Forum Wissenschaften Geisteswissenschaft / Philosophie Hat der christliche Glaube eine Überlebenschance in der "aufgeklärten" Welt?

Geisteswissenschaft / Philosophie Hat der christliche Glaube eine Überlebenschance in der "aufgeklärten" Welt?

Urego
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Hat der christliche Glaube eine Überlebenschance in der "aufgeklärten" Welt?
geschrieben von Urego
Ich bin vor über 70 Jahren in eine konservative katholische Familie hineingeboren worden. Wenn ich sehe, welche Änderungen sich in dem geschichtlich kurzen Zeitabschnitt bezüglich des Glaubenslebens ergeben haben, muß man sich diese Frage stellen.
Hierbei denke ich weniger an die zu zahlende Kirchensteuer, denn es gibt geschichtliche Gründe für deren Entrichtung. Ich denke auch nicht an die Verfehlungen einzelner Vertreter des Klerus.
Ich denke eher an die Grundfesten das Glaubens, z.B. die Inhalte des Glaubensbekenntnisses, die Stellung und Bedeutung der Sakramente und die Bewertung des Papsttums in der Gegenwart.

Urego
schorsch
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Mitglied

Re: Hat der christliche Glaube eine Überlebenschance in der "aufgeklärten" Welt?
geschrieben von schorsch
als Antwort auf Urego vom 02.10.2010, 10:14:16
Ich bin vor über 70 Jahren in eine fanatische Sekten-Familie hineingeboren worden.

Wenn ich betrachte, was im Namen Gottes - besser gesagt derer, die sich als das Sprachrohr Gottes bezeichnen - alles an Verbrechen begangen wurde, ist es mir egal, ob das Wort "Christlich" durch "Mohammedanisch", "Jüdisch" oder was auch immer ersetzt wird.
hugo
hugo
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Re: Hat der christliche Glaube eine Überlebenschance in der "aufgeklärten" Welt?
geschrieben von hugo
als Antwort auf Urego vom 02.10.2010, 10:14:16
ein ganz klares Ja

die Menschheit ist heutzutage dermaßen gespalten in Vernünftige und Unvernünftige, in Normale und Absonderlinge und in viele dazwischenliegende Nuancen , wobei sich jede Art und Unart in der üblich rechthaberischen Weise für die einzig wahre und somit berechtigt hält, den Alleinvertretungsanspruch zu stellen.

Esoterische Heilslehren, abstruse Theorien von Kreationisten, Hellsehern, Astrologen, Quacksalbern bizarre Homöopathen und andere Pseudowissenschaftler und und und haben bisher überlebt (teilweise sind sogar neue entstanden bzw ältere erstarkten,,)
was also sollte uns davon abhalten auch den "gestandenen Heilslehren" wie Buddhismus, Christentum, Hinduismus, Islam, Judentum, Naturreligionen, Barbarentum, Heidentum, Kommunisten, ja sogar faschistischen usw demnächst noch auf dieser Erde zu begegnen ??

hugo

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Lilith
Lilith
Mitglied

Re: Hat der christliche Glaube eine Überlebenschance in der "aufgeklärten" Welt?
geschrieben von Lilith
als Antwort auf hugo vom 02.10.2010, 10:30:09
Ich bin eine Christin
und bin es nach Lehrmeinung der Kirche auch wieder nicht. Ich glaube nicht an einen Gott-Menschen Jesus, ich glaube an den Gott-Geist, der aus ihm spricht. Ich glaube nicht, dass er ohne körperlichen Akt geschaffen wurde, aber ich glaube, dass in seinem Geist Gott selbst erscheint. Ich glaube an Christi Lehre von der Liebe und Vergebung und einen gnädigen Gott, aber ich glaube nicht, dass dieser gnädige Gott ein Blutopfer forderte.
Christus brachte uns die Gewissheit der Erlösung durch seine Worte (1.Joh.1.1: Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort), nicht durch seinen Tod!
Nicht der gütige Gott forderte als Preis für unsere Erlösung den Tod „seines Sohnes“ , sondern wir haben Jesus ans Kreuz geschlagen mit unserer Unfähigkeit, die Wahrheit zu erkennen und tun es noch heute.
Die Erlösung ist: Christus selbst bat den gnädigen Gott in seiner Todesstunde „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“……
Ich glaube nicht an einen lebenden Leichnam oder eine leibhaftige Auffahrt in den Himmel (auch so ein Abstraktum), wo immer der sich befinden mag. Aber ich glaube, wann immer wir Christi Wort folgen, er wahrhaftig auferstanden ist und sein Geist in und um uns lebendig ist.

Ich glaube, dass ein gnädiger Gott-Vater immer für mich da ist und ich nicht erst durch irgendwelche Mittler um Audienz nachsuchen muß. Ich glaube, dass dieser Gott mich selbst ansieht und ihm nicht von „Agenten“ meine Gebete übermittelt werden müssen. Ich brauche keine Kirche, so, wie sie sich mir darstellt: als Verwalter Gottes und des Glaubens.
Gott ist in mir oder nirgends. Niemand kann ihn mir in irgendwelchen Riten stückweise zuteilen. Gott selbst hat mir den Glauben geschenkt und niemand darf mir erklären oder gar vorschreiben, wie ich mit diesem Geschenk umzugehen habe. Der Glaube kommt aus mir selbst, und kann nicht gelehrt werden.
Kirche, wie ich sie mir wünsche, ist eine Gemeinschaft Gläubiger, die ihre persönlichen Gotteserfahrungen austauschen und daraus lernen oder für sich persönlich auch ablehnen dürfen.
Eine Gemeinschaft, die der Lehre Jesu Christi zu folgen versucht und dem gütigen Gott gemeinsam für seine Gnade dankt.
Die Gnade Gottes ist ein Geschenk, das mir ohne Bedingungen zuteil wird, aber kein Freibrief, der mich fröhlich „sündigen“ lässt, da ich am Ende ja doch erlöst werde. Ich kann der Gnade Gottes nur dann teilhaftig werden, wenn ich mich aus tiefster Überzeugung darum bemühe, seinen Geboten zu folgen – was keinem Menschen je wirklich gelingen wird.

Was sind die Gebote Gottes?
Ich glaube, es gibt nur ein göttliches Gebot: Die Liebe.
Alle anderen Gebote sind Ausdrücke der Moral, die sich von Kulturkreis zu Kulturkreis unterschiedlich manifestieren mag.

Was ist Moral?
Moral ist die innere Stimme Gottes, die mir sagt, was Gut und Böse ist.
Einem Kannibalen gebietet sie vielleicht, den Feind zu essen, einem Shintoisten, den Ahnen Speisen darzubringen und einem Mönch, im Zölibat zu leben.
Ich glaube, alles und jeder hat seine Aufgabe von Gott bekommen und soll leben oder existieren (auch die nichtmenschliche Natur) in diesem Sinne.
Soweit die Wissenschaft bis heute nachgewiesen hat, ist allein der Mensch in der Lage, jedwedes Handeln zu bewerten. Deshalb glaubt er, die Krone der Schöpfung zu sein.
Man hat aber auch nachgewiesen, dass Tiere und Pflanzen Empfindungen haben. Und das ist sicher nicht das Ende der Forschung. Sogar die angeblich unbeseelte Erde – ein Konglomerat aus Atomen, Molekülen und daraus entstandenen Substanzen – bringt immer wieder neue Schöpfung hervor: das ist Gott.


Die Religion, in die ich hineingeboren wurde, ist das Christentum. Aus Ihr heraus denke, fühle und handle ich. Aus ihr heraus hat sich mein Gottesbegriff gestaltet, meinem Denken über Gott einen Weg geebnet. Und in diesem Denken – der Gottesdurchdrungenheit allen Daseins und der Lehre der Liebe -,kann ich keine Religion, keinen Glauben, keine Überzeugung als f a l s c h betrachten.

Ich glaube an keine Religion, ich glaube an Gott und :
Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.
¬

hugo
hugo
Mitglied

Re: Hat der christliche Glaube eine Überlebenschance in der "aufgeklärten" Welt?
geschrieben von hugo
als Antwort auf Lilith vom 02.10.2010, 10:32:13
hallo Lilith
na da haste Dir ja eine tolle Glaubensstrategie zurechtgeschustert ,,alle Achtung,
ist ein Sammelsurium aus frühkindlichen Wünschen und Vorstellungen religiösen Sichten und Einsichten bis hin zu wohl sehr persönlichen Träumereien und Erfahrungen.

Besser als nix und Hauptsache Du selber kommst damit klar. Nur gut das unter hiesigen Umständen und Verhältnisse solche Denke solche "Strategie" gute Überlebenschancen hat.*g*

hugo
Urego
Urego
Mitglied

Re: Hat der christliche Glaube eine Überlebenschance in der "aufgeklärten" Welt?
geschrieben von Urego
als Antwort auf schorsch vom 02.10.2010, 10:23:15
Hallo Schorsch,

das ist genau die Diskussionsweise, die ich vermeiden wollte, obwohl ich die Erregung bei Deinen frühen Erfahrungen verstehen kann.

Urego

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eko
eko
Mitglied

Re: Hat der christliche Glaube eine Überlebenschance in der "aufgeklärten" Welt?
geschrieben von eko
als Antwort auf Lilith vom 02.10.2010, 10:32:13
Hallo Lilith,


Danke !


für Dein Credo!

Es könnte, Wort für Wort, von mir stammen, denn genauso denke und empfinde ich auch.

Mögen manche Leute dies auch als "zusammengeschustert" betrachten, das soll uns nicht beeindrucken. Sie wissens halt nicht besser.

Ich wünsche Dir einen schönen Tag.


e k o
adam
adam
Mitglied

Re: Hat der christliche Glaube eine Überlebenschance in der "aufgeklärten" Welt?
geschrieben von adam
als Antwort auf hugo vom 02.10.2010, 10:40:24
na da haste Dir ja eine tolle Glaubensstrategie zurechtgeschustert ,,alle Achtung,
geschrieben von hugo


@hugo,

liest sich das, was lilith schreibt, wie "zurechtgeschustert"?

So, wie Lilith ihren Glauben darlegt, hat sie darüber lange nachgedacht und bringt sehr viel Vernunft in ihre Überzeugung. Das ist das beste Credo, das ich hier im Forum bis heute gelesen habe und es bestärkt mich in meiner Überzeugung, nicht am Glauben anderer herum zu kritteln oder sogar auf der eigenen Überzeugung zu bestehen.

Wenn das Christentum im Verständnis von lilith überlebt, könnte ich das begrüßen.

--

adam

Lilith
Lilith
Mitglied

Re: Hat der christliche Glaube eine Überlebenschance in der "aufgeklärten" Welt?
geschrieben von Lilith
als Antwort auf adam vom 02.10.2010, 11:35:29
Ich möchte hierzu noch ein Gedicht einsetzten, das mich immer wieder berührt:

Das große Ideal
(Prälat Freiherr von Wessenberg)

Ich glaube, dass die schöne Welt regieret
Ein hoher, weiser, nie begriff‘ner Geist,
Ich glaube, dass Anbetung ihm gebühre,
Doch weiß ich nicht, wie man ihn würdig preist.

Nicht glaub‘ ich, dass der Dogmen blinder Glaube
Dem Höchsten würdige Verehrung sei,
Er bildet uns ja, das Geschöpf im Staube,
Vom Irrtum nicht und nicht von Fehlern frei.

D‘rum glaub‘ ich nicht, dass vor dem Gott der Welten
Des Talmud und des Alkoran
Bekenner weniger als Christen gelten;
Verschieden zwar, doch alle beten an!

Ich glaube nicht, wenn wir vom Irrwahn hören,
Der Christenglaube mache nur allein
Uns selig! wenn die Finsterlinge lehren:
“Verdammt muss jeder Andersdenker sein!”

Das hat der Weise, der einst seine Lehre
Mit dem Tod besiegelt, nie gelehrt;
Das hat fürwahr - dem Herrlichen sei Ehre -
Kein Jünger je aus seinem Mund gehört!

Er lehrte Schonung, Sanftmut, Duldung üben,
Verfolgung war des Hohen Lehre fern;
Er lehrt‘ ohn‘ Unterschied die Menschen lieben,
Verzieh dem Schwachen und dem Feinde gern. –

Ich glaube an des Geistes Auferstehen,
Dass, wenn dereinst das matte Auge bricht,
Geläuterter wir dort uns wiedersehen,
Ich glaub‘ und hoff‘ es! doch ich weiß es nicht.

Dort, glaube ich, werd‘ ich die Sehnsucht stillen,
Die hier das Herz oft foltert und verzehrt,
Die Wahrheit, glaub‘ ich, wird sich dann enthüllen
Dem Geiste dort, dem hier ein Schleier wehrt. –

Ich glaube, dass für dieses Erdenleben,
Glaub‘s zuversichtlich, trotz der Deutlerzunft,
Zwei schöne Güter mir der Herr gegeben,
Das eine Herz, das andere heißt Vernunft.

Die letzt‘re lehrt mich prüfen und entscheiden,
Was ich für Recht und Pflicht erkennen soll,
Laut schlägt das Erst‘re bei des Bruders Freuden,
Nicht minder, wenn er leidet, warm und voll!

So will ich denn mit regem Eifer üben,
Was ich für Wahrheit und für Recht erkannt,
Will brüderlich die Menschen alle lieben,
Am Belt, am Hudson und am GangesStrand.

Ihr Leid zu mildern und ihr Wohl zu mehren
Sei jederzeit mein herzlichster Beruf,
Durch Taten glaub‘ ich würdig zu verehren
Den hohen Geist, der mich und sie erschuf.

Und tret‘ ich dann einst aus des Grabes Tiefen
Hin vor des Weltenrichters Angesicht,
So wird er meine T a t e n strenge prüfen,
Doch meinen Glauben? Nein, das glaub‘ ich nicht!

ehemaligesMitglied27
ehemaligesMitglied27
Mitglied

Re: Hat der christliche Glaube eine Überlebenschance in der "aufgeklärten" Welt?
geschrieben von ehemaligesMitglied27
als Antwort auf hugo vom 02.10.2010, 10:40:24
Hugo

Du solltest den Beitrag von Lilith ganz langsam lesen und zwar mehrmals, vielleicht verstehst Du dann, was sie gesagt hat.

Schöner und deutlicher kann man das eigene Verständnis vom Glauben gar nicht ausdrücken.

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