Geisteswissenschaft / Philosophie Ursprung der Intelligenz entdeckt
Moin,
ein sehr interessanter Artikel über den "Ursprung der Intelligenz"
Neurowissenschaftler der Uni Insbruck haben festgestellt, dass die Gene für die menschliche
Intelligenz verantwortlich sind.
"Die grundlegende Forschungsarbeit trägt dazu bei, die höheren Gehirnfunktionen besser zu verstehen. Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass die genetischen Grundlagen der Intelligenz eines Menschen nur bedingt beeinflussbar sein werden. „Da so viele Gene involviert sind, erscheint es unmöglich, Intelligenz auf molekularer Ebene zu manipulieren“, räumt Georg Dechant ein."
Die Einstellung zur Intelligenz wird sich wohl verändern.
Gruß arno
@arno,
ich bin nicht bereit wegen des verlinkten Artikels ein Abo der Vorarlberger Nachrichten abzuschließen (die auch nicht gerade als Fachblatt gelten), denke aber, dass ich trotzdem kompetent auf Deinen Beitrag antworten kann, da ich glaube, die Natur der Studie zu kennen, die die Uni Insbruck durchgeführt hat.
Deine Interpretation "Neurowissenschaftler der Uni Insbruck haben festgestellt, dass die Gene für die menschliche Intelligenz verantwortlich sind" ist so formuliert natürlich nicht richtig, denn es klingt so, als seien Gene alleine für die Entwicklung der Intelligenz eines Menschen verantwortlich.
Schon der Neuseeländische Forscher JR Flynn hat herausgefunden, dass unsere Generation wesentlich intelligenter ist als die Generation unserer Großväter. Da sich Gene über zwei Generationen nicht wesentlich verändern, führt er dies folgerichtig auf die Bildungsexplosion zurück (s. z. B. den hier von mir bereits verlinkten Vortrag von JR Flynn).
Andererseits - als Genetiker - ist mir die Bedeutung der Gene für die Entwicklung des Gehirns selbstverständlich. Allerdings führt der dummer Weise oft gebrauchte Begriff der "Erblichkeit eines Merkmals" zu gravierenden Missverständnissen, verführt doch die dann immer verwendete Prozentangabe zu der irrigen Meinung, Erbe und Umwelt würden unsere Eigenschaften (und auch unsere Intelligenz) wie die unabhängigen Summanden einer Gesamtsumme verstärken oder schwächen.
Das ist natürlich Unsinn, denn unsere Intelligenz entwickelt sich in einem äußerst komplizierten Wechselspiel zwischen genetischen Faktoren und umweltbedingten Faktoren. Mathematisch simpel formuliert: Bei einem Produkt aus n Zahlen ist jede der n Zahlen gleich wichtig. Wird eine zu null gesetzt, ist das ganze Produkt null! (Beispiel: Null mal eine Million € gewonnen ist 0 € gewonnen ).
Bei dem gängigen Begriff der "Erblichkeit" geht es aber gar nicht um das Merkmal (z. B. die Körpergröße oder den IQ), sondern nur um den Anteil genetischer Faktoren an der Streuung des Merkmals in der untersuchten Population. Erklärt wird dies in einem kleinen Heft von mir und Martin Niggeschmidt (für Interessenten), dessen 2. Auflage wir gerade vorbereiten. Hier eine kurze Beschreibung dessen, was dort steht).
Warum es missverständlich ist, Intelligenz als „erblich“ zu bezeichnenWas nun die von Dir, arno, verlinkte Untersuchung der Uni Insbruck angeht, so handelt es sich um eine der in den letzten Jahren modern und möglich gewordenen genomweiten Assoziationsstudien, mit denen man herausfinden möchte, welche genetischen Polymorphismen (sogenannte SNPs; siehe meine "Häufigen Fragen zur Genetik") zu der Streuung eines Merkmals in einer untersuchten Population beitragen. Diese sogenannten GWAs (genomweite Assoziationsstudien) beruhen darauf, dass es enorm billig geworden ist, die Genome von Menschen zu sequenzieren und dies inzwischen an Millionen von Menschen durchgeführt worden ist. Entnimmt man nun nicht nur DNA, sondern verteilt gleichzeitig Fragebögen, so können die Sequenzierergebnisse letztlich mit persönlichen Eigenschaften in Beziehung gesetzt werden.
Karl-Friedrich Fischbach und Martin Niggeschmidt
Ist Intelligenz nun erblich oder nicht? Die Frage ist schwieriger zu beantworten, als es den Anschein hat, weil man klären muss, über was man spricht. „Erblich“ bedeutet in der Alltagssprache etwas anderes als in der Fachsprache. Wenn man liest, Intelligenz sei zu 50 bis 80 Prozent „erblich“, könnte man gemäß der alltagssprachlichen Bedeutung des Wortes vermuten: 50 bis 80 Prozent der Intelligenz eines Individuums seien genetisch festgelegt, nur der Rest sei formbar. Oder: Intelligenz werde zu 50 bis 80 Prozent an die Nachkommen vererbt. Beide Interpretationen sind falsch.
In der biologischen Fachsprache bezeichnet „Erblichkeit“ etwas anderes: nämlich den genotypischen Varianzanteil an Merkmalsunterschieden. Und in diesem Punkt hat Thilo Sarrazin völlig Recht: Der genotypische Varianzanteil (die „Erblichkeit“) kann am besten als Indiz für den Grad an Chancengleichheit interpretiert werden. (Was mit der alltagssprachlichen Bedeutung des Wortes „Erblichkeit“ nicht viel zu tun hat.)
Worin die Brisanz der von Thilo Sarrazin beschriebenen „idealen Gesellschaft“ liegen soll, die vollständige Chancengleichheit herstellt, können wir allerdings nicht nachvollziehen. Nehmen wir an, man habe für eine Gruppe einen genotypischen Varianzanteil für Test-Intelligenz von 50 bis 80 Prozent ermittelt, was der in der Fachliteratur für diese Eigenschaft immer wieder genannten „Erblichkeitsspanne“ entspricht. Von Chancengleichheit (genotypischer Varianzanteil von 100 Prozent, das heißt: die Unterschiede sind vollständig genetisch bedingt) wäre man dann noch ziemlich weit entfernt - und so lange dies der Fall ist, kann man doch wohl mit Fug und Recht auf die „Ungerechtigkeiten des Systems“ verweisen.
Nun bezieht sich der genotypische Varianzanteil immer nur auf die Merkmalsunterschiede in einer bestimmten Gruppe zu einer bestimmten Zeit. Wer sich mit dem Erblichkeitsmodell beschäftigt hat, weiß, dass der genotypische Varianzanteil für die Eigenschaft „Test-Intelligenz“ je nach sozialem Status und Alter der untersuchten Gruppe variiert – und durchaus in den Bereich unter 50 Prozent und sogar bis gegen Null rutschen kann. Deshalb ist es unsinnig, zu behaupten, es gebe für diese Eigenschaft „allgemeingültige“ Erblichkeitswerte.
Das Erblichkeitsmodell der quantitativen Genetik hat eine eng begrenzte Aussagekraft, und wir plädieren dafür, sich diese Begrenztheit bewusst zu machen. Wer den wissenschaftlichen mit dem alltagssprachlichen Erblichkeitsbegriff verwechselt, zieht leicht die falschen Schlüsse aus der scheinbar so eindeutigen Aussage: „Intelligenz ist erblich.“
Wir schlagen in unserem Büchlein deshalb vor, statt „Erblichkeit“ lieber den präziseren Begriff „genotypischer Varianzanteil“ zu verwenden. Womit wir bei der Buchrezension von Prof. Dr. Gerald Wolf angelangt wären: Uns vorzuwerfen, wir leugneten „genetisch bedingte Intelligenzunterschiede“, ist ziemlich absurd. Denn der „genotypische Varianzanteil“ ist ja gerade jener Anteil an der Gesamtvarianz, der auf genotypische Unterschiede zurückzuführen ist.
Was trotz aufwändiger Forschungen nicht bewiesen ist (und trotzdem immer wieder behauptet wird), sind genetisch bedingte Unterschiede der Test-Intelligenz zwischen Gruppen (z. B. zwischen sozialen Schichten und Ethnien). Nur wenn man diese Unterschiede unterstellt, kann man die These vertreten, Deutschland werde aus „dysgenischen“ Gründen immer dümmer, weil sich Unterschichten und bildungsferne Einwanderer stärker vermehren als die gebildeten Schichten.
Wenn die Merkmals-Mittelwerte zweier Gruppen sich unterscheiden, wäre selbst ein 100%iger genotypischer Varianzanteil innerhalb der Gruppen kein Beweis dafür, dass der Unterschied zwischen den Gruppen genetische Ursachen hat! Als Beispiel können zwei identische und homogene Getreidefelder dienen, die mit dem gleichen Saatgut bestückt wurden. Das eine wird gedüngt, das andere nicht.
Was jetzt in Bezug auf Intelligenz die richtige Düngung ist, ist die eigentlich wichtige Frage, die uns bewegen sollte.
Quelle
Eines der wichtigsten Ergebnisse solcher GWAs hast Du zitiert:
arno:In der Tat: Es gibt keine "Intelligenzgene". Die Suche nach solchen markanten Genen, die hauptverantwortlich für die Streuung von Intelligenz in der Bevölkerung wären, musste erfolglos abgebrochen werden. Stattdessen gilt heute als gesichert, dass es tausende, ja zehntausende von genetischen Kleinständerungen sind (Basenaustausche), die jeweils nur einen extrem winzigen Beitrag zur Streuung der Gehirnleistungen beitragen.
Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass die genetischen Grundlagen der Intelligenz eines Menschen nur bedingt beeinflussbar sein werden. „Da so viele Gene involviert sind, erscheint es unmöglich, Intelligenz auf molekularer Ebene zu manipulieren“, räumt Georg Dechant ein."
Das bedeutet, dass schon aus rein praktischen Gründen nicht Eugentik der Hebel sein kann, mit dem sich die Menschheit aus ihren selbst geschaffenen Problemen befreien kann, es geht nur über Bildung und faire Umweltbedingungen für alle.
Mehr dazu in Kürze in der zweiten Auflage von "Erblichkeit der Intelligenz. Eine Klarstellung aus biologischer Sicht".
Karl
@ arno
definiere mal:
Intelligenz = .............................
Roxanna
aber - ich meine,
DA-MIT ---"was ist intelligenz" --- hättest eigentlich DU starten sollen
bevor du auf deren einflussgrössen und fortentwicklung eingehst ?!
UND - bei allem respekt vor den damen und herren wissenschaftlern- "hier":
rein wissenschaftliche dialoge - bei denen nur wenigste der mitglieder folgen können-,
sollten auf anderen kommunikations-ebenen stattfinden
freundliche grüsse !
wolfgang