Diskussion historischer Ereignisse Flüchtlinge damals und heute

mane
mane
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Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von mane
als Antwort auf Edita vom 08.11.2015, 09:50:34

An was ich mich sehr gut erinnere ist, soweit das als Kind überhaupt machbar ist, daß "die Ostler" und auch die Kommunisten, wirklich, egal was sie auch machten, äußerst kritisch beäugt wurden, den Ostlern unterstellte man, jedem von ihnen, auch wenn sie keine Polen waren, die berühmte
" polnische Wirtschaft ", d.h. sie waren unsauber, hatten immer Läuse, sie lügen, sie stehlen, kurzum - man muß einen Bogen um sie machen!
Edita


Hallo Edita,

wer sind die "Ostler"?
Wenn es keine Polen waren, meinst Du wahrscheinlich die deutschen Vertriebenen aus den Ostgebieten?

Solch massiven Vorurteile waren meine Eltern nicht ausgesetzt. Sie spürten genau, dass sie nicht willkommen waren - auch Neid und Missgunst. Besonders als sie mithilfe des Lastenausgleichs und ganz viel Eigenleistung und Unterstützung von Verwandten, ein eigenes Haus bauen konnten.
Seit 1957 wohnten wir in einer Nebenerwerbssiedlung, wo nur Vertriebene/Flüchlinge lebten. Dort war es möglich einen Garten zu bebauen und Kleinvieh zu züchten. Das entschädigte sie etwas für das, was sie verloren hatten. Die Straßen trugen alte Namen aus dem früheren Leben - Breslauer Straße, Königsberger Strße, Danziger Straße u.a..

Die abwertende Redewendung "polnische Wirschaft", habe ich im Zusammenhang mit den teils verwahrlosten Häusern, die die Deutschen gezwungenermaßen verlassen mussten und in die anschließend polnische Vertriebene einzogen, gehört. Diese hofften, ebenso vergeblich wie viele deutsche Vertriebene auf eine Rückkehr in ihr altes Zuhause und investierten deshalb auch nicht in die Häuser, die ihnen zugewiesen wurden.
Darum gelangten viele deutsche Grenzbewohner zu der Meinung: "Die Polen seien faul und ließen alles verkommen. Wir waren mit meiner Mutter vor einigen Jahren in ihrem Heimatdorf und können das nicht bestätigen.
Mane
olga64
olga64
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Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von olga64
als Antwort auf mane vom 09.11.2015, 18:32:35
Die FRau meines früheren polnischen Kollegen wurde als Kind mit ihren Eltern aus Lemberg zwangsumgesiedelt in ein Haus von ehemaligen Deutschen, die vertrieben wurden. Sie mussten sich in schnellster Zeit im sog. Oberschlesien integrieren, obwohl sie dies nicht wollten.
Das Häuschen wurde renoviert und die Familie lebte dort irgendwann auch gut und zufrieden. Dann kamen nach der sog. Wende Westdeutsche, die erklärten, ihre Familie sei von dort vertrieben wurden und ob sie mal im Garten graben dürften - sie durften, fanden aber nichts.
Erst einige Zeit später kapierten die Polen, dass die Deutsche dort nach vergrabenen Dingen suchten, die laut Familiensaga dort vergraben waren und nun sicher nach Deutschland zurückkehrten und von den polnischen Dieben Schlimmes berichteten.
Als ich die Geschichte hörte, habe ich mir den umgekehrten Fall vorgestellt, dass ein polnisches Paar nach Baden-Württemberg an einer Haustüre läutet und bitte, im Garten graben zu dürfen - die Polizei wäre sehr schnell da, wie ich annehme. Gerade Schwaben verstehen hier ja keinerlei Spass. Olga
Edita
Edita
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Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von Edita
als Antwort auf olga64 vom 10.11.2015, 16:42:03

Als ich die Geschichte hörte, habe ich mir den umgekehrten Fall vorgestellt, dass ein polnisches Paar nach Baden-Württemberg an einer Haustüre läutet und bitte, im Garten graben zu dürfen - die Polizei wäre sehr schnell da, wie ich annehme. Gerade Schwaben verstehen hier ja keinerlei Spass. Olga


So-so - die in Baden-Württemberg, - komisch ich habe in Baden-Württemberg an den drei Standorten, an denen ich lebte und immer noch lebe, nie wegen meiner " fremden Herkunft " Probleme gehabt, in Bayern - Erlangen - aber auch nicht, liegt vielleicht auch an dem in den Wald reinrufen und alles besser wissen, ja - da könnte man schon sehr kritisch beäugt werden!?
Und was es und wie es in Bayern mit dem Spaß auf sich hat, daß können Sie folgenden Texten entnehmen, Zitat:

"Die Flüchtlinge müssen hinausgeworfen werden, und die Bauern müssen dabei tatkräftig mithelfen", heizt ein Redner die wütende Stimmung bei einer Kundgebung ein.

Fischbacher schimpft gar über "Blutschande". Gemeint sind Heiraten zwischen bayerischen Bauernburschen und zugewanderten Frauen - "diese geschminkten Weibsen mit lackierten Fingernägeln".

Es bedienten sich so viele Fremde an den bayerischen Futterkrippen, klagt einige Monate später Fischbachers Parteifreund Andreas Schachner in einem Brief, "dass Pogrome nötig wären, um die Gerechtigkeit wiederherzustellen".

Verhasst bei vielen Einheimischen war der sogenannte "Lastenausgleich": Die Vertriebenen erhielten Wiedergutmachung für ihr verlorenes Eigentum im Osten - widerwillig bezahlt von der einheimischen Bevölkerung, die oft selbst schwere wirtschaftliche Verluste erlitten hatte. Die Zahler mussten die Hälfte ihres Vermögens abgeben, gestreckt über dreißig Jahre.

Und: Die beiden großen christlichen Konfessionen einte nicht die Ökumene, sondern trennte eine tiefe Kluft. "Es kamen bewusste Protestanten in fast 100-prozentig katholische Gegenden", sagt Schlemmer. Welche Anfeindungen sich Protestanten damals gefallen lassen mussten, können manche noch heute berichten: "Eine evangelisch-lutherische Frau zu heiraten, konnte dazu führen, dass zwei Familien gesprengt wurden", weiß Schlemmer.


Nein-nein - diese Sätze sind nicht in 2015 gefallen, aber 1947!

" Die müssen hinausgeworfen werden "

Edita

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olga64
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Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von olga64
als Antwort auf Edita vom 10.11.2015, 17:22:26
Schade Edita - Sie haben gar nicht kapiert, was ich in meiner Geschichte ausdrücken wollte. Aber so ist das halt mittlerweile bei Ihnen ,wenn Sie aus einem Zangsreflex heraus freudig erregt glauben, alles kritisieren zu können, was von mir kommt.
Mich beeindrucken Sie damit genau so wenig wie alle anderen, die diesen schlechten Stil pflegen und natürlich sind mir auch 'Ereignisse aus 1947, wo ich noch ein Kleinkind war, nicht mehr so präsent wie Ihnen. Olga
Edita
Edita
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Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von Edita
als Antwort auf olga64 vom 10.11.2015, 17:28:32
Hätten sie halt das polnische Ehepaar an einer bayrischen Haustüre klingeln lassen!

Edita singt immer, wenn sie es für richtig hält, des Lied des Brot sie ißt!
olga64
olga64
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Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von olga64
als Antwort auf Edita vom 10.11.2015, 17:51:55
Auch ich habe 17 Jahre lang baden-württembergisches Brot gegessen (das ich natürlich teilweise durch meine Steuerzahlungen auch kompensierte). Nach so einer langen Zeit darf ich sicher auch dieses Bundesland beurteilen - vermutlich mehr als Sie Bayern, wo Sie nach meiner Info ja nie lebten. Olga

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Edita
Edita
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Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von Edita
als Antwort auf olga64 vom 10.11.2015, 17:54:47
Nach so einer langen Zeit darf ich sicher auch dieses Bundesland beurteilen - vermutlich mehr als Sie Bayern, wo Sie nach meiner Info ja nie lebten. Olga


Kurzzeitgedächtnis ? Ich erwähnte vorher Bayern und Erlangen!

Edita
Monja_moin
Monja_moin
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Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von Monja_moin
Ich denke, das paßt auch hier hin...

"Deutsche Flüchtlinge.

Mehr als 6 Millionen Deutsche sind zwischen 1830 und 1932 ausgewandert, um ein neues Leben zu beginnen. Ihr Ziel: Übersee, insbesondere Nord- und Südamerika."

Flucht aus Europa

und hier noch mit ausführlicherem Text auf Planet Wissen
Auswandern nach Amerika - von Hamburg in die "Neue Welt"

Monja,
mane
mane
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Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von mane
als Antwort auf Karl vom 07.11.2015, 23:06:53

ich bin 1948 im Siegerland geboren. In meinem pietistischen Dorf gab es bis zur Ankunft der Flüchtlinge aus den Ostgebieten keine Katholiken und wie mir erzählt wurde, tobte um den Bau der ersten katholischen Kirche im Dorf ein Kulturkampf vergleichbar dem bei Bau einer Moschee heutzutage. Die Flüchtlinge waren lange stigmatisiert. Wir hatten Klassenkameraden, die "Sockels" genannt wurden, weil sie im Keller eines unvollendeten Wohnhauses wohnten. Aus den Gesprächen der Erwachsenen weiß ich, dass den "Ostlern" nicht abgenommen wurde, dass sie große Ländereien aufgegeben hatten. Allerdings war schon zu meinen Schulzeiten die Integration der Kriegsflüchtlinge weit fortgeschritten. In den 60iger Jahren kamen die "Gastarbeiter" (bestenfalls als Wirtschaftsflüchtlinge zu bezeichnen) aus Italien und der Türkei. Da entstanden Reibereien, aber so wie ich das beobachten kann, ist auch deren Integration in meinem Heimatdorf inzwischen weitgehend abgeschlossen. Eine Moschee mit Minaret gibt es (noch) nicht. Aber sie würde das Dorfbild sicher aufhübschen.
Karl
geschrieben von karl


Hallo Karl,

wir habe in unserem näheren Umkreis zwei Moscheen, die gut in das Stadtbild passen.
Die meisten der am Kriegsende aus Schlesien, Pommern und Ostpreußen Vertriebenen und Geflohenen waren evangelisch, jedenfalls im überwiegend katholischen Rheinland.
So wie mir meine Eltern erzählt, blieben sie lange Jahre unter sich. Erst im Lager, später in Wohnsiedlungen und zuletzt in den Siedlungen, wo sie mithilfe des Lastenausgleichs ihre Häuser bauten. Sie organisierten sich in Vertriebenenverbänden und Landsmannschaften, feierten stets zusammen, z.B. jedes Jahr als Highlight, ein prunkvolles Erntefest. Das gemeinsame Schicksal verband sie und wenige orientierten sich nach außen und auch die Einheimischen suchten nicht den Kontakt zu ihnen.
Leichter taten sich ihre Kinder, besonders wenn sie, wie ich, in der Nachkriegszeit geboren wurden.

Schwierig war es, wenn protestantische Familien in katholische Orte einquartiert wurden (und umgekehrt) - sie blieben lange Jahre getrennt. In unserer Pfarrgemeinde wurde erst 1960 eine evangelische Kirche gebaut. Der Pfarrer kam aus Schlesien und musste anfangs die Gottesdienste in einer katholischen Volksschule abhalten.
Gruß Mane
mane
mane
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Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von mane
als Antwort auf Medea vom 08.11.2015, 14:50:24

Meine Familie und die ganze kleine Stadt im Eulengebirge/Niederschlesien flüchteten nicht, es gab keine
Möglichkeit dazu - so erlebten wir den Russeneinmarsch mit all den Schrecken, die ersten 3 Tage wurde die Stadt zu Plünderungen und die Jagd auf Frauen und Mädchen freigegeben, später
wurde unter den Russen eine Kommandantur eingerichtet, die von Polen übernommen wurde. Nach rund einem Jahr gab es einen Befehl, ein paar Sachen zusammenzupacken, und sich in der Kreisstadt zum Abtransport am Bahnhof einzufinden. Wohin es ging? Die Gerüchte blühten, wir wurden
in geschlossene Waggons gepfercht, in die freigewordenen Wohnungen sogleich polnische Familien reingesetzt. Alle Einwohner, die nicht
für Polen optierten, wurden vertrieben.
Irgendwo bei den Unterlagen muß dieser V-Ausweis noch liegen.
Medea.


Hallo Medea,

danke für Deine bewegende Schilderung der Vertreibung Deiner Familie aus Niederschlesien. Auch ich habe als Nachgeborene den Ausweis für Flüchtlinge und Vertriebene A. Darf ich fragen, wie alt Du bei Kriegsende warst?
Ich finde es gut, dass Du den Unterschied zwischen Flüchtlingen und Vertriebenen durch Deine beiden Erzählungen so gut verdeutlichst.

Als wir vor einigen Jahren mit meiner Mutter in ihrer alten Heimat Pommern waren, trafen wir überwiegend freundliche Menschen, die uns gerne weiterhalfen. In dem Dorf, wo meine Mutter früher gewohnt hatte, trafen wir eine alte Frau, die nach Kriegsende die polnische Staatsbürgerschaft übernommen hatte. Sie heiratete einen Polen, der auch aus seiner Heimat vertrieben worden war. Sie wohnten in dem Elternhaus der ehemals deutschen Frau und die gemeinsame Tochter wohnt jetzt auf dem Grundstück, welches früher den Eltern meiner Mutter gehört hatte.
Gruß Mane

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