Geisteswissenschaft / Philosophie Was ist Geist?
Genau das ist auch meine Meinung Marina.
--
simba
--
simba
Ja marina, das empfinde ich jetzt nicht als Anmache, sondern als eine sachliche Antwort. Nun, ich bin überzeugt, dass es kein Jenseits gibt, deshalb formuliere ich das auch so. Ich halte es für eine Selbstverständlichkeit, dass weltanschauliche Äußerungen, die ich tätige, meine Meinung darstellen und muss das deshalb nicht in jedem Satz auch noch hinzufügen. Ich spreche prinzipiell für mich und nicht ex cathedra für alle.
Es ist meine Überzeugung, dass es erlaubt sein muss, Aussagen wie "Es gibt kein Jenseits" formulieren zu dürfen. Das müssen "Gläubige" aushalten können, ohne mit dem Scheiterhaufen oder einem Selbstmordattentat zu drohen. Im umgekehrten Fall (geh doch einmal in die Kirche) hörst du niemals von "der Herr ist auferstanden, meine Meinung, und er wird, meine Meinung, am jünsten Tag wiederkommen". Toleranz wird, so empfinde ich das, immer sehr einseitig eingefordert.
--
karl
Es ist meine Überzeugung, dass es erlaubt sein muss, Aussagen wie "Es gibt kein Jenseits" formulieren zu dürfen. Das müssen "Gläubige" aushalten können, ohne mit dem Scheiterhaufen oder einem Selbstmordattentat zu drohen. Im umgekehrten Fall (geh doch einmal in die Kirche) hörst du niemals von "der Herr ist auferstanden, meine Meinung, und er wird, meine Meinung, am jünsten Tag wiederkommen". Toleranz wird, so empfinde ich das, immer sehr einseitig eingefordert.
--
karl
Der Begriff Entmystifizierung, Karl, trifft eigentlich nicht das, was Schiller mit der „Entgötterung“ unserer Welt meinte. Damit war nicht der Glaube einzelner Menschen gemeint, sondern ein geistiger Prozess. Wir sollten mit der Metapher angemessen umgehen. An der Dominanz rationalen, mathematisierten auf technische Beherrschung abzielenden Denkens lässt sich heute schwer rütteln. Der europäische Geist, repräsentiert durch die Wissenschaft und Technik beherrschen das Denken auf diesem Planeten. Es darf darüber nicht nur nachgedacht werden. Es muss sogar darüber gesprochen werden. Rationalität äußert sich in Berechenbarkeit, technischer Beherrschung, in der Voraussehbarkeit rechtlicher Entscheidungen im formalen nach römischen Vorbild gestalteten Recht, Kalkulation in wirtschaftlichen Unternehmungen. Rationalisierung allen Tuns, auch das, was im Rationalisiertwerden aufgehoben wird. Das ist die Folge einer Haltung (einer geistigen Einstellung!), die sich grenzenlos offen hält allein für den Zwang des logischen Gedankens und der empirischen Tatsächlichkeit. Es hat uns die Sicherheit genommen, wird gesagt und dann erklärst du: ..“ aber es macht uns erwachsen.“ Hast du etwa irgendwelche Anzeichen einer tiefgreifenden moralischen Wende auf diesem Planten entdeckt? Ich nehme es als Glaubensüberzeugung, nicht als Tatsachenbehauptung. Als Erklärung ist es zu wenig.
Ein Agnostiker müsste fordern, dass die Wissenschaft sich auf das empirisch und logisch allgemeingültig Erkannte und Zugängliche beschränkt. Er müsste auch bereit sein zuzugeben, dass die Wahrheit der Wissenschaft nicht alle Wahrheit (nicht letzte Wahrheit!) enthält. So habe ich ihn verstanden. Der eigentliche Wahrheitscharakter der Wissenschaften läge dann aber nur darin, für jedermann, unabhängig von Interessen, Weltanschauungen und von Parteien gültig zu sein. Mehr nicht.Agnostizismus ist die Lehre von der Transzendenz des Göttlichen. Agnostiker waren die Sophisten, die Skeptiker, dann alle christlichen Theologen, sofern sie die doppelte Wahrheit behaupteten
Davon ausgehend lässt sich abwandeln sagen: Die Wissenschaften erkennen das ,was ist, aber das schließt nicht in sich das Urteil darüber ein, was sein soll. Genau das tust du aber Karl, wenn du von „Sinn“, „Verantwortung“, ja sogar von „Erwachsenwerden“ sprichst. Darin sind ethische Normen angesprochen. Wie leitest du als Wissenschaftler bindende ethische Normen aus Tatsachen ab?? Könntest du das erklären? Wissenschaft kann doch nicht lehren, was jemand tun soll. Vielmehr kann sie aber erklären, wie etwas von jemand Vorgegebenes bei gesetzten Zielen mit angebbaren Mitteln erreicht werden kann. Keine Wissenschaft kann den Sinn des Lebens zeigen. Sie kann mir aber die Bedeutung des von mir Gewollten entwickeln und somit auf mein Willensziel Einfluss nehmen.
Ob es ein Jenseits, Marina hat es so schön angesprochen, einen Gott gibt, kann niemand beweisen. Niemand kann aber auch beweisen, dass es keinen Gott, kein Jenseits gibt.
Ich versuche mir die Grenzen der Wissenschaft deutlich zu machen. Ich halte aber fest, dass die Leistungen der Wissenschaft und des menschlichen Geistes großartig sind. Unverzichtbar.
Einen schönen Abend für alle
C.
Re: Was ist Geist?
Ich kann einfach nicht verstehen, was du in meinen Beiträgen als gegen die Glaubenden siehst.
Kritik ist noch lange keine Hetze.
Manchmal habe ich mich schon etwas scharf gegen ungerechte Unterstellungen wehren müssen ... aber das dürfte doch noch erlaubt sein.
--
felix
Kritik ist noch lange keine Hetze.
Manchmal habe ich mich schon etwas scharf gegen ungerechte Unterstellungen wehren müssen ... aber das dürfte doch noch erlaubt sein.
--
felix
@ Carlos meint:
" ...Ein Agnostiker müsste fordern, dass die Wissenschaft sich auf das empirisch und logisch allgemeingültig Erkannte und Zugängliche beschränkt."
Ich sehe nicht ein, weshalb er sich auf empirisch, logisches Allgemeingültiges beschränken muss. Der Wissenschaftler sollte auch seine innovative Fantasie einsetzen, um neue Erklärungsmodelle zu postulieren, um sie dann empirisch zu falsifizieren oder als anwendbar und widerspruchsfrei stehen zu lassen!
" Er müsste auch bereit sein zuzugeben, dass die Wahrheit der Wissenschaft nicht alle Wahrheit (nicht letzte Wahrheit!) enthält."
Einverstanden ... dies war auch meine Aussage in meinen Beiträgen!
Auch ein Agnostiker ist durchaus in der Lage Phänomene wie Gottesglauben, Jenseitsvorstellungen, Wunder, Magie etc. zu untersuchen und Erklärungsmodelle dafür zu postulieren.
Im weitesten Sinne haben wir es hier mit sozio-psychologischen Sachverhalten zu tun.
--
felix
" ...Ein Agnostiker müsste fordern, dass die Wissenschaft sich auf das empirisch und logisch allgemeingültig Erkannte und Zugängliche beschränkt."
Ich sehe nicht ein, weshalb er sich auf empirisch, logisches Allgemeingültiges beschränken muss. Der Wissenschaftler sollte auch seine innovative Fantasie einsetzen, um neue Erklärungsmodelle zu postulieren, um sie dann empirisch zu falsifizieren oder als anwendbar und widerspruchsfrei stehen zu lassen!
" Er müsste auch bereit sein zuzugeben, dass die Wahrheit der Wissenschaft nicht alle Wahrheit (nicht letzte Wahrheit!) enthält."
Einverstanden ... dies war auch meine Aussage in meinen Beiträgen!
Auch ein Agnostiker ist durchaus in der Lage Phänomene wie Gottesglauben, Jenseitsvorstellungen, Wunder, Magie etc. zu untersuchen und Erklärungsmodelle dafür zu postulieren.
Im weitesten Sinne haben wir es hier mit sozio-psychologischen Sachverhalten zu tun.
--
felix
Re: Was ist Geist?
Was soll an meinen Beiträgen rechthaberisch sein. Schliesslich gibt es gerade für mich sowieso keine letzte Wahrheit. Also kann ich mich höchstens gegen falsche Unterstellungen wehren ohne Anspruch Recht zu haben!
Es ist auch nicht das erste Mal, dass ich das richtigstellen musste.
--
felix
Es ist auch nicht das erste Mal, dass ich das richtigstellen musste.
--
felix
Hallo felix,
ich möchte dich hier unterstützen. Auch ich kann in deinen Beiträgen, die religions- und kirchenkritisch sind, keine Hetze erkennen. Selbst wenn dies in anderen Threads so gewesen wäre, ist das Hineintragen solcher Anwürfe in diese Diskussion schlechter Stil und personenbezogenes Crossposting und eher geeignet, auch diese Diskussion runterzuziehen. Es wäre ein eigenes Thema, warum religions- und kirchenkritische Meinungen immer gleich angefeindet werden müssen, warum die Toleranz auf dem Gebiet der Religion so gering ausgebildet ist und sich die "Glaubenden" immer gleich existentiell angegriffen fühlen, wenn abweichende Meinungen geäußert werden. Ein Grund, wenn ich dies als meine Meinung kundtun darf, ist die frühkindliche Indoktrination, der wir alle ausgesetzt gewesen sind und die tiefwirkende Tabus aufgebaut hat, die zu durchbrechen schmerzhaft ist.
--
karl
ich möchte dich hier unterstützen. Auch ich kann in deinen Beiträgen, die religions- und kirchenkritisch sind, keine Hetze erkennen. Selbst wenn dies in anderen Threads so gewesen wäre, ist das Hineintragen solcher Anwürfe in diese Diskussion schlechter Stil und personenbezogenes Crossposting und eher geeignet, auch diese Diskussion runterzuziehen. Es wäre ein eigenes Thema, warum religions- und kirchenkritische Meinungen immer gleich angefeindet werden müssen, warum die Toleranz auf dem Gebiet der Religion so gering ausgebildet ist und sich die "Glaubenden" immer gleich existentiell angegriffen fühlen, wenn abweichende Meinungen geäußert werden. Ein Grund, wenn ich dies als meine Meinung kundtun darf, ist die frühkindliche Indoktrination, der wir alle ausgesetzt gewesen sind und die tiefwirkende Tabus aufgebaut hat, die zu durchbrechen schmerzhaft ist.
--
karl
Liebe Marina,
ich möchte inhaltlich noch auf deinen mich zitierenden Satz zu sprechen kommen: "Die Formulierung „Besitzer und Beherrscher der Welt“ finde ich geradezu erschreckend."
Ich schrieb "Die Entgötterung der Welt, die Erklärung von Blitz und Donner, als Resultat naturwissenschaftlichen Denkens, die Aufdeckung der Mechanismen dieser Welt hat uns zu deren Besitzern und Beherrschern gemacht, uns viel Macht (kommt von "machen") gegeben, aber uns auch den Schlaf geraubt und die Sicherheit genommen. Bequem ist das nicht, aber es macht erwachsen."
"Erschrecken" entspricht wohl meinem "den Schlaf geraubt" (was heute sogar wörtlich zutrifft ). Solch eine emotionale Kategorie ist aber natürlich nicht geeignet, die Kernaussage, dass das naturwissenschaftliche Denken dem Menschen eine enorme "Macht" (im Sinne von Machbarkeit) hat zukommen lassen, in Frage zu stellen. Ich nehme nicht an, du möchtest über diesen Zuwachs an Machbarkeit diskutieren, den wohl kaum jemand in Frage stellen wird.
Das "Erschrecken" oder das "den Schlaf rauben" hat sehr viel damit zu tun, dass die Verantwortung proportional zu der Machbarkeit anwächst. Interessanterweise habe ich hier entdeckt, dass uns beide oft ganz ähnliche Wertmaßstäbe darüber einen, wie das Tun von Menschen zu bewerten ist. Offensichtlich sind die Bewertungsmaßstäbe darüber, was "gut" und was "böse" ist, nicht allein abhängig davon, ob jemand naturwissenschaftlich denkt oder nicht. Wir können uns über gesellschaftliche Werte und Ziele einigen, auch wenn wir ein völlig unterschiedliches Bild vom Funktionieren dieser Welt haben. Ich glaube, dass wissenschaftliches Denken hilfreich sein kann, wenn es um die Methoden geht, die gesetzten Ziele zu erreichen.
[Die Ursache dafür, dass Menschen sehr viel häufiger in der Lage sind, sich über Ziele zu verständigen als über die Methoden, die Ziele zu erreichen, ist ein interessantes Problem und wäre ein eigenes Thema wert].
--
karl
ich möchte inhaltlich noch auf deinen mich zitierenden Satz zu sprechen kommen: "Die Formulierung „Besitzer und Beherrscher der Welt“ finde ich geradezu erschreckend."
Ich schrieb "Die Entgötterung der Welt, die Erklärung von Blitz und Donner, als Resultat naturwissenschaftlichen Denkens, die Aufdeckung der Mechanismen dieser Welt hat uns zu deren Besitzern und Beherrschern gemacht, uns viel Macht (kommt von "machen") gegeben, aber uns auch den Schlaf geraubt und die Sicherheit genommen. Bequem ist das nicht, aber es macht erwachsen."
"Erschrecken" entspricht wohl meinem "den Schlaf geraubt" (was heute sogar wörtlich zutrifft ). Solch eine emotionale Kategorie ist aber natürlich nicht geeignet, die Kernaussage, dass das naturwissenschaftliche Denken dem Menschen eine enorme "Macht" (im Sinne von Machbarkeit) hat zukommen lassen, in Frage zu stellen. Ich nehme nicht an, du möchtest über diesen Zuwachs an Machbarkeit diskutieren, den wohl kaum jemand in Frage stellen wird.
Das "Erschrecken" oder das "den Schlaf rauben" hat sehr viel damit zu tun, dass die Verantwortung proportional zu der Machbarkeit anwächst. Interessanterweise habe ich hier entdeckt, dass uns beide oft ganz ähnliche Wertmaßstäbe darüber einen, wie das Tun von Menschen zu bewerten ist. Offensichtlich sind die Bewertungsmaßstäbe darüber, was "gut" und was "böse" ist, nicht allein abhängig davon, ob jemand naturwissenschaftlich denkt oder nicht. Wir können uns über gesellschaftliche Werte und Ziele einigen, auch wenn wir ein völlig unterschiedliches Bild vom Funktionieren dieser Welt haben. Ich glaube, dass wissenschaftliches Denken hilfreich sein kann, wenn es um die Methoden geht, die gesetzten Ziele zu erreichen.
[Die Ursache dafür, dass Menschen sehr viel häufiger in der Lage sind, sich über Ziele zu verständigen als über die Methoden, die Ziele zu erreichen, ist ein interessantes Problem und wäre ein eigenes Thema wert].
--
karl
@ Carlos1,
auch ich möchte dir antworten und mich dabei besonders auf zwei Punkte konzentrieren:
1. Du schreibst auf mein ..“ aber es macht uns erwachsen“: "Hast du etwa irgendwelche Anzeichen einer tiefgreifenden moralischen Wende auf diesem Planten entdeckt?"
Keineswegs, aber in meinem Sinne "erwachsen" sind die gerade besonders aktiv handelnden Personen auf der weltpolitischen Bühne ja gerade nicht. Eher im Gegenteil. Mein "erwachsen werden" steht beispielhaft für "in die Verantwortung entlassen werden" und beschreibt zunächst einmal einen rein formalen Vorgang beim Erreichen eines bestimmten Reifestadiums. So wie viele Erwachsene ihrer Verantwortung ja keineswegs gerecht werden, besteht die Gefahr, dass die "Menschheit" es nicht verkraftet, die Verantwortung für ihre Zukunft allein tragen zu müssen.
Andererseit kann dieses Risiko ja nicht dadurch beseitigt werden, dass die Verantwortung geleugnet und alles in die Hände eines postulierten Gottes gelegt wird. Es gibt in der Geschichte zwar viele Beipiele für die Herrschaft stabilisierende Funktion von Religionen, aber es wäre doch deprimierend, müssten wir bei schwierigen Entscheidungen noch immer das Orakel von Delphi befragen.
2. Du schreibst "Die Wissenschaften erkennen das ,was ist, aber das schließt nicht in sich das Urteil darüber ein, was sein soll."
Ich weiß nicht, ob wir ausschließen dürfen, dass das, was ist, auch das Urteil darüber beeinflusst, was sein soll. Die Naturwissenschaften beschäftigen sich ja nicht nur mit dem Jetzt, sondern auch mit dessen Werden. Dieses Werden, die Evolution hat uns geformt und wir sind wie wir sind, weil wir Eigenschaften entwickelt haben, die unser Überleben bis heute ermöglicht haben. Ich möchte das an einem einzigen Beispiel demonstrieren, das uns dann vielleicht hilft, das allgemeine Prinzip zu erkennen:
Eingepflanzt in uns, in alle tierischen Organismen, ist ein sehr starker Überlebenswille. In keiner Situation mobilisiert ein Tier oder der Mensch soviel Energie wie in Todesgefahr. Ein komplexer angeborener Mechanismus wird in Gang gesetzt, Adrenalien ausgeschüttet, Muskeln und Hirn auf Alarmbereitschaft geschaltet. Alles wird getan, um einer vorausgesehenen Gefahr zu begegnen. Hier wird auf einer kurzen, individuellen Zeitskala deutlich, wie eng das Sein und das Wollen zusammen hängen.
Nun sprichst du von "sollen", nicht von "wollen". Damit zielst du auf moralische Kategorien, aber auch da ist die Wissenschaft nicht stumm, wenn gefragt wird, wie diese in die Welt gekommen sind. Wolfgang Wickler, ein früherer Direktor des Max-Planck Instituts in Seewiesen hat das Buch "Die Biologie der Zehn Gebote" geschrieben, in dem er darlegt, dass die in den Zehn Geboten zum Ausdruck kommenden Lebensregeln für ein Leben in einer Gemeinschaft notwendig und deshalb in Grundzügen auch in tierischen Gemeinschaften angelegt sind. So gilt das Gebot "Du sollst keinen Angehörigen deiner Population töten" nicht nur für den Menschen, sondern auch für viele Tiere, obwohl bei ihnen ebenso wie beim Menschen, das Töten von Artgenossen anderer Populationen einer geringeren Hemmung unterliegt (im alten Testament wird den Israeliten sogar die Ausrottung ganzer Völker, also der Bruch des 5. Gebotes befohlen! [... Und Mose wurde zornig über die Hauptleute des Heeres ... und sprach zu ihnen: ‘Warum habt ihr alle Frauen leben lassen?... so tötet nun alles, was männlich ist unter den Kindern, und alle Frauen, die nicht mehr Jungfrauen sind; aber alle Mädchen, die unberührt sind, die lasst für euch leben." (4. Mose 31, 1 ff.)]).
Wir stimmen wahrscheinlich darin überein, dass moralisches Handeln weder durch das alte Testament noch durch die Wissenschaft bestimmt werden sollte. Aber dass das Sein das Wollen beeinflusst und die moralischen Gebote eine evolutive Wurzel haben, müssen wir anerkennen. Das "Sollen", der moralische Standard, muss sich an den Zuwachs der Machbarkeit anpassen. Die Menschheit hat durch ihr enormes Wachstum diesen Planeten überwuchert und stellt erschreckt fest, dass sie durch ihren großen Erfolg begonnen hat ihre eigene Lebensgrundlage zu gefährden. In dieser Situation hilft nicht mehr ein individueller Adrenalinausstoß, sondern hier ist die wissenschaftliche Analyse gefragt, um die Maßnahmen zu finden, die einerseits das Überleben der Milliarden Menschen sichern, die aber anderseits auch dauerhaft das Leben lebenswert erhalten. Ein Zurück zur Lebensweise der Jäger und Sammler ist uns durch die pure Zahl der Menschen heute verwehrt.
--
karl
auch ich möchte dir antworten und mich dabei besonders auf zwei Punkte konzentrieren:
1. Du schreibst auf mein ..“ aber es macht uns erwachsen“: "Hast du etwa irgendwelche Anzeichen einer tiefgreifenden moralischen Wende auf diesem Planten entdeckt?"
Keineswegs, aber in meinem Sinne "erwachsen" sind die gerade besonders aktiv handelnden Personen auf der weltpolitischen Bühne ja gerade nicht. Eher im Gegenteil. Mein "erwachsen werden" steht beispielhaft für "in die Verantwortung entlassen werden" und beschreibt zunächst einmal einen rein formalen Vorgang beim Erreichen eines bestimmten Reifestadiums. So wie viele Erwachsene ihrer Verantwortung ja keineswegs gerecht werden, besteht die Gefahr, dass die "Menschheit" es nicht verkraftet, die Verantwortung für ihre Zukunft allein tragen zu müssen.
Andererseit kann dieses Risiko ja nicht dadurch beseitigt werden, dass die Verantwortung geleugnet und alles in die Hände eines postulierten Gottes gelegt wird. Es gibt in der Geschichte zwar viele Beipiele für die Herrschaft stabilisierende Funktion von Religionen, aber es wäre doch deprimierend, müssten wir bei schwierigen Entscheidungen noch immer das Orakel von Delphi befragen.
2. Du schreibst "Die Wissenschaften erkennen das ,was ist, aber das schließt nicht in sich das Urteil darüber ein, was sein soll."
Ich weiß nicht, ob wir ausschließen dürfen, dass das, was ist, auch das Urteil darüber beeinflusst, was sein soll. Die Naturwissenschaften beschäftigen sich ja nicht nur mit dem Jetzt, sondern auch mit dessen Werden. Dieses Werden, die Evolution hat uns geformt und wir sind wie wir sind, weil wir Eigenschaften entwickelt haben, die unser Überleben bis heute ermöglicht haben. Ich möchte das an einem einzigen Beispiel demonstrieren, das uns dann vielleicht hilft, das allgemeine Prinzip zu erkennen:
Eingepflanzt in uns, in alle tierischen Organismen, ist ein sehr starker Überlebenswille. In keiner Situation mobilisiert ein Tier oder der Mensch soviel Energie wie in Todesgefahr. Ein komplexer angeborener Mechanismus wird in Gang gesetzt, Adrenalien ausgeschüttet, Muskeln und Hirn auf Alarmbereitschaft geschaltet. Alles wird getan, um einer vorausgesehenen Gefahr zu begegnen. Hier wird auf einer kurzen, individuellen Zeitskala deutlich, wie eng das Sein und das Wollen zusammen hängen.
Nun sprichst du von "sollen", nicht von "wollen". Damit zielst du auf moralische Kategorien, aber auch da ist die Wissenschaft nicht stumm, wenn gefragt wird, wie diese in die Welt gekommen sind. Wolfgang Wickler, ein früherer Direktor des Max-Planck Instituts in Seewiesen hat das Buch "Die Biologie der Zehn Gebote" geschrieben, in dem er darlegt, dass die in den Zehn Geboten zum Ausdruck kommenden Lebensregeln für ein Leben in einer Gemeinschaft notwendig und deshalb in Grundzügen auch in tierischen Gemeinschaften angelegt sind. So gilt das Gebot "Du sollst keinen Angehörigen deiner Population töten" nicht nur für den Menschen, sondern auch für viele Tiere, obwohl bei ihnen ebenso wie beim Menschen, das Töten von Artgenossen anderer Populationen einer geringeren Hemmung unterliegt (im alten Testament wird den Israeliten sogar die Ausrottung ganzer Völker, also der Bruch des 5. Gebotes befohlen! [... Und Mose wurde zornig über die Hauptleute des Heeres ... und sprach zu ihnen: ‘Warum habt ihr alle Frauen leben lassen?... so tötet nun alles, was männlich ist unter den Kindern, und alle Frauen, die nicht mehr Jungfrauen sind; aber alle Mädchen, die unberührt sind, die lasst für euch leben." (4. Mose 31, 1 ff.)]).
Wir stimmen wahrscheinlich darin überein, dass moralisches Handeln weder durch das alte Testament noch durch die Wissenschaft bestimmt werden sollte. Aber dass das Sein das Wollen beeinflusst und die moralischen Gebote eine evolutive Wurzel haben, müssen wir anerkennen. Das "Sollen", der moralische Standard, muss sich an den Zuwachs der Machbarkeit anpassen. Die Menschheit hat durch ihr enormes Wachstum diesen Planeten überwuchert und stellt erschreckt fest, dass sie durch ihren großen Erfolg begonnen hat ihre eigene Lebensgrundlage zu gefährden. In dieser Situation hilft nicht mehr ein individueller Adrenalinausstoß, sondern hier ist die wissenschaftliche Analyse gefragt, um die Maßnahmen zu finden, die einerseits das Überleben der Milliarden Menschen sichern, die aber anderseits auch dauerhaft das Leben lebenswert erhalten. Ein Zurück zur Lebensweise der Jäger und Sammler ist uns durch die pure Zahl der Menschen heute verwehrt.
--
karl
Re: Warum ist die Toleranz auf dem Gebiet der Religion so gering ausgebildet?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
karl schrieb am 17.04.2007 um 03.18:
"Hallo felix,
ich möchte dich hier unterstützen. Auch ich kann in deinen Beiträgen, die religions- und kirchenkritisch sind, keine Hetze erkennen. Selbst wenn dies in anderen Threads so gewesen wäre, ist das Hineintragen solcher Anwürfe in diese Diskussion schlechter Stil und personenbezogenes Crossposting und eher geeignet, auch diese Diskussion runterzuziehen. Es wäre ein eigenes Thema, warum religions- und kirchenkritische Meinungen immer gleich angefeindet werden müssen, warum die Toleranz auf dem Gebiet der Religion so gering ausgebildet ist und sich die "Glaubenden" immer gleich existentiell angegriffen fühlen, wenn abweichende Meinungen geäußert werden. Ein Grund, wenn ich dies als meine Meinung kundtun darf, ist die frühkindliche Indoktrination, der wir alle ausgesetzt gewesen sind und die tiefwirkende Tabus aufgebaut hat, die zu durchbrechen schmerzhaft ist."
Nur dazu möchte ich im Augenblick Stellung nehmen, über die anderen Punkte muss ich noch nachdenken. Mein Eindruck ist eben ein anderer, Karl, was manche Stellungnahmen betrifft, die eben nicht nur "religions- und kirchenkritisch" sind, sondern die ich oft als sehr aggressiv und intolerant empfinde (genau das, was ihr den Religiösen vorwerft), nicht unbedingt immer gegenüber hier anwesenden Diskutierenden (den "Missionaren" gegenüber bin ich auch aggressiv, das weiß ich selber), sondern gegenüber den Religionen im allgemeinen. Wenn du das als "Crossposting" empfindest, kann ich es nicht ändern, trotzdem erlaube ich mir, dieses mein Unbehagen, was ich sehr oft spüre, einmal ganz klar auszusprechen. Auch in dieser Diskussion empfinde ich wieder manches, was implizit enthalten ist, ohne direkt ausgesprochen zu sein, als Seitenhiebe an die dummen Gläubigen, vielleicht liegt es daran, dass ich ganz gut "zwischen den Zeilen" lesen kann. Was das "Herunterziehen einer Diskussion" betrifft, so sehe ich die gerade auch in diesen versteckten Seitenhieben, von denen auch ich nicht frei bin, das weiß ich. Aber so einfach und einseitig ist es nicht, wie du, Karl, es siehst, weil du inhaltlich mit Felix übereinstimmst. Würdest du inhaltlich mit mir und nicht mit ihm übereinstimmen, sähe deine Bewertung diesbezüglich wahrscheinlich ganz anders aus.
Ich gehöre auch eigentlich nicht zu den Glaubenden, die sich "immer gleich existentiell angegriffen fühlen, wenn abweichende Meinungen geäußert werden", denn ich glaube, klar genug zum Audruck gebracht zu haben, dass ich mich zu den wirklich Gläubigen gar nicht mehr zähle. Trotzdem mag sein, dass ich durch meine Sozialisation immer noch empfindlich bin, wenn ich merke, dass aggressive Intoleranz sich tarnt hinter angeblicher Religionskritik. Dieses Gefühl wirst du mir nicht ausreden können, dazu ist es zu stark. Und ich glaube nicht, dass ich Flöhe husten höre, sondern dass ich mich auf mein Gefühl ganz gut verlassen kann.
"Hallo felix,
ich möchte dich hier unterstützen. Auch ich kann in deinen Beiträgen, die religions- und kirchenkritisch sind, keine Hetze erkennen. Selbst wenn dies in anderen Threads so gewesen wäre, ist das Hineintragen solcher Anwürfe in diese Diskussion schlechter Stil und personenbezogenes Crossposting und eher geeignet, auch diese Diskussion runterzuziehen. Es wäre ein eigenes Thema, warum religions- und kirchenkritische Meinungen immer gleich angefeindet werden müssen, warum die Toleranz auf dem Gebiet der Religion so gering ausgebildet ist und sich die "Glaubenden" immer gleich existentiell angegriffen fühlen, wenn abweichende Meinungen geäußert werden. Ein Grund, wenn ich dies als meine Meinung kundtun darf, ist die frühkindliche Indoktrination, der wir alle ausgesetzt gewesen sind und die tiefwirkende Tabus aufgebaut hat, die zu durchbrechen schmerzhaft ist."
Nur dazu möchte ich im Augenblick Stellung nehmen, über die anderen Punkte muss ich noch nachdenken. Mein Eindruck ist eben ein anderer, Karl, was manche Stellungnahmen betrifft, die eben nicht nur "religions- und kirchenkritisch" sind, sondern die ich oft als sehr aggressiv und intolerant empfinde (genau das, was ihr den Religiösen vorwerft), nicht unbedingt immer gegenüber hier anwesenden Diskutierenden (den "Missionaren" gegenüber bin ich auch aggressiv, das weiß ich selber), sondern gegenüber den Religionen im allgemeinen. Wenn du das als "Crossposting" empfindest, kann ich es nicht ändern, trotzdem erlaube ich mir, dieses mein Unbehagen, was ich sehr oft spüre, einmal ganz klar auszusprechen. Auch in dieser Diskussion empfinde ich wieder manches, was implizit enthalten ist, ohne direkt ausgesprochen zu sein, als Seitenhiebe an die dummen Gläubigen, vielleicht liegt es daran, dass ich ganz gut "zwischen den Zeilen" lesen kann. Was das "Herunterziehen einer Diskussion" betrifft, so sehe ich die gerade auch in diesen versteckten Seitenhieben, von denen auch ich nicht frei bin, das weiß ich. Aber so einfach und einseitig ist es nicht, wie du, Karl, es siehst, weil du inhaltlich mit Felix übereinstimmst. Würdest du inhaltlich mit mir und nicht mit ihm übereinstimmen, sähe deine Bewertung diesbezüglich wahrscheinlich ganz anders aus.
Ich gehöre auch eigentlich nicht zu den Glaubenden, die sich "immer gleich existentiell angegriffen fühlen, wenn abweichende Meinungen geäußert werden", denn ich glaube, klar genug zum Audruck gebracht zu haben, dass ich mich zu den wirklich Gläubigen gar nicht mehr zähle. Trotzdem mag sein, dass ich durch meine Sozialisation immer noch empfindlich bin, wenn ich merke, dass aggressive Intoleranz sich tarnt hinter angeblicher Religionskritik. Dieses Gefühl wirst du mir nicht ausreden können, dazu ist es zu stark. Und ich glaube nicht, dass ich Flöhe husten höre, sondern dass ich mich auf mein Gefühl ganz gut verlassen kann.