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Geisteswissenschaft / Philosophie Staatstheorien - Staatsphilosophie

Anna842
Anna842
Mitglied

RE: Staatstheorien - Staatsphilosophie
geschrieben von Anna842
Staatstheorien:  Die Elitedemokratie.

Die Vertreter der  " Elitedemokratie " sehen in dieser keine Demokratie
mehr, da sie völlig entkernt worden ist.
Dem Volk, als dem eigentlichen Souverän, wird als Teilhabe lediglich
die Wahl bzw. die Abwahl zugestanden.
Mehr politische Teilhabe besteht nicht mehr.

Nach Michael Mausfeld bedarf es eines kontinuierlichen
Demokratiemanagement, um diese Elitedemokratie aufrecht zu
erhalten.
Das kann in einer Art Lethargieerzeugung bestehen, in welcher
versucht wird zu verhindern, dass die breite Masse eine von der
Elitedemokratie abweichende politische Haltung entwickelt.
Ein möglichst großes Desinteresse der Bevölkerung am politischen
Geschehen wird innerhalb der Elitedemokratie angestrebt.
( Die da oben machen sowieso was sie wollen)

Eine andere Methode des Demokratiemanagement beschreibt
Noam Chomsky:

" Der intelligente Weg, Menschen passiv und fügsam zu halten,
besteht darin, das Spektrum akzeptabler Meinungen strikt zu
begrenzen, aber eine sehr lebhafte Debatte innerhalb dieses Spektrums
zu ermöglichen.
Das gibt den Menschen das Gefühl, dass freies Denken stattfindet,
während die Voraussetzungen des Systems immer wieder durch die
Grenzen des zulässigen Bereichs der Debatte verfestigt werden.  "
( Chomsky: The Common Good. 1998 )
Als Beispiel können die Unterhaltungs-Polit-Talks angesehen werden.

Rainer Mausfeld:  " Wenn sie dich dazu bringen können, die falschen
Fragen zu stellen, müssen sie keine Angst vor den Antworten 
haben.  "
( Mausfeld: Hybris und Nemesis: Wie uns die Entzivilisierung in den
Abgrund führt.  2023).

Der Wahrnehmungs-und Kognitionsforscher Rainer Mausfeld, führte
den Begriff der  "  Mentalvergiftung  "  in die Debatte ein.
Diese kann zum einen auf der affektiven Ebene stattfinden, und zwar
in der Erzeugung von Hass und/oder Angst.

In diesen Kontext fallen unter anderem Begriffe wie "Sozialschmarotzer",
" Asylantenflut", " Wirtschaftsflüchtling" , " überalterte Gesellschaft " ,
" Demokratiefeinde ", aber auch  " Putin " als ein Begriffssuggerat.

Die Aufmerksamkeit wird auf sog. Ablenkziele gerichtet.

Bezogen auf der kognitiven Ebene findet hingegen eine
Bedeutungsverschiebung bestimmter Begriffe statt, die da wären:

" Friedens-Sicherung",  " humanitäre Mission ", " Solidarität",
" Rettungsschirm ",  " Schutzmacht ",  " Strukturwandel "
" Selbstbestimmungsgesetz " , " freie Märkte ", " Energie-Wende ".

Wichtig ist dabei, dass diese Begriffe positiv besetzt werden und
gleichzeitig der Inhalt unklar bleibt bzw. verschleiert wird.

Michael Hartmann schreibt in seinem Buch " Die Abgehobenen "
aus dem Jahr 2018:

"  Die Eliten sind in ihrer großen Mehrheit inzwischen so weit von
der breiten Bevölkerung entfernt, dass sie zunehmend Schwierigkeiten
haben, deren Probleme zu erkennen und die Folgen ihrer
Entscheidungen für die Bevölkerung zu verstehen. "

Mausfeld ist der Ansicht, dass diese mittlerweile gar nicht mehr
relevant in einer Elitedemokratie sind.

Das Duisburger Institut für Sprach-und Sozialforschung meint zu
Hartmanns These, dass dies keine Elitekritik sei, wie sie sonst 
üblich von rechten Parteien erfolgt, um sich selber als die wahren
Vertreter des Volkes dar zu stellen.
Die Totengräber der Demokratie sind jene Eliten, aus Wirtschaft,
Politik, Medien, die zu einer geschlossenen Gruppe werden und
genau damit eine  " Elitedemokratie " heraus bilden.

In einer Kolumne der Neuen Züricher Zeitung wird Rainer Mausfeld
mit seinem Buch: " Warum schweigen die Lämmer? "  als
Volksaufklärer bezeichnet:

"  Das Bild einer Lämmerherde und ihrem Hirten, welches Mausfeld
anführt in seinem staatstheoretischen Ausführungen, reiche von
Platon über David Hume, de Tocqueville, Bertrand Russell bis hin
zu Harold D. Lasswell.  "

In der Kolumne wird davor gewarnt, dass der Demokratie die
Demokraten ausgehen.
Sie werden darauf reduziert, an Wahlen teilzunehmen.
Und genau damit wird seitens der Theorie eine Elitedemokratie
eine  " Illusion der Demokratie  "  erzeugt.

Anna
olga64
olga64
Mitglied

RE: Staatstheorien - Staatsphilosophie
geschrieben von olga64
als Antwort auf Anna842 vom 20.12.2024, 17:55:02

 

Dem Volk, als dem eigentlichen Souverän, wird als Teilhabe lediglich
die Wahl bzw. die Abwahl zugestanden.
Mehr politische Teilhabe besteht nicht mehr.

Nach Michael Mausfeld bedarf es eines kontinuierlichen
Demokratiemanagement, um diese Elitedemokratie aufrecht zu
erhalten.


Rainer Mausfeld: 


Anna
Ja, wer oder was jetzt? Michael oder Rainer Mausfeld? Von letzterem scheint es Bücher zu geben - aber von einem Michael?

Ich gehe auch nicht damit konform, dass in einer Demokratie dem Souverän - also dem Volk - nur das Mittel der WAhl, bzw. Abwahl als politische Teilhabe zur Verfügung steht.
Wir wählen ja deshalb Repräsentanten (also PolitikerInnen, die uns im Parlament vertreten), weil wir es nicht selbst machen möchten und im Gegensatz zu Diktaturen existieren dann keine meist gewaltbereiten, selbst ernannten Herrscher wie z.B. Putin oder bis vor kurzem noch Assad, die viel Leid über die Menschheit bringen.

Jeder, der oder die unsere kostbare Demokratie so falsch sieht, hat doch die Chance, sich selbst dem WählerIn zu stellen, um dann im Parlament mitzuwirken.
Das Problem ist nur - wird "man" gewählt und wenn ja, für wie lange? Oder ist dieses persönliche Engagement schon bald wieder vorbei, weil "man" den WählerIn nicht überzeugen konnte.? Olga
Anna842
Anna842
Mitglied

RE: Staatstheorien - Staatsphilosophie
geschrieben von Anna842
als Antwort auf olga64 vom 20.12.2024, 18:40:04
Es war der Rainer , ein kleiner Tippfehler, mehr nicht...

Anna

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Anna842
Anna842
Mitglied

RE: Staatstheorien - Staatsphilosophie
geschrieben von Anna842
als Antwort auf olga64 vom 20.12.2024, 18:40:04
Ergänzung vergessen: Michael war der Hartmann.

Anna
Anna842
Anna842
Mitglied

RE: Staatstheorien - Staatsphilosophie
geschrieben von Anna842
als Antwort auf olga64 vom 20.12.2024, 18:40:04
Wir sind hier bei " Wissenschaft " genauer, es geht um Staatstheorien.
Die  " Elitedemokratie " ist eine unter anderen Staatstheorien.
Wenn man  "  Elitedemokratie  " in eine Suchmaschine eingibt, so
erhält man sehr viele Informationen.
Auch diverse Universitäten befassen sich mit dieser Staatstheorie.

Anna

 
aixois
aixois
Mitglied

RE: Staatstheorien - Staatsphilosophie
geschrieben von aixois
als Antwort auf olga64 vom 20.12.2024, 18:40:04

.... dass in einer Demokratie dem Souverän - also dem Volk - nur das Mittel der WAhl, bzw. Abwahl als politische Teilhabe zur Verfügung steht.

Das wäre doch mal der Diskussion wert: welche Mittel stehen dem Bürger neben der Stimmzettelwahl zur Verfügung, um effektiv Politik mitzugestalten ?

Die von der Verfassung den Parteien zugedachte Rolle sieht ja nur (?) eine "Mitwirkung" bei der Formulierung des Volkswillens vor.
 
"Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit ".


Ist denn der Eindruck so falsch, dass die Parteien sich als alleinige Manifestation des Souveräns verstehen, als Monopol sozusagen ?

Wie steht es mit den Möglichkeiten einer 'direkten Demokratie' aus ?
Effektiv, oder nur rein deklamatorischer, d.h. weitgehend unverbindlicher Natur.
Wie kann der Souverän wissen, ob sein Wille zum Tragen kommt (und entsprechend wählen), wenn er nicht weiss, was genau die Parteien wollen (alle wollen doch, dass es den Bürgern wohl ergeht, dass Frieden und Gerechtigkeit herrschen etc., bzw. den Wählerwillen so interpretieren, wie es opportun erscheint ? ).

Ich denke schon, dass unsere Eliten 'da oben in ihrem Olymp' sich nicht immer als Teil der Bürger verstehen.
Für mich kommt das immer dann (wahrscheinlich seitens des Sprechenden unbewusst) zum Ausdruck, wenn "von den Menschen da draußen" die Rede ist, klingt so,  als ob die Götter von den 'Menschen da unten' redeten, als ob es die einen gäbe , die Menschen, und die anderen, die was anderes, was besseres sind, eben weil sie Elite sind und dementsprechend über dafür erforderlichen Machtinstrumente verfügen.
 

 

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Anna842
Anna842
Mitglied

RE: Staatstheorien - Staatsphilosophie
geschrieben von Anna842

Platon geht auch von einem „Verfassungskreislauf“ aus, bei dem eine Regierungsform durch eine jeweils schlechtere abgelöst wird. Die Demokratie rangiert dabei fast am Ende der Kette, nur die Tyrannis kommt noch schlechter weg. Die Masse hält der Philosoph für verführbar und von Stimmungen abhängig. Daher sei sie für Demagogen – Platon spricht von „Drohnen“ – und deren Versprechungen leichte Beute. Letztlich gelte: „In einer Demokratie regieren die Drohnen praktisch den Staat. Die Gefährlichsten von ihnen sprechen und handeln und dulden keine Opposition.“ Auf diese Weise schlage die Demokratie unweigerlich in eine Tyrannei um. Platons Gesamturteil fiel jedenfalls vernichtend aus, zugeschrieben wird ihm der Satz: „Wer in der Demokratie die Wahrheit sagt, wird von der Masse getötet.


Staatslenker durch Bohnen
Auch andere Autoren der griechischen Antike sehen eine Herrschaft des „Demos“, also des Volkes, durchaus zwiespältig. Platons Schüler Aristoteles unterscheidet die Herrschaft einzelner, weniger und aller – und kennt davon jeweils eine positive und eine negative Variante. So ist die Despotie eine entartete Monarchie, die Oligarchie das schlechte Gegenstück zur Aristokratie. Die Demokratie als Herrschaft aller lehnt Aristoteles zwar nicht so scharf ab wie Platon, doch seine „Politie“ genannte Positiv-Version ist keine Herrschaft des Volkes. Vielmehr schwebt ihm eine Mischform aus demokratischen und aristokratischen Elementen vor, in der beispielsweise das Volk die Beamten wählen darf, denen dann die Regierung obliegt.

Dass eine Wahl nichts mit der Qualifikation der Gewählten zu tun haben muss, klingt schon bei Sokrates an. Der griechische Philosoph hielt es für töricht, so berichtet sein Schüler Xenophon, den Lenker eines Staates durch eine Wahl mit Bohnen – den damals üblichen „Stimmzetteln“ – zu bestimmen. Niemand käme schließlich auf die Idee, einen „Steuermann, Zimmermann oder Flötenspieler zu verwenden“, der durch ein solches Verfahren erkoren wurde – auch wenn durch einen solchen Missgriff „viel weniger Schaden entstehen könne als bei Fehlern in den Staatsgeschäften“.

Zwang der Wiederwahl
Alles nur olle Kamellen? Schon richtig: Die heutigen Demokratien haben mit den antiken wenig gemeinsam. So hätten die alten Griechen über ein allgemeines Wahlrecht nur den Kopf geschüttelt, Frauen und Sklaven waren bei ihnen von der politischen Teil habe selbstverständlich ausgeschlossen. Auch war die antike „Polis“ nur ein überschaubarer Stadtstaat, in dem direkte Demokratie funktionierte. In modernen Industriestaaten mit einer Bevölkerung von Zigmillionen ist dagegen nur eine repräsentative Demokratie praktikabel. Dennoch klingt die Philosophenkritik in manchen Punkten immer noch aktuell. Die Masse des Wahlvolks von heute dürfte noch genauso leicht durch Versprechen zu beeinflussen sein, wie es Platon im antiken Griechenland sah. Die Parteipolitik von heute wird ganz wesentlich vom Streben nach taktischen Vorteilen geprägt – vom platonischen Ideal einer Orientierung nur am Gemeinwohl ist sie jedenfalls weit entfernt. Und wer heute in der Politik „die Wahrheit sagt“ – etwa über das Ausmaß der Verschuldung und ihre Folgen – wird zwar nicht mehr „von der Masse getötet“, aber am Wahlsonntag abgestraft und politisch beerdigt.

Demokratie der Elite in der Antike, mit einem kleinen Fingerzeig
auf heute.

Anna

 
Anna842
Anna842
Mitglied

RE: Staatstheorien - Staatsphilosophie
geschrieben von Anna842
als Antwort auf aixois vom 20.12.2024, 20:22:10
Es gibt in kleinerem Rahmen Möglichkeiten einer Beteiligung.
Durch sog. Bürgerinitiativen.
Hier im Dorf gingen sie von Haus zu Haus und sammelten
Unterschriften.
Geplant war von der Gemeinde ein Neubaugebiet auf einer
Rasenfläche, die genau zwischen zwei Waldgebieten lag.
Das sollte verhindert werden.
Die Gemeinde gab nach.
Es wurde ein anderes Gebiet, an der Bundesstraße, als Neubaugebiet
ausgewiesen.
Da wurde der Bürgerwille durch gesetzt.

Beim Hambacher Forst gelang das nicht.
Mit einer unfassbaren staatlichen Gewalt wurde 2018 vorgegangen.
Obwohl es verboten worden war, Bäume zu fällen, wurde von der
damaligen Landesregierung grünes Licht dafür gegeben.
Es wurde massenweise gegen geltendes Recht von Seiten der Polizei
verstoßen. Kann ich gar nicht alles hier aufzählen.

Es ist nachweisbar, dass die damalige Landesregierung ganz im
Sinne des Großkonzerns RWE gehandelt hat.
Und eben nicht im Sinne jener, von denen sie gewählt worden sind.

Der Restwald sollte eigentlich erhalten bleiben.
Kohle wird nicht mehr gefördert.
Aber unter dem Restwald liegt etwas anderes: Kies/Sand !
Noch wertvoller als Kohle mittlerweile.
Nun laufen wieder die Peditionen, die Proteste.
Die Bürgerinitiativen.

Der Wald, der mal ein Bürgerwald war, also er gehörte den
Bürgern der umliegenden Dörfern, bis die Kommunen nach und 
nach alles an RWE verkauft haben
Mit unlauteren Mitteln...und Lügen...

Ich denke, RWE wird sich den Kies holen.

Anna

 
aixois
aixois
Mitglied

RE: Staatstheorien - Staatsphilosophie
geschrieben von aixois
als Antwort auf Anna842 vom 20.12.2024, 21:18:56

Nun laufen wieder die Peditionen, die Proteste. Die Bürgerinitiativen.

Das ist aber eher Opposition gegen die 'eigenen' , gewählten Interessenvertreter, nach meinem Verständnis nicht so sehr Mitgestaltung bei der Formulierung des politischen Willens, die ja eher auf Augenhöhe erfolgen sollte.

'Good governance' (gute Regierungsführung) sieht für mich anders aus.

 
Anna842
Anna842
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RE: Staatstheorien - Staatsphilosophie
geschrieben von Anna842
als Antwort auf aixois vom 21.12.2024, 00:10:43
Wenn man der Theorie der Elitedemokratie folgt, bleibt als
Partizipation nur noch dieser Weg.
Interessenvertreter bezieht sich nicht mehr auf die von ihnen
gewählten.
Unsere Interessenvertreter sind in der Elitedemokratie eher dem
Neo-Liberalismus verpflichtet.
So die Theorie der Elitedemokratie.

Anna

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