Geisteswissenschaft / Philosophie Das ist unser Haus
Ich dachte dabei mehr an Selbst- und Fremdwahrnehmung: Wie nehme ich mich selber wahr? Wie werde ich von anderen wahrgenommen.
Natürlich auch: Wie nehme ich andere wahr?
(Mein ureigenster "heißer Stuhl" 😁)
Roxanna
Da sind wir allerdings einige Stufen weiter ...
Na gut, Berkeley folgend existieren sie in der Wahrnehmung Gottes.
Doch ist es das was den Menschen erfüllt, was ihm Selbstwert, Nähe und Geborgenheit vermittelt?
Ich würde da von einem ganzheitlichen Wahrnehmen sprechen, dass in einer gelebten Beziehung spürbar wird, jedoch empirisch nicht nachgewiesen werden kann.
Meine Tochter-Sonderschullehrerin hatte sich für ihre Diplomarbeit das Thema: "Die Bedeutung der Beziehung für die Kommunikation mit geistigbehinderten Kindern" entschieden. Das führte dann zur Auseinandersetzung mit Hermaneutik und u a Martin Buber. (Ich und Du): "Somit bildet der Mensch seine Identität vornehmlich in Relation zu dem ihn Umgebenden: Erst die Begegnung mit einem menschlichen Gegenüber, dem „Du“ (Ich-Du-Beziehung), oder mit der dinglichen Welt, dem „Es“ (Ich-Es-Beziehung), ermöglicht eine Abgrenzung des „Ich“ von seiner Umwelt. ... Als Dreh- und Angelpunkt des religionsphilosophischen Ansatzes Bubers ist jedoch die Beziehungsfähigkeit des Menschen zum „ewigen Du“ Gottes zu sehen." Ich und Du
Warum so kompliziert und abstrakt?
Alle Neugeborenen lernen aus der Interaktion mit dem Gegenüber etwas über sich selber, nämlich daß es mit seinem Verhalten etwas bewirken kann, wenn es Hunger hat und schreit kommt Essen, wenn es lächelt kommt ein Lächeln zurück, wenn es mit den Augen versucht ein "Spielzeug" zu hypnotisieren, bekommt es das gereicht, die Reaktion, die Antwort des Gegenübers wirkt auf ein Neugeborenes wie ein Spiegel, der ihm sein eigenes Verhalten widerspiegelt und so lernt das Neugeborene sich selber und seinen Körper peu á peu kennen, bis der Zeitpunkt kommt, daß es sich eines Tages im Spiegel erkennt, das ist der Beginn des ICH.
Das ist bei geistig behinderten Kindern nicht anders, dauert aber viel länger ....... bei meiner Tochter dauerte es bis zum 8.Lebensjahr, aber da akzeptierte sie auch nicht das Ich, sondern sie sprach von sich in der 3.Person, war mir aber egal, Hauptsache sie meinte sich!
Edita
Warum so abstrakt?
Ich antwortet auf Bias.
Und in einer Diplomarbeit reicht es leider auch nicht zu schreiben. "Ich habe das und das in der praktischen Arbeit (die ja ihre Grundlage war) beobachtet.
Bis dahin hatte meine Tochter rein intuitiv mit einem schwerstbehinderten 5 Jährigen gearbeitet und das Kind machte in kurzer Zeit deutliche Fortschritte. Alles lief nur über Körpersprache ab ...
Das läuft aber bei allen Menschen nachdem sie geboren wurden so ab, die Interaktion des Neugeborenen mit dem oder einem Gegenüber ist Voraussetzung für das Kennenlernen seines eigenen ICH, die Körpersprache interpretiert nur wortlos die Interaktion mit dem Gegenüber, das alles ist aber kein Spezialgebiert von oder für geistig Behinderte!
Edita
Na gut, Berkeley folgend existieren sie in der Wahrnehmung Gottes.Wenige Menschen mag es geben, die mit der ausschließlichen Wahrnehmung durch Gott zufrieden sind – und auch das glaube ich nicht. Denn Menschen, die sich Gott verschrieben haben kümmern sich gerade um andere Menschen, um Menschen, denen es schlecht geht, die meist ausgeschlossen sind von der üblichen Gesellschaft. Sie würden diese soziale Arbeit nicht tun, wenn sie wüssten, dass Gottes Wahrnehmung genügt. Dann bräuchten sie ja nur missionieren. Gut, davon gibt es auch welche, aber die sind immer mindestens zu zweit unterwegs.
Doch ist es das was den Menschen erfüllt, was ihm Selbstwert, Nähe und Geborgenheit vermittelt?
Mönche wie Nonnen leben in ihrer religiösen Gemeinschaft, was zeigt, dass auch dort Mitmenschen notwendig sind.
Selbstwert, Nähe und Geborgenheit sehe ich nicht unbedingt in gegenseitiger Abhängigkeit. Selbstwert kann durch unterstützende Erziehung gebildet werden und ein Leben lang anhalten, selbst wenn im späteren Lebenslauf Partner, Familie oder Freunde fehlen. Manchmal ersetzt allerdings auch eine gediegene Feindschaft diesen Mangel.
Nähe und Geborgenheit mag für die meisten Menschen notwendig sein, sehe ich aber nicht als zwingend notwendig an. Ein innerer Bezug, Wärme im Denken an auch ferner lebende Freunde oder Familienmitglieder würde ich als ausreichend ansehen. Wenn sich diese Wärme dann auch auf das nachbarliche Umfeld überträgt, ohne dass man Kaffee- oder Grillrunden betreibt, ist es meiner Meinung nach genug, um nicht als mumifizierte Leiche nach Jahren entdeckt zu werden.
Eine WG deswegen auszuhalten würde ich für mich ausschließen.
Ich habe Schwierigkeiten, die Erkenntnismetaphysik Berkeleys mit dem Verbleiben der angeblichen Alt-Hippie Dame in einer morbid-alltäglichen Kohabitationsgruppe (in der sie nur bleibt, weil sie wenigstens 'wahrgenommen' wird und nicht in der Anonymität leben/sterben möchte) in einen Zusammenhang zu bringen.
Berkeley bezog sich doch auf Dinge (nicht Menschen), die ihre Existenz durch das Wahrgenommen Werden verdanken. Auf Menschen bezogen hat Marx umgekehrt geschlussfolgert, wenn er meint, dass das gesellschaftliche Sein das Bewusstsein bestimmt. Wiederum andere (der alte Descartes zum Beispiel) kamen zu dem Ergebnis, dass der Mensch durch sein Denken existiert ...
Die Existenzialisten postulierten da schon klarer : das Fremdsein überwinden, dem Leben in einer gleichgültigen Umwelt kann der Mensch durch sein verantwortliches Handeln, durch seinen freiheitlichen Willen seinen Lebensentwurf selbst zu gestalten einen Sinn geben.
Mir scheint das Kernproblem zu sein, wie kommen die Menschen, die auf Stärke, auf Individualismus getrimmt werden (alles andere wäre Schwäche, wäre naives Gutmenschentum) in einer urbanen Siedlungsstruktur zurecht, in der es keine 'gewachsene' Nachbarschaftskultur gibt, wo selbst Paare nur eine Kombination von orientierungslosen Individuen sind, mit angelernten Verhaltensroutinen, die nicht aus ihnen selbst kommen und deshalb künstlich-seminarhaft wirken.
Könnte der Tatort so auch in einer Dorfgemeinschaft spielen ? Ich glaube nicht.
Nachbarschaft (was für mich das Wahrnehmen des anderen beeinhaltet und sei es nur, um sich mal ein paar Eier zu borgen) braucht Zeit zum Entstehen, was in auf die grüne Wiese hingeklatschten Wohnsiedlungen mit zufällig zusammengewürfelten Bewohnern sehr schwierig sein dürfte. Das zeigte auch der Film, letztlich waren sich alle Teilnehmer im Grunde fremd, hatten nur wenig Gemeinsames.
ich bin im nebenan-Netzwerk für Nachbarn hier im Veedel ( https://nebenan.de/feed ). Das läuft aber nicht so recht, wie aus der ständigen Mitteilung hervorgeht :
"In deiner Nachbarschaft sind 77 Nachbarn aktiv. Unsere Erfahrung zeigt: Erst ab 100 Nachbarn kommt Schwung in die Nachbarschaft! Lade weitere Nachbarn ein und hilf mit, dass deine Nachbarschaft wächst. Es geht ganz einfach: Per Handzettel, E-Mail oder Messenger".
Eine neue, wie ich finde, sehr gute Initiative betrifft die Hilfe bei Impfterminen Nachbarschaftshilfe., die sich aber je nach Bundesland anders darstellt (wir kriegen Briefchen mit Anweisungen).
Und da ist der Tatort dann doch halt wieder nur ein begrenzter Ausschnitt aus der Realität : die Hausgemeinschaft ist nicht isoliert, es gibt sicher Vereine, andere Anwohner, Sozialdienste, Kirchengemeinden, usw ringsum, die alle bereit wären zu helfen, auch der Alt-Hippie Dame, sofern sie es denn will. Sie muss nicht in der verkorksten Hauskonfliktgemeinschaft bleiben.
Berkeley bezog sich doch auf Dinge (nicht Menschen), die ihre Existenz durch das Wahrgenommen Werden verdanken.Du scheinst Dir da sicher zu sein, Aixois.
geschrieben von aixois
Der Baum welcher durch den Menschen wahrgenommen wird erhält Berkeley zufolge zur Existenz.
Der Mensch welcher nicht wahrgenommen wird dürfte ebenso wie zuvor der Baum existieren.
Mit dem Unterschied: Er ist Wahrnehmender und konstruiert im Zweifel.
Für meine Überlegung ist das unwesentlich. Ich erlaube mir hier, aufgehängt an Berkeley ein wenig selbst zu denken (zu philosophieren).
Und so lässt sich meine Kernfrage reduzieren auf:
"Lebt der Mensch, der nicht wahrgenommen wird oder existiert er halt so vor sich hin"?
und
auf den Therapeutenstandardspruch: "Was mach das mit dir (ihm)"?
"Mir scheint das Kernproblem zu sein, wie kommen die Menschen, die auf Stärke, auf Individualismus getrimmt werden (alles andere wäre Schwäche, wäre naives Gutmenschentum) in einer urbanen Siedlungsstruktur zurecht, in der es keine 'gewachsene' Nachbarschaftskultur gibt, wo selbst Paare nur eine Kombination von orientierungslosen Individuen sind, mit angelernten Verhaltensroutinen, die nicht aus ihnen selbst kommen und deshalb künstlich-seminarhaft wirken."
So gesehen berühren sich da unser beider Überlegungen da möglicherweise.
Bias erwähnte nebenbei: " Gut, könnte man meinen, für die ist das Internet, sind Foren im Internet wie dieses ein Segen."
Helfen Internetkontakte wirklich? In Zeiten wie diesen (Pandemie)? Fühlt es sich an wie "Wahrgenommen werden"?
"So langsam wird man wahnsinnig - so´n bisschen," schrieb mir heute jemand.
Zoom-Chorproben - Viele Chormitglieder nehmen das Angebot gerne an.
Die Chorleiterin meint scherzhaft: "So war heute mal wieder mein Tag! 😂😂😂