Diskussion historischer Ereignisse Flüchtlinge damals und heute

mane
mane
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Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von mane
als Antwort auf Tina1 vom 08.11.2015, 19:13:21

Mit all dem kann man meine Flucht 1989 aus Ungarn(Urlaub) in die BRD natürlich nicht vergleichen. Aber es war auch eine Flucht u. wir hatten auch Angst, denn wir wussten nicht ob wir je dort ankommen wo wir hin wollten, denn in den Lagern in Ungarn wimmelte es von Stasileuten. Wir hätten auch im Knast landen können. An der ungarischen grünen Grenze wurde geschossen und viele haben die Flucht über die Donau gewagt, wie eine Nichte meines Mannes mit Freund. Das alles war schon auch gefährlich. Ich weiß auch wie sich Lager anfühlen und wie es ist mit nichts dazustehen, denn wir hatten nichts außer was wir auf dem Leib hatten. Wie es sich anfühlt getrennt von Verwandten u Freunden zu sein u mit dem Wissen das wir nicht mehr in unsere Heimat konnten.
Tina


Hallo Tina,

verstehe ich Dich richtig, dass Ihr im Sommer 1989 ein Visum für "Urlaub" in Ungarn hattet und von dort die Flucht nach Österreich gewagt habt?
Ungarn war ja ein beliebtes Urlaubsland für Ostdeutsche und in jenem Sommer sollen sich besonders viele dort aufgehalten haben, wahrscheinlich auch, weil der Abbau der Grenzbefestigungen nach Österreich begonnen hatte.
Ich kann mir vorstellen, dass diese Flucht über die "grüne" Grenze zu dieser Zeit noch gefährlich war und Ihr Ängste ausstehen musstest.

In Gießen gab es im August 1989 ein Notaufnahmelager für DDR-Flüchtlinge, welches mit teilweise über 2000 Menschen überbelegt war, so dass Neuankömmlinge in Turnhallen untergebracht wurden.
Gruß Mane
olga64
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Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von olga64
als Antwort auf Monja_moin vom 10.11.2015, 22:50:26
Mehr als 6 Millionen Deutsche sind zwischen 1830 und 1932 ausgewandert, um ein neues Leben zu beginnen. Ihr Ziel: Übersee, insbesondere Nord- und Südamerika."

Monja,[
/quote]

Gut, dass Sie darauf hinweisen. Noch mehr wanderten vor und nach dem 2. Weltkrieg aus - viele nach Nordamerika (viele Nazis nach Südamerika) und auch nach Australien, Neuseeland.
Es wird oft etwas hysterisch hier darauf hingewiesen,dass die Flüchtlinge "immer arm bleiben werden", weil sie unsere Sprache nicht sprechen. Die deutschen Flüchtlinge taten dies in ihren neuen Gastländern anfangs auch nicht - sie bemühten sich dann darum und erlernten in der Praxis die neuen Sprachen sehr schnell (wie dies immer ist und immer besser als nur Schulkenntnisse einer fremden Sprache) und wurden im Exil und in ihrem Gastland oft sehr erfolgreich - manchmal erfolgreicher als sie es in ihrem Heimatland geworden wären, da dadurch aus ungeahnte Kräfte freigesetzt werden, von denen man oft gar nicht weiss, dass sie vorhanden sind. Olga
Pan
Pan
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Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von Pan
als Antwort auf olga64 vom 12.11.2015, 15:11:15
Ich denke nicht, dass man die Flüchtlingssituation von damals und heute überhaupt miteinander vergleichen kann. Schon eine Fragestellung hierzu ist schon irregulär.
Es ist schon ein Unterschied, ob man aus dem eigenen (Vater)Land fliehen muss bzw.vertrieben wird und in einem anderen Teil eben dieses Landes ankommt oder in einen völlig anderen, neuen Kulturkreis hinein gerät.
Ich selber, Jahrgang 1934, war zwölf Jahre alt bei dieser unserer Flucht aus dem Osten Pommerns.
Ich habe die Hilfsbereitschaft der Menschen (in Ostfriesland) als sehr wohltuend erlebt (mit wenigen Ausnahmen), habe jedoch auch alles dazu getan, um mich zu integrieren. (z.B.die Sprache (plattdeutsch) schnell gelernt und wurde sehr schnell als das anerkannt, was ich war, als Mensch, der das Leben bereichert und nicht etwa in einem Ghetto leben wollte.
Ich weiss, dass dies damals bei älteren Leuten nicht so einfach ging, waren sie doch zu sehr in ihrem alten landsmannschaftlichen Kulturkreis verbunden. Irgendwie hat dann aber doch auch bei diesen Menschen die Vernunft Einzug gehalten und fast alle haben sich dann integriert. (Bis auf einige Ausnahmen, die dann aber doch bald als Berufs-Flüchtlinge benannt wurden.
Natürlich war bei allen deutschen Flüchtlingen vom Baltikum bis nach Schlesien der Wunsch da, baldmöglichst wieder in die alte Heimat zurückzukehren. Das legte sich dann jedoch im Laufe der Jahre bei der älteren Generation, je mehr es ihnen dann wirtschaftlich besser ging. (Das ist wohl auch eine Vorbedingung, glaube ich)

Und heute? Ich fühle mit den Flüchtlingen, die wirklich ihre Heimat verlassen, weil sie leben wollen.
Ich habe aber Bedenken, wenn aus allen Ländern der Welt, die wirtschaftlich am Rande leben, immer weiter ein Exodus stattfindet. HIER ist die Politik gefragt, eine Änderung - auch mit Gewalt - herbeizuführen, durch Wirtschaftshilfe, durch massive Unterstützung finanziell und sozial, damit niemand aus wirtschaftlichen Gründen sein Land verlässt.
Kriege wird es nun mal immer geben, leider auch Flüchtlinge, sei doch niemand so blauäugig, das zu verneinen. Aber auch menschliche Hilfe, da wo sie nötig ist!
Grüße von
Pan~

Hierzu noch ein Bericht auf meiner website zu diesem Thema, wen es interessiert:
Ziellos am Ziel

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mane
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Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von mane
als Antwort auf olga64 vom 10.11.2015, 16:42:03
Die FRau meines früheren polnischen Kollegen wurde als Kind mit ihren Eltern aus Lemberg zwangsumgesiedelt in ein Haus von ehemaligen Deutschen, die vertrieben wurden. Sie mussten sich in schnellster Zeit im sog. Oberschlesien integrieren, obwohl sie dies nicht wollten.
Das Häuschen wurde renoviert und die Familie lebte dort irgendwann auch gut und zufrieden. Dann kamen nach der sog. Wende Westdeutsche, die erklärten, ihre Familie sei von dort vertrieben wurden und ob sie mal im Garten graben dürften - sie durften, fanden aber nichts.
Erst einige Zeit später kapierten die Polen, dass die Deutsche dort nach vergrabenen Dingen suchten, die laut Familiensaga dort vergraben waren und nun sicher nach Deutschland zurückkehrten und von den polnischen Dieben Schlimmes berichteten.
Als ich die Geschichte hörte, habe ich mir den umgekehrten Fall vorgestellt, dass ein polnisches Paar nach Baden-Württemberg an einer Haustüre läutet und bitte, im Garten graben zu dürfen - die Polizei wäre sehr schnell da, wie ich annehme. Gerade Schwaben verstehen hier ja keinerlei Spass. Olga


Hallo Olga,

es war üblich, dass die Menschen, wenn sie noch Zeit dafür hatten, vor der Flucht/Vertreibung, Wertgegenstände in Kisten verstauten und im Garten vergruben. Es war ihnen nicht möglich, allzuviel mitzunehmen und sie hofften ja, in die Heimat zurückzukehren, um die Sachen wieder ausgraben zu können.

Die nachfolgenden polnischen Bewohner der Häuser wussten das natürlich und suchten die Wiesen und Gärten nach Wertsachen ab, die aber oft bereits von Russen gefunden worden waren. Die Polen hatten, da viele von ihnen ebenfalls flüchten mussten, ihre Sachen wahrscheinlich auch auf diese Weise versteckt.

Manche Deutsche sind sicher nach Jahren noch einmal zurückgekehrt, um nach Dingen zu suchen, die ihnen was bedeuten, was sie aber nicht mitnehmen konnten, was ich sehr gut verstehen kann. Meine Mutter hatte immer sehr bedauert, dass sie nur ganz wenige Erinnerungsstücke aus der Zeit besaß, vor allen Dingen vermisste sie Fotos ihrer Eltern und einiges, woran ihr Herz gehangen hatte, aus Kindertagen.
Mane
pschroed
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Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von pschroed
Fotograf Georgi Licovski hat mit seinem Bild von Kindern an der griechisch-mazedonischen Grenze das "Unicef-Foto des Jahres 2015" gemacht. Der Mazedonier hatte am 21. August festgehalten, wie zwei Kinder zwischen drängenden Menschen und Grenzsoldaten von ihren Angehörigen getrennt wurden: Das Mädchen weint bitterlich, es hält die Hand des kleinen Jungen neben sich.

FOTO DES JAHRES (Spiegel Online 2015)


Jeder zweite Mensch auf der Flucht ist laut Unicef ein Kind oder ein Jugendlicher. Oft erleben sie dabei Horrorgeschichten. Das Kinderhilfswerk hat nun das Foto des Jahres gekürt, das dieses Leid wie kein anderes dokumentiert.

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dutchweepee
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Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von dutchweepee
als Antwort auf pschroed vom 17.12.2015, 17:35:41
Gestern habe ich mit fünf 8- bis 10-jährigen Kindern aus Syrien, dem Irak und dem Libanon zuerst Mensch-ärgere-Dich-nicht und dann Jenga gespielt. Wir hatten viel Spaß und viel gelacht. Nach dem aufräumen haben sie angefangen auf Arabisch zu erzählen - das Mädchen aus dem Libanon spricht fließend Englisch und hat mir übeersetzt.

Alle Kinder am Tisch hatten bereits viele Leichen gesehn. Nahestehende Verwandte wurden geköpft oder verstümmelt. Trägt man im Einflussgebiet des IS eine Kette (auch versteckt) so wird man geköpf. Trägt man ein Armband oder eine teure Uhr, so wird die Hand abgehackt. Die Tante eines irakischen Mädchens hatte sich ein Kleid gekauft und wurde vor ihren Augen zu Tode geprügelt und dann verstümmelt und geköpft. Anschließend haben die Schweine mit dem Kopf der Tante Fußball gespielt.

Die Kinder erzählen mit einer Leichtigkeit von diesen selbst erlebten Greueltaten, dass mir Angst wurde. Die Halsabeschneidergeste geht ihnen schnell und leicht von der Hand. Trotz allem sind sie aber fröhlich und lernen fleißig die deutsche Sprache. Ich hoffe inständig, dass diese Traumata nicht irgendwann gewaltig aufbrechen.

Die Gründe der Flucht sind IMMER die Furcht vor Tod und Leid. Ein Vater sagte mir: "Ich möchte lieber trockenes Brot in einem friedlichen Syrien fressen, als Eure leckere Suppe in Deutschland."

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pschroed
pschroed
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Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von pschroed
als Antwort auf dutchweepee vom 17.12.2015, 18:52:15
Lieber Dutchweepee.

Meine Hochachtung für dein Engagement in Bezug der Zuwanderer,.. wirklich. Zuhören ist für traumatisierte Menschen das allerwichtigste.
Viele Menschen können sich nicht in das dahinvegetieren von den Vertriebenen nur annähernd hineinversetzen.
Das mindeste was wir tun sollten ist eine kleine Spende und wenn es nur 5 Euro sind.
Dutchweepee ich wünsche dir weiterhin viel Mut und Ausdauer bei deiner direkten Hilfe in der Hoffnung daß schnell eine politische Lösung in Syrien gefunden wird.

Danke Dutchweepee.

Philippe.
mane
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Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von mane
Hallo Philippe, hallo Dutchweepee,

die Kinder sind besonders betroffen, finde ich. Wenn sie noch klein sind, sogar erst im Krieg geboren wurden, sehen sie Tote, bevor sie überhaupt begreifen, was Leben bedeutet. Die Welt war kein sicherer Ort für sie. Wenn ich mir vorstelle, was die Kleinen auf dem prämierten Foto, welches Du eingestellt hast, Philippe, bereits durchmachen mussten, möchte ich sie schützend in die Arme nehmen. Wie schön, dass Du Dich kümmerst, lieber Dutchweepee.

Die Menschen, die Krieg (und Flucht) erlebt haben, werden ihn nie wieder los. Heute oder vor über 70 Jahren.

In der Sendung "Panorama" von gestern, wurde über diese Kinder berichtet. U.a. über ein dreijähriges Mädchen, in Syrien geboren und wegen der erlebten Schrecken stumm geblieben - dann erzählte eine Frau, was sie als dreijähriges Kind im 2. Weltkrieg erlebt hatte.
Kriegskinder: Deutschland 1945, Syrien 2015

"Wer als Kind erlebt, wie die Welt ins Wanken gerät, verliert sein Urvertrauen. Fachleute gehen davon aus, dass etwa ein Drittel der Menschen, die im 2. Weltkrieg Kinder waren, schwer traumatisiert sind und diese Traumata können auch auf nachfolgende Generationen übertragen werden. Vererbte Ängste und in fast jeder Familie Europas steckt ein Stück Krieg."
Mane
olga64
olga64
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Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von olga64
als Antwort auf dutchweepee vom 17.12.2015, 18:52:15
Ich erlebe dies auch und zwar vorwiegend von deutschen Menschen, die bisher keinerlei Kontakt zu GEflüchteten hatten und wohl auch nie haben werden - dafür haben sie ein grosses Paket aus Vorurteilen, das auch gespickt aus eigener Angst, dass sie evtl. auf etwas verzichten müssen "wenn dies so weitergeht" und dazu nicht bereit sind.
Ich erlebe Syrer-Kinder, die keine Nacht durchschlafen können, weil sie Angst haben,dass wieder Bomben fallen. Ich sprach mit Syrer-Kindern, die so viele Tote und Verwundete gesehen haben, wie ich es in meinem langen Leben nie musste.
Dazu kommt Heimweh bei diesen Menschen - aber das kann ein deutscher Mensch auch nur verstehen, wenn er mal einige Zeit im Ausland als Ausländer lebte und Heimweh nach seinem Land hatte.
Allmählich fehlt mir persönlich jedoch die Kraft, solchen deutschen Menschen gegenüber argumentieren zu wollen und zu müssen - ich verwende meine Kraft lieber darauf, um den Geflüchteten zu helfen, so gut mir dies möglich ist.
Es gibt aber auch hier KOnvertiten - einen guten Spruch hörte ich kürzlich von einem, von dem ich dies nicht erwartet hatte: wenn man sie kennt (die Geflüchteten), kann man sie nicht mehr hassen. Olga
Karl
Karl
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Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von Karl
als Antwort auf olga64 vom 21.12.2015, 16:59:06
Ich lese heute in der Badischen Zeitung auf Seite 1, dass fast jeder 9. Bundesbürger aktive Flüchtlingshilfe leistet. Gleichzeitig haben aber 52% noch nie Kontakt mit Flüchtlingen gehabt. "Bei denjenigen Befragten, die bereits Kontakt zu Flüchtlingen hatten, überwogen laut der Studie die positiven Eindrücke."

Die größte Angst hätten die Deutschen nicht vor den Flüchtlingen, sondern vor anderen Deutschen, denn 85% der Deutschen fürchten ein Erstarken des Rechtsextremismus.

Einer alleine kann wenig für die Integration der vielen Flüchtlinge tun, viele Einzelne können aber sehr viel tun. In diesem Sinne: Nur Mut!

Karl

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