Esperanto Esperanto als gemeinsame Sprache für Europa?
Excusez-moi, do you sprechen Español?
Der "Bitschnipser" hat wieder geschrieben: https://www.heise.de/forum/heise-Developer/Kommentare/Fachlichen-Code-schreiben-Excusez-moi-do-you-sprechen-Espanol/Aktuelle-Esperanto-Strategie/posting-36843060/show/
Aktuelle Esperanto-Strategie
Ich hab vorhin gesagt, ich habe keine Ahnung von einer Strategie.
Aber nachträglich ist mir dann doch eine eingefallen: Eine der besten Gelegenheiten für Esperanto ist _jetzt_.
Brexit. Die Briten sind raus. Es gibt (eigentlich) keinen Grund mehr für Englisch als EU-Amtssprache. Insbesondere gibt es keine Nation mehr in der EU, die die Sprache unbedingt als Amtssprache beibehalten will. Und insbesondere die Franzosen hätten sicher lieber Esperanto statt Englisch als Standard-Amtssprache.
Also sollten die Esperantisten gerade in den EU-Etagen lobbyieren wie blöde.
Es gäbe ja mehrere Möglichkeiten:
A) Sofortige Ablösung rein auf EU-Ebene.
Die EU-Bürokraten müssen dann Esperanto lernen, aber das ist ja nicht schwierig, und die EU hat für solche Kulturangelegenheiten entsprechende Töpfe. Englisch ablösen ginge wahrscheinlich nicht per sofort (auch wenn die Franzosen dafür sicher Sympathien hätten), aber mit Übergangsfrist sicherlich.
In den Mitgliedsstaaten würde davon wohl nicht viel ankommen.
B) Esperanto mittelfristig in der Fläche einführen.
EU-Staaten dazu verpflichten, Esperanto als zweites, vorzugsweise erstes Fremdsprachenfach an den Schulen einzuführen.
Dafür fehlen allerdings die Esperanto-Pädagogen. Die auszubilden dauert irgendwas zwischen 3 und 5 Jahren (nicht wegen Esperanto, sondern wegen Pädagogik).
Wenn man die Sprachkurse in der Mittelstufe einführt, kommen die ersten Schulabgänger in Massen so in 7, 8 Jahren raus.
In 20 Jahren kann man langsam darüber nachdenken, Esperanto als Arbeits- und Vertragssprache einzuführen, denn dann gibt es allmählich Juristen, die die Sprache beherrschen.
Ein Problem ist, dass es für die Ausbildung der Esperanto-Pädagogen nicht genügend Professoren gibt.
Verbündete für die Einführung von Esperanto in der EU:
Alle Staaten mit ausgeprägtem Nationalbewusstsein auf Sprachebene.
Alle Staaten mit wenig Sympathie für die Amis und/oder die Briten.
Alle Binnenmarktbefürworter - in 30-50 Jahren kann man allmählich darauf verzichten, alle Beipackzettel und Betriebsanleitungen in alle Landessprachen zu übersetzen, dann hat jeder EU-Bürger entweder selbst Esperanto gelernt oder kennt jemanden, der es kann.
Alle Völkerverständiger und EU-Fliehkraftverhinderer. Man kann albanische, estnische, portugiesische Tageszeitungen lesen, soweit sie auch auf Esperanto erscheinen, und erfährt, wo die anderen der Schuh drückt.
EU-Integratoren und Zentralisten. Also alle, die gern eine gemeinsame Armee hätten, oder eine besser funktionierende gemeinsame Wirtschaftspolitik.
Gegner:
Leute, die die Briten wieder anschließen wollen. (Die haben im Moment wenig Einfluss.)
Transatlantiker. (Die sind selbst nicht unbedingt dagegen, aber die US-Regierung wird von denen alle in Marsch setzen, die sie überzeugen kann.)
Donald Trump. Bzw. viel wichtiger alle Machtbürokraten in den USA. Die Amis betreiben seit Jahren das alte Spiel, EU-Staaten gegeneinander auszuspielen; Hauptgrund ist, dass sie die EU nicht als geopolitische Macht heranwachsen sehen wollen. (Die kann man nicht überzeugen.)
Subsidiaristen - Leute, die Zentralismus von Haus aus für ein Übel halten. (Denen kann man den Wind sehr einfach aus den Segeln nehmen: "Auch bei unterschiedlichen Interessen kann es nur von Vorteil sein, wenn man sich problemlos verständigen kann, es erleichtert das Auffinden etwaiger Kompromisse.")
Sprachhistoriker. Die werden - zu Recht - befürchten, dass die kleineren Sprachen noch stärker unter Aussterbedruck kommen.
Ausblick:
Wenn die EU sich auf Esperanto einigt, wird der Rest der Welt wohl oder übel auch Esperanto lernen, soweit sie mit der EU Beziehungen hat (Handel, Wissenschaft, Diplomatie).
Möglicherweise schließen sich auch die Amis an, weil sie dann die kleinere Sprachgemeinschaft bilden.
Zusammen mit den Amis wäre die Sprache dann auch auf Augenhöhe mit dem Chinesischen. Es würde - vielleicht - helfen, die chinesische Sicht des "ist doch egal, was die Anderen denken, wir verlautbaren einfach, was die Wahrheit zu sein hat, und sind beleidigt, wenn man uns das nicht glaubt" aufzubrechen.
Vor- wie Nachteil: Es würde der EU helfen, zu einer Weltmacht heranzuwachsen (so wie Englisch den Amis geholfen hat). Als Weltmacht wäre die EU nicht mehr Spielball anderer Weltmächte, andererseits sicher aber ethisch genau so fragwürdig.
Also. Wenn ihr Esperanto in der Weltgeschichte verankern wollt: _Jetzt_ habt ihr Gelegenheit dazu, das in die Wege zu leiten!
Aber es _muss_ getan werden. Spätestens dann, wenn die Brexit-Verhandlungen vorbei sind und die EU-Außenpolitiker wieder den Kopf für das nächste Projekt frei haben.
Diese Gelegenheit kommt so schnell nicht wieder, wer das mit Esperanto ernsthaft vorantreiben will, muss ziemlich genau jetzt tätig werden.
Ja, eine schöne Utopie, die aber eben nur ein Traum bleiben wird, muss.
Denn das Englische als mehr und mehr etablierte lingua franca, lässt sich auf demokratischem Wege nicht mehr ablösen.
Ob sich in den EU Institutionen nach dem Brexit das Französische wieder mehr in den Vordergrund schieben wird, bleibt abzuwarten, das Gewicht der romanisch (aber eben nicht Esperanto) Sprechenden wird sich wohl leicht erhöhen, aber an der Verwendung des EN nicht viel ändern, nicht zuletzt auch ,weil die Ostländer, mit Ausnehme vielleicht der Rumänen und ein paar Polen, Englisch bevorzugen.