Forum Wissenschaften Geisteswissenschaft / Philosophie Dürfen Fachfremde Kritik üben?

Geisteswissenschaft / Philosophie Dürfen Fachfremde Kritik üben?

Re: Dürfen Fachfremde Kritik üben?
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf bongoline vom 24.03.2008, 23:10:19


Außerdem, er hat über die von ihm bevorzugte Narkoseform mir ein ausführliches Referat gehalten, das ich mir ohne ihn zu unterbrechen angehört habe. Nach seinem Vortrag dann habe ich ihn darauf hingeweisen, welche schwerwiegende Nachfolgen ich schon bei Mitpatienten nach dieser Narkoseform miterlebt habe, die sich ausgekotzt haben stundenlang, nicht mehr fähig waren, die Klingel zu drücken, weil der Kreislauf galoppiere, meinte er, ja diese Nachwehen sind üblich, ausgelöst durch die Opiate - sehen sie, hab ich gesagt, sie haben mir nur ihr abgedroschenes Referat gehalten, über die Nebenwirkungen haben sie kein Wort verloren. Da sind sogar die Pharmakonzerne genauer in ihren Angaben auf den Beipackzetteln.


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bongoline



Hallo Bongoline,

Deine Schilderung verwundert mich:
Medizinrechtlich gibt es nämlich kaum etwas schwerwiegenderes (zum juristischen Nachteil des Arztes) als eine unterlassene oder auch nur lückenhafte Aufklärung über mögliche Risiken.
Erfolgt ein Eingriff ohne vorherige vollständige (!) Aufklärung, kann dies im Zweifelsfall sehr schnell juristisch den Tatbestand der Körperverletzung erfüllen!
Im Arzthaftungsprozess bedeutet das, dass nicht der Patient (wie sonst üblich) etwaige Behandlungsfehler beweisen muss, sondern dass der Arzt die volle Beweislast trägt!

Außerdem: Die Anwendung einer Narkose, die nicht dem gültigen medizinischen Standard entspricht, stellt juristisch einen "groben Behandlungsfehler" dar. Grobe Behandlungsfehler führen bei Gerichtsprozessen ebenfalls zur Beweislastumkehr!

Fazit: Wenn Du Grund hast, die fachliche Kompetenz des Anaesthesisten anzuzweifeln oder Du ihm aus anderen Gründen nicht vertraust, kann ich Dir nur empfehlen, Dir für den vorgesehenen Eingriff ganz schnell eine andere Klinik zu suchen.
Die Narkose ist nämlich (mindestens) so gefährlich wie der chirurgische Eingriff selbst!


Alles Gute, Ursula
silhouette
silhouette
Mitglied

Re: Dürfen Fachfremde Kritik üben?
geschrieben von silhouette
als Antwort auf bongoline vom 24.03.2008, 23:18:27
Das hast du ganz richtig gemacht, bongoline. Mein Vertrauen in die Anästhesie musste ich zweimal büßen. In dem einen Fall sagte mir hinterher mein behandelnder Orthopäde: Sie sind nicht der erste Fall, wo so etwas passiert. Und in dem anderen hörte ich, zufällig bei einem privaten Schwätzchen mit einem Hautarzt: wegen dieser Risiken machen wir solche Narkosen gar nicht mehr.
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silhouette
schorsch
schorsch
Mitglied

Re: Dürfen Fachfremde Kritik üben?
geschrieben von schorsch
als Antwort auf Karl vom 24.03.2008, 17:18:36
Ich habe nie behauptet, es bräuchte keine Fachleute. Es ist aber erwiesen, dass auch Fachleute sich irren können. Dazu verweise ich auf jenen Mann, der behauptete, die These "Alle Himmelskörper drehen sich um die Erde" sei falsch; die Erde drehe sich um sich selber. Er wurde vom Gericht dazu verdonnert, seinem Irrglauben abzuschwören, ansonsten werde er lebendigen Leibes verbrannt.

Und so passiert es denn auch heute noch jedes Jahr, dass Jahrhunderte oder -tausende alte Thesen als unwahr entdeckt werden. Und manchmal sind es Laien, die per Zufall die Wahrheit entdecken.

Und sogar die Fachleute unter sich sind sich oft nicht einig; der eine behauptet dies, der andere behauptet, genau das Gegenteil sei der Fall.

Was ist eigentlich ein Fachmann? Doch einer, der langsam vom Laien zum Fachmann WURDE. Und wenn er mal einer ist, dann sollte er immer noch fähig und willens sein zu bedenken, dass auch er sich irren könnte.

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schorsch

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bongoline
bongoline
Mitglied

Re: Dürfen Fachfremde Kritik üben?
geschrieben von bongoline
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 25.03.2008, 09:01:56
Ursula,

du klammerst Dich da an alle möglichen gesetzlichen Vorlagen, hast aber nicht in meiner Antwort gelesen, daß dieser Arzt mich nicht in die Hände bekommt sondern nur allen "Bürokram und Aufklärung" vornehmen mußte.

Ein Klinikwechsel käme gar nie in Frage, denn ich bin in einer der gefragtesten Universitätskliniken weit über die Grenzen Österreichs hinaus und was Narkose- und Operationsverlauf anlangt, muß man mir, nur mal nach den bisher bereits erfolgten 12 großen Operationen (von den kleinen rede ich gar nicht) nichts mehr erzählen. Also kenne ich meinen Körper, meine Reaktionen und mein Narkoseverhalten wohl selbst am besten und mich auch der Operateur, der dem Operationsteam vorsteht. Und Deine Anregung, die Klinik schnellstens zu wechseln das ist schon ein bißchen lächerlich, morgen ist der OP-Termin und so viele Spezialkliniken hats nunmal nicht in Tirol. Aber keine Sorge, ich bin in besten Händen und habe bisher vor meinen Op's noch immer mit dem Ärztegewusel um mich herum noch eine recht amüsante Unterhaltung geführt, bevor man mich ins Taumland geschickt hat.

Ein Patient, der relativ unbedarft das Aufklärungsgespräch mit diesem Arzt geführt hätte, wäre über dessen Vortrag zu der von ihm bevorzugten Narkoseform sicher begeistert gewesen, aber so als alter Hase wie ich, habe ich halt aus vielen Gespräche und Beobachtungen, dem logischen Denken über Zusammenhänge ein bißchen mehr Einblick in die Materie als einer, der zum ersten mal auf den OP-Tisch kommt. Darum habe ich mir auch die Kritik dem Narkosearzt gegenüber erlaubt - und das war ja vorgegebenes Thema hier im Forum, nichts anderes.

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bongoline
carlos1
carlos1
Mitglied

Re: Dürfen Fachfremde Kritik üben?
geschrieben von carlos1
als Antwort auf bongoline vom 25.03.2008, 10:08:04
"Ein Patient, der relativ unbedarft das Aufklärungsgespräch mit diesem Arzt geführt hätte, wäre über dessen Vortrag zu der von ihm bevorzugten Narkoseform sicher begeistert gewesen, aber so als alter Hase wie ich, habe ich halt aus vielen Gespräche und Beobachtungen, dem logischen Denken über Zusammenhänge ein bißchen mehr Einblick in die Materie als einer, der zum ersten mal auf den OP-Tisch kommt. Darum habe ich mir auch die Kritik dem Narkosearzt gegenüber erlaubt - und das war ja vorgegebenes Thema hier im Forum, nichts anderes." bongoline

Im Vergleich zu Bongo bin ich ein völliger Laie was OPs betrifft und Anaesthesie. Der Arzt hätte mir alles erzählen können und wenn er es gut rübergebracht hätte und einen vertrauenerweckenden Eindruck gemacht hätte, halbwegs sauber ausgesehen hätte und frisch gewaschen gewesen wäre, grammatikalisch ein einwandfreies Deutsch (Englisch etc. ) gesprochen hätte, hätte ich ihm blind vertraut. Das kommt daher, dass ich in meinem bisherigen Leben erst einmal vor 13 Jahren wegen Knie-OP in den Schlummerzustand versetzt wurde. Fand es sogar im Nachhinein als sehr angenehm; das Erwachen weniger. Eigentlich ist Bongo eine sehr gut informierte, kompetente Fachfrau, die genau über ihre Bedürfnisse Bescheid weiß und darüber, was ihr gut tut und was nicht. Ich kann sie gut verstehen.

Damit haben wir eben das Problem des Aufeinandertreffens zweier Fachleute in einer Beratung. Die Begegnungen von Fachleuten ist noch viel problematischer als zwischen Laien und Fachleuten. Je geringer die Unterschiede im Kenntnisstand und Renommée sind, desto erbitterter werden in kleinsten Dingen die Unterschiede herausgekehrt und das Besserwissen demonstriert.

Ich habe einmal einen Prozess gegen einen Architekten führen müssen. Musste dazu mich durch eine große Anzahl von Büchern aus dem Bereich Bauphysik mit den dazugehörigen DIN-Vorschriften durcharbeiten, was kein Problem war, da in diesem Bereich alles relativ einfach zu erklären ist. Der RA war mehr oder weniger hilflos. Ich lieferte die Vorlagen für dicke Schriftsätze von 30 bis 40 Seiten, Zeichnungen und Erklärungen, bis die andere Seite aufhörte zu schreiben. Das Problem war nur, wie den Richtern klarzumachen wäre, dass ich Recht hatte. Der Archi war Fachmann. Zwei unabhängige Sachverständige mussten herhalten, um die offensichtlichsten Mängelerscheinungen zu bestätigen. Erst ein Gutachter mit Format setzte dem Trauerspiel ein Ende. Am Schluss bemerkte ich noch, dass die Gegenseite bei den eingereichten Vertragskopien entscheidende Hinweise am Rand beim Ablichten geschickt abgedeckt hatte, weil sie darauf ihre juristischen Spitzfindigkeiten aufgebaut hatte. Seitdem weiß ich, dass nirgends so gelogen wird wie vor Gericht, besonders in einem Zivilprozess. Vor dem Oberlandesgericht kam es trotz Berufung nicht mehr zur Verhandlung. Dort saßen bessere Juristen als im Landgericht.

schorsch hat Recht, wenn er sagt, dass alle Fachleute einmal Nicht-Fachleuten waren. Das Problem für uns ist, dass wir gar nicht Fachkenntnisse auf vielen Gebieten erwerben können. Wir sind gezwungen Fachleuten zu vertrauen.

Im übrigen ist gerade die Begegnung mit Fachleuten anderer Disziplinen besonders anregend wegen der Fragestellungen.
c.
c.
florian
florian
Mitglied

Re: Dürfen Fachfremde Kritik üben?
geschrieben von florian
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 23.03.2008, 12:41:43
Falsch - Studierte können genauso dumm sein wie ein Hauptschüler.

Es kommt einzig auf den Einsatz des erworbenen Wissens an!
--
florianwilhelm18

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susannchen
susannchen
Mitglied

Re: Dürfen Fachfremde Kritik üben?
geschrieben von susannchen
als Antwort auf florian vom 25.03.2008, 21:56:08
Falsch - Studierte können genauso dumm sein wie ein Hauptschüler.


Das halte ich für Unsinn, betrifft evtl. sein Allgemeinwissen, aber mit Sicherheit nicht sein Fachwissen.
Oder hast du schon einen Hauptschüler gesehen der das Examen machte?
--
susannchen
Karl
Karl
Administrator

Re: Dürfen Fachfremde Kritik üben?
geschrieben von Karl
als Antwort auf schorsch vom 25.03.2008, 09:21:24
Lieber Schorsch,


mit dieser Sicht der Dinge bin ich einverstanden.

--
karl
mart
mart
Mitglied

Re: Dürfen Fachfremde Kritik üben?
geschrieben von mart
als Antwort auf schorsch vom 25.03.2008, 09:21:24
"Und manchmal sind es Laien, die per Zufall die Wahrheit entdecken"(Schorsch)

Ich würde meinen, nicht "die Wahrheit", sondern die bessere Erklärung, neue, andere Zusammenhänge und Anwendungen.

Und ich würde auch sagen, nicht nur durch "Zufall", sondern durch einen frischen, unverbildeten Blick, einen neuen Blickwinkel oder durch Verbindung versch. Fachgebiete.

Fachleute sitzen nicht nur oft im Elfenbeinturm, sie sehen auch oft vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr.

mart
carlos1
carlos1
Mitglied

Re: Dürfen Fachfremde Kritik üben?
geschrieben von carlos1
als Antwort auf susannchen vom 25.03.2008, 23:54:32
Hier geht es um Meinungen und Erfahrungen. Ich gebe Florian RZitat von Florian


Falsch - Studierte können genauso dumm sein wie ein Hauptschüler.





Das halte ich für Unsinn, betrifft evtl. sein Allgemeinwissen, aber mit Sicherheit nicht sein Fachwissen.
Oder hast du schon einen Hauptschüler gesehen der das Examen machte?
--
susannchen



Es geht hier um Meinungen und Erfahrungen, nicht um exakt nachprüfbares Wissen. Ich glaube, dass Florian hier Recht hat. Susannchen sollte bedenken, dass Dummheit nicht Unwissenheit gleichzusetzen ist. Ein Studierter mit Examen kann viel Fachwissen angehäuft haben, ist aber außerhalb seines Fachgebietes völlig inkompetent und hilflos. Dummheit ist der Mangel an Urteilskraft. Der Fähigkeit sich rasch in einem neuen Fachgebiet zu informieren und Zusammenhänge zu erkennen aufgrund vorhandenen Wissens (Transferleistung), diese einzuordnen und zu bewerten, spricht für das Vorhandensein von Urteilskraft. Ein anderes Wort dafür wäre Bildung. Bildung hat jemand mal gesagt, ist das, wss übrig bleibt, wenn man alles vergessen hat.
Nicht jeder Studierte ist gebildet, obgleich er über viel Wissen verfügen kann. Das Vorhandensein eines hervorragenden Examens ist keine Garantie für Bildung und Urteilsfähigkeit. Diese Erfahrung habe ich häufig gemacht.
Bitte nun nicht den Umkehrschluss ziehen: Fehlendes Wissen ist eben auch nicht gleich Bildung.


c.

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