sind: Das Ding an sich. Wenn wir rotes Blut sehen und die Farbe mit rot bezeichnen, trifft es nicht die Sache. Es ist Licht(elektromagnetische Welle einer bestimmten Wellenlänge), die die Sensoren unserer Augen reizt und im Gehirn zum Farbeindruck „rot“ verarbeitet wird. Die Wahrheit des Dinges an sich ist uns nicht bekannt. Die Praxis sieht aber so aus, dass wir mit Erscheinungen gut zurande kommen. In der Metzgerei bestellen wir nicht, auch wenn wir gut geschult sind, „200 Gramm Wurst an sich“, sondern konkret „200 Gramm Schinken –oder … Wurst.“ Insofern erbringt eine Diskussion über Wahrheit keine ergebnisorientierte Kommunikation, aber sie ist vielleicht anregend und sagt etwas aus über uns. Für mich ist es kein Anlass zum Streit.

Viele Grüße an alle
c.

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Mitglied_81b4260
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Re: Was ist Wahrheit
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf carlos1 vom 07.09.2011, 19:48:34
carlos, es stimmt sicherlich "Über den Wahrheitsbegriff lässt sich sehr wohl eine Diskussion führen."

Allerdings steht hier wohl nicht die formale Logik auf dem Lehrplan. Dazu fehlen mir allerdings auch die Kenntnisse , die Werkzeuge und das Interesse.
Eine Schwierigkeit liegt wohl darin, dass "Wahrheit" und "wahre Aussagen" in der Logik Fachbegriffe sind, die sich mit meiner Begrifflichkeit nicht decken. Es handelt sich wohl um dasselbe Problem, das sich bei der Verwendung des Wortes "Energie" ergibt.

Meine Wahrheit muß nicht deine Wahrheit sein...und trotzdem bleib sie für mich "meine" Wahrheit und für dich "deine" Wahrheit. Das bezieht sich nun nicht auf reale Dinge, die zweifelsfrei festgestellt werden könnten. Ob es regnet oder nicht, kann nach best. Kriterien erhoben werden. Trotzdem kann es für mich nicht regnen und keine trübsinnige Stimmung herrschen, für einen anderen sehr wohl. Hier macht es keinen Sinn darüber zu reden, was nun richtig oder falsch ist.

Nun, anfangs wurde hervorgehoben, dass gerade in der Naturwissenschaft etwas was gestern als wahr angesehen wurde, heute falsch wäre. Darauf aufbauend wurde hervorgehoben, dass es nur im Bereich des Glaubens die ewige Wahrheit gäbe.

Da diese Ansichten weit verbreitet sind, - besonders was den ersten Satz betrifft- , möchte ich besonders betonen, dass es sich hier um eine totale Verkennung der Arbeits- und Denkweise in den Naturwissenschaften handelt.


erafina
erafina
Mitglied

Re: Was ist Wahrheit
geschrieben von erafina
Danke, carlos und mart.

Ich kann leider meine Meinung nicht einfach mit einem Link untermauern.
Es handelt sich vielmehr um eine Meinungsbildung durch viele Puzzleteile.
Es spielen zu viele Bereiche hinein, wie etwa die Lernpädagogik.
Auch MEINE Wahrheit ist also subjektiv. ;o))
Ich versuche mal, dies so kurz wie möglich zusammenzufassen.

Dass eine Sache wahr ist, richtet sich nach unserer Wahr-nehmung.
Wir fassen im Geiste zusammen, was wir erfahren haben und suchen den Gesamt-Eindruck.
Wir müssen darüber ein Urteil fällen, denken, entscheiden.
Wir beurteilen diese Sache dann als
unwiderlegbar
eindeutig
und nach unserer Auffassung für Alles und Alle gültig.
Damit haben wir diese Sache bewertet:
d.h. entschieden, welchen Wert sie für uns hat, ob die dort vertretenen Werte mit unseren übereinstimmen, ob wir sie wert-schätzen.

Dazu brauchen wir unser Gehirn.
Wenn Entscheidungen zu treffen sind, dann geschieht dies direkt hinter unserer Stirn: im präfrontalen Cortex.
Damit dort und verknüpft in anderen Teilen des Gehirns Aktivität beginnt, arbeiten unsere Neuronen.
Seit man weiß, dass es so genannte Spiegelneuronen gibt, die UNWILLKÜRLICH auf die Gefühle und Ausdrücke anderer reagieren, müssen wir davon ausgehen,
dass allein dadurch, dass wir davon wissen, dass andere Menschen auf diese Sache re-agieren,
unsere Gedanken davon eingefärbt werden.
Beispiel: wenn ich weiß, dass ich für mein Denken vielleicht angegriffen werde, bin ich bereits vorher in Verteidigungsstellung.
Dazu müsste man aber eigentlich erläutern, dass jeder Gedanke etwas mit den Neurotransmittern zu tun hat, die der Mensch zur Verfügung hat – und schon die sind unterschiedlich gemischt. Gedanken und Bewertungen sind im Grunde Gefühle.

Nun kommen die Untersuchungen hinzu, die nachweisen, dass Gehirnaktivitäten längst, bevor uns das bewusst ist, schon vor-entschieden haben, wie zu entscheiden ist –
und wir mit unserer Entscheidung, die wir meinen ohne Beeinflussung nach bestem Wissen und Gewissen getroffen zu haben, hinter dieser bereits getroffenen Entscheidung unseres Gehirns hinterherhinken.
* Menschen tun nicht, was sie wollen, sondern sie wollen, was sie tun.*

Was ich also für meinen „gesunden Menschenverstand“ halte,
ist die Summe der Innen- und Außenwirkungen auf unser Gehirn.
Sie setzt sich zusammen aus der Flut unserer Erfahrung, also zum großen Teil der Einwirkung von außen.
Mein Gehirn macht mich erst zum Menschen.

In keiner Weise möchte ich an Glaubensfragen herumdoktern.
Glauben ist eine Sache für sich.
Aber das muss man ja auch im spirituellen Umfeld nicht. Man kann sich entscheiden, was man für „die Wahrheit“ annehmen möchte. Gerade auf diesem Gebiet gibt es derart weit gefächerte Meinungen und Empfindungen, dass niemand sich anmaßen sollte, darüber zu urteilen.
Glauben heißt aber, nicht wissen.
Trotzdem empfindet ein gläubiger Mensch sein emotionales Wissen für Wahrheit.
Aber bitte: JEDER Gläubige.
Auch die Gläubigen anderer Religionen.

Es ist so schön und interessant, die Bewertungen der Menschen zu vergleichen,
und da wir ja nicht wissen, was nun DIE eine alles umfassende Wahrheit ist, kann man tatsächlich kein Ergebnis herausdiskutieren. Das stimmt.
Das können auch die Wissenschaftler nicht.
Aber Austausch ist wichtig – wirft neue Fragen auf. Und daraus entsteht dann der „Fortschritt“.
Oder für mich eine weitere überlegenswerte Gedankenschleife.

So sieht man, dass jeder Mensch ständig die Dinge um sich herum be-werten muss.
Was mich in diesem Sinne am meisten beeindruckt, sind die Erkenntnisse der Quantenphysik.
Sie stellen im Grunde alles infrage. Auch die oben genannten.
Wenn Materie ein Bewusstsein hat, wenn sie selbst reagieren kann, unerwartet reagieren kann, was stimmt dann noch an unserem Weltbild, was stimmt in der Medizin, in der Astrophysik, in der Philosophie, und, und, und…

Ich bedauere nur, dass ich eines Tages nicht mehr erfahren kann, was noch alles auf der Welt entdeckt werden wird. Oder doch?
Aber das führt hier zu weit. Es ist zwar nicht gannnnz OT, aber unmöglich darüber hier zu diskutieren.
(Es passt nur in mein Bild von der Welt ganz wunderbar hinein.)
Ich gehe jetzt einkaufen und hole mir das Septemberheft von Spectrum.

Niemand sollte sich seinen Glauben nehmen lassen,
so lange er GUTES für die Menschheit bedeutet.

Ich wünsche allen einen schönen Tag
erafina.
Marija
Marija
Mitglied

Re: Was ist Wahrheit
geschrieben von Marija
als Antwort auf erafina vom 08.09.2011, 09:52:12


Niemand sollte sich seinen Glauben nehmen lassen,
so lange er GUTES für die Menschheit bedeutet.

erafina.


erfafina,

ich greife GUTES als wichtige Brücke auf - denn
Gutes ist eng mit Wahrheit verknüpft.
.

Wo kommt das Wort/der Begriff wahr / Wahrheit eigentlich her ?

wahr / Wahrheit

Herkunft siehe wiktionary:
von althochdeutsch wār, von germanisch wēra, urindogermanisch *ụera-; sie bedeuten wahr.
Währen bedeutet andauern, bleiben, Bestand haben."

Es ist also positiv / gut. Etwas das Bestand hat, ist sicher.

Wie äußert sich Platon :

"Das Wesen des eigentlich Guten
ist das, was den erkannt werdenden Objekten Wahrheit verleiht und dem erkennenden Subjekt das Vermögen des Erkennens gibt.
Das eigentlich Gute ist die Ursache von reiner Vernunfterkenntnis und Wahrheit, sofern sie erkannt wird. Erkenntnis und erkannt werdende Wahrheit sind „etwas Herrliches“.
Das Gute aber ist etwas „weit Herrlicheres“.
Reine Vernunfterkenntnis und Wahrheit sind gut - aber nicht das eigentliche höchste Gute.
Das Wesen des eigentlich Guten ist „weit höher“ zu schätzen.[2]
Die sonnengleiche Stellung, die Platon dem höchsten Guten in der intelligiblen Welt beimisst, verleiht ihm die göttliche Würde eines höchsten Prinzips.[3]" WikipediA

Ich bitte um Nachsicht, sollte all dies bereits von einem anderen user in irgend einer anderen Form geschrieben worden sein.

marija

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hema
hema
Mitglied

Re: Was ist Wahrheit
geschrieben von hema
@ Erafina - ein vorzüglicher Beitrag! Danke

@ Marija - Auch dir danke.

Es ist Wahrheit, dass das Gute die Menschheit weiter bringt. Unsere Gedanken können das bewirken, wenn wir es nur wollen.

Die negativen Gedanken zerstören.

Das ist nach meinem Dafürhalten Wahrheit!




Lotte-aus-Aurich
Lotte-aus-Aurich
Mitglied

Wahrheit - offenbar eine Funktion für das menschliche Bewußtsein bzw. des menschlichen Bewußtseins.
geschrieben von Lotte-aus-Aurich
als Antwort auf carlos1 vom 26.11.2010, 22:12:24
Wahrheit - offenbar eine Funktion für das menschliche Bewußtsein bzw. des menschlichen Bewußtseins.

In der Antike unterschied man zwischen der "aletheia" (Platon); frei übersetzt: Das Unverhüllte; das, was sich dem Menschen, enthüllt; vielleicht auch "offenbart". Hier könnte man Wahrheitssuche, das Entdecken der Wahrheit als Prozeß bezeichnen, der übrigens unterschiedlich verläuft und eben das unterschiedliche Bewußtsein und Wahrnehmungsvermögen der/des Menschen gekoppelt ist. (Hier knüpft u.a. Heideggers Wahrheitsbegriff an.)

Dann der Wahrheitsbegriff im Sinne einer "orthotes", der "Richtigkeit" (Aristoteles, eben auch Kant): Die Stimmigkeit/Übereinstimmung zwischen Aussage und Faktum/Objekt. (Dieser Wahrheitsbegriff ist eine Grundlage für die Logik/Logistik/Wissenschaftstheorie.) In der Scholastik: "adaequatio rerum et intellectus".

Dem könnte man hinzufügen, gleichsam beide klassischen Wahrheitsbegriffe umfassend, eine "ontologische Wahrheit": Wahr ist das, was ist. (Das setzt wiederum Erkenntnisvermögen, Intellekt und Sprache voraus.)

Interessant: Gibt es so etwas wie Wahrheit (eben in dem wie oben skizzierten Sinne) außerhalb des Menschen? Spielt "Wahrheit" - eben über den Menschen hinaus - eine Rolle?
Oder ist Wahrheit nur eine "Hilfsfunktion" für das menschliche Bewußtsein und damit eine "soziale Funktion" auch für die Kommunikation der Menschen untereinander?
Mein Hund hat sich noch nie für einen Wahrheitsbegriff, zumindest theoretisch, interessiert. Obwohl für ihn (eigentlich eine "sie") es schon von [i]praktischer Relevanz ist, ob die Aussage "Da liegt eine Wurst für Dich." zutrifft oder nicht. Aber es wird sicher jemand in dieser Gesprächsrunde das Stichwort 'Hund [Katze, Kater, Meerschweinchen, Papagei usw.] und Wahrheit' aufgreifen.[/indent]


In der kommunikativen und sozialen Interaktion zwischen Menschen hat die Inspruchnahme des Wahrheitsbegriffs ("Ich weiß, was wahr ist.") amüsanterweise nur polemischen Charakter, wie dies in dem einen oder anderen vorausgegangenen Beitrag hier ansatzweise und ganz dezent zum Ausdruck kommt.

Ach ja, man sollte nicht vergessen: In vino veritas. Also im Suff soll man bekanntlich die Wahrheit herauslallen ... in diesem Sinne: Hick!

L.

Ein Blick in ein herkömmliches philosophisches Wörterbuch (z.B. Hoffmeister, Wörterbuch der philophischen Begriffe, Verlag von Felix Meiner, Hamburg) hätte diese ganzen Beiträge überflüssig gemacht - zumindest was den Wahrheitsbegriff betrifft. Aber darum ging's ja am allerwenigsten oder gar nicht.

Eine wie auch immer ethische Einordnung des Wahrheitsbegriffes entspricht zumindest nicht dem wissenschaftlichen Wahrheitsbegriff, sondern ist dann in die Beliebigkeit des einzelnen Menschen gestellt, also gleichsam eine Interpretationsfrage oder eine "Geschmacksfrage", abhängig von vielen Faktoren. Und: De gustibus [et coloribus] non est disputandum.

Marija
Marija
Mitglied

Re: Wahrheit - offenbar eine Funktion für das menschliche Bewußtsein bzw. des menschlichen...
geschrieben von Marija
als Antwort auf Lotte-aus-Aurich vom 08.09.2011, 11:18:10
Zitat Lotte aus Aurich
"Ach ja, man sollte nicht vergessen: In vino veritas. Also im Suff soll man bekanntlich die Wahrheit herauslallen ... in diesem Sinne: Hick! "

-------

Ohne Hick :
Der Patenonkel meines Sohnes kommt aus Aurich.
Das ist die Wahrheit.

-------
Kinder und Narren sagen die Wahrheit
.................

Irren ist menschlich.
Irre sind auch Menschen.
.......................................

ohne Hick
M.
carlos1
carlos1
Mitglied

Re: Was ist Wahrheit
geschrieben von carlos1
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 07.09.2011, 20:53:53
„Nun, anfangs wurde hervorgehoben, dass gerade in der Naturwissenschaft etwas was gestern als wahr angesehen wurde, heute falsch wäre. Darauf aufbauend wurde hervorgehoben, dass es nur im Bereich des Glaubens die ewige Wahrheit gäbe.

Da diese Ansichten weit verbreitet sind, - besonders was den ersten Satz betrifft- , möchte ich besonders betonen, dass es sich hier um eine totale Verkennung der Arbeits- und Denkweise in den Naturwissenschaften handelt.“ Mart1


Danke für deine Antwort., mart. Ein Satz macht mich nachdenklich: „.. anfangs wurde hervorgehoben, dass gerade in der Naturwissenschaft etwas was gestern als wahr angesehen wurde, heute falsch wäre.“ Ich frage mich, wer das gesagt haben könnte, ohne nachgelesen zu haben. Es wird mir nicht klar, warum es sich um eine „totale Verkennung“ der Arbeits- und Denkweise in den Naturwissenschaften handelt.

Wissenschaft unterliegt Veränderungen, Wissen vermehrt sich. Wenn eine bessere Theorie gefunden wird, tritt sie an die Stelle einer älteren, sie wird obsolet, das meinte Popper, auf den sich deine Bemerkung evtl. beziehen könnte. Bereits in der Scholastik wurde von Thomas von Aquin die Korrespondenztheorie (Korrespondenz = Übereinstimmung) abgewandelt. Statt „aequitas“ verwendete Thomas „adaequatio“ (= Angleichung, gemeint ist d. Wirklichkeit). Lotte, glaube ich, wies darauf hin im Zusammenhang mit dem Hoffmeister Wörterbuch: dort nämlich steht nur Scholastik. Kant spricht nur von Übereinstimmung (Gleichheit). Im Kern ist Popper bereits hier vorweg genommen. Popper der ktitsiche Rationalist und Empirist, spricht von Wahrheitsähnlichkeit.

Im einleitenden Beitrag fragte hema: „Wie und wann können wir also die Wahrheit erfahren und erkennen?


Sicher können wir Wahrheit in der Logik erkennen, nicht nur in der formalen, sondern auch in der mathematischen Logik. Alfred Tarski hat dazu eine semantische Wahrheitstheorie entwickelt (Tarski, Einführung in die mathematische Logik 1977) In dem genannten Buch findet sich ein Abschnitt über „Wahrheit und Beweis.“

Weil der Name Popper (P. war Physiker) bereits genannt wurde, hier eine knappe Darstellung seiner Auffassung zum Thema Wissenschaft. Sie stammt von Prof. Pulte, Wissenschaftstheoretiker an der Ruhr-Universität Bochum.
„POPPER kritisiert zunächst mal die Auffassung, „dass Ergebnisse die Wissenschaft charakterisieren, nicht aber ihre Methode.“ In der Bestimmung des Verhältnisses von Wissenschaft und Metaphysik ersetzt er das Sinnkriterium durch ein „Abgrenzungskriterium“: „Ein empirisch-wissenschaftliches System muss an der Erfahrung scheitern können.“ Sätze der Metaphysik gehören nach diesem Kriterium nicht der Wissenschaft. an, sind aber anders als bei Wittgenstein und den meisten Vertretern des Wiener Kreises – darum noch nicht sinnlos; tatsächlich können sie nach Poppers Auffassung für die Entwicklung von Wissenschaft. sogar äußerst fruchtbar sein.“. Nicht die Methode der Verifikation, sondern der Falsifikation bestimmt die Wissenschaft und nicht durch Induktion, sondern durch „Versuchund Irrtum“ ergeben sich Fortschritte. Hieraus folgt ein konsequenter Fallibilismus, der sich auch in einer scharfen Abgrenzung vom klassischen Wissenschafts-Begriff und dessen Wahrheitsforderung manifestiert: „Unsere W. ist kein System von gesicherten Sätzen, auch kein System, das in stetem Fortschritt einem Zustand der Endgültigkeit zustrebt. Unsere W. ist kein Wissen [epistémé]: weder Wahrheit noch Wahrscheinlichkeit kann sie erreichen.“ Wahrheit wird damit aber in Poppers W.-Konzeption nicht zu einem überflüssigen Begriff, sondern bleibt als regulatives Ideal Ziel der Wissemschaft. Popper hat seine Untersuchungen zum Verhältnis von W. und Wahrheit bzw. W.-Fortschritt und Wahrheitsannäherung ab 1960 mit Hilfe der Begriffe „verisimilitude“ bzw. „Wahrheitsähnlichkeit“ zu präzisieren gesucht. Ab dieser Zeit entwickelt er auch eine evolutionäre Auffassung von Wissens- und Wissensch.-Wachstum. ...“
„Poppers Begriff von Wissenschaft., insbesondere seine entschiedene Kritik an der Wahrheitsbedingung der klassischen W.-Auffassung, hat das W.-Verständnis der zweiten Hälfte des 20. Jh. über die Philosophie hinaus maßgeblich beeinflusst.“

„Der moderne Wissenschaftsbegriff bildet sich im wesentlichen im zweiten Drittel des 19. Jh. heraus. Ist er dadurch beschreibbar, dass Wissensch. nur noch als ein konditional formuliertes, hypothetisch- deduktiv organisiertes System von Propositionen über einen begrenzten Erfahrungs- und Gegenstandsbereich aufgefaßt, also der Anspruch auf strenge Allgemeinheit, unbedingte Notwendigkeit und absolute Wahrheit aufgegeben wird, kann der ihn herbeiführende Prozeß schlaglichtartig durch Momente wie «Reflexionscharakter, Positivierung, Entmetaphysierung, Autonomisierung, Operationalisierung, Problematisierung, Konditionalisierung, Hypothetisierung, Propositionalisierung, Intersubjektivierung und abstrahierende Theoretisierung» gekennzeichnet werden.“ Prof. Pulte, Wörterbuch der phil. Begriffe

Nimmt man etwa einen Text des Hirnforschers Singer zur Hand, so kann man eine beliebige Seite aufschlagen und wird mit Hypothesen, Annahmen, Vermutungen mit Signalwörtern wie „offensichtlich“,“vermutlich,“ mit Konjunktiven etc durchgängig konfrontiert (Wolf Singer, Zum Problem der Willensfreiheit, Die Freiheit des Denkens, Philosophicum Lech, S. 111 ff). Kaum detaillierte Fakten, dafür Annahmen. Eine Entmetaphysierung kann so nichtbestätigt werden. Der Grund dafür liegt im Uniformitätsprinzip begründet, der Annahme, dass die Zukunft der Vergangenheit ähnlich ist, und deshalb erwartet werden darf, dass nach Lebenspraxis und Gewohnheit es immer so sein wird. So wird mit Hypothesen gearbeitet. Sie werden mit Hoilfe von _Experimenten überprüft. Alle Erfahrungsschlüsse aber sind Folgen der Gewohnheit und nicht der Vernunft. Die Induktion kann daher nicht logisch gerechtfertigt werden, nur psychologisch. Die Induktion ist aber auf jeden Fall als Werkzeug wissenschaftl. Hypothesenbildung unentbehrlich. Was Bedeutung, Verstehen, Bewusstsein ist, wissen wir nicht. Wir wissen überhaupt sehr wenig.

Was ich geschrieben habe, ist keine Widerlegung eines religiösen Glaubens, einer wahren persönlichen Überzeugung. Es sind abstrakte Überlegungen.

Viele Grüße an alle
c

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