Diskussion historischer Ereignisse Wer kennt den Historiker Eric Hobsbawm?
Bin gerade über ihn gestolpert Er scheint ein ausgesprochen interessanter Mensch zu sein!
Mit welchem seiner Werke sollte man anfangen?
Danke!
mart
Mit welchem seiner Werke sollte man anfangen?
Danke!
mart
"seine...keineswegs nur im rationalen Denken verankerte Bindung führte freilich nie zu einem grobschlächtigen Marxismus jener Holzhammermethode, wie er etwa in der verblichenen DDR so fatal praktiziert wurde. Vielmehr nutzte er den Marxismus, wie das insbesondere Friedrich Engels gefordert hatte, als kritische Methode so elastisch, dass man Studenten seine politischen Grundüberzeugungen oft erst erklären musste.
Hallo mart, Hobsbawm kenne ich als Verfasser von Industrie und Empire Bd 1 und 2, Britische Wirtschaftsgeschichte seit 1750. Ich besitze auch sein Buch "Das Zeitalter der Extreme". Dieses Werk ist sehr gut gebunden, mit Golddruck auf dem Rücken und macht sich im Bücherschrank sehr gut. Es ist im Inhalt vorzüglich, doch leider ins Deutsche aber so schlecht übersetzt, dass ich beim Lesen fast immer ins Lachen kam und mehr über die sprachlichen Fehlleistungen der Übersetzerin sinnierte als über den Inhalt. Seine britische Wirtschaftsgeschichte in zwei Bänden ist bei edition Suhrkamp erschienen (Bd 315/316). Ich habe sie in den 70er Jahren gekauft und habe sie ganz gelesen. Habe sehr profitiert von seinem unbestechlichen Sachverstand. Wer nicht weiß, dass er Marxist ist (allerdings kein so primitiver wie allgemein in Deutschland üblich), merkt davon wenig. Sein Denken ist nicht schematisch, dogmatisch, geprägt von gesundem Menschenverstand und tiefer Menschlichkeit.
Die Rezension ist sehr zutreffend, soweit ich es nach diesen beiden Werken beurteilen kann. Die Lektüre seiner Britischen Wirtschaftsgeschichte, die eigentlich eine der Industrialisierung Englands ist, dürfte nicht jedermanns Sache sein. Das Zeitalter der Extreme ist in englischer Sprache sicher besser. Vielleicht hat der Verlag die dilettantische Übersetzung inzwischen durch eine andere ersetzt.
Einen schönen Abend noch
c.
Hallo mart, Hobsbawm kenne ich als Verfasser von Industrie und Empire Bd 1 und 2, Britische Wirtschaftsgeschichte seit 1750. Ich besitze auch sein Buch "Das Zeitalter der Extreme". Dieses Werk ist sehr gut gebunden, mit Golddruck auf dem Rücken und macht sich im Bücherschrank sehr gut. Es ist im Inhalt vorzüglich, doch leider ins Deutsche aber so schlecht übersetzt, dass ich beim Lesen fast immer ins Lachen kam und mehr über die sprachlichen Fehlleistungen der Übersetzerin sinnierte als über den Inhalt. Seine britische Wirtschaftsgeschichte in zwei Bänden ist bei edition Suhrkamp erschienen (Bd 315/316). Ich habe sie in den 70er Jahren gekauft und habe sie ganz gelesen. Habe sehr profitiert von seinem unbestechlichen Sachverstand. Wer nicht weiß, dass er Marxist ist (allerdings kein so primitiver wie allgemein in Deutschland üblich), merkt davon wenig. Sein Denken ist nicht schematisch, dogmatisch, geprägt von gesundem Menschenverstand und tiefer Menschlichkeit.
Die Rezension ist sehr zutreffend, soweit ich es nach diesen beiden Werken beurteilen kann. Die Lektüre seiner Britischen Wirtschaftsgeschichte, die eigentlich eine der Industrialisierung Englands ist, dürfte nicht jedermanns Sache sein. Das Zeitalter der Extreme ist in englischer Sprache sicher besser. Vielleicht hat der Verlag die dilettantische Übersetzung inzwischen durch eine andere ersetzt.
Einen schönen Abend noch
c.
Vielen Dank für deine Antwort, carlos!
Bei amazon wird das "Das Zeitalter der Extreme" in der DTv-Ausgabe aus dem Jahr 1998 angeboten - es dürfte aber nicht neu übersetzt worden sein. (EUR 17,50)
Aus der dortigen Rezension der Neue Zürcher Zeitung
Hoffnung mit Trauerflor
Eric Hobsbawms Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts
Von Christian Meier:
"[i]....Doch bei allen Einwänden fordert dieses Buch dem Leser hohen Respekt ab. Und es bietet trotz vielen Druckfehlern und einer nicht ganz ausgereiften Übersetzung eine höchst spannende Lektüre. Auch wenn man nicht überzeugt ist, sind die Zusammenhänge, in die hier vieles gerückt wird, was Zeitgenossen eher aus der Nahsicht und oft mehr isoliert wahrnehmen, von grossem Interesse. Überall spürt man die erkennende, ordnende Kraft eines souveränen, klugen Historikers. Zuweilen leuchtet auch eine grimmige Ironie auf.
Besonders hervorzuheben sind die vielen Stellen, an denen Hobsbawm nicht nur von den Stimmungen und Ängsten der Zeitgenossen berichtet, sondern auch von den Prognosen, den Erwartungen, ehrlicherweise auch den eigenen, die zumeist fehlgingen; oft, weil sie Parallelen im einzelnen zogen, wo die Verhältnisse im ganzen unterschiedlich waren.
Es stellt seit Herodot und Thukydides eine besondere Herausforderung für Historiker dar, wenn sie als Besiegte Geschichte schreiben. Das Werk des Sozialisten Hobsbawm ist dadurch ausgezeichnet, dass er sich dieser Herausforderung ehrlich gestellt hat. Es liegt daher eine leicht pessimistische Note über dem Ganzen, auch wenn das Wunschdenken manchmal durchscheint. Vor allem aber erwächst daraus eine fruchtbare Offenheit, die zumal dem letzten, teilweise prognostischen Kapitel zugute kommt: «Ein Jahrtausend geht zur Neige». Es analysiert etwa die Konsequenzen des Niedergangs der Staatlichkeit, der praktischen Aushöhlung des Monopols auf Waffengewalt – potentiell bis hin zu Atomwaffen –, die Alternativen Europas in Hinsicht auf die Zuwanderer, die ökologische Problematik oder auch die wirtschaftlichen Aussichten. Das erweckt zwar inhaltlich vielfach Besorgnis, ist aber als Analyse so anregend, dass die Lektüre eher erfreut.
Wo Politiker sich vornehmlich aufs Gesundbeten verlegen und Hoffnungen machen, die allmählich fatal an diejenigen erinnern, an die die Deutschen am Ende des Krieges glauben sollten, als man ihnen von den Neuen Waffen sprach, da geniesst man geradezu die umsichtigen, kenntnisreichen Erörterungen des Historikers, der seine Folgerungen stets auch wieder in Zweifel zu ziehen vermag. Der weiss, dass wir uns jedenfalls in einer völlig neuen Lage befinden. Denn der Fortschritt, der sich zugleich im Materiellen, Intellektuellen und Moralischen vollzog, ist zu Ende.
Wir finden uns also in «einer Welt, in der wir nicht mehr wissen können, wohin unsere Reise führt, ja nicht einmal, wohin sie uns führen sollte». Sätze, die an Tocqueville erinnern. Nur dass damals, im 19. Jahrhundert, die Welt in einen Strom in Richtung Demokratie hineingerissen war, während sie sich heute eher im Chaos befindet. Doch ist das Problem, das Tocqueville empfand, die Dinge nämlich zu lenken, solange sie noch zu lenken waren, dadurch nur grösser geworden. Eben deswegen aber auch die Notwendigkeit, dass solche Bücher wie dieses geschrieben und gelesen werden. "[/indent]
Werde aber zuerst schauen, ob dieses Buch oder andere von ihm in der Bibliothek zu finden sind. Aber es kommt mir vor, daß seine Bücher eher mehrmals gelesen werden müßten.
LG mart
Bei amazon wird das "Das Zeitalter der Extreme" in der DTv-Ausgabe aus dem Jahr 1998 angeboten - es dürfte aber nicht neu übersetzt worden sein. (EUR 17,50)
Aus der dortigen Rezension der Neue Zürcher Zeitung
Hoffnung mit Trauerflor
Eric Hobsbawms Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts
Von Christian Meier:
"[i]....Doch bei allen Einwänden fordert dieses Buch dem Leser hohen Respekt ab. Und es bietet trotz vielen Druckfehlern und einer nicht ganz ausgereiften Übersetzung eine höchst spannende Lektüre. Auch wenn man nicht überzeugt ist, sind die Zusammenhänge, in die hier vieles gerückt wird, was Zeitgenossen eher aus der Nahsicht und oft mehr isoliert wahrnehmen, von grossem Interesse. Überall spürt man die erkennende, ordnende Kraft eines souveränen, klugen Historikers. Zuweilen leuchtet auch eine grimmige Ironie auf.
Besonders hervorzuheben sind die vielen Stellen, an denen Hobsbawm nicht nur von den Stimmungen und Ängsten der Zeitgenossen berichtet, sondern auch von den Prognosen, den Erwartungen, ehrlicherweise auch den eigenen, die zumeist fehlgingen; oft, weil sie Parallelen im einzelnen zogen, wo die Verhältnisse im ganzen unterschiedlich waren.
Es stellt seit Herodot und Thukydides eine besondere Herausforderung für Historiker dar, wenn sie als Besiegte Geschichte schreiben. Das Werk des Sozialisten Hobsbawm ist dadurch ausgezeichnet, dass er sich dieser Herausforderung ehrlich gestellt hat. Es liegt daher eine leicht pessimistische Note über dem Ganzen, auch wenn das Wunschdenken manchmal durchscheint. Vor allem aber erwächst daraus eine fruchtbare Offenheit, die zumal dem letzten, teilweise prognostischen Kapitel zugute kommt: «Ein Jahrtausend geht zur Neige». Es analysiert etwa die Konsequenzen des Niedergangs der Staatlichkeit, der praktischen Aushöhlung des Monopols auf Waffengewalt – potentiell bis hin zu Atomwaffen –, die Alternativen Europas in Hinsicht auf die Zuwanderer, die ökologische Problematik oder auch die wirtschaftlichen Aussichten. Das erweckt zwar inhaltlich vielfach Besorgnis, ist aber als Analyse so anregend, dass die Lektüre eher erfreut.
Wo Politiker sich vornehmlich aufs Gesundbeten verlegen und Hoffnungen machen, die allmählich fatal an diejenigen erinnern, an die die Deutschen am Ende des Krieges glauben sollten, als man ihnen von den Neuen Waffen sprach, da geniesst man geradezu die umsichtigen, kenntnisreichen Erörterungen des Historikers, der seine Folgerungen stets auch wieder in Zweifel zu ziehen vermag. Der weiss, dass wir uns jedenfalls in einer völlig neuen Lage befinden. Denn der Fortschritt, der sich zugleich im Materiellen, Intellektuellen und Moralischen vollzog, ist zu Ende.
Wir finden uns also in «einer Welt, in der wir nicht mehr wissen können, wohin unsere Reise führt, ja nicht einmal, wohin sie uns führen sollte». Sätze, die an Tocqueville erinnern. Nur dass damals, im 19. Jahrhundert, die Welt in einen Strom in Richtung Demokratie hineingerissen war, während sie sich heute eher im Chaos befindet. Doch ist das Problem, das Tocqueville empfand, die Dinge nämlich zu lenken, solange sie noch zu lenken waren, dadurch nur grösser geworden. Eben deswegen aber auch die Notwendigkeit, dass solche Bücher wie dieses geschrieben und gelesen werden. "[/indent]
Werde aber zuerst schauen, ob dieses Buch oder andere von ihm in der Bibliothek zu finden sind. Aber es kommt mir vor, daß seine Bücher eher mehrmals gelesen werden müßten.
LG mart
Aus der Rezension Christian Maiers in der NZZ:
"Es stellt seit Herodot und Thukydides eine besondere Herausforderung für Historiker dar, wenn sie als Besiegte Geschichte schreiben. Das Werk des Sozialisten Hobsbawm ist dadurch ausgezeichnet, dass er sich dieser Herausforderung ehrlich gestellt hat."
Dieser Satz ist unverständlich. Warum gehört der Brite Hobsbawm zu den Besiegten? Ist er persönlich unterlegen? Hat Großbritannien einen Krieg verloren? Sieger schreiben die Geschichte. So hört man es oft. Inwiefern gehört nun Hobsbawm zu den Verlierern? Geschichte soll darlegen, was gewesen war und eine Deutung vermitteln. Da ist es besonders verdienstvoll, wenn die eigenen Prognosen, die Fehlurteile sind, offen genannt werden. Das ist Ehrlichkeit und Liebe zur Wahrheit, die jeden Wissenschaftler auszeichnen sollte. Muss das erwähnt werden? Nur dann, wenn es nicht mehr selbstverständlich ist.
mart, sollte es dir vorkommen, dass du ein Buch von ihm zweimal lesen musst, so geht es dir wie vielen andern auch. Warum sollte es dir eigentlich besser gehen? Es geht mir bei vielen Büchern so.
c.
"Es stellt seit Herodot und Thukydides eine besondere Herausforderung für Historiker dar, wenn sie als Besiegte Geschichte schreiben. Das Werk des Sozialisten Hobsbawm ist dadurch ausgezeichnet, dass er sich dieser Herausforderung ehrlich gestellt hat."
Dieser Satz ist unverständlich. Warum gehört der Brite Hobsbawm zu den Besiegten? Ist er persönlich unterlegen? Hat Großbritannien einen Krieg verloren? Sieger schreiben die Geschichte. So hört man es oft. Inwiefern gehört nun Hobsbawm zu den Verlierern? Geschichte soll darlegen, was gewesen war und eine Deutung vermitteln. Da ist es besonders verdienstvoll, wenn die eigenen Prognosen, die Fehlurteile sind, offen genannt werden. Das ist Ehrlichkeit und Liebe zur Wahrheit, die jeden Wissenschaftler auszeichnen sollte. Muss das erwähnt werden? Nur dann, wenn es nicht mehr selbstverständlich ist.
mart, sollte es dir vorkommen, dass du ein Buch von ihm zweimal lesen musst, so geht es dir wie vielen andern auch. Warum sollte es dir eigentlich besser gehen? Es geht mir bei vielen Büchern so.
c.
Es wird wohl so sein, daß Christian Maiers, Rezensent in der NZZ das Leben von Hobsbawrn zu flüchtig studiert hat; die Eckdaten könnten ihn verwirrt haben(
(So etwas soll bei Rezensenten öfters vorkommen. Wenn ich an einen franz.Bestseller denke, wo ein sehr bekannter franz. Rezensent mit Humor eingekennt, daß eine Buchbesprechung umso "besser" gelingt, je weniger und flüchtiger das Buch gelesen wurde, wenn ich an das Honorar von Rezensenten und Literaturkritikern denke, dann erstaunt mich diese Ungenauigkeit nicht besonders.)
--
mart
(So etwas soll bei Rezensenten öfters vorkommen. Wenn ich an einen franz.Bestseller denke, wo ein sehr bekannter franz. Rezensent mit Humor eingekennt, daß eine Buchbesprechung umso "besser" gelingt, je weniger und flüchtiger das Buch gelesen wurde, wenn ich an das Honorar von Rezensenten und Literaturkritikern denke, dann erstaunt mich diese Ungenauigkeit nicht besonders.)
--
mart
Christian Maier ist nicht irgendein Rezensent, sondern ein sehr bekannter Historiker (Alte Geschichte). Er hat sehr bekannte Werke veröffentlicht, wie z.B. Athenb, Ein Neubeginn der Weltgschichte oder die sehr gute Biografie Caesars.
c.
Danke für die Information über den Rezensenten. Dann müßte er ja über seinen Historikerkollegen gut informiert sein. Ist es vielleicht eine Anspielung auf den Untergang der kommunistischen Ideale?
Glaube ich nicht, mart. Es bezieht sich eher auf Thukydides und Herodot, beides athenische Gechichtsschreiber und beide als solche Chronisten der schweren Niederlage Athens im Krieg gegen Sparta, einem Krieg der fast 30 Jahre dauerte. Das Werk des Th. (Der Pelopnnesische Krieg) bricht abrupt im Satz mit dem jahr 411 ab. Der Peloponnesische Krieg endete 403 mit der völligen Niederlage Athens. Thukydides selbst war als Stratege zu Beginn des Krieges am Kriegsgeschehen beteiligt und wurde für die Niederlage bei Amphipolis zur Rechenschaft gezogen. Insofern ist er einer der Besiegten. Er wird der Vater der Geschichtsschreibung genannt, weil er obkjektiv berichten und erklären, nicht nur erzählen wollte, wie es zum Kriege kam und was im Krieg geschah.
"Was aber tatsächlich geschah in dem Kriege, erlaubte ich mir nicht nach Auskünften des ersten besten aufzuschreiben, auch nicht "nach meinem Dafürhalten" [eine von Herodot häufig gebrauchte Redewendung], sondern bin Selbsterlebtem und Nachrichten von andern mit aller erreichbaren Genauigkeit bis ins einzelne nachgegangen. Mühsam war diese Forschung, weil die Zeugen der einzelnen Ereignisse nicht dasselbe über dasselbe aussagten, sondern je nach Gunst oder Gedächtnis. Zum Zuhören wird vielleicht diese undichterische Darstellung minder ergötzlich scheinen; wer aber das Gewesene klar erkennen will und damit auch das Künftige, das wieder einmal, nach der menschlichen Natur, gleich oder ähnlich sein wird[u][/u], der mag sie für nützlich halten, und das soll mir genug sein: zum dauernden Besitz, nicht als Prunkstück fürs einmalige Hören ist sie verfaßt. — Thukydides: Peloponnesischer Krieg 1,22" (vgl Link)
Hobsbawms "Zeitalter der Extreme" ist gute Geschichtsschreibung, und ich bedaure, dass ich die Mängel der Übersetzung so herausgestellt habe. Das Buch regt immer zum Nachdenken an. Lesenswert vor allem die Seiten über das "Ende des Sozialismus" und die Ursachen des Scheiterns.
c.
"Was aber tatsächlich geschah in dem Kriege, erlaubte ich mir nicht nach Auskünften des ersten besten aufzuschreiben, auch nicht "nach meinem Dafürhalten" [eine von Herodot häufig gebrauchte Redewendung], sondern bin Selbsterlebtem und Nachrichten von andern mit aller erreichbaren Genauigkeit bis ins einzelne nachgegangen. Mühsam war diese Forschung, weil die Zeugen der einzelnen Ereignisse nicht dasselbe über dasselbe aussagten, sondern je nach Gunst oder Gedächtnis. Zum Zuhören wird vielleicht diese undichterische Darstellung minder ergötzlich scheinen; wer aber das Gewesene klar erkennen will und damit auch das Künftige, das wieder einmal, nach der menschlichen Natur, gleich oder ähnlich sein wird[u][/u], der mag sie für nützlich halten, und das soll mir genug sein: zum dauernden Besitz, nicht als Prunkstück fürs einmalige Hören ist sie verfaßt. — Thukydides: Peloponnesischer Krieg 1,22" (vgl Link)
Hobsbawms "Zeitalter der Extreme" ist gute Geschichtsschreibung, und ich bedaure, dass ich die Mängel der Übersetzung so herausgestellt habe. Das Buch regt immer zum Nachdenken an. Lesenswert vor allem die Seiten über das "Ende des Sozialismus" und die Ursachen des Scheiterns.
c.
Diese formale Strenge und die Objektivität, mit der Thukydides versucht hat, die Motive und Handlungen beider Kriegsparteien (und der Übrigen) auszuleuchten und festzuhalten, waren beispielhaft für nachfolgenden Generationen von Historikern und machten Thukydides zum "eigentlichen" Vater der Geschichtsschreibung.
Gibt es für die späteren Zeitalter Geschichtsschreiber, die einen ähnlich hohen Anspruch an sich stellten?
Nochmals danke für deine Information - ich bin jetzt sehr motiviert, nicht nur diesen Link genauer zu durchforsten sondern mich auch mit Hobsbawms Büchern zu beschäftigen.
wer aber das Gewesene klar erkennen will und damit auch das Künftige, das wieder einmal, nach der menschlichen Natur, gleich oder ähnlich sein wird, der mag sie für nützlich halten, und das soll mir genug sein
[...] wenn sie als Besiegte Geschichte schreiben. [...]
Dieser Satz ist unverständlich. [...]Warum gehört der Brite Hobsbawm zu den Besiegten? Ist er persönlich unterlegen? Hat Großbritannien einen Krieg verloren? Sieger schreiben die Geschichte. So hört man es oft. Inwiefern gehört nun Hobsbawm zu den Verlierern? [...] Da ist es besonders verdienstvoll, wenn die eigenen Prognosen, die Fehlurteile sind, offen genannt werden. Das ist Ehrlichkeit und Liebe zur Wahrheit, die jeden Wissenschaftler auszeichnen sollte. Muss das erwähnt werden? Nur dann, wenn es nicht mehr selbstverständlich ist.
(Durch einen Zufall auf diese kleine Beitragskette gestoßen, für die ich - wegen der Anregung - sehr dankbar bin)
Es wird ja die bekannte Tatsache erwähnt, daß Hobsbawm Marxist ist (vielleicht besser: von Marx beeinflußt ist?) ... Aber seit den neunziger Jahren werden Marxismus und dessen politische Implikationen einer sozial gerechten Gesellschaft, eben der Sozialismus als Verlierer - im Kampf der Weltanschauungen und Idiologien? - bezeichnet. In diesem Kontext werden vermutlich eben Hobsbawm und eben auch die anderen politischen, philosophischen und wissenschaftlichen Vertreter des Marxismus und Sozialmus nach dem Zusammenbruch der SU und des bisherigen Ostblock (vielleicht auch aufgrund der Entwicklung in der Volksrepublik China) - unter der Annahme, daß der Kapitalismus gesiegt habe - als Verlierer bezeichnet.
Dann noch:
"Ehrlichkeit und Liebe zur Wahrheit [der] Wissenschaftler"
Davon abgesehen, daß vermutlich jeder Historiker (als Vertreter seiner Zeit, einer bestimmten Gesellschaft etc.) seine (eben auch subjektive) Sicht der Dinge hat (zudem laufend neue Quellen und Erkenntnisse hinzukommen; siehe die Situation nach 1990, als auf einmal viele östliche Archive geöffnet wurden), belegen gerade die großen Geschichtswerke (angefangen von Thukydides über Livius bis in unsere Zeit), daß Histiographie (fast) immer von einem bestimmten politischen Interesse und von bestimmten politischen Idden bzw. Ideologien bestimmt wurde.
Die Bertha
vom Niederrhein
P.S. Jetzt lese ich gerade erst den/ einen Beitrag von Mart ... Stichwort der untergegangenen kommunistischen Ideale