Esperanto Warum hat sich Esperanto als Weltsprache nicht durchgesetzt?
Die Frage wurde hier gestellt: https://www.gutefrage.net/frage/warum-hat-sich-esperanto-als-weltsprache-nicht-durchgesetzt
Darauf gibt es etliche mehr oder minder kluge Antworten. Meine lautet dort:
Esperanto hat nicht den Anspruch sich "durchzusetzen". Mit Esperanto wird eher Frieden und Brüderlichkeit assoziiert. Das ist kein Ding von "Weltsprachen".
In der Welt wird eher etwas von Machthabern durchgesetzt als von wohlgesinnten Menschen. Auch nach meinem Geschmack sind es zu wenige, die bereit sind, den Vertretern von Durchsetzungsinteressen in den Arm zu fallen.
Leider bleiben Machtlose machtlos, auch wenn sie weitaus in der Überzahl sind. Aber leider geht es in der Welt nicht unbedingt demokratisch zu.
jacaré4
Hier ein paar Fakten zum Thema von Ludoviko/Lu auf heise online.
Und was hatte(n) Ludoviku/Lu zum Thema zu sagen?
Ups, hattest du nicht gesehen, dass sich hinter den anders gefärbten unterstrichenen zwei Wörtern (heise online) ein Link befand? Nun denn, hier der Link: https://www.heise.de/forum/heise-Developer/Kommentare/Fachlichen-Code-schreiben-Excusez-moi-do-you-sprechen-Espanol/Re-TTL-Re-Ganz-klar-auf-Englisch-kommentieren/posting-36835270/show/
Würde mich trotzdem interessieren, was dieser Heise online geschrieben hat. Kannst Du das nicht zusammenfassend berichten.
jacaré4
Bitschnipser schrieb am 10.06.2020 19:20:
Wenn ich zwischen Englisch und Esperanto wähle, hab ich von Englisch mehr.Ich nehme an, das ist eine unrealistische Wahl: Englisch kannst du vermutlich schon
Also ist die Wahl eher: Esperanto oder Glotze, Bier, Buch...
Und wenn du Weiterlernen von Englisch mit Anfangen in Esperanto vergleichen möchtest: Wenn du 50 Stunden Englisch lernst, bringt das kaum eine spürbare Verbesserung - mit Esperanto reichen 50 Stunden für ein schon recht gutes erstes Gesprächsniveau.
Dass Esperanto unter all den Plansprachen die lebendigste ist, ist unbestritten.Diese Aussage ist wohl nicht so ganz treffend.
Aber was nützt es, unter Beinahetoten und Ganztoten der Lebendigste zu sein? Das ist sowas wie "der kleinste Riese der Welt"...
Auch wenn ich zustimme, dass der Vergleich des Esperanto mit irgendwelchen Plansprachprojekten, die es nicht bis zum Status einer lebenden Sprache gebracht haben, nicht sinnvoll ist. Esperanto ist eher mit kleineren nationalen Sprachen zu vergleichen; schließlich ist es ja bemerkenswert, dass Esperanto in der Wikipedia mit etwa 270.000 Artikeln nach der Größe etwa an Stelle 32 ist, etwas mehr als Slowakisch oder Hebräisch.
http://eo.wikipedia.org/ http://sk.wikipedia.org/ http://he.wikipedia.org/
Esperanto ist eine lebende Sprache, wie seit Jahrzehnten bekannt, s. Esperanto in Ungarn, http://www.esperantoland.org/de/plu.php?msgid=1211.
Eine Sprache, die wie Esperanto täglich genutzt wird, die Familiensprache in ein paar hundert Familien ist, in der jährlich mehr als hundert Bücher erscheinen, wohl etwa hundert neue Lieder usw. - eine solche Sprache ist nach üblichem Verständnis der Sprachwissenschaft weder beinahe noch ganz tot, sondern sie lebt.
Peter: 3. Fakt ist, das das Englische mit Abstand die größte "Killer-language" der Welt ist.
Bitschnipser: Geht so. In den chinesischen Sprachraum dringt es relativ wenig ein.Dem stimme ich zu. Ich habe gerade gehört, dass jemand in Cali, Kolumbien, Architektur studiert hat - da waren alle Studientexte auf Spanisch. Und die Dozenten hatten ihre Ausbildung oft in Spanien gemacht, nicht etwa in einem englischsprachigen Land.
Es gibt einige internationale Fachgebiete (IT, Finanzen, Business, Wissenschaft), wo Englisch massiv dominiert, aber schon im Tourismus wird's dünn, wenn man nicht grad in ein Land geht, das klar westlich orientiert ist.
Peter: Esperanto will ausdrücklich nicht ANSTATT anderer Sprachen gesprochen werden, sondern NEBEN anderen.
Bitschnipser: Damit hat es das definitorische Merkmal von Pidginsprachen.Und ich hätte jetzt glatt gedacht, Pidginsprachen seien Mischsprachen, nicht Sprachen, die neben anderen gesprochen werden. Muss ich jetzt lernen, dass das Latein im Mittelalter ein Pidgin war?
Vielleicht kann man die Evolution und Akzeptanz von Pidgins heranziehen, wenn man Vermutungen anstellen will, warum es mit Esperanto bis heute nicht geklappt hat.
In Sachen Vermutungen, warum es mit Esperanto weniger geklappt hat als wünschenswert:
1) Um 1900 gab es ein Gleichgewicht zwischen Englisch, Französisch und Deutsch, eine Patt-Situation; damals war Esperanto eine sinnvolle Lösung für die Verständigung. Da die USA eine große Einwanderung hatten, wuchsen sie enorm und um 1950 war das Englische unter den industrialisierten Ländern übermächtig (schon damals etwa drei Mal so viele Sprecher wie deutsch, heute etwa fünf Mal). Da hatte es sich was mit der Pattsituation - wer nicht Englisch lernte, war z.B. in vielen Wissenschaften aus dem Rennen. Das war eine für Esperanto (und vermutlich den Rest der Welt auch) eher überraschende Wendung der Weltgeschichte. Mittlerweile nimmt der Anteil der Englisch-Muttersprachler an der Weltbevölkerung wieder ab (allmählich, seit etwa 1950, damals etwa Maximum, 10 %, heute noch etwa 6 %); ebenso nimmt die beherrschende Wirtschaftsstellung der englischsprachigen Welt in der Gesamtwelt allmählich ab (derzeit so um die 20 bis 30 %, nach einem Maximum vor ein paar Jahrzehnten). So wird das weitergehen, China, Indien, die arabischen Länder, die spanischsprachigen Länder werden weiter in Schwung kommen. Wer mag, darf glauben, dass die dann alle Englisch lernen - ich vermute, in diesen Weltregionen werden höchstens 10 % glauben, dass ihnen Englisch mehr bringt als der Riesenaufwand wert ist. Da man Esperanto in einem Viertel der Zeit lernen kann, die man für Englisch braucht (und das gilt auch für Chinesen oder Araber), steigen die Argumente für Esperanto. Außerdem ist es für China ungünstig, mit Englisch ausgerechnet die USA zu stärken; deshalb kann man bei denen z. B. seit zwanzig Jahren täglich Nachrichten aus China in Esperanto lesen, http://esperanto.china.org.cn/.
2) Über Esperanto wird viel Unsinn erzählt, speziell von denen, die ihren Lebensplan auf dem Englischen aufgebaut haben - Professorinnen und Professoren der Sprachwissenschaft, LehrerInnen, DolmetscherInnen und ÜbersetzerInnen (z. B. bei der EU-Kommission) usw. Das wird sich aber nicht auf Dauer halten lassen, Unwahrheiten halten sich nicht ewig; man wird über diese Personen lächeln, wenn mehr und mehr Leute den Mechanismus verstanden haben.
Peter: 6. Ich habe früher eingeräumt, dass Esperanto eine europäische Sprache ist. Sie wird im asiatischen Raum als solche empfunden. Aber sie wird eben als um ein Vielfaches leichter empfunden als alle anderen. Insofern ist Englisch eben doch die schlechtere Lösung.
Bitschnipser: Andererseits wird im Englischen eine inadäquate Grammatik viel eher akzeptiert als in allen anderen Sprachen (eben weil Englischsprecher es gewöhnt sind, mit starken Variationen umzugehen). Englisch steht deshalb auch all denen offen, die keine Zeit, kein Geld oder keine Gelegenheit haben, die Sprache in einer Schule oder einem Kurs zu lernen.Hast du zufällig 'ne Quelle zur Hand, nach der in Esperanto eine inadäquate Grammatik weniger akzeptiert wird als auf Englisch?
Und ein vereinfachtes "Baustellen-Englisch" ist natürlich noch niedrigschwelliger als Esperanto - hauptsächlich natürlich deshalb, weil man auf Baustellen keine Esperantosprecher antrifft. Aber ich sag mal, das Argument mit der Sprachkomplexität ist in der Praxis nicht halb so wichtig, wie viel e Sprachverfechter gern vortragen.
Für das Lernen von Esperanto braucht man in der Basis-Version etwa 20 bis 50 Stunden, je nach Vorkenntnis. Damit kann man sich ein wenig unterhalten, mündlich oder per Chat, und weiterlernen. Esperanto lernt man etwa in einem Viertel der Zeit, die man für Englisch braucht - das haben zumindest ein Dutzend Schulversuche gezeigt, die ersten schon vor knapp hundert Jahren (Thorndike u.a.). Und jeder, der mal in ein Esperanto-Lehrbuch reingeschaut hat, versteht, warum das so ist.
Die Annahme, ein "Baustellen-Englisch" sei einfacher als ein entsprechendes Esperanto, halte ich für überaus mutig - gibt es dafür einen Beleg oder auch nur Hinweis?
Es ist mit dem Ziel angetreten, Weltsprache zu werden.Ludwik Zamenhof hat sich damals drei Aufgaben gestellt: Die Sprache sollte leicht sein, die Sprache sollte von jedermann sofort gelernt werden können, er wollte einen Weg finden, die Sprache zur Weltsprache zu machen (Quelle siehe Wikipedia http://de.wikipedia.org/wiki/Esperanto, ganz am Anfang). Ziele eins und zwei sind erreicht, Ziel drei dauert etwas länger; 130 Jahre sind für die Verbreitung einer Sprache keine lange Zeit - das Englische hat z. B. 1500 Jahre gebraucht, bis es führende Weltsprache war.
Mit ca. 1000 Muttersprachlern und irgendwas unterhalb 2 Millionen Sprechern ist es an diesem Anspruch grandios gescheitert, selbst Dänisch hat mehr Sprecher, und niemand redet darüber, dass Dänisch in einer guten Position ist, Weltsprache zu werden - die Vorstellung käme einem eher absurd vor.
Dass Esperanto eine lebende Sprache ist, ist ein nettes Sondermerkmal.
Aber wir reden hier über internationale Verständigung. Solange Esperanto nicht in einer Position ist, die auch zu fördern, gibt es keinen Grund, die Sprache für wichtiger zu halten als eben Dänisch.
Das ist natürlich kein Naturgesetz.
Ich sehe aber im Moment nur Argumente, keine konkreten Aktivitäten pro Esperanto.
Das hilft weder dem Projekt Esperanto noch dem Projekt Weltsprache.
Esperanto fördert sehr wohl die internationale Verständigung - natürlich nur für die, die Esperanto sprechen (das ist eine Binse, das gilt natürlich für jede Aufgabe einer jeden Sprache). Dänisch ist eine regional begrenzte Sprache - in Ungarn oder Nepal kann man mit Dänisch wohl weniger anfangen als mit Esperanto. Lässt, für Ungarn, zumindest die dortige Volkszählung http://www.ksh.hu/nepszamlalas/docs/tables/regional/00/00_1_1_4_2_en.xls vermuten; Esperanto ist in dieser Liste von 20 dort gelernten Fremdsprachen, Dänisch nicht.
So ganz verstehe ich nicht, warum du keine konkreten Aktivitäten pro Esperanto erkennen kannst. Der Sprachanbieter Duolingo hat z.B. Esperanto-Sprachkurse auf Englisch https://www.duolingo.com/courses/en, Spanisch https://www.duolingo.com/courses/es und Portugiesisch https://www.duolingo.com/courses/pt; in der Summe nehmen das pro Jahr etwa 700.000 Menschen wahr. Sprachkurse für Französisch https://www.duolingo.com/courses/fr und Chinesisch https://www.duolingo.com/courses/zh sind in Vorbereitung. - Natürlich ist eine gute halbe Million Lerner pro Jahr noch nicht die Welt - angesichts von etwa 2000 Muttersprachlern und ein paar Millionen Sprechern heute sowie weniger als 100.000 Lernern pro Jahr vor vierzig Jahren ist es schon ganz gut. Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden.
Vielleicht nimmt es ja noch zu... So wie in der Vergangenheit die Verwendung von Esperanto ja praktisch durchgängig zugenommen hat. Dass das nicht so besonders aufgefallen ist, liegt natürlich vor allem daran, dass Esperanto 1887 mit einem einzigen Sprecher angefangen hat, während z.B. das Englische damals schon etwa 100 Millionen Sprecher hatte; dieser Vorsprung des Englischen von damals ungefähr 100 000 000:1 ist jetzt auf etwa 1000:1 gesunken, immerhin.
Klar, in der Schule lernt man Englisch nicht besonders gut.Hm, hast du dich schon mal ernsthaft mit der Lerngeschwindigkeit bei Esperanto auseinandergesetzt? Ich habe dazu z.B. Umfragen gemacht. Nach im Schnitt etwa 20 Stunden haben die Esperanto-Lerner angefangen, Esperanto in der Praxis zu verwenden (Median). Nach etwa drei Jahren, haben die Leute gesagt, war Esperanto ihre beste Fremdsprache (auch Median). Und hier sind zwei youtube-Videos, das eine nach sechs Tagen Esperanto-Lernen https://www.youtube.com/watch?v=ClKNspptp-o, das andere nach sechs Wochen https://www.youtube.com/watch?v=3oUOPDyuUD4.
Trotzdem braucht man mehr als ein Jahr, um egal welche Fremdsprache zu lernen. (Außer in einer stark vereinfachten Fassung mit stark reduziertem Vokabular, das geht schneller.)
Herzliche Grüße Lu
LG. jacaré4