Diskussion historischer Ereignisse ISRAEL

carlos1
carlos1
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Re: ISRAEL
geschrieben von carlos1
als Antwort auf Karl vom 03.05.2012, 07:29:14
"... glaubst Du wirklich eine Einteilung der Menschen in eine Herrenklasse, die den Staat leitet, und in eine andere, die ihn nur "genießt", hat Zukunft?" Karl

Guten Morgen, Karl,
genau das glaube ich nicht, wenn su solche Vorgaben einbringst. Aber das ist von Nusseibeh auch nicht gemeint. Volle bürgerliche Rechte heißt volle Gleichberechtigung vor dem Gesetz, mit Ausnahme des Wahlrechts in gesamtstaatlichen Angelegenheiten. So habe ich ihn verstanden im Interview. ich habe es nicht mal in voler Länge gehört. Es gibt auch Spiegel-Interviews, er hat eine eigene Homepage.

Wenn du so fragst, muss dagegen gefragt werden, ob es besser wäre die pal. Bevölkerung auf lange Sicht in menschenunwürdigen Verhältnissen dahin siechen, krepieren zu lassen. Es geht nicht um Sieg, sondern um Substanzerhalt. Um ein Ende der Verdrängung von Grund und Boden. Es ginge in einem Gedankenewxperiment um eine Politik der kleinen Schritte, um wirtschaftlichen Aufbau, um ein besseres Leben. Mauern müssen weg. Dafür Frieden. Aufbau. Eine Chance für die Zukunft. Ein neues Spiel beginnt. Die Frage ist doch, ob Israel sich auf solche Ziele einlassen würde.

Wenn du von vornherein das Gedankenmuster von Herrenklasse und Knechten einbringst, dann verbietet sich von selbst eine Politik der kleinen Schritte. Dann bleibst du in der Erstarrung der Feindbilder. Dann bleibt nur das Schweigen (kein Dialog) und der nächste bewaffnete Konflikt wird kommen.

Politik ist die Kunst des Möglichen. Geduld und kleine Schritte, nicht alles auf einmal erwarten. Ein pragmatischer Ansatz in der Lösung schwieriger Konflikte (Realpolitik) ist immer besser als Prinipienpolitik.

Viele Grüße
Karl
Karl
Administrator

Re: ISRAEL
geschrieben von Karl
als Antwort auf carlos1 vom 03.05.2012, 09:55:42
Lieber carlos1,


ich bin sehr für das Aufweichen der Feindbilder und bestehe auf einer friedlichen Lösung. Dann darf als Ziel aber doch nicht ausgegeben werden das Nebeneinander von ungleichen Menschengruppen!

Für mich ist mit den Bürgerrechten untrennbar das politische Wahlrecht verbunden. Wer nicht politisch wählen darf, wird als unmündig angesehen. Was ist diese absurde Forderung also anderes als die Einteilung der Menschen in Herren und Knechte?

Ich muss mich schon sehr wundern, dass solche Ideen heute noch geboren werden.

Karl
schorsch
schorsch
Mitglied

Re: ISRAEL
geschrieben von schorsch
als Antwort auf miriam vom 03.05.2012, 08:26:54
Karl, ............................

Außerdem ist dir genau bekannt, dass ich den heutigen Staat Israel, überhaupt nicht unkritisch sehe, bin zugleich aber überzeugt, dass es eine Lösung für Juden und für Palästinenser, auf diesem gemeinsamen Staatsgebiet, geben wird.


Miriam


Es wird die Endlösung sein!!!

Ich bin überzeugt, dass in Tel Aviv bereits fixfertige Pläne bestehen, wie diese aussieht und was danach zu geschehen habe - inklusive Aufteilung der Ländereien an die Siedler.

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Re: ISRAEL
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Ich empfehle, das von Carlos eingestellte Interview einmal zu hören, es ist sehr interessant und beweist, dass es Palästinenser gibt, die aus purer Resignation solche Lösungen vorschlagen.
Die wichtigsten Punkte habe ich notiert und gebe sie kurz wieder:

Es geht darum, dass Nusseibeh die Idee einer Zwei-Staaten-Lösung als gescheitert und nicht mehr realisierbar ansieht, was aufgrund der immensen Ausweitung von israelischen Siedlungen auf pal. Land eine sehr verständliche Sichtweise ist. Er weist darauf hin, dass Israel auf 78 % von palästinensischem Land errichtet wurde, eine halbe Million Siedler in pal. Gebiet lebt, für die Westbank und Gaza nur 23% des Landes übriggeblieben sind, von denen nur 20% allein von palästinensischen Behörden verwaltet werden.
Er weist außerdem darauf hin, dass im Gazastreifen die Palästinenser in einem großen Gefängnis ohne Bewegungsfreiheit leben, während die Israelis auf großen Autobahnen fahren können, die von Palästinensern nicht benutzt werden dürfen. Während sie auf die Zwei-Staaten-Lösung warten, läuft ihnen die Zeit davon, und sie können nichts unternehmen, weil ihnen weiterhin alle Rechte vorenthalten werden.

Nusseibeh schlägt deshalb das vor, was bestenfalls noch realistisch wäre: die Einstaatenlösung, die mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft verwirklicht werden sollte. eine Idee, die inzwischen von wenigen, aber namhaften israelischen und palästinensischen Persönlichkeiten unterstützt wird (s. Link unten), darunter Ilan Pappe, über den ich gerade geschrieben habe, und Jeff Halper, Mitbegründer des Israelischen Komitees gegen Hauszerstörungen.

Nach den neuen Vorschlägen, die er als „Gedankenexperiment“ bezeichnet, sollen die Palästinenser in einem einheitlichen Staat die mindesten Grundrechte bekommen, die ihnen jetzt vorenthalten werden. Die Idee der Zwei-Staaten-Lösung soll dabei aber nicht ganz aufgegeben werden. Aber er strebt einen sogenannten „dritten Weg“ an, das heißt, eine Konföderation zwischen zwei Staaten, die keine Grenzen zwischen sich haben.
Es wird dabei akzeptiert, dass die Palästinenser nicht die gleichen Rechte haben wie die Israelis, aber zumindest „Grundrechte“, was immer er darunter versteht, und Nusseibeh meint, dass die Palästinenser dann immer noch mehr Rechte haben als bisher, weil sie bisher gar keine Rechte haben.

Ich frage mich: Wie verzweifelt oder resigniert muss ein Palästinenser sein, um eine solche Lösung als einzig realisierbare anzusehen?
Karl
Karl
Administrator

Re: ISRAEL
geschrieben von Karl
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 03.05.2012, 13:34:13
Danke für diese Zusammenfassung, Marina. Aber das wird nicht funktionieren. In der heutigen Welt kann ich mir kein Nebeneinander mit unterschiedlichen Rechten mehr vorstellen. Das würde keinen Frieden geben. Die Situation ist verfahren, die Mächtigeren könnten einen Weg finden, aber dazu müssten sie sich auf die Menschenrechte besinnen. Karl
sarahkatja
sarahkatja
Mitglied

Re: ISRAEL
geschrieben von sarahkatja
als Antwort auf miriam vom 03.05.2012, 08:00:19
Liebe Miriam,
die ersten jüdischen Einwanderer kamen keineswegs erst nach dem II. Weltkrieg
nach Palästina.
Die erste Einwanderung (1.Alija) russischer Juden fand nach der ersten Progromwelle
1881 statt.
Zar Alexander verbietet 1882 den Juden die freie Berufswahl.
Zweite Progromwelle 1903.

Das war bevor Theodor Herzl sein Buch „Der Judenstaat“ veröffentlichte.
Seine Worte:“
Wir werden auch drüben bleiben, was wir jetzt sind, so wie wir nie aufhören werden,
unsere Vaterländer, aus denen wir verdrängt wurden, mit Wehmut zu lieben.

Im 1. Weltkrieg eroberten die Briten Palästina und beendeten die seit 1516 bestehende
osmanische Herrschaft. Auch von Arabern als Befreiung angesehen.

Am 11. April 1909 wurde der Grundstein für die erste moderne Stadt Tel Aviv gelegt,
in der heute eine halbe Millionen Menschen leben

Am 2. November 1917 akzeptierten die Briten das Recht der Juden auf eine nationale
Heimstätte in Palästina. Einige Jahre vorher hatten sie auch den Arabern Unabhängigkeit
versprochen. Man denke an Lawrence von Arabien, Offizier in britischen Diensten.

In den 20ziger Jahren verdoppelte sich die jüdische Gemeinschaft auf 100 000 Einwanderer.

Die Ereignisse während der nationalsozialistischen Zeit beschleunigten den Einwanderungsprozess, waren aber nicht
der Anfang.

Mit freundlichem Gruß
Sarahkatja







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Re: ISRAEL
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf sarahkatja vom 03.05.2012, 18:17:40
Ja, da juckt es mich doch in den Fingern, ein Zitat von Miriam einzustellen:
"Ich finde aber - und bedauere dies sehr, dass hier einige Themen betreffend Judentum oder Israel, voller Ressentiments sind - dafür aber wenig belastet von Sachkenntnissen."

Das muss ich ja wohl nicht weiter kommentieren, stelle aber mal zur Belebung der Sachkenntnisse einen Link von Wikipedia zur Geschichte Israels ein. Und auch der widerspricht Miriams Behauptungen von den ersten Einwanderern nach dem 2. Weltkrieg, über die ich mich auch gewundert habe.
miriam
miriam
Mitglied

Re: ISRAEL
geschrieben von miriam
als Antwort auf sarahkatja vom 03.05.2012, 18:17:40
Liebe Sarahkatja,

zwar kenne ich die Geschichte von Eretz Israel noch aus der Schule und auch aus der Familie (jüdisch - doch eher als nicht religiös zu bezeichnen).

In meinem Beitrag wollte ich mich eher auf die unmittelbare Zeit vor Mai 1948 beziehen - deswegen das Missverständnis.

Ich schrieb ja schon oft, dass ich Israel gut kenne - Dank hauptsächlich meiner Familie, bzw. guten Freunden, dank auch dem Kibbutz Bar'am - dessen Gründer (Eliahu und Dvora) - Überlebende von Auschwitz waren.

Nach meiner Ansicht, kann man über dieses Land und überhaupt über die Israelis (ob Juden, Araber, Drusen - etc...) nur wirklich urteilen, wenn man da gewesen ist - für längere Zeit.

Für heute sage ich toda raba und Shalom

Miriam

carlos1
carlos1
Mitglied

Re: ISRAEL
geschrieben von carlos1
als Antwort auf Karl vom 03.05.2012, 10:50:28
"Für mich ist mit den Bürgerrechten untrennbar das politische Wahlrecht verbunden. Wer nicht politisch wählen darf, wird als unmündig angesehen. Was ist diese absurde Forderung also anderes als die Einteilung der Menschen in Herren und Knechte?

Ich muss mich schon sehr wundern, dass solche Ideen heute noch geboren werden." Karl


Hallo Karl,
die blockierte Situation im Palästinakonflikt reizt zum Durchdenken. Deshalkb ist es richtig zunächst festzustellen, dass unbedingt ausschließlich und allein eine friedliche Lösung in Frabge kommt. Ein Gewaltverzicht, vertraglich geregelt müsste her. Darin sind wir uns hier völlig einig, In Nahost sieht es anders aus. Im Pälastinakonflikt haben viele arabische und muslimische Staatschefs ihre Finger drin. Jeder hat andere Interessen. Dieser Konflikt bündelt die arabischen Ziele und Emotionen. Ich habe das in einem längeren Beitrag zu erklären versucht.

Die Palästinenser sind die Leidtragenden dieser Entwicklung. So meine These. Es geht um die Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse.

Die Grundidee eines binationalen Staates (mit Autonomiestatus und Selbstverwaltung, einer Föderation oder Konföderation zweier Staatsgebilde mit gemeinsamen Verwaltungen) ließe sich so ausgestalten, dass die Pal. alle bürgerlichen Rechte erhalten, aber dadurch die jüdische Identität des Staates Israel nicht angetastet wird. Das wäre conditio sine qua non für Israel. Ebenso die Sicherheitsfrage. Wo liegt das Problem? Technisch und rechtlich wäre es machbar. Ob aber akzeptabel?

Politische Partizipation, wozu Wahlen gehören, könnte in den die Pal. unmittelbar betreffenden Angelegenheiten stattfinden. Das Problem läge in einer zeitweisen Souveränitsbeschränkung. Die Gesamtsituation wäre aber eine erhebliche Vwirtschaftliche, rechtliche und soziale Verbesserung gegenüber der jetzigen Lage. Die Bundesrepublik wurde letztlich souverän 1990 oder 1991. Wir waren im Nato-Bündnis, in der EU, in allen wirtschaftlichen Organisationen, UNO, überall. Die Fragen, die aber Dtld als Ganzes betrafen, lagen immer noch im Verantwortungsbereich der Siegermächte. Haben die Deutschen deshalb über all die Jahrzehnte hinweg getrauert oder sich nachts unruhig in den Betten gewälzt, geschämt und an Selbstmordattentate gedacht? Der Vergleich hinkt gewaltig. Die Situation ist im Nahen Osten anders, vor allem auch die Mentalitäten, die Geschichte.

Die Beziehungen der Staaten untereinander im nahöstlichen Staatensystem sind anders geprägt als in Europa. Wir könnten nur aufforderm, die Vorteile einer friedlichen binationalen Lösung für Pal. zu überdenken und als Europäer uns entschuldigen für den Betrug der Engländer und Franzosen an den Arabern während und nach dem 1. Weltkrieg. An die Ernennung Tony Blairs zum Vermittler im Nahostkonflikt (Roadmap) möchte ich erinnern. Ausgerechnet ein Engländer, Vertreter der Nation, die die Araber im ersten Weltkrieg und auf den Friedenskonferenzen betrogen hat.

Vor allem müssten die Vorteile und Verbesserungen für die Menschen deutlich werden. Entscheidend wäre, ob die Pal. mitmachen würden und die Israelis. Wer hat denn je ein Angebot gemacht? Wer aus Europa spricht überhaupt noch mit Autorität? Wer heilt die seelischen Verletzungen aus den Kriegen und den Aufständen?

Wo immer Muslime mit andren Religionen zusammen leben, gibt es Probleme. Man spricht von der blutenden Grenze. Das gilt auch für das Heilige Land.
c

JuergenS
JuergenS
Mitglied

Re: ISRAEL
geschrieben von JuergenS
als Antwort auf miriam vom 03.05.2012, 18:46:22

Nach meiner Ansicht, kann man über dieses Land und überhaupt über die Israelis (ob Juden, Araber, Drusen - etc...) nur wirklich urteilen, wenn man da gewesen ist - für längere Zeit.

Für heute sage ich toda raba und Shalom

Miriam



Hallo Miriam,
ich hab zwar nur mal eine eher archäologische kurze Reise durch Israel gemacht, ich bin sicher, man kann nur urteilen, wenn man viel weiß und dort war. Ich kann euch aber versichern, dass diese Reise die Reise meines Lebens war und tiefe Erinnerungsfurchen hinterlassen hat, neue Einschätzungen, neue Fragen etc.
Ich habe keinerlei Antipathie gegen uns verspürt, würde mir kaum ein Urteil erlauben können, das einseitig wäre.
Ich würde mir nur wünschen, dass vielleicht in Anlehnung an die deutsch-französische Aussöhnung nach so viel Leid ein ähnliches Wunder in Palästina/Israel geschehen würde. Das Land ist schön, unfassbar interessant und friedens-sehnsüchtig.

Servus

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