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Geisteswissenschaft / Philosophie Staatstheorien - Staatsphilosophie

aixois
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RE: Staatstheorien - Staatsphilosophie
geschrieben von aixois
als Antwort auf Anna842 vom 21.12.2024, 02:05:35

Unsere Interessenvertreter sind in der Elitedemokratie eher dem
Neo-Liberalismus verpflichtet.

Sind nicht gar die Eliten - Demokratien ein Geschöpf des Neo-Liberalismus, der einen starken Staat braucht (und eine damit einhergehende schwache Demokratie), um seine Ziele eines 'freien' Wettbewerbs und  einer markthörigen Gesellschaft durchzusetzen und zu sichern ?

Ich meine es war der 'erzliberale' Hayek der damals, Anfang der 1980-er sagte, er ziehe eine  liberale Diktatur einer Demokratie vor, der jeglicher Liberalismus abgehe (damals vor dem Hintergrund der 'totalitären" Allende Regierung gesagt).

Nach 1990/91 gab es mal Stimmen, die die Diktatur des Marktes durch eine 'demokratische Planwirtschaft' ersetzen wollte, was aber das Ende der Elitendemokratie bedeutet hätte. Was darunter genau zu verstehen ist, wurde nicht gesagt oder - wahrscheinlicher - ich hab's vergessen.

Pat devine nannte es auch 'partizipative Planwirtschaft" als Nachfolgemodell des Postkapitalismus , oder gar als Ersatz für den Neo-Liberalismus, der  für  alle sichtbar mehr und mehr dabei ist abzuwirtschaften, dies aber den Gegnern der marktliberalen (Un-) Ordnung zum Schuldvorwurf macht.

Der Klimawandel wird sich  nicht auf - i.S. des Neoliberalismus - demokratische Weise bremsen lassen. Deshalb scheinen ja  heute schon planwirtschaftliche Elemente mehr und mehr auf (Emissionsgrenzen, Klimaziele, jährliche Planziele usw.), die von den Neoliberalen durch ein 'roll back' beseitigt werden sollen.
Anna842
Anna842
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RE: Staatstheorien - Staatsphilosophie
geschrieben von Anna842
als Antwort auf aixois vom 21.12.2024, 14:21:45
Ja, aixois, das sehe ich ähnlich.
Es gibt verschiedene Staatstheoretiker zu der Thematik
"  Neo- Liberalismus ".
Lese mich durch einige durch.

Lese gerade  "  Umgekehrter Totalitarismus  " von Sheldon S. Wolin
Er verbindet den " Elitarismus "  sehr stark mit dem Neo-Liberalismus.
Wolin war ein us-amerikanischer Politikwissenschaftler, der an
verschiedenen Universitäten in den USA politische Theorie lehrte.
Er verstarb 2015.
Als Staatsform der USA sah er nicht mehr die Demokratie, die es im
Grunde genommen, seiner Meinung nach, dort auch nie gegeben
hat. Es ist für ihn eine Oligarchenherrschaft.
Wenn man das o.g. Buch gründlich durchliest, versteht man das
" Phänomen D. Trump  " etwas besser-

Momentan bin ich dabei kritische Stimmen zu der Staatstheorie
" Elitedemokratie  " zusammen zu stellen.
Denn Kritik daran gibt es natürlich auch und da wir hier bei
Wissenschaft muss das mit hinein.

Anna
aixois
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RE: Staatstheorien - Staatsphilosophie
geschrieben von aixois
als Antwort auf Anna842 vom 21.12.2024, 16:06:11

Als Staatsform der USA sah er nicht mehr die Demokratie, die es im
Grunde genommen, seiner Meinung nach, dort auch nie gegeben
hat. Es ist für ihn eine Oligarchenherrschaft.

Sheldon Wolin's 1960 erschienenes Buch (Politics and Vision) , 2004 in einer um 11 Kapitel erweiterten Neuauflage  (ich glaube an die 800 Seiten!) gehört zu den Standardwerken staatstheoretischen Denkens.

Mein Eindruck ist , dass es in erster Linie anglosaxonische  Wissenschaftler (Divine -  Uk ; Cottrell Cocksholt - Schotten; Robin Hahnel/ Michael Albert - US mit ihrer PARECON / participatory economy)  sind , die sich bemühen, postkapitalistische Visionen zu Papier zu bringen. 

Wenig überraschend, wurden Entwürfe 'demokratischer Planung' i.S. von "Marx neu denken" , erst nach 1990 (Sieg des Kapitalismus über den Sozialismus) eher in linken Kreisen diskutiert, nicht aber in den Hochburgen des Neo-Liberalismus, obwohl auch dort bekannt ist, dass die größte Herausforderung in der Menschheitsgeschichte -  das Aufhalten der Zerstörung der Lebensgrundlagen durch Klimawandel -  nicht mit dem neo-liberalen System zu meistern ist. 
Wir sind immer noch dem Denken von H.Schmidt verhaftet: wer Visionen hat, ist krank und soll zum Arzt gehen.
"Keine Experimente !" plakatierte die CDU für die Wahlen 1957. Der Slogan  könnte auch  2025 wieder, ohne aufzufallen, verwendet werden.

Aufgerüttelt haben Wolin (und andere ) unsere Politiker,  oder Wissenschaftler/Studenten nun nicht gerade.
Wir (die 'Kaste' unserer 'elitären' Demokraten)  tun uns ja schon schwer über eine Wahlperiode von 4 Jahren hinauszudenken (ein Blick in die jetzt erschienenen Parteiprogramme genügt) - und glauben , dass in der Kürze der Überschaubarkeit, die Würze für den Wähler liegt, der nicht mit dem Gedanken behelligt werden möchte,  sich vorstellen zu müssen, was in 20 -30 Jahren , in den Generationen nach uns, sein wird. 


Wolin's remarkable argument that the United States has invented a new political form, "inverted totalitarianism," in which economic rather than political power is dangerously dominant. In this new edition (2004) , the book that helped to define political theory in the late twentieth century should energize, enlighten, and provoke generations of scholars to come.

Wolins bemerkenswerte Argumentation, dass die Vereinigten Staaten eine neue politische Form erfunden haben, den „umgekehrten Totalitarismus“, in dem die wirtschaftliche und nicht die politische Macht gefährlich dominant ist. In dieser Neuauflage wird das Buch (2004) , das im späten 20. Jahrhundert zur Definition der politischen Theorie beitrug, künftige Generationen von Wissenschaftlern anregen, aufklären und provozieren.

Wolin argues that political thinkers must also rely on creative vision. Wolin shows that great theorists have been driven to shape politics to some vision of the Good that lies outside the existing political order. As he tells it, the history of theory is thus, in part, the story of changing assumptions about the Good.

Wolin argumentiert, dass politische Denker auch Vertrauen in kreative Visionen haben müssen. Wolin zeigt, dass große Theoretiker dazu getrieben wurden, die Politik nach einer Vision des Guten zu gestalten, die außerhalb der bestehenden politischen Ordnung liegt. Er meint,  dass die Geschichte der (politischen) Theorie daher zum Teil die Geschichte sich verändernder Annahmen über das Gute ist.

Bleibt nur uns klar darüber zu werden, was das Gute ist, das wir anstreben wollen, vielmehr : sollten.
Die bestehende neoliberale Ordnung gibt darauf keine Antwort, kann sie auch nicht, denn der Markt ist nicht für "das Gute" zuständig.

 

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