Fernsehen und Film Die Gaffer-Szene beim Geiseldrama in Gladbeck
Zu Recht regen wir uns darüber auf, wenn Gaffer fotografierend Sterbende, Verletzte oder Hilfspersonal bei ihrem Einsatz hemmungslos heimsuchen und dann auch noch aggressiv reagieren, wenn sie gebeten werden, dieses widerliche Verhalten einzustellen.
Oft wird dann gefragt, womit dies zusammenhängt und wie dieses neue 'Verhalten abgestellt werden kann.
Es ist jedoch nicht neu: vor 30 Jahren wurden Geiselnehmer in Gladbeck von Schaulustigen umringt, von Reportern interviewt - Smartphones und Facebook gab es damals noch nicht. Der ERlebnisschauer geschah also in 'Echtzeit.
Unter den damaligen Reportern war übrigens auch Frank Plasberg. Er und andere, die diesen journalistischen Sündenfall aktiv betrieben, machten hinterher grosse Karrieren in ihrem Metier.
Heute Abend beginnt in der ARD der Zweiteiler "Gladbeck". Einer der Täter wurde vor kurzem nach 30-jähriger Haft entlassen; er lebt mit anderer Identität an einem unbekannten Ort. Der andere sitzt noch, vermutlich ist seine Sozialprognose noch nicht so positiv, dass man auch ihn in die Freiheit entlassen kann.
Die Eltern und die Schwester des damals getöteten, italienischen Jungen verliessen Deutschland, weil sie sich hier aus verständlichen Gründen nicht mehr wohlfühlen konnten. Einer der Täter versuchte diesen Mord vor Gericht herunterzuspielen "war ja nur ein Kanake". Hat sich nicht viel geändert seit dieser Zeit, wie ich finde.
Bin gespannt auf diesen Film. Olga
Auch ich werde mir den Film anschauen und stimme Dir
in der Analyse zu.
Aber mir ist eine Sache aufgefallen - und ich weiss und sage ausdrücklich - das hat mit
Gladbeck nichts zu tun.
Ski- Bob- etc- unfall oder sturz - olympische Winterspiele Korea.
Das Fernsehweltbild blendet weg - und zeigt Zuschauer oder die Landschaft -
nicht den Sportler und seine medizinische Versorgung.
Im "westlichen" Fernsehen hält die Kamera in aller Regel drauf
und die Menschen vor dem TV "gaffen" mit.
Da bin ich unendschieden was besser ist - volle Information -
oder wegschauen.
LG
Sam
Ich persönlich schaue keine olympischen Spiele, auch keine Autorennen und bin der Meinung ,dass "Information" immer eine subjektive Angelegenheit ist und eine "volle" es nie geben wird, da auch die Interessenspektren der Menschen völlig unterschiedlich sind. Was den einen interessiert, ist für den anderen nicht relevant.
Olga
Also ich kann mir den Film beim besten Willen nicht anschauen. Mir hat das damals "live" gelangt. So entsetzlich!
LG, ff
Der erste Teil schilderte m.E. sehr eindrücklich das gigantische Versagen der Einsatzbehörden. Nichts war koordiniert, nichts war organisiert. Aber auch bei den Geiselnehmern war dies ähnlich. Die gingen ganz ruhig in einen Textilladen, um einzukaufen. Einer ging an eine Hausmauer, um dort zu pinkeln und die Geiseln sassen allein im Auto. Wenn man dann auch noch weiss, wie sich der damalige Justizminister von NRW später herauszureden versuchte.
Im 2. Teil, der heute Abend kommt ,wird es vermutlich noch abstruser zugehen, wenn der Bus gekapert wird. Bin gespannt. Olga
Ich schaue mir den Film aus denselben Gründen nicht an und stelle mal beiäufig die Frage, ob man nicht selbst ein Gaffer ist, wenn man den Film anguckt, obwohl man weiß, was damals passiert ist.....Für mich ist dieser Film übrigens absolut überflüssig; auch wenn angekündigt wird, dass man mehr Fokus auf die Opfer legt. Das wäre auch in einer Sendung "45 Minuten" möglich.
Hallo Olga,
im September des vergangenen Jahres ereignete sich auf der A 8 ein schwerer Unfall, an dem ein Motorradfahrer beteiligt war. Einige Autofahrer hielten an, um dem Mann zu helfen. Auch ein LKW-Fahrer stoppte sein Fahrzeug - jedoch um mit seinem Smartphone zu filmen, wie der Motorradfahrer starb.
Es ist nicht neu, dass Menschen angesichts einer Tragödie alle Hemmungen verlieren und das Gladbecker Geiseldrama zeigte, wie verführerisch Voyeurismus wirkt und drei Tage lang die Zuschauer in Atem hielt. Heute 30 Jahre später hat sich, wie Sie richtig schreiben, nicht viel geändert. In Zeiten von Facebook und Twitter, würden wahrscheinlich viele ihre Smartphones zücken und später Selfies und Aufnahmen im Netz posten.
Der Film schilderte, wie die Presse meistens dichter an dem Geschehen dran war, als die Polizei. Frank Plasberg sagte später in einem Interview: „Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich große medienethische Bedenken hatte“. Der damals 31-jährige Plasberg arbeitete damals sowohl als freiberuflicher Reporter für den Radiosender SWF3 als auch als Fernsehmoderator für die Aktuelle Stunde. Er hatte die Geiselnehmer interviewt, der verantwortliche Redakteur sendete das telefonisch überspielte Interview jedoch nicht, was Plasberg im Nachhinein richtig findet.
Die Begriffe „Schaulust“ und „Sensationsgier“ implizieren, dass Menschen aus dem Beobachten des ihn nicht betreffenden Unglücks - Lustgewinn zieht.
Mane