Fernsehen und Film Die Welle

yuna
yuna
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Re: Die Welle
geschrieben von yuna
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 09.04.2011, 10:12:05
Meli, mir ist bewusst, dass der Film zum Schulstoff gehört (das ist auch in Ordnung so), aber mir geht es jetzt ganz speziell um diese Version hier - die Neuverfilmung von 2008.
Und mit der bekommst du Jugendlichen, die sich für aufgeklärt halten und meinen, das sei heute nicht mehr möglich, die Gefahr m.E. nicht so vorgehalten, wie es nötig wäre.
Du musst bedenken, das Thema Nazis wird in Deutschland so oft auch außerhalb der Schule thematisiert, dass die Jugendlichen größtenteils völlig übersättigt sind und es einfach nicht mehr hören können. Für die meisten ist das Thema abgeschlossen, die haben keinen Bock mehr, sich das ständig vorhalten zu lassen und sind der festen Überzeugung eine Bewegung wie damals zu Nazi-Zeiten sei ein rein deutsches Problem und da ja jetzt aber alle so aufgeklärt sind, könnte das hier nicht mehr passieren.

Es ist aber eben ein menschliches Problem und ein Phänomen, das alle Länder betrifft.

@loretta: Das Ende ist fiktiv, soweit ich weiß. In der realen Geschichte kam niemand um oder wurde angeschossen, wenn ich mich recht erinnere.


dutchweepee
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Re: Die Welle
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf yuna vom 09.04.2011, 11:27:28
zitat yuma: "Es ist aber eben ein menschliches Problem und ein Phänomen, das alle Länder betrifft."

Das stimmt so nicht und ist sogar regelrecht falsch! Ich habe 7 Jahre in den Niederlanden gewohnt, die extrem nationalistisch sind, was jedoch keinen Nachbartstaat stört, sondern dieses kleine Ländchen sogar noch sympatisch macht. Schau dir Großbritannien an - gibts irgendein Land auf der Welt, das in Verdacht gerät nationalistischer als die Briten zu sein? Trotzdem geraten diese Länder niemals in Gefahr in eine Diktatur abzugleiten, weil sie einen extremen Freiheitswillen haben, der jedes bedingungslose ducken unter eine Obrigkeit unmöglich macht.

Die Deutschen zucken schon zusammen, wenn ein Polizist die Ausweispapiere verlangt. Ich habe 7 Jahre in Holland gelebt ohne meinen Ausweis dabei zu tragen. Die letzten 3 Jahre hatte ich sogar überhaupt keine Papiere, weil ich meine Tasche mit Pass und Perso am Strand verloren hatte und zu faul war mir neue zu beschaffen. Der Ausweis wird in Holland einfach nicht gebraucht. In Großbritannien wurde der wohl sogar erst vor wenigen Jahren eingeführt. Nein Nein ...die Deutschen lieben es größtenteils eine Obrigkeit zu haben, die dann beim Versagen "schuld" haben kann.
clara
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Re: Die Welle
geschrieben von clara
Liebe Diskutanten,

ein wenig muss ich Yuna Recht geben, der Film erfüllte einige Klischees. Im Nachhinein erscheint mir der frühere amerikanische Streifen gleichen Inhalts irgend wie besser gelungen, aber da kann die Erinnerung trügen.

Ich glaube schon, dass ein guter Pädagoge wie der im Film Jugendliche manipulieren kann, zumal es sich ja um noch keine gefestigten Menschen handelt. Nicht ohne Grund wendet sich jedes totalitäre Regime zu allererst an die begeisterungsfähige Jugend. Der spätere Selbstmörder zeigte, wie anfällig ein junger Mensch - bisher ein Außenseiter ohne emotionale Beziehung - für eine Gemeinschaft ist, die ihm zum ersten Mal das Gefühl von Eigenwert und Geborgenheit gibt. Diesen Aspekt fand ich gut heraus geholt.

Na ja, der Schluss war dick aufgetragen! Soziale Umstände, die zu Rechtsradikalismus führen können, blieben unbeachtet. Da solch drastische Exempel – learning by doing – nicht ständig zur Verfügung stehen, muss die Gesellschaft dafür sorgen, besonders junge Menschen immun gegen rechte Rattenfänger und ihre Verführungsmethoden zu machen!
Bleibt zu hoffen, dass doch Einige aus der Zielgruppe den Film gesehen haben!

Clara

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lalelu
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Re: Die Welle
geschrieben von lalelu
als Antwort auf clara vom 09.04.2011, 12:33:51
@ Liebe Clara, zur Zielgruppe rechne ich mich nicht , aber ich möchte den Film trotzdem gern gerne sehen.

@ alle: Eure Beiträge haben mich noch neugieriger gemacht als ich es schon war, und nachdem ich einige Kritiken im Pressespiegel überflogen habe, möchte ich mir gern eine eigene Meinung bilden. Bei den Berufskritikern gehen die Auffassungen weit auseinander. Von sehr gut (5 Sterne) bis ziemlich schlecht (2 Sterne) sind alle Meinungen vertreten.

Cinema und Film-Dienst geben die Höchstwertung mit 5 Sternen, die Frankfurter Rundschau kann sich nur zu 2 Sternen durchringen. Insgesamt kommen im Pressespiegel 10 Kritiker zu Wort, unter anderem Spiegel (4 Sterne), Bild (4 Sterne), FAZ (3 Sterne). Wer Lust hat, kann sich selbst durchlesen.

Ich werde mir den Film auf jeden Fall anschauen, um mir selbst eine Meinung bilden zu können. Nochmals zur Erinnerung für diejenigen, die interessiert sind, ihn aber nicht sehen konnten:

Er wird am Sonntag um 16.05 Uhr auf Pro 7 wiederholt.

Lalelu
yuna
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Re: Die Welle
geschrieben von yuna
als Antwort auf dutchweepee vom 09.04.2011, 11:48:30
Dutch, da wäre ich echt vorsichtig. Nährboden ist die menschliche Eigenschaft einen Hang zur Gemeinschaft zu haben. Der Mensch ist ein Rudeltier. In einer Gemeinschaft fühlt er sich unterstützt, akzeptiert, verstanden und als ein Teil von etwas. Für sehr viele ist das etwas ganz großartiges und erstrebenswertes.
Je zerbrochener die Gesellschaft ist, desto höher sind die Chancen sie in einer Gruppe versammelt zu bekommen, wo sie gemeinsam wirken. Das muss nicht auf Kosten des Freiheitsgefühls gehen, ganz im Gegenteil.

Es hängt davon ab, wie du Diktatur definierst. Wenn du davon ausgehst, dass nur einer die Gruppe führt und die Gruppe missbraucht um seine eigenen persönlichen, radikalen Ziele durchzusetzen, wird es schwieriger das überall durchzusetzen, denn dann es hängt auch von der Grundzufriedenheit der Leute ab, dem Maß ihrer Verzweiflung und das variiert von Land zu Land.

Wenn du aber die radikalen Ziele weg lässt und mal davon ausgeht, dass einer alleine eine Gruppe von Menschen führt bzw. ein ganzes Land, aber sich bemüht dennoch im Sinne der Gesellschaft zu handeln - also seine Macht nicht missbraucht - wäre es m.E. in jeder Gesellschaft möglich (Religion/Kirche und Sekten z.B. würde sonst gar nicht so funktionieren, wie es praktiziert wird). Hier natürlich nur theoretisch, denn die wenigsten Menschen, die fähig wären ihre Macht nicht zu missbrauchen, wären auch noch bereit dazu, ein Land zu führen. Daher ist diese Form der Regierung erst mal prinzipiell nicht weiter zu verfolgen, ja abzulehnen.
Es ändert aber eben nichts daran - ist das Vertrauen erst mal da, kannst du mit dem Mob anschließend nahezu alles machen, da die meisten Menschen, selbst die kritischen, nach einiger Zeit aufhören Dinge, denen sie gelernt haben zu vertrauen, zu hinterfragen.

Deshalb verkommen z.B. viele Vereine/Parteien nach einiger Zeit auch. Sie wandeln sich mit der Zeit und die wenigsten Mitglieder bemerken das, da der Rest sich irgendwann mal dieser Gruppe angeschlossen hat, die ihre Interesse vertrat und dann irgendwann aufhörten zu hinterfragen, ob ihr Verein überhaupt noch für das steht, weshalb sie ihm mal beigetreten sind. Man fühlt sich einfach wohl, man kennt die Leute, die alle noch so nett sind, wie damals und es gibt keinen Grund es regelmäßig kritisch von außen zu betrachten.

Ich würde es also nicht unterschätzen.
dutchweepee
dutchweepee
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Re: Die Welle
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf yuna vom 09.04.2011, 15:23:52
@yuna

Du beschreibst hier deutsche Befindlichkeiten und ich gebe dir recht, dass eine Radikalisierung von Vereinen und Gruppen in Deutschland so passieren kann. Deutsche vertreten ihre Ziele und Meinungen ernsthaft und mit Ordnung. Wenn man sich dann zuweilen auch in die falsche Richtung ideologisiert und bewegt, dann machen das die Deutschen auch ernsthaft und ordentlich.

Andere Völker sind dazu viel zu leichtfertig und gutgelaunt. Denen fehlt die Steifheit und Ordnung so eine Sache durchzuziehen. Mittendrin überkommt die das Lachen und die machen was völlig anderes. Ich habe das bei den eisenharten Fußballfans von Feyenoord Rotterdam erlebt, die mitten in den Schimpftiraden gegen die Pissnelken von Ajax Amsterdam plötzlich anfingen zu singen und ein Biertje trinken gingen.

Die Freiheit nicht so ordentlich und diszipliniert wie die Deutschen zu sein hat natürlich auch Nachteile. Wer keine polizeiliche Meldung verlangt wie die Amis, hat natürlich auch kein Sozial- und Krankenversicherungssystem wie die Deutschen. Ich habe 7 jahre in Holland gewohnt und nur einen A5-Zettel von der NL-Alien-Politie bekommen, den ich erst wieder in Deutschland innem Buch als Lesezeichen fand.

Ich war keine 3 Tage wieder iun Deutschland, da hatte ich einen dicken Ordner voller papiere von Meldestelle, Bürgerbüro, Rentenversicherung, Krankenversicherung, Arbeitsamt, Bank und ganz zum Schluss und Glück vom Wohnungsmakler samt Vermieter. Gebraucht habe ICH nur letzteres - das habe ich aber in Deutschland nur bekommen können, wenn ich den ganzen anderen Mist ablaufe. Danach fragt dich in holland keiner.

Yuna glaub mir bitte - andere Völker und Nationen sind nicht fähig zu einer ordentlichen Diktatur, weil sie die persönliche Freiheit ernster nehmen als einen Diktator. Auch in Lateinamerika haben Diktaturen nur eine Chance über das Militär - die Bevölkerung macht bei sonem Quatsch nicht ernsthaft und ordentlich und diszipliniert mit.

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rosarot
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Re: Die Welle
geschrieben von rosarot
als Antwort auf loretta vom 08.04.2011, 19:01:58
Hallo loretta

sicher hast du Recht, ich schaue selten private Sender.
Als ich noch rauchte, hab ich in den Pausen gepafft.
yuna
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Re: Die Welle
geschrieben von yuna
als Antwort auf dutchweepee vom 09.04.2011, 17:23:53
Dutch, ich will dich nicht ärgern oder so und ich streite auch nicht ab, dass die unterschiedlichen Mentalitäten der Nationen unterschiedliche Herangehensweisen erfordern.

Mein erster Gedanke sind Sekten, die es weltweit gibt. Und die auch weltweit Anhänger haben. Da steht einer an der Spitze und schreibt ihnen vor, was sie zu tun und zu lassen haben. Die Wenigsten, die einmal drin stecken, kommen da wieder raus, ferner noch wollen da überhaupt wieder raus. Das Gefühl von Akzeptanz, Geborgenheit und Gemeinschaft geht vielen Menschen über fast alles andere.

Und gerade bei den Engländern glaube ich kaum, dass die es mit der persönlichen Freiheit so ernst nehmen, kaum ein westliches Land ist in der Überwachungsstaat-Geschichte so weit wie England. Die sind bei fast allen freiheitsbeschneidenden Maßnahmen Vorreiter.

Und, der Test, ob heute noch so etwas wie damals in der Nazi-Zeit möglich wäre fand ja ursprünglich in Amerika statt, wo es ebenfalls wunderbar funktioniert hat.

Du musst als Mensch nicht akribisch und ernst sein, du musst, wie gesagt, nur ein Bedürfnis nach Gemeinschaft haben.
Dem ordnen viele fast alles andere unter.

Sei mal ganz ehrlich zu dir selbst - empfindest du nicht auch ein bisschen ein Hochgefühl, wenn du mit einer kleinen Gruppe von Menschen unterwegs bist, die etwas mit dir teilen, sagen wir ihr habt das gleiche verrückte Hobby oder so? Ihr habt alle euren eigenen Kopf, aber dennoch funktioniert ihr als Freunde zusammen wie ein Uhrwerk. Einer kann sich auf den anderen verlassen.

Ich denke das sind Urinstinkte im Menschen und die dürften noch bei fast allen vorhanden sein.

Bring sie dazu, dir zu vertrauen, schaff mit ihnen etwas, worauf sie stolz sind und du kannst mit ihnen fast alles machen, was du willst. Sie werden es automatisch ernst nehmen, egal was für Spaßvögel sie sonst sind. Dazu brauchst du keinen disziplinierten Trupp, der im Gleichschritt marschiert.
In einer "Familie" lässt man keinen hängen - auch das dürfte eine tief verwurzelte Empfindung sein.

Den Rest erledigt der Herdentrieb. Ich will auch dabei sein - wenn's alle anderen auch tun, warum nicht?
Re: Die Welle
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf yuna vom 09.04.2011, 11:27:28
Da hatte ich mehr Glück mit den Jugendlichen, mit denen ich zu tun hatte.
Sie waren hochsensibilisiert für dieses Thema.
Und entsprechend war auch die Theateraufführung, die natürlich etwas umgeschrieben wurde.
Es war der Schwerpunkt auf das emotionale Geschehen gelegt - das Einfangen, die Verführung, die Begeisterung, aber auch die Distanz, der Widerwille.

Und im Theaterspiel wird das erfahren - deshalb werden die Jugendlichen, die damit zu tun hatten, einen solchen Vorgang wiedererkennen.
Und noch einmal ausdrücklich. Es war der Wunsch der Klasse, diese Aufführung zu machen und das wurde von den Eltern mitgetragen.

Doch dieses Erleben mit den Jugendlichen (meine älteste Enkelin ist bereits 18 Jahre) verstellt mir natürlich nicht den Blick dafür, dass sehr viele Jugendliche sich mit der Thematik nicht befassen wollen.
Wie viele es tatsächlich sind, weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass es nicht alle sind.

Meli
clara
clara
Mitglied

Re: Die Welle
geschrieben von clara
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 08.04.2011, 15:47:17
Meli, mit Interesse habe ich die Beschreibung der Schüleraufführung in Deinem Blog gelesen (leider erst jetzt ). Sie muss sehr eindrucksvoll gewesen sein! Nicht ganz klar ist für mich heraus gekommen, wie die Lehrerin die Indokrination behandelt hat, wenn Du schreibst:

"Und die junge Lehrerin begann mit dem Experiment der Indoktrination, diesem schleichenden Prozess, der durch ungeprüfte Anerkennung von Schlagwörtern, Parolen, Gesten ein Gemeinschaftsgefühl auslöst, dass erst nur die Klasse verband, welche unter diesen Umständen auch die Außenseiter, die sich begeistert zeigten, aufnahm."

Hatte das genannte Experiment Ähnlichkeit mit dem im Film?

Clara

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