Diskussion historischer Ereignisse Gedanken zur Zerstörung Freiburgs vor 75 Jahren
sorry, natürlich ist mit "Bundeskanzler" BUNDESPRÄSIDENT gemeint, nur als Korrektur, falls man die Nachrichten verpasst haben sollte. Ein Kommentar, dass es doch "Bundeskanzlerin" heissen müsste erübrigt sich daher auch.
Ich fand seine Rede - auf Englisch gehalten - gut, ein paar Sätze auf Flämisch/Französisch wären nicht schlecht gewesen, nicht wegen des Inhalts, sondern der Bemühung, aber man muss ja nicht alles haben. Mich hat schon überrascht, dass das Thema es überhaupt in die Hauptnachrichten geschafft hatte.
Wieviele Deutsche kennen schon Bastogne oder die Ardennen ? Bei den letztlichen Siegern, besonders den Amerikanern ist das Inferno der Ardennen auch heute noch viel präsenter.
Du fragst, welche Deutschen kennen schon die Ardennen oder Bastogne. Ich. Und zwar habe ich zu den Ardennen sozusagen einen persönlichen Bezug. Mein Vater war nämlich als Soldat an diesem Frontabschnitt eingesetzt und ist am ersten Tag dieser Offensive in der Eifel gefallen. Dort liegt er auch auf einem Ehrenfriedhof mit namentlichem Gedenkstein.
Anlässlich dieser Beiträge hier habe ich mal in meinen persönlichen Familienaufzeichnungen nach Zeugnissen aus dieser Zeit gesucht und habe sie auch gefunden. Die folgenden Kondolenzbriefe befassen sich alle mit dem "Heldentod" meines Vaters. Ich halte sie für besonders interessant, weil sie deutlich machen, aus welchem Geist heraus sie geschrieben wurden. Am sachlichsten formuliert ein Kriegskamerad, am pathetischsten neben dem Offizier ein Mann aus der sicheren Heimat. Und am ehrlichsten der Pfarrer aus der Eifel.
(Ich hoffe, ich sprenge mit diesen Kopien hier nicht den Rahmen.)
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Dienststelle
Feldpostnummer 26 xxxx
Th…., Oberleutnant E.O. (?), den 28.12.1944
Dienststelle 26637 D
Sehr geehrte Frau ...!
Tief bewegt erfülle ich Ihnen gegenüber diese für mich sehr traurige und bittere Pflicht.
Im Lebenskampf um die Nation fiel bei den Angriffskämpfen am 16.12.44 bei Groß-Kampenberg/Eifel, Ihr Gatte der Grenadier .... Ein Infanteriegeschoss setzte seinem jungen und hoffnungsvollen Leben ein jähes Ende. (Mein Vater wurde 39 Jahre alt.)
Mit Beginn der Offensive am 16.12.44 hatte die Kompanie den Auftrag die amerikanische Front aufzureissen. Der gut vorwärtskommende Angriff brachte uns schnell in den Besitz der befestigten Werke im Vorfeld des Westwalles. Trotz des starken Feindfeuers drang Ihr Gatte, als M.G.-Schütze eingesetzt, gegen die feindlichen Stellungen vor, wo ihn kurz vor Erreichen des Angriffszieles, das tödliche Geschoss traf.
Ich weiß, daß ich mit diesen kargen Worten Ihr ganzes Eheglück zerstöre und Ihnen den Mann nehme. In Schmerz und Trauer werden Sie weinen und ich darf Ihnen nur sagen, Ihr Gatte ist es wert, daß um ihn geweint wird. Er war einer unserer Besten und als Mensch ebenso wertvoll wie als Soldat und uns allen ein vorbildlicher Kamerad. Getreu seinem Fahneneid gab er sein junges blühendes Leben für den Bestand unserer Heimat, für Führer und Volk.
Ich spreche Ihnen, zugleich auch im Namen all seiner Kameraden meine innigste Anteilnahme aus. Das Vaterland verlangt grosse Opfer vom Einzelnen, der Allmächtige sucht sie aus. Hadern Sie nicht mit dem Schicksal, seien Sie stark und tapfer, wie es der Tote stets war. Ich weiss daß Menschenworte zu klein sind den Schmerz zu ermessen, der Sie durch diesen so überaus großen Verlust betroffen hat. Wir beugen uns vor dem Opfer, das Sie für die Zukunft unseres Vaterlandes gebracht haben.
Durch die Schwere der noch anhaltenden Kämpfe ist es mir erst heute möglich, diese Nachricht zu schreiben.
In aufrichtigem Mitgefühl drücke ich Ihnen still die Hand.
Ihr J... Th…
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Aus dem Kondolenzbrief einer befreundeten Familie in der Heimat
Innerlich tief erschüttert sind wir alle ... durch die Nachricht vom Heldentod Deines lieben Mannes. … Unsere Häuser verband so manche liebe u. traute Erinnerung. Wir haben W. aufrichtig geliebt u. geschätzt. ...
Du hast recht, liebe ..., sein Glaube an den Führer und den Sieg der deutschen Waffen war fest u. unerschütterlich. Mit seinem Blut u. Leben hat er diesen Glauben besiegelt; sich dabei einreihend in die große Opferbereitschaft für uns alle. Es sind immer die Besten, die zur Saat bestimmt sind. Sie lassen aber auch die tiefste Lücke zurück; vor allem im engsten Familienkreis. Ich weiß, was Du und Ihr alle verloren habt. Sein Leben war wirklich getragen von aufopfernder Fürsorge und Liebe zu Euch. ...
Für mich u. für uns alle muß u. wird der Heldentod Deines guten Mannes Verpflichtung sein. Mögen wir uns immer seines Opfers würdig erweisen! Dem gegenüber verblassen all unsere persönlichen Wünsche u. Sorgen, mit denen wir uns sonst so gerne befassen. Ich weile gerade im Einsatz-Urlaub nach überstandener Absetzung (4 Monate) aus Nord-Nordfinnland. Mein Bat. liegt am Rhein. Zu jeder Stunde kann ich dorthin wieder abberufen werden.
...
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Auszug aus dem Kondolenzbrief eines Kameraden
Liebe Frau …!
Zu dem schweren Verlust sprechen ich und meine Frau unsere aufrichtige Teilnahme aus.
WC war uns allen ein lieber und guter Kamerad. Es wurde von uns allen schmerzlich bedauert, daß er so schnell von uns ging. Ich will Ihnen kurz schildern wie Ihr lieber Mann gefallen ist. Ich hatte Glück, wurde an dem Morgen abkommandiert und musste Verwundete zurück bringen, die auf eine Mine gelaufen waren. Die Komp. musste über ein freies Gelände angreifen und der Amerikaner ließ sie bis auf kurze Entfernung ran kommen, um dann mit seinem Abwehrfeuer zu beginnen. Wie mir J. berichtet hat, der neben Ihrem Mann gelegen hat, haben sie den ganzen Tag auf der freien Fläche ausgehalten und sich almälig zurückgearbeitet. Wie er gegen Abend zu W. sagt, wir müssen wohl etwas weiter zurück, bekommt er keine Antwort mehr. Nach Ansicht von J. ist W. durch Kopfschuß gefallen und ist sofort tot gewesen. Leider mussten wir am anderen Morgen sofort weiter, so daß wir uns nicht um die gefallenen Kameraden bekümmern konnten. Wir waren von der Komp., die mit 70 Mann auszog, am anderen Tage 24 Mann nach. ...
Ich bin am 25.12. verwundet und zur Zeit auf Heimaturlaub, muß Morgen am 13.2. wieder weg. Wenn ich zur alten Komp. zurück kommen sollte u. R. J. noch dort ist, wird er Ihnen gewiß gerne etwas näheres schreiben. Denn unser Zug- und der Gruppenführer sind am 16.12. gefallen.
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Nach dem Krieg bekommt meine Mutter vom Pfarrer der Kirchengemeinde Großkampen/Eifel folgenden Brief:
Deutsch.
Engl. Zone
Kath. Pfarramt
Grosskampen, Eifel
Grosskampen, 6.II.46
Sehr geehrte Frau ...,
Ihren Brief habe ich vom Bürgermeister in Grosskampenberg erhalten. Empfangen Sie zu dem schweren Leid, das Sie und Ihre Kinder durch den Tod Ihres Mannes getroffen hat meine aufrichtige Teilnahme. Als Geistlicher weiss ich wie schwer und schmerzend solche Wunden sind, wie diese immer wieder aufbrechen und nie zuheilen wollen, vor allem wenn Frau und Kinder um den Vater trauern und weinen. In all diesem namenlosen Leid dieses fluchwürdigen Krieges bleibt uns allen als letzter Trost nur die Hoffnung auf ein Wiedersehen nach dem Tode, da wo es keinen Krieg, keine Klage und keine Trauer mehr gibt noch geben kann. ...
Ich will Ihnen nun Ihrem Wunsche gemäss nähere Einzelheiten mitteilen. Ich habe auf Bitte eines Unteroff. die toten Soldaten in dem Massengrab eingesegnet. Es war ein grausiger Anblick. Zerstümmelt, zerschossen, mit Blut beschmiert, mit den Kleidern zu einem fast unerkenntlichen Eisklumpen zusammengefroren, so lagen sie dort, einer neben dem andern, in ihre ganz mit Schmutz und Lehm beschmutzten Brocken und Zeltbahnen teilweise eingewickelt. Zugegen waren 2 Soldaten und eine Frau, die mir das Weihwasser hielt. Als wir gerade begonnen hatten, kamen die Jagdflieger und der Soldat sagte mir, Bitte machen Sie schnell, die Flieger sind da. Nach einer eiligen Segnung habe ich dann noch ein Vaterunser für die Toten gebetet. Alles dies geschah in 2 Minuten, dann mussten wir wieder aus der Heimat. Wir waren nämlich volle 7 Monate von Hause fort und fanden als wir wiederkamen alles verbrannt u. zusammengeschossen. Eine unbeschreibliche Trostlosigkeit. Auf der Stelle, wo Ihr Mann in dem Massengrab liegt steht ein Kreuz mit seinem Namen, das ich noch heute morgen gesehen habe. Geborgen haben die Gefallenen deutsche Kameraden. Von den Papieren und Wertsachen der Gefallenen ist mir nichts bekannt. Eine Photographie ist nicht möglich zu machen noch zu senden, da wir hier gar nichts mehr haben, nur die Kleider am Leibe. Alles hat der Krieg uns genommen und von keiner Seite kümmert man sich um uns. Die Gräber werden von den Einwohnern in Ordnung gehalten, soweit diese das können. Da wir nichts mehr haben als Trümmer, Elend, Hunger und Steinhaufen kann von einem richtigen Grabschmuck keine Rede sein.
Ich werde Sie sicher enttäuschen und Ihnen wehetun mit diesem Bericht. Es liegt aber nicht in meiner Absicht. Das aber ist die traurige Wahrheit um die hochtönende Phrase vom Heldentod und Heldengrab. Es kann sich keiner die tierische Grausamkeit und Stumpfheit des Krieges vorstellen, der denselben nicht mit eigenen Augen gesehen hat.
Wann sieht unser Volk dies Verbrechen ein?
Mit meiner Anteilnahme empfangen Sie
auch meine Grüsse vom Grabe Ihres Mannes
...
Liebe Novella,
den Brief von dem Pfarrr finde ich ausgesprochen beeindruckend. Endlich einer, der mit dem Schönfärben des Heldentods aufräumt und die Grausamkeiten so darstellt, wie sie sind.
Ich würde trotzdem nicht unbedingt sagen, dass er der Ehrlichste ist, denn die anderen beiden waren sicher auch überzeugt von dem, was sie geschrieben haben, viele haben bis zum Schluss an die gute Sache geglaubt. Ich würde eher sagen, dass er einer der Wenigen mit Durchblick war.
Mein Vater hatte das Glück, dass ihm in Russland ein Auge ausgeschossen worden war, er selbst hat das als ein großes Glück bezeichnet, denn er hat nie an die gute Sache geglaubt. Dadurch konnte er oder musste er sogar zurück nach Hause, weil er kriegsuntauglich wurde. Er hat sich deshalb auch nie über sein fehlendes Auge beschwert, sondern war froh, dass er nicht mehr mitkämpfen musste.
Seufz und schluck Novella, sehr aufwühlend die Briefe, insbesondere der Brief vom Pfarrer ist fast schon herzzerreißend, wenn man der betroffene Hinterbliebene ist!
Mir sind auch drei Tränchen gekullert ........
Danke - daß wir das lesen durften!
Edita
Guten Abend !
Ich bin tief bewegt von den Sätzen , die ich hier lesen durfte .
Darum fasse ich mich kurz .
Ich bin einer , der sich noch für die Geschichte interessiert .
Einer meiner Opas ist gefallen , der Opa meiner Frau wurde bei Plauen von der SS erhängt .
Auch die Gewinner achten nicht auf das Erinnern .
Dieses Jahr habe ich in London das Fliegerdenkmal besucht , leerer Beton .
In Glasgow am Denkmal der Gefallenen für beide Weltkriege ein winziges Fähnchen eines Kindes , sonst Beton .
Am Landestrand " Gold " in der Normandie steht neben dem Denkmal ein großes Kinderkarussell .
Auch am Polarkreis ist die Erinnerung an die Toten nicht würdig gestaltet .
Besser erinnert man sich im ehemaligen Leningrad an die Gefallenen und der eine Million Verhungerten .
In Polen zeigt man uns , wie gepflegte Friedhöfe aussehen können !
Nächstes Jahr geht es ins ehemalige Stalingrad zu " Mutter Heimat " . Weitere Ziele sind das Feld von Prochorowka ( Schlacht bei Kursk ) und Moskau .
Als Mitglied vom Volksbund Kriegsgräberfürsorge leiste ich auch zu Hause meinen Anteil an dem Unvergessensein dieses Wahnsinnes .
Gruß
Gilbert
Neben der Erinnerung an den statistischen, nur theoretisch vorstellbaren Wert von über 55 Millionen Tote aus den beiden Weltkriegen, braucht es auch unbedingt solche persönlichen, bewegenden Zeugnisse, um sich die Entmenschlichung der Vernichtungslogik von Krieg vor Augen zu führen, sie auch nach Jahrzehnten nachempfinden, ja fast miterleben zu können.
Auch die ideologische Verlogenheit, die es rechtfertigte, dass Millionen Männer und Frauen zu falsch verstandenen Opfern erklärt werden durften. Ja, sie waren Opfer . Aber zum Zeitpunkt ihres Todes weder Führer- noch Waffen- gläubige und schon gar nicht sterbe-bereite.
„…sein Glaube an den Führer und den Sieg der deutschen Waffen war fest u. unerschütterlich. Mit seinem Blut u. Leben hat er diesen Glauben besiegelt; sich dabei einreihend in die große Opferbereitschaft für uns alle…“
Danke für diese aufwühlenden Zeitzeugnisse.
„Es kann sich keiner die tierische Grausamkeit und Stumpfheit des Krieges vorstellen, der denselben nicht mit eigenen Augen gesehen hat.“
„Es war ein grausiger Anblick. Zerstümmelt, zerschossen, mit Blut beschmiert, mit den Kleidern zu einem fast unerkenntlichen Eisklumpen zusammengefroren, so lagen sie dort, einer neben dem andern, in ihre ganz mit Schmutz und Lehm beschmutzten Brocken und Zeltbahnen teilweise eingewickelt“
Gilbert, kennst du die Bücher "Echolot" von Walter Kempowski? Das wäre wahrscheinlich etwas für dich.
Hier wird in tausenden von Briefen und Tagebuchaufzeichnungen Tag für Tag von sog. kleinen Leuten geschildert, wie sie den Krieg erleben. Diese Sozialgeschichte ist eigentlich viel interessanter als alle Analysen und Textdarstellungen von Historikern oder beteiligten Politikern etc. Sondern man bekommt hautnah mit, mit welchen Problemen unsere Eltern zu tun hatten und wie sie Spielball der "Herrschenden" waren und entweder begeistert mitmachten oder resignierten. Ich erinnere mich z.B. an die monatelangen Tagebucheintragungen eines Vaters, dessen Sohn in Stalingrad eingesetzt war und sich zum Schluss nicht mehr meldete. - Oder die Fluchtbewegung aus Ostpreußen ist Tag für Tag mit der Hilfe von alten Landkarten zu verfolgen.
Ich habe ca. 8000 Seiten von dieser Sammlung gelesen und war erschüttert.
https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Echolot
Diese Sammlung ist für alle sehr, sehr zu empfehlen, denen unsere unmittelbare Vergangenheit noch am Herzen liegt.
Guten Morgen Novella !
Vielen Dank für deine Antwort und den Tipp !
Leider kenne ich diese Bücher nicht .
Bei Gelegenheit werde ich versuchen , diese zu bekommen .
Meine Oma ist übrigens 1945 allein mit fünf Kindern aus Ostpreußen geflohen , ihr Mann , Besitzer eines großen Bauernhofes , war gefallen .
Der dortige Gauleiter hatte sich allein auf einem Eisbrecher abgesetzt , nachdem er bis zuletzt jegliche Flucht verboten hat .
Nochmals lieben Dank für den Tipp und einen schönen Tag !
Viele Grüße
Gilbert
gibt es auch einbändig als gut erhaltenes Taschenbuch (ca. 350 S) gebraucht :
oder als 4 - bändige bibliophile Ausgabe ( halt 'bisschen' teuerer ).
@marina,
meinem Vater wurde kein Auge ausgeschossen, aber ihm waren die Zehen in Russland gefroren und abgefallen. Das hat auch ihm (und in der Folge mir und dem ST) das Leben geschenkt. Er wurde von der Front nachhause geschickt.
Karl