Diskussion historischer Ereignisse Gibt es "Stolpersteine" in Eurer Stadt?
Ich bleibe stehen. In Düren, mitten in der Innenstadt und starre dieses
riesige Parkhaus an.
Dort stand die prächtige Synagoge. Ich habe sie auf alten Photos gesehen.
Ich weiß nicht, wie oft ich da schon stand und dieses Parkhaus angestarrt habe.
Meine Gefühle: Eine tiefsitzende Trauer.
Gegenüber, auf der anderen Straßenseite, steht ein Stein, etwas größer als ich.
Man muss es schon wissen, sonst sieht man es nicht: Eine kleine Gedenkplatte,
eingelassen in den Boden, verwittert, verschmutzt.
Dies soll an die Synagoge erinnern.
Auf dem riesigen Rathausvorplatz ist eine Skulptur zu sehen.
Ich glaube sie heißt der flammende Engel (??)
Diese unübersehbare Skulptur, die sofort ins Auge fällt, erinnert an besagte
Nacht/Tag, als Düren komplett zerbombt worden ist.
Ich starre diese Skulptur an.
Meine Gefühle: Eine tiefsitzende Wut.
Wenn ich nicht zweimal eine Führung mit gemacht hätte zu " Jüdisches Leben in Düren ",
würde ich so gut wie gar nix sehen.
Die Stolpersteine sind schwer zu erkennen.
Liegen zum Teil auch mitten in der Innenstadt.
Verdreckt.
Die Leute gehen darüber hinweg.
Anna
Die Synagoge in Düren wurde aber nicht von den Alliierten zerbombt, sondern im Rahmen der Novemberprogrome 1938 von Nazis zerstört und abgefackelt!
Edita
Stolpersteine gibt es hier vor vielen Häusern, in denen einst jüdische Familien lebten bzw.
deren Kaufhäuser standen (wie auch das Gebäude der heutigen Deutschen Bank.)
Bei der Recherche für ihr Buch "Jüdisches Leben in...*) - quer durch die Jahrhunderte",
das meine Tochter in vereinfachter Sprache (auch für Kinder) geschrieben hat, habe ich sehr viel
erfahren, über die wechselnden Bedingungen, unter denen Juden nach jeweiliger politischer
Situation seit Jahrhunderten in Deutschland lebten bzw. geduldet wurden.
Es umfasst die Zeit bis nach dem Krieg und in die 50er Jahre.
Allegra
*) Ortsname absichtlich weggelassen
„ Im ganzen Reich organisierte Ausschreitungen gegen die Juden („Reichskristallnacht“).
In Düren werden Läden zerstört und geplündert, die Synagoge in Brand gesetzt und 26 Männer in die Konzentrationslager Buchenwald und Sachsenhausen deportiert.
10.11.1938
Dann kam jene Nacht des Erschreckens, die viel besser als unsere aufdringlichen Lieder die Erwachsenen aus ihren schwarz-weiß-roten Träumen hätte aufwecken müssen. Die Nacht vom 9. zum 10. November 1938, die als Reichskristallnacht in die Geschichte eingegangen ist, war ein erstes Alarmsignal und wurde dennoch wieder allzu schnell und leichtfertig vergessen.
[…] Unser Lehrer hatte große Mühe, uns die Notwendigkeit dieser Aktion verständlich zu machen. Dabei verschwieg er uns wohlweislich seine wahren Einsichten und Ansichten, denn als Mitglied der Partei hatte er ja alles gutzuheißen, was geschah. Mit keinem Wort erwähnte er die Niederbrennung der jüdischen Synagoge. Wir Kinder erfuhren erst nach der Schule davon und gingen natürlich hin, um uns auch das noch anzusehen. Längst war das Innere der Synagoge ausgebrannt, das Dach zusammengestürzt, und nur noch schwacher Feuerschein drang durch die leeren Fensterhöhlen nach außen. Allein die verrusten Außenmauern waren übrig geblieben. Später wurden auch sie abgerissen, und übrig blieb ein leerer öder Platz.„. Quelle
Edita
Klar! Das muss doch hier nicht extra erwähnt werden.
Ich habe diese beiden " Mahnmale " nebeneinander gestellt, um
darzulegen, wie mit den Geschehnissen von Seiten der Stadt Düren
umgegangen wird.
Jedes Jahr wird unter diesem Flammenengel eine Gedenkveranstaltung
abgehalten.
Auf der linken Seite dieses " Flammenengel", da ist noch viel Platz,
zur Erinnerung an die Zerstörung der Synagoge.
Und auch Platz für eine Gedenktafel, auf der alle Namen der Dürener
Juden/Jüdinnen stehen, die ermordet worden sind.
Es wurde immer mal wieder an die Stadt heran getragen.
Nix!!
Ich habe auch an zwei Führungen teil genommen " Jüdisches Leben im Dürener Land "
Da wird es dann so richtig heftig und fies.
Das mag ich hier gar nicht niederschreiben.
Es gab nicht nur die Dürener Synagoge!
Das einzige Dorf, von den zahlreichen Dörfern ringsum, ist es nur Drove,
gewesen, die das gemacht haben, was als " Erinnerungskultur " bezeichnet
wird.
Stolpersteine sind Erinnerungssteine.
Anna
Du ignorierst einfach, daß sie von diesem perversen machtgierigen Hitler in diese Situation gebracht wurden, denn er ist der alleinige Verursacher dieses ganzen Elends!
Edita
Aber das ist meiner Meinung nach kein Trost für die Opfer dieses Bombenkrieges, oder (konkret) für die Hinterbliebenen von LdRs Opa.
Ich bin unbedingt dafür, diese beiden Dinge zu trennen, da sind wir uns einig.
Aber dennoch gab es auf ALLEN Seiten viele Opfer, schuldige, aber auch viele viele unschuldige, und Angehörige, die bis heute darunter leiden. Und die alle hatten und haben doch nichts davon, dass das Ganze eine Vorgeschichte hatte, sondern empfanden nur grenzenloses Leid.
LG
DW
Ich bin unbedingt dafür, diese beiden Dinge zu trennen, da sind wir uns einig.Auch ich bin unbedingt dafür, den Holocaust und dieses entmenschlichte Leid an Millionen Menschen strikt von den anderen Kriegshandlungen zu trennen. Es war Deutschland mit seinen Nazis, die diesen Krieg begonnen hatten und dann - dafür werde ich immer dankbar sein -auch verloren haben.
Aber dennoch gab es auf ALLEN Seiten viele Opfer, schuldige, aber auch viele viele unschuldige, und Angehörige, die bis heute darunter leiden. Und die alle hatten und haben doch nichts davon, dass das Ganze eine Vorgeschichte hatte, sondern empfanden nur grenzenloses Leid.
LG
DW
Die Gefahr bei einer "Nichttrennung" ist immer,dass sich dann eine Täter-Nation als Opfer stilisiert.
So auch übrigens bei Dresden, wo man immer auch die Angriffe der Nazi-Wehrmacht auf z.B.britische Städte berücksichtigen muss.
So ist Krieg: die Angriffe werden gerächt und dies natürlich an einer Zivilbevölkerung - sieht man ganz aktuell auch in der Ukraine.
Allerdings gibt es von den Nazis und deren perverser Kriegslust bis heute gültige Aufnahmen: "wollt ihr den totalen Krieg" und darauf folgend hysterische Beifallsbekundungen des Volkes, dass es dieses möchte.
Natürlich wird dann die Rechnung am Ende präsentiert, wenn eine solche grössenwahnsinnige Nation den Krieg verliert und sich - im besten Fall - später damit auch auseinandersetzt mit dem Ziel, dass so etwas nie wieder geschehen soll.
Ich denke auch nicht ,dass noch sehr viele direkt Betroffener heute noch leben und aus dem Leid vergangener Kriegstage wurde doch dann auch im Laufe eines längeren Lebens viel Gutes. Deutschland wurde von den vorher angegriffenen alliierten Staaten grosszügig geholfen und - zumindest in einem Teil unseres Landes - wurde uns die Demokratie geschenkt.
Daraus entwickelten sich völlig andere Sichtweisen und auch Menschen, wie wir doch hoffentlich an uns selbst feststellen können, der ersten Nachkriegs-Generation, die nur Frieden kannte, nie Hungersnöte oder politische Verfolgung erleiden musste. Olga
Liebe Edita,
vielen, vielen Dank für das Einstellen!!
Konnte nicht alles lesen.
Die wunderschöne Synagoge.
All die Dürener Juden/Jüdinnen.
Und in den vielen Dörfern rings herum.
Mir kamen die Tränen...ich weiß nicht warum.
Ich war bereits in meinen 40erJahre, als ich eine Fragetechnik entwickelt habe.
Mit dieser habe ich meine Mutter (geb. 1918) so befragen können, dass nicht
direkt abgewehrt wurde.
Sie war am nächsten Tag in Düren.
Hat dort als Verkäuferin gearbeitet.
Die Geschäftsstraße voll mit Scherben.
" Die Synagoge ist niedergebrannt. "
Sie ging dort hin. Hat es gesehen.
Sie hat viel erzählt. Diese Gespräche gingen über einen Zeitraum von ca. 2 Jahren.
Ich habe sie gefragt: Was hast du gedacht? Was hast du gefühlt?
Die Antwort war immer gleich: Nichts.
Bei den Führungen, an denen ich teilgenommen habe, wurde auch gesagt, was alles
" arisiert " worden ist.
Besonders im Landkreis Düren sind die Häuser erhalten geblieben.
Warum hat hier in der Region kein einziger Nachfahre die Erlaubnis erteilt,
eine entsprechende Plakette an dem Haus anzubringen, besser sichtbar?
Gibt es überhaupt einen Nachfahre, der eine arisierte Immobilie hat und eine
Gedenktafel direkt an das Haus hat anbringen lassen??
Anna
Warum ich das als pietätlos empfinde, hängt auch mit meiner Lebensgeschichte zusammen.
Mein Vater hat von einem Juden ein Lagergebäude gekauft, du kannst dir denken, für einen Spottpreis.Danke für Ihren Bericht und auch das Vertrauen, dass Sie uns Ihre familiäre Situation so offen schildern. Ich kann das ein wenig nachempfinden: auch ich komme aus einer Familie, wo der Vater seinem Hitler Wien bis Berlin folgte, um dann in das mörderische Geschehen persönlich einzugreifen. Er wurde nach dem Krieg dafür auch zu Recht für einige Jahre in den Knast geschickt.
Ich habe jahrelang von diesem Vorgang nichts gewusst, erst als ich schon selbst Kinder hatte, und durch den Film Holocaust wurde ich mit dem Leid der Juden konfrontiert. Dann habe ich mich schmerzvoll mit der Judenverfolgung und mit meiner Familiengeschichte auseinandergesetzt.
Ich kann und will einfach nicht verstehen, warum du den zweiten Absatz in deinem Beitrag geschrieben hast. Der erste Absatz zeigte doch auch deine Betroffenheit.
Sogar später noch traf er sich mit seinen unverbesserlichen Nazi-Kumpanen in unserer Wohnung; das versteckte Hitler-Bild wurde hervorgeholt, Nazi-Lieder gesungen und mir als heranwachsender Tochter wurde verboten, mit irgendjemand darüber zu sprechen.
Aber mit mir als Tochter hat keiner aus dieser Familie jemals über die Hintergründe dieser deutschen Mordgeschichte gesprochen - auch Fragen beantwortete mir niemand im Elternhaus.
Sie waren stumm und überliessen uns, ihre Kinder, der grossen Ungewissheit, die mich und meinen Bruder schon ein Leben lang stark prägte und beschäftigt. Alles Gute! Olga
Was ich mich in dieser von Dir angeregten Spekulation auch immer frage ist, wohin hätte sich Deutschland entwickelt, wäre Stauffenberg damals erfolgreich gewesen. Er wird hierzulande heute als Held des Widerstandes gefeiert, war aber immerhin ein hoher Nazioffizier, der sicher kein Interesse daran gehabt hätte, danach den Weg der Demokratie einzuschlagen.Wäre der Krieg zugunsten Hitlers ausgegangen, hätten "die Verlierer" keine Chance bekommen, sich anzupassen!