Eigene Geschichten Emerentia und die Is Gliper von Fehmarn. eine fast wahre Geschichte
Emerentia und die Is Glieper von Fehmarn
Die Zeit von 1560 bis Ende des 18. Jahrhunderts gilt als kleine Eiszeit.
Die Winter waren lang und hart, die Sommer kurz. Die Menschen hungerten, Lebensmittel wurden teurer. Es kam zu Mangelernährung und Seuchen. Unruhen, Diebstähle, Mord und Totschlag waren die Folge.
Wir schreiben das Jahr 1719
Emerentia Witte, geborene Koeß steht am Fenster ihrer warmen Küche und bestaunt die Eisblumen. „Wir haben Ende November und die Ostsee ist schon zugefroren, das wird wieder ein eisiger Winter,“ denkt sie voller Sorgen.
Als junge Frau hat Emerentia Peter Witte geheiratet, einen Kaufmann, Reeder, Hauptmann und Landvogt von Fehmarn. Er war ein bekannter Wohltäter der Insel und gründete eine Stiftung zu Gunsten der Armen. Das Geld kommt einer Suppenküche zu gute, in der sich jeder einmal am Tag eine warme Mahlzeit abholen kann.
Emerentia kommt, wie ihr Mann, aus einer sehr reichen Familie. Ihre Mitgift ist bei der Hochzeit mit 4.500 Talern beziffert worden, das entspricht dem Besitz von vier großen Steinhäusern.
Es war für Emerentia und Peter selbstverständlich,ihren Reichtum mit den Armen teilen.
Als Mutter von Mutter von elf Kindern liegt es ihr am Herzen, sich für notleidenden Kinder auf der Insel einzusetzen.
Vor sechs Jahren ist ihr Mann gestorben und seitdem kümmert sich Emerentia alleine um die Wohltätigkeiten.
Viel hat sie noch zu tun. Vor allem das Waisenhaus hat große Probleme. Das Feuerholz wird schon knapp. Gestern erst hat sie Anweisungen gegeben, neues Brennholz zu sammeln. Schnee und das Eis machen es den Knechten nicht gerade leicht. Schon im Sommer ist das Beschaffen der Lebensmittel schwierig gewesen. Durch die vielen Regenfälle ist der Weizen auf den Halmen verfault und die Preise sind in die Höhe gestiegen. Das ist für Emerentia kein Grund aufzugeben. Sie kümmert sich darum, dass es, wie in jedem Winter, für die Kinder genügend Nahrungsmittel gibt.
All dies geht ihr durch den Kopf, als zwei junge Männer an ihrem Haus vorüber gehen. Es sind Michael und Tewes aus Lemkenhafen, einer kleinen Ortschaft auf der Insel Fehmarn.
Sie sind Küstenfischer, verheiratet und Väter zahlreicher Kinder.
Sie wollen zum Is gliepen. Das kann Emerentia an der Ausrüstung erkennen, die die Männer mit sich führen.
Beim Is gliepen holen die Fischer ermattete Vögel vom Eis. Eine gefährliche Jagd. Es ist für die Fischer die einzige Möglichkeit im Winter, wenn die Ostsee zugefroren ist, Geld zu verdienen.
Die Zugvögel aus dem Norden, die auf dem Weg in den Süden sind, übernachten auf der zugefrorenen Ostsee, um vor Raubtieren sicher zu sein.
Die Fischer haben es in der kalten Jahreszeit sehr schwer. Mit ihren kleinen Booten können sie ihren Beruf nicht ausüben. Das Jagen ist ihnen verboten. Das Holz gehört dem Adel und ein Verstoß gegen das Recht wird hart bestraft. So ist das Is gliepen aus der Not geboren, denn auf dem Eis gilt das Privileg des Adels nicht. Hier dürfen landlose Fischer und Arbeiter jagen. Sie hoffen, mit den erjagten Zugvögeln ihre Familien ernähren zu können und im Tausch die notwendigen Dinge zu bekommen, um die kalten Winter zu überstehen.
Das Is gliepen ist eine Fähigkeit die die Fischer und die armen Landarbeiter schon seit langer Zeit gut beherrschen.
Emerentia wendet sich vom Fenster ab. „Genug geträumt,“ denkt sie, „ jetzt wird es Zeit, dass ich mich auf den Weg mache. Einige Dinge sind noch im Kinderheim für das bevorstehende Weihnachtsfest zu klären.
Sie will den Weg am Strand entlang nehmen, um zu sehen, ob bei Michael und Tewes alles gut läuft.
Als sie warm angezogen das Haus verlässt, bläst ihr der eisige Wind ins Gesicht. Mit festen Schritten kämpft sie entschlossen gegen die starken Böen an.
Als sie an den Strand kommt, kann sie schon die Beiden Is Glieper erkennen.
Tewes hält in der linken Hand den kurzen Holzgriff, daran die Schnur, an deren Ende die kleineBleikugel befestigt ist. Mit der rechten Hand holt er nun weit aus und wirft die Bleikugel flach über das Eis, in Richtung der schlafenden Zugvögel.
Emerentia kann erkennen, wie Tewes mit einem fluschen gleich drei Vögel getroffen hat. Ein riesen Erfolg.
Michael will es ihm gleichtun und fluscht seine Bleikugel ebenfalls über das Eis. Er trifft zwei Vögel, die aber weiter draußen liegen. Emerentia bleibt stehen. Sie weiß, dass jetzt der gefährliche Teil des Is gliepen kommt. Das Eis ist noch dünn und die Gefahr einzubrechen ist groß. Sie macht sich Sorgen und will warten, bis Michael die Vögel vom Eis geholt hat.
Michael geht langsam auf das noch dünne Eis und Tewes folgt ihm zur Sicherheit. Emerentia hört das leise knirschen des Eises und hat ein ungutes Gefühl. Fast hat Michael die getroffenen Vögel erreicht. Tewes nähert sich langsam und vorsichtig , um seinem Freund, beim Tragen behilflich zu sein.
Das passiert es. Ein lautes, trockenes reißendes Geräusch, das Eis ist gebrochen und in Sekunden ist Michael vom Eis verschwunden.
Emerentia fährt der Schreck in die Beine, ihre Knie werden ganz weich, sie hält die Luft an. Aber dann sieht sie, wie Tewes sich schon auf dem Bauch rutschend dem Eisloch nähert. Und Gott sei Dank, da ist der Kopf von Michael wieder zu sehen. Laut lässt Emenrentia die angehaltene Luft aus ihren Lungen weichen. Puhhhh
Doch die Erleichterung ist nur von kurzer Dauer: Das Eis gibt erneut nach und auch Tewes verschwindet in der eiskalten Ostsee.
Emerentia muss etwas tun. Sie ergreift die lange Holzstange, die am Ufer liegt und geht ebenfalls aufs Eis. Das Knirschen klingt in ihren Ohren überlaut, aber sie muss den beiden Eingebrochenen helfen, sonst sind sie verloren. Wie Tewes legt sie sich flach hin, um das Gewicht auf eine größere Fläche zu verteilen. Sie nimmt einen anderen Bogen auf das Eisloch zu, in der Hoffnung, dass dort das Eis noch hält.
Die lange Holzstange schiebt sie mit weit ausgestreckten Armen vor sich her. Es fehlt nicht mehr viel. Emerentia versucht, die Geräusche, die das Eis macht, zu ignorieren und robbt tapfer weiter. Michael und Tewes und versuchen die Holzstange zu fassen. Plötzlich gibt es einen Ruck. Emerentia hebt den Kopf und kann erkennen, dass Tewes das Ende der Stange gepackt hat. Er reicht Michael die Hand. Gleichzeitig zieht Emerentia kräftig an der Stange und bewegt sich nun rückwärts auf den Strand zu. Mit beiden Händen hält sie die Holzstange fest. Sie kann sich nur langsam, millimeterweise bewegen. Vor lauter Anstrengung hat sie das Gesicht auf's Eis gelegt und betet, dass ihr die Kraft nicht ausgeht. Da! Der Zug an der Stange wird weniger! Erschrocken hebt Emerentia den Kopf. Da kann sie sehen, dass Tewes aus dem Wasser gekommen ist und seinen Freund Michael auf das Eis zieht. Vor lauter Freude und Erschöpfung laufen Emerentia die Tränen über das Gesicht. Nun kann sie sich sich bäuchlings an den Strand zurück robben.Als sie den Sand unter ihren Händen fühlt, bleibt sie erschöpft liegen. Michael und Tewes lassen sich neben ihr fallen. Ihre Kleidung ist völlig durchnässt, und auch Emerentia zittert vor Kälte.
Tewes steht als erster auf und hilft Emerentia auf. „Wir können hier nicht bleiben Frau Witte,“ sagt er, „ wir bringen sie nach Hause. Sie müssen die nassen Sachen ausziehen und schnell wieder warm werden.“
Als sie kurz darauf am Haus ankommen, kümmert sich sofort dieMagd um ihre Herrin. Michael und Tewes bekommen warme und trockene Kleidung von den Knechten und werden mit dem Heuwagen zurück nach Lemkenhafen gebracht.
Emerentia Witte verstirbt drei Tage später mit 77 Jahren an Unterkühlung.
Mary 29
Die Zeit von 1560 bis Ende des 18. Jahrhunderts gilt als kleine Eiszeit.
Die Winter waren lang und hart, die Sommer kurz. Die Menschen hungerten, Lebensmittel wurden teurer. Es kam zu Mangelernährung und Seuchen. Unruhen, Diebstähle, Mord und Totschlag waren die Folge.
Wir schreiben das Jahr 1719
Emerentia Witte, geborene Koeß steht am Fenster ihrer warmen Küche und bestaunt die Eisblumen. „Wir haben Ende November und die Ostsee ist schon zugefroren, das wird wieder ein eisiger Winter,“ denkt sie voller Sorgen.
Als junge Frau hat Emerentia Peter Witte geheiratet, einen Kaufmann, Reeder, Hauptmann und Landvogt von Fehmarn. Er war ein bekannter Wohltäter der Insel und gründete eine Stiftung zu Gunsten der Armen. Das Geld kommt einer Suppenküche zu gute, in der sich jeder einmal am Tag eine warme Mahlzeit abholen kann.
Emerentia kommt, wie ihr Mann, aus einer sehr reichen Familie. Ihre Mitgift ist bei der Hochzeit mit 4.500 Talern beziffert worden, das entspricht dem Besitz von vier großen Steinhäusern.
Es war für Emerentia und Peter selbstverständlich,ihren Reichtum mit den Armen teilen.
Als Mutter von Mutter von elf Kindern liegt es ihr am Herzen, sich für notleidenden Kinder auf der Insel einzusetzen.
Vor sechs Jahren ist ihr Mann gestorben und seitdem kümmert sich Emerentia alleine um die Wohltätigkeiten.
Viel hat sie noch zu tun. Vor allem das Waisenhaus hat große Probleme. Das Feuerholz wird schon knapp. Gestern erst hat sie Anweisungen gegeben, neues Brennholz zu sammeln. Schnee und das Eis machen es den Knechten nicht gerade leicht. Schon im Sommer ist das Beschaffen der Lebensmittel schwierig gewesen. Durch die vielen Regenfälle ist der Weizen auf den Halmen verfault und die Preise sind in die Höhe gestiegen. Das ist für Emerentia kein Grund aufzugeben. Sie kümmert sich darum, dass es, wie in jedem Winter, für die Kinder genügend Nahrungsmittel gibt.
All dies geht ihr durch den Kopf, als zwei junge Männer an ihrem Haus vorüber gehen. Es sind Michael und Tewes aus Lemkenhafen, einer kleinen Ortschaft auf der Insel Fehmarn.
Sie sind Küstenfischer, verheiratet und Väter zahlreicher Kinder.
Sie wollen zum Is gliepen. Das kann Emerentia an der Ausrüstung erkennen, die die Männer mit sich führen.
Beim Is gliepen holen die Fischer ermattete Vögel vom Eis. Eine gefährliche Jagd. Es ist für die Fischer die einzige Möglichkeit im Winter, wenn die Ostsee zugefroren ist, Geld zu verdienen.
Die Zugvögel aus dem Norden, die auf dem Weg in den Süden sind, übernachten auf der zugefrorenen Ostsee, um vor Raubtieren sicher zu sein.
Die Fischer haben es in der kalten Jahreszeit sehr schwer. Mit ihren kleinen Booten können sie ihren Beruf nicht ausüben. Das Jagen ist ihnen verboten. Das Holz gehört dem Adel und ein Verstoß gegen das Recht wird hart bestraft. So ist das Is gliepen aus der Not geboren, denn auf dem Eis gilt das Privileg des Adels nicht. Hier dürfen landlose Fischer und Arbeiter jagen. Sie hoffen, mit den erjagten Zugvögeln ihre Familien ernähren zu können und im Tausch die notwendigen Dinge zu bekommen, um die kalten Winter zu überstehen.
Das Is gliepen ist eine Fähigkeit die die Fischer und die armen Landarbeiter schon seit langer Zeit gut beherrschen.
Emerentia wendet sich vom Fenster ab. „Genug geträumt,“ denkt sie, „ jetzt wird es Zeit, dass ich mich auf den Weg mache. Einige Dinge sind noch im Kinderheim für das bevorstehende Weihnachtsfest zu klären.
Sie will den Weg am Strand entlang nehmen, um zu sehen, ob bei Michael und Tewes alles gut läuft.
Als sie warm angezogen das Haus verlässt, bläst ihr der eisige Wind ins Gesicht. Mit festen Schritten kämpft sie entschlossen gegen die starken Böen an.
Als sie an den Strand kommt, kann sie schon die Beiden Is Glieper erkennen.
Tewes hält in der linken Hand den kurzen Holzgriff, daran die Schnur, an deren Ende die kleineBleikugel befestigt ist. Mit der rechten Hand holt er nun weit aus und wirft die Bleikugel flach über das Eis, in Richtung der schlafenden Zugvögel.
Emerentia kann erkennen, wie Tewes mit einem fluschen gleich drei Vögel getroffen hat. Ein riesen Erfolg.
Michael will es ihm gleichtun und fluscht seine Bleikugel ebenfalls über das Eis. Er trifft zwei Vögel, die aber weiter draußen liegen. Emerentia bleibt stehen. Sie weiß, dass jetzt der gefährliche Teil des Is gliepen kommt. Das Eis ist noch dünn und die Gefahr einzubrechen ist groß. Sie macht sich Sorgen und will warten, bis Michael die Vögel vom Eis geholt hat.
Michael geht langsam auf das noch dünne Eis und Tewes folgt ihm zur Sicherheit. Emerentia hört das leise knirschen des Eises und hat ein ungutes Gefühl. Fast hat Michael die getroffenen Vögel erreicht. Tewes nähert sich langsam und vorsichtig , um seinem Freund, beim Tragen behilflich zu sein.
Das passiert es. Ein lautes, trockenes reißendes Geräusch, das Eis ist gebrochen und in Sekunden ist Michael vom Eis verschwunden.
Emerentia fährt der Schreck in die Beine, ihre Knie werden ganz weich, sie hält die Luft an. Aber dann sieht sie, wie Tewes sich schon auf dem Bauch rutschend dem Eisloch nähert. Und Gott sei Dank, da ist der Kopf von Michael wieder zu sehen. Laut lässt Emenrentia die angehaltene Luft aus ihren Lungen weichen. Puhhhh
Doch die Erleichterung ist nur von kurzer Dauer: Das Eis gibt erneut nach und auch Tewes verschwindet in der eiskalten Ostsee.
Emerentia muss etwas tun. Sie ergreift die lange Holzstange, die am Ufer liegt und geht ebenfalls aufs Eis. Das Knirschen klingt in ihren Ohren überlaut, aber sie muss den beiden Eingebrochenen helfen, sonst sind sie verloren. Wie Tewes legt sie sich flach hin, um das Gewicht auf eine größere Fläche zu verteilen. Sie nimmt einen anderen Bogen auf das Eisloch zu, in der Hoffnung, dass dort das Eis noch hält.
Die lange Holzstange schiebt sie mit weit ausgestreckten Armen vor sich her. Es fehlt nicht mehr viel. Emerentia versucht, die Geräusche, die das Eis macht, zu ignorieren und robbt tapfer weiter. Michael und Tewes und versuchen die Holzstange zu fassen. Plötzlich gibt es einen Ruck. Emerentia hebt den Kopf und kann erkennen, dass Tewes das Ende der Stange gepackt hat. Er reicht Michael die Hand. Gleichzeitig zieht Emerentia kräftig an der Stange und bewegt sich nun rückwärts auf den Strand zu. Mit beiden Händen hält sie die Holzstange fest. Sie kann sich nur langsam, millimeterweise bewegen. Vor lauter Anstrengung hat sie das Gesicht auf's Eis gelegt und betet, dass ihr die Kraft nicht ausgeht. Da! Der Zug an der Stange wird weniger! Erschrocken hebt Emerentia den Kopf. Da kann sie sehen, dass Tewes aus dem Wasser gekommen ist und seinen Freund Michael auf das Eis zieht. Vor lauter Freude und Erschöpfung laufen Emerentia die Tränen über das Gesicht. Nun kann sie sich sich bäuchlings an den Strand zurück robben.Als sie den Sand unter ihren Händen fühlt, bleibt sie erschöpft liegen. Michael und Tewes lassen sich neben ihr fallen. Ihre Kleidung ist völlig durchnässt, und auch Emerentia zittert vor Kälte.
Tewes steht als erster auf und hilft Emerentia auf. „Wir können hier nicht bleiben Frau Witte,“ sagt er, „ wir bringen sie nach Hause. Sie müssen die nassen Sachen ausziehen und schnell wieder warm werden.“
Als sie kurz darauf am Haus ankommen, kümmert sich sofort dieMagd um ihre Herrin. Michael und Tewes bekommen warme und trockene Kleidung von den Knechten und werden mit dem Heuwagen zurück nach Lemkenhafen gebracht.
Emerentia Witte verstirbt drei Tage später mit 77 Jahren an Unterkühlung.
Mary 29