Diskussion historischer Ereignisse Heikles Datum - 30.1.1933

carlos1
carlos1
Mitglied

Heikles Datum - 30.1.1933
geschrieben von carlos1

Historische Ereignisse? Das ist eines. Wegen der Folgen.
"Machtergreifung" wurde/wird es genannt. Dabei lag die Macht nicht irgendwo herum und wartete darauf ergriffen zu werden. Das Amt des Reichskanzlers wurde einem Mann übertragen, der noch ein halbes Jahr vorher nicht einmal deutscher Staatsbürger war.

Das Ende ist bekannt

Nur eine Erinnerung.
hafel
hafel
Mitglied

Re: Heikles Datum - 30.1.1933
geschrieben von hafel
als Antwort auf carlos1 vom 29.01.2008, 16:51:08
Richtig Carlos, mir ist dieses Datum in zweierlei Sicht in bleibender Erinnerung. Zum einen hat am 30.01. meine Schwester Geburtstag und kann ich mich noch als Kind sehr gut daran erinnern, dass nicht ihrerwegen die Stadt beflaggt war. Sie wird aber trotzdem morgen ihren Geburtstag begehen.

Zum weiteren ist dieses Datum für mich immer ein Mahndatum an "Blinde" in unserer Demokratie. Gewinnen erst einmal solche Extreme wie "Rechts" und "Links" (auf demokratischem Wege) die Übermacht (die Kommunisten haben ja auch eine Einheitsbrei-Partei SED erschaffen) wird die Verfassung geändert und wir bekommen sie (fast) nie wieder weg.
--
hafel
Re: Heikles Datum - 30.1.1933
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf carlos1 vom 29.01.2008, 16:51:08
Das Wort "Machtergreifung" ist inzwischen sehr umstritten, weil es suggeriert, dass die Macht ohne den Willen der Bevölkerung ergriffen wurde, das war nicht der Fall. Es gab eine große Unterstützung seitens der Bevölkerung, ohne die die NSDAP nicht an die Macht gekommen wäre.
Wie heißt es bei Goldhagen? "Hitlers willige Vollstrecker". Auch wenn man Goldhagens Thesen in ihrer Radikalität nicht folgt, so war doch, wie inzwischen bekannt ist, ein starker Rückhalt in der Bevölkerung da, die zum großen Teil voll hinter der NSDAP und Hitler stand und diese Politik wollte.

Zitat Wikipedia: "Seit den 1980er Jahren hat sich teilweise die neutralere Bezeichnung „Machtübergabe“ statt des propagandistisch belasteten und irreführenden Ausdrucks „Machtergreifung“ durchgesetzt".
Ein anderes Zitat: "Bei allen historischen Belastungen der Weimarer Republik gab es keine Zwangsläufigkeit der deutschen Geschichtsentwicklung zum „Dritten Reich“ hin. Jederzeit – auch in der Spätphase der Weimarer Republik – waren andere Entscheidungen möglich, die Hitler verhindert beziehungsweise seinen Aufstieg behindert hätten.«
--
marina

Anzeige

hafel
hafel
Mitglied

Re: Heikles Datum - 30.1.1933
geschrieben von hafel
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 29.01.2008, 18:03:29
Das ist richtig. Außer ein kurzes Aufbäumen eines SPD-Abgeordneten zum "Ermächtigungsgesetz" haben die bürgerlichen Parteien, wie auch Hindenburg vollkommen blind Hitler auf den Thron gesetzt. Machtergreifung ist ein äußerst unpassender Begriff.
--
hafel
Re: Heikles Datum - 30.1.1933
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf hafel vom 29.01.2008, 18:19:13
Na, dass du mir mal zustimmst, da muss ich aber heute drei Kreuze in meinen Kalender machen. Hoffentlich hat dich das nicht zu viel Überwindung gekostet.
Es geschehen noch Zeichen und Wunder.
--
marina
hafel
hafel
Mitglied

Re: Heikles Datum - 30.1.1933
geschrieben von hafel
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 29.01.2008, 18:33:11
Ach Marina, ich kann doch die Person von der Sache unterscheiden. Wenn wir uns in der Sache manches Mal zoffen so respektiere ich doch die Person..... nochzu; wo ich Dich persönlich gar nicht kenne. Wo Du Recht hast, da hast Du auch bei mir Recht (ist ja eh' nur meine subjektive Meinung) und in dieser Sache rudern wir im gleichen Boot........ in die gleiche Richtung )))
--
hafel

Anzeige

florian
florian
Mitglied

Re: Heikles Datum - 30.1.1933
geschrieben von florian
als Antwort auf hafel vom 29.01.2008, 18:19:13
Die NSDAP hatte es förmlich und geschickt, die Weltwirtschaftskrise sowie den Versailler Vertrag auszunutzen und die Menschen, die eh gebeutelt waren von Monarchie und Weimarer Republik (Inflation), durch Hetze und Schmeichelei auf ihre Seite zu bringen.

Das Land war ab 1928/29 äußerst instabil und die Verzweiflung der Menschen, gezeichnet durch Krieg und Arbeitslosigkeit, fingen die Nationalsozialisten auf und wussten sie gebrauchen.


--
florianwilhelm18
mart
mart
Mitglied

Re: Heikles Datum - 30.1.1933
geschrieben von mart
als Antwort auf florian vom 29.01.2008, 20:49:54
Waren die letzten Jahrzehnte der Habsburgermacht unter dem Signum "hoffnungslos, aber nicht ernst" gestanden, so gab es jetzt viele, die einen düsteren Ernst der Lage diagnostizierten, wo sich endlich konstruktive Möglichkeiten für soziales und politisches Handeln zeigten. Für die pragmatische Mehrheit bestand allerdings die vordringlichste Aufgabe darin, diese Möglichkeiten zu nutzen. [...] Im neuen Österreich gab es für die Intellektuellen genug positive Arbeit. Für Leute wie Hans Kelsen und Karl Bühler gab es wenig Grund zum Zweifel an der Möglichkeit, Werte im praktischen gesellschaftlichen Leben zu verwirklichen. Eine Verfassung musste ausgearbeitet, ein Parlament eingerichtet, das funktionierende System einer sozialen Demokratie in Gang gebracht werden. [...] Es war in den Augen der Pragmatiker eine Zeit des Aufbaus und des Optimismus.Der tristen materiellen Ausgangslage standen also beachtliche intellektuelle Ressourcen gegenüber.
geschrieben von Allan Janik, Stephen Toulmin: Wittgensteins Wien. Simon & Schuster, New York 1973. Hanser, München 1984. S. 321 f.




Es war im Wien dieser Zeit und in diesen schlimmen Zeiten möglich durch eine engagierte Sozialpolitik der mit absoluter Mehrheit gewählten Sozialdemokraten Härten zu mildern und sogar wesentliche Verbesserungen durchzuführen -
vom Schulwesen über die Gesundheitsvorsorge und soziale Leistungen bis zum sozialen Wohnbau (ich empfahl einmal in Wien den "Karl-Marxhof" zu besichtigen!).

Das heißt, daß kluge Köpfe, Engagement und soziale Gesinnung auch in sehr schlechten Zeiten (die in Wien sicherlich wesentlich ärger waren als in Berlin und München)viel erreichen können.
(Die größte, aber wie bekannt durchaus nicht dauernde Leistung war sicherlich, daß Hitler in Wien ein Nichts war.)



--
mart
florian
florian
Mitglied

Re: Heikles Datum - 30.1.1933
geschrieben von florian
als Antwort auf mart vom 29.01.2008, 21:04:51
Nu eine Frage:

Kann man die Lagen in Deutschland und in der ehm. Doppelmonarchie vergleichen???
--
florianwilhelm18
mart
mart
Mitglied

Re: Heikles Datum - 30.1.1933
geschrieben von mart
als Antwort auf florian vom 29.01.2008, 21:09:52
Interessante Frage!
Ich denke, daß das in manchen Details sicher möglich ist.

Aber darüber sollte jemand seine Meinung schreibe, der sich ausführlicher als ich mit der Geschichte beider Staaten beschäftigt hat.


mart

Anzeige