Fernsehen und Film Ein sicher kontroverses TV--Highlight ARD 6. Juni 20.15 Uhr
Lieber Karl, ich möchte mit dieser Kritik bei meinem Beitrag anfangen, da es mir ähnlich geht. Frau Maischberger mutierte in den letzten Jahren zu einer Moderatorin, die grundsätzlich jedes Thema (vorwiegend Islam)dazu benützt, um die ihr persönlich anscheinend unsympathische Frau Merkel zu attackieren.
Diese Talkshows von Frau Maischberger hängen mir zum Halse heraus. Wann thematisiert sie einmal wirklich wichtige Themen der Republik? Wie z. B. "Wie gefährlich ist der NSU heute noch?" oder "Warum geraten die Verbrechen der Nazis immer mehr in Vergessenheit und was bedeutet dies für unsere Zukunft?".
Karl
Ich kann diesen Stil auch nicht mehr ertragen, wenn sie jedem ihrer Gäste, der seine Gedanken ausführen möchte, in die Rede fällt, es sei denn, es ist jemand, der auf ihrer Linie erscheint.
Diese Diskussion habe ich für mich schnell abgebrochen, weil sie mir eigentlich nur Zeit raubt(e), die ich persönlich für die Verarbeitung des Films benötigte.
Ich fand den Film gut und sehr ,sehr verstörend. Die Schauspieler Selge und Brandt faszinierten mich mal wieder in vollem Umfange.
Ist es wirklich so,dass Menschen unserer Kulturkreise (insbesondere Männer) so schnell korrumpierbar werden ,dass sie in Aussicht eines fürstlichen Gehaltes, einer grossen Villa, derEinführung der legalen Polygamie (mit Frauen, die dann maximal 15 Jahre alt sind) sich schnell mit den GEpflogenheiten eines anderen, religiösen politischen Systems arrangieren? Hatten sie früher ihren wohl ödipalen Hass auf Frauen nur gut versteckt hinter klugen Reden und weniger Taten und sind jetzt froh, dass wieder Ordnung hergestellt ist? Dass Frauen zu Sexualobjekten mit dienender Funktion degradiert werden und dies ganz offiziell? Die Verhinderung des FN mit Marine le Pen passt da auch gut ins SChema (weniger ins intellektuelle)?
Ich komme nicht umhin, dies alles bejahen zu müssen, weil es wohl die tiefsten ABgründe in einem Menschen-/Männerleben sind, die dies möglich machen. Besonders dann, wenn ein Mann alt wird und sowohl seine sexuelle Attraktivität als auch seine berufliche schwinden sieht wie Eis in der Sonne.
Bei allem, was dieser Film bot, dürfen wir natürlich nicht die spezifische Art des Autors vergessen (der ja im Schlussbild rauchend kurz aufgetreten ist): er ist ein SArkast, der es anscheinend liebt, seinem Volk (und auch uns allen) drastisch vor Augen zu halten,wie verrottet wird geworden sind im Laufe unseres Lebens. Er hat ja öfters in Interviews ausgedrückt, dass es ihn wundert, wie sehr ernst er genommen wird....
Für mich war dieser Fernsehabend ein grosses Ereignis; eine Freundin, die bei mir war und mit der ich dann noch länger diskutierte, sah das ganz anders. ABer so ist das halt - auch das fanden wir interessant. Die oft pornographische (explizite) Sprache störte uns nicht; die haben wir ja erwartet bei diesem Autor. Olga
Hallo Olga,
ich fand eben nicht gut, dass dieser Film nicht an der Realität orientierte Klischees transportierte. Polygamie ist bei uns lebenden Muslimen, wenn überhaupt, nur ein winziges Randthema und in Deutschland verboten. Das Problem entsteht nur, wenn bereits verheiratete Flüchtlinge nach Deutschland kommen.
Badische Zeitung (Annemarie Rösch)Nur Frau Gaus von der TAZ hat (meiner Meinung nach) bei Maischberger die richtigen Worte gefunden und sich der Hysterie des Filmes und einer Frau Kelek nicht angeschlossen.
Zunächst einmal muss man vorausschicken, dass ein Mann nach islamischem Recht maximal vier Frauen gleichzeitig heiraten darf. Eine solche polygame Ehe ist an strenge Regeln gebunden: So muss der Mann all seinen Frauen exakt dieselben Leistungen zukommen lassen. Reichere Muslime mieten etwa für jede Frau und ihre Kinder eine eigene Wohnung. Ärmere müssen für jede einen Raum bereitstellen. Die Forderung beschränkt sich nicht nur aufs Finanzielle. Der polygame Ehemann darf keine seiner Frau sexuell oder emotional bevorzugen. Oft ist es üblich, dass er abwechselnd die Nächte bei einer der Frauen verbringt – so diese es dann wollen. Da solch polygame Ehen eher schwer zu bewerkstelligen sind und teuer werden können, sind sie gerade in ärmeren muslimischen Ländern selten.
Hinzu kommt, dass Polygamie nicht mehr in allen muslimischen Ländern erlaubt ist. So ist sie etwa im Kosovo, der Türkei und Tunesien verboten. In anderen Ländern, etwa Marokko, darf ein Mann nur eine zweite Frau nehmen, wenn die erste Frau diesem Vorhaben zustimmt. In vielen Ländern ist es auch üblich, dass die Ehefrau Polygamie in einem Ehevertrag ausschließt. Das setzt voraus, dass die Frau und ihre Familie einen entsprechenden gesellschaftlichen Status haben, um dies durchsetzen zu können.
Karl
Also, jetzt habe ich diesen Film gesehen und bin maßlos enttäuscht über dieses tiefe Niveau. Mehr Klischees geht ja kaum noch. Ein muslimischer Politiker wird französischer Präsident und prompt ist die Vielweiberei eingeführt, Frauen werden aus dem Arbeitsleben entfernt, die Sorbonne wird eine muslimische Universität etc. Einfach nur schrecklich, wie auf primitivste Weise hier Vorurteile gepflegt wurden, als wäre nicht auch ein muslimischer Präsident an Gesetze gebunden.Hallo Karl,
Karl
meiner Meinung nach, darf dieser Film nicht ernst/wörtlich genommen werden. Die Hauptfigur tut dies ja selbst auch nicht.
Das gleichnamige Buch erschien 2015 an dem Tag als ein terroristischer Anschlag auf die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo stattfand. Auf dem Titelblatt der aktuellen Ausgabe war eine Karikatur von Houellebecq mit den ihm in den Mund gelegten Worten: „2015 verliere ich meine Zähne, 2022 feiere ich Ramadan“, abgedruckt.
Die Verfilmung ist ungewöhnlich und mit hervorragenden Darstellern, wie Edgar Selge als Literatur-Dozent Francois und Matthias Brandt als Rektor der islamischen Universität, der Francois zum Islam bekehrt. Man erlebt ersteren sowohl in den Filmszenen, die in Paris entstanden, wie auch in seiner Darstellung am Hamburger Schauspielhaus und als Edgar Selge, der sich in Hamburgs Straßen aufhält, als dort gerade die G20-Gipfel-Proteste eskalieren. Dadurch wirkte der Film für mich sehr unübersichtlich und überladen und er erschloss sich mir nicht vollständig.
Interessant ist dazu ein Interview mit Edgar und Titus Selge. Auf die Frage: Die „Unterwerfung“ zeigt die Implosition einer Figur, die an nichts mehr glaubt. Wie blicken Sie auf diesen Francois? antwortet Edgar Selge:
„Das sehe ich auch so. Die Implosion geht bei Francois bis zur tiefen Depression und schafft damit die Voraussetzung, den eigenen Opportunismus als Überlebenswillen zu entdecken. Darüber hinaus beschreibt Houellebecq ein Abfallprodukt des Turbokapitalismus und Konsumismus: die Lebensmüdigkeit. Damit bricht er ein Tabu. Wenn es nur noch um Konsum geht, dann erschlafft das Interesse am Leben. Houellebecq bezeichnet sich als Autor der absoluten Schlaffheit. François verkörpert diese Schlaffheit. Werteungläubig und lustlos, kann er sich nur noch mit der nächsten Frau, der nächsten Flasche Wein oder dem nächsten Buch über Wasser halten, anders schafft er es nicht mehr. Letzten Endes, sagt sich Francois, schaffe ich es nur, wenn ich zum Islam übertrete, ins Patriarchat, mit der Möglichkeit zur Polygamie. Anders halte ich dieses Leben und diesen Kapitalismus nicht aus.“
Quelle
Ich habe einen Film gesehen, der noch eine Weile nachwirken wird und über den es sich lohnt, weiter nachzudenken.
Mane
ManeLiebe Mane,
meiner Meinung nach, darf dieser Film nicht ernst/wörtlich genommen werden.
aber gerade die politische Fake-Botschaft wurde ja direkt anschließend von Maischberger als reale Gefahr zur Diskussion gestellt. Auf die politische Fake-Botschaft fliegen die meisten Zuschauer.
Hast Du bei Maischberger ein Wort zur tiefenpsychologischen Analyse von François gehört? Ein Wort zum künstlerischen Niveau der Inszinierung (die ich sehr gut fand)? Mehr als ein Wort zur Kritik am Frauenbild des François, für den diese reine Sexobjekte sind?
Ich nicht. Nachwirkungen fürchte ich auch.
Karl
Lieber Karl,
du nennst es „politische Fake-Botschaften“, ich sehe in dem Film einen sehr großen Interpretationsspielraum, der, da gebe ich dir Recht, dazu führen kann, dass die „Falschen“ applaudieren.
Was die Maischberger-Sendung betrifft, diese hatte wenig Bezug zu dem Film. Es wurden Themen behandelt, die bereits aus Hunderten anderer Talkshows bekannt sind.
Das „Frauenbild des Francois, für den diese reine Sexobjekte sind“, wird dargestellt von einen unzeitgemäßen „Lebemann“, der langsam aber sicher in der westlichen Welt „ausstirbt“, was auch der Film andeutet, indem er ihn anfangs als erschlafften, gelangweilten, an Politik und Gesellschaft desinteressierten und eher mit dem Schwinden seiner Lust beschäftigten Mann zeigt. Sein Frauen- und Familienbild passt eher zu „dem“ Islam, den sein Chef praktiziert, der eine junge Frau fürs Bett und eine Ältere für den Haushalt geheiratet hat - was sich auch für Francois bald als reizvoll erweist. Vielleicht lässt sich der Roman/das Schauspiel/der Film auch als Satire auf (mancher) Männerfantasien deuten?
Mane
Ich bin jetzt endlich dazugekommen mir den Film anzusehen - also meiner Meinung nach kann man Satire kaum noch dicker auftragen - noch mehr als in dem Buch von Houellebecq selbst.
Francois wird dargestellt als Ekelpaket, das sich die 'Freiheit' gern zunutze macht, die ihm von dem betulich-frommen, aber ziemlich seichten Patriarchatsvertreter angedient wird... Die 'Islamisierung' dient dabei gerade als willkommener Hintergrund - diesen als 'das Problem des Films' zu sehen scheint mir einigermaßen oberflächlich. Die paar Minuten, die ich bei der Aufnahme zugegeben habe, konnte ich noch die Diskussion bei Maischberger mitverfolgen - und dort scheint genau dieses Missverständnis vorzuherrschen.
() qilin
Hallo Olga,
ich fand eben nicht gut, dass dieser Film nicht an der Realität orientierte Klischees transportierte. Polygamie ist bei uns lebenden Muslimen, wenn überhaupt, nur ein winziges Randthema und in Deutschland verboten. Das Problem entsteht nur, wenn bereits verheiratete Flüchtlinge nach Deutschland kommen.KarlGerade weil die Polygamie eines der grossen Klischees ist, die über den Islam bei uns im Umlauf sind, fand ich den Fingerzeig darauf, wie eine männliche Elite bei Freigabe derselben darauf reagieren würde, so hochinteressant.
Da scheint viel im dunklen Untergrund bei Männern nach wie vor vorhanden zu sein. Und legalisierte Polygamie würde es vielen Männern erleichtern, ihr bestehendes Zweitverhältnis zu Frauen irgendwie zu legalisieren (das ja auch viele haben, aber natürlich selten offen zugeben).
Mane - danke für Ihre Ausführungen; finde ich hochinteressant und entsprechen auch dem, wie ich den Film interpretierte.
Muss immer noch darüber nachdenken und das schaffen Filme bei mir eigentlich recht selten. Olga