Diskussion historischer Ereignisse Flüchtlinge damals und heute

mane
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Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von mane
Wie sich die Bilder ähneln.

Kann man die aktuelle Flüchtlingssituation in Deutschland mit der von 1945 vergleichen?
Anders als heute waren Massenflucht und Vertreibung für die einheimische Bevölkerung sofort mit schweren Belastungen verbunden. Größere und viele kleinere Städte waren schwer zerstört, die Wirtschaft lag am Boden und die Versorgung war zum großen Teil zusammengebrochen.
Für die Flüchtlinge gab es nicht genug Platz. Wohnungsbeschlagnahme, Einquartierung und andere Zwangsmaßnahmen führten zu schweren Verwerfungen.

70 Jahre später ist fast in Vergessenheit geraten, wie schwierig die Integration der Flüchtlinge damals war.
Und dennoch: Trotz dieser Voraussetzungen gelang sie sehr viel besser, als notleidende Bürger und Politiker das in der unmittelbaren Nachkriegszeit zu hoffen wagten. Das zeigt, dass auch zunächst ganz unmöglich erscheinende Aufgaben gemeistert werden können.

Ich habe ein sehenswertes Video gefunden, welches vom NDR produziert wurde, mit Filmdokumenten von der "Neuen Wochenschau" und aus Filmbeständen der britischen Armee.
Außerdem kommen ehemalige Flüchtling zu Wort.

Vieles was dort gezeigt wird, erinnert mich an Erzählungen meiner Eltern, die aus dem ehemaligen Pommern vertrieben worden waren und die von 1947 bis 1951 in NRW in einer Notunterkunft in einer Kaserne gewohnt haben.
Ich möchte mich mit Euch über Eure Erinnerungen an die damalige Zeit unterhalten oder über das, was ihr von Euren Eltern erfahren habt. Um dann vielleicht einen Bogen zu spannen zu der heutigen Flüchtlingsssituation.
Gruß Mane

hobbyradler
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Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von hobbyradler
als Antwort auf mane vom 06.11.2015, 15:25:51
Schleswig-Holstein nahm damals pro Kopf die meisten Flüchtlinge auf. Deshalb gab es dort sicherlich die größten Probleme.

In Bayern sehe ich das DAMALS gegenüber HEUTE so:

Damals war Deutschland mittellos.

Damals waren die Menschen im eigenen Land auf der Flucht.

Damals konnten sich die Flüchtlinge sofort mit jedem verständigen.

Damals waren die Flüchtlinge froh dem Kriegsgeschehen entronnen zu sein.

Damals waren vorwiegend Frauen und Kinder auf der Flucht. Dadurch war das Gewaltpotential innerhalb der Flüchtlingsgruppen gleich Null.

Damals gab es keine Gewalt von Einheimischen gegen Flüchtlinge, auch wenn diese nicht gerne gesehen waren.

Damals hatten es die Flüchtlinge in wirtschaftlicher Hinsicht erheblich schwerer.

Damals gab es durch den notwendigen Wiederaufbau ab etwa 1951 relativ schnell Arbeitsplätze. Die damaligen Arbeitsplätze konnten sehr häufig auch ohne spezielle Ausbildung ausgeübt werden. Die Arbeitswelt war viel einfacher.

Damals wurden Flüchtlinge die in Lagern lebten ausgegrenzt. Es lebten allerdings wenige in Lagern.

Damals wären Flüchtlinge noch nach Jahren gerne in ihre Heimat zurückgekehrt.

Und heute?

Das kann ich nicht wirklich beantworten. Dazu stammen die Flüchtlinge aus viel zu unterschiedlichen Teilen der Welt.

Die Fluchtgründe sind keine anderen wie die von Deutschen im Jahr 1945

Der Grad ihrer Ausbildung wird je nach Notwendigkeit der Argumentation mal in den Himmel gehoben, mal als völlig unzureichend beschrieben.

Ein großes Problem sind die unterschiedlichen Religionen.

Heute kann Deutschland mehr Geld für Flüchtlinge aufbringen.

Das größte Problem sehe ich darin, dass manche in Deutschland den unkontrollierten Flüchtlingsstrom als Vorteil für Deutschland darstellen, andere diesen tiefschwarz sehen.
Ob sich der Flüchtlingsstrom als Vorteil für Deutschland erweisen wird, kann im Augenblick niemand mit Sicherheit behaupten.
So lange die Regierung kein verständliches Konzept vorlegt, wird man sich streiten. Beide Seiten haben genügend Munition.

Augen zu und durch - scheint mir das falsche Konzept.

Ciao
Hobbyradler
mane
mane
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Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von mane
als Antwort auf hobbyradler vom 06.11.2015, 18:19:18
Hallo Hobbyradler,

Du sprichst viele Dinge an, die ich ebenso sehe.
Nachdem sich die Flüchtlinge damals etwas eingelebt hatten und den Kontakt zu den Einheimischen suchten/fanden, und umgekehrt, lief z.B. die sprachliche Verständigung besser, weil sie, wie bei meinen Eltern, ihr Pommersches Platt nur noch im Verwandten- und Freundeskreis sprachen. Das hat sich sehr lange so gehalten, wurde aber selten an die Nachkommen weitergegeben. Wir Kinder, ich bin Jahrgang 1950, sprachen anfangs so ein Mischmasch, passten uns aber schnell den einheimischen Kindern an.


Wie Du richtig schreibst, gab es kaum Gewalt unter den flüchtenden Menschen. Viele Frauen wurden jedoch Opfer von russischen Soldaten oder Polen. Auch Cousinen meiner Mutter waren darunter - sie konnten mit dieser Demütigung nicht leben und "gingen ins Wasser", erzählte meine Mutter.

Flüchtlinge fanden durch die hohe Arbeitslosigkeit sehr schwer eine angemessene Arbeit. Ihnen blieb, meist auch in den 50er Jahren, wo es in Deutschland wieder aufwärts ging, nur eine Beschäftigung weit unter ihrer Qualifikation. Mein Vater war, wie fast alle seiner Verwandten und Freunde von früher, als Arbeiter tätig. Aufstiegschancen gab es für sie auch später kaum.

Meine Eltern heirateten im Lager und bekamen dort Kinder und hatten lange Zeit die Hoffnung, wieder in "die Heimat" zurückzukehren. Wie in dem Video gezeigt, teilten auch sie sich einen großen Raum mit anderen Flüchtlingen. Es waren Leinen gezogen worden und mit Decken abgehängt, um so etwas Privatsphäre für die einzelnen Familien zu schaffen.


Das größte Problem sehe ich darin, dass manche in Deutschland den unkontrollierten Flüchtlingsstrom als Vorteil für Deutschland darstellen, andere diesen tiefschwarz sehen.
Ob sich der Flüchtlingsstrom als Vorteil für Deutschland erweisen wird, kann im Augenblick niemand mit Sicherheit behaupten.
So lange die Regierung kein verständliches Konzept vorlegt, wird man sich streiten. Beide Seiten haben genügend Munition.
Augen zu und durch - scheint mir das falsche Konzept.


Dieser Schwarz-Weiß-Denken gefällt mir auch nicht, Hobbyradler, und sehe das wie Du.

Gruß Mane

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Monja_moin
Monja_moin
Mitglied

Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von Monja_moin
als Antwort auf mane vom 07.11.2015, 10:58:30

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Wie Du richtig schreibst, gab es kaum Gewalt unter den flüchtenden Menschen. Viele Frauen wurden jedoch Opfer von russischen Soldaten oder Polen.
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Gruß Mane
geschrieben von mane


So friedlich, wie Du berichtest, ging es leider auch damals nicht zu.

Beruflich kam ich mit vielen Menschen zusammen, die von ihrer Flucht erzählten und den oft menschenunwürdigen Unterbringungen auf Bauernhöfen in Schleswig Holstein.

Schon auf der Flucht selbst kam es oft zu handlichen Auseinandersetzungen untereinander.
Eifersucht und Neid, wenn jemand vielleicht mehr zu essen hatte oder einen vermeintlich besseren Platz in der Flüchtlingskolonne waren oft die Gründe.

Opfer von Vergewaltigungen wurden die jungen Frauen nicht nur durch die Russen und Polen, auch die Bauern, wo diese Familien oft in Hühnerställe untergebracht waren, bedienten sich gerne an diesen Mädchen / jungen Frauen.

Meist traute man sich damals nicht offen darüber zu reden, wie es heute möglich ist.

Monja.
hobbyradler
hobbyradler
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Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von hobbyradler
als Antwort auf mane vom 07.11.2015, 10:58:30
Hallo mane,

es überrascht mich, dass sich diejenigen, die in anderen threads die Flucht ab 1945 als Argument verwenden, hier nicht schreiben.

Da an anderer Stelle über die verwirrenden Angaben unseres Innenministers bezüglich syrischer Flüchtlinge diskutiert wird, fällt mir ein gravierender Unterschied beider Flüchtlingsströme ein.

Einen Nachzug von Familienangehörigen gab es damals in der Regel nicht. Die Männer der geflüchteten Frauen waren tot oder lebten in Kriegsgefangenschaft. Das betraf allerdings auch Frauen der Flüchtlinge aufnehmenden Gebiete.

Heute sehe ich es als Schande an, dass für Frauen und Kindern, nach Erreichen Europas, keine Transportmöglichkeit ins Zielgebiet organisiert wird.

Zu den alleine ankommenden Männern habe ich eine unterschiedliche Meinung. Wenn sie ihre Familie außerhalb Syriens, wegen den Schwierigkeiten einer Flucht, in einer der Massenunterkünfte gelassen haben, ist das für mich gut. Sofern ihre Familien, Frauen und Kinder, jedoch in Syrien leben, haben sie meine höchste Verachtung.

Ciao
Hobbyradler
mane
mane
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Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von mane
als Antwort auf Monja_moin vom 07.11.2015, 11:20:28
Hallo Monja,

Schleswig Holstein war 1945 weitgehend vom Krieg verschont geblieben und diente den Flüchtlingen besonders gerne als Zufluchtsort. Derart überlastet wurden viele Menschen unter besonders widrigen Umständen untergebracht und es kam dort sicher auch, wie Du schreibst, zu Übergriffen. Ihre Not wurde ausgenutzt.
Außerdem wurden Frauen auch Opfer von französischen, britischen und amerikanischen Soldaten, nicht wie ich oben schrieb, ausschließlich von Russen und Polen. Männliche Aggressivität tobt sich im Krieg, unabhängig von der jeweiligen Nationalität immer wieder aus.
Dass viele Frauen sich nicht getrauten, darüber zu reden, lag auch daran, dass man ihnen oft eine Mitschuld gab. Die Opfer wurden selbst für ihr Leiden verantwortlich gemacht.
Mane

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Monja_moin
Monja_moin
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Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von Monja_moin
als Antwort auf hobbyradler vom 07.11.2015, 11:55:37

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Zu den alleine ankommenden Männern habe ich eine unterschiedliche Meinung. Wenn sie ihre Familie außerhalb Syriens, wegen den Schwierigkeiten einer Flucht, in einer der Massenunterkünfte gelassen haben, ist das für mich gut. Sofern ihre Familien, Frauen und Kinder, jedoch in Syrien leben, haben sie meine höchste Verachtung.

Ciao
Hobbyradler


Um diese Männer zu be/ verurteilen, müßte man schon die Gründe kennen warum sie alleine gekommen sind.

Junge Männer wurden oft von der Familie vorgeschickt, weil man diesen zutraute besser durchzukommen.
Die Familie lag ihre Ersparnisse zusammen und diese Flucht finanzieren zu können und hofften, daß sie bis sie nachkommen können zu überleben.

Oder wie Dutch von Abdu schrieb, der ja auch auf der Flucht ist, seine Familie hat sich in Zweiergruppen aufgeteilt, damit wenigstens einige durchkommen, falls etwas passiert.
So erzählte es mir Abdu auch auf Facebook auch.
Auch ich habe von ihm lange nichts mehr gelesen, hoffe ihm ist nichts passiert.

Monja.
hobbyradler
hobbyradler
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Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von hobbyradler
als Antwort auf Monja_moin vom 07.11.2015, 17:10:58
Hallo Monja,

deine Meinung will ich dir nicht nehmen.

Für mich sind Männer die ihre Frauen und Kinder in Trümmern, Bombenhagel und möglicher Gefangennahme durch den IS belassen, sich selbst aber in Sicherheit bringen, skrupellose Egoisten.

Ciao
Hobbyradler
mane
mane
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Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von mane
als Antwort auf hobbyradler vom 07.11.2015, 11:55:37
Hallo mane,

es überrascht mich, dass sich diejenigen, die in anderen threads die Flucht ab 1945 als Argument verwenden, hier nicht schreiben.

Da an anderer Stelle über die verwirrenden Angaben unseres Innenministers bezüglich syrischer Flüchtlinge diskutiert wird, fällt mir ein gravierender Unterschied beider Flüchtlingsströme ein.

Einen Nachzug von Familienangehörigen gab es damals in der Regel nicht. Die Männer der geflüchteten Frauen waren tot oder lebten in Kriegsgefangenschaft. Das betraf allerdings auch Frauen der Flüchtlinge aufnehmenden Gebiete.

Zu den alleine ankommenden Männern habe ich eine unterschiedliche Meinung. Wenn sie ihre Familie außerhalb Syriens, wegen den Schwierigkeiten einer Flucht, in einer der Massenunterkünfte gelassen haben, ist das für mich gut. Sofern ihre Familien, Frauen und Kinder, jedoch in Syrien leben, haben sie meine höchste Verachtung.
Ciao
Hobbyradler


Hallo Hobbyradler,

vielleicht werden es ja noch ein paar mehr, die sich hier beteiligen.

Was den Nachzug (den Begriff kenne ich eigentlich nur im Zusammenhang mit nichtdeutschen Menschen, z.B. Gastarbeitern, die ihre Verwandtschaft nach Deutschland nachholen) von Familienangehörigen nach 1945 angeht: Meine Mutter war erst mit ihren Geschwistern und meiner Oma in Thüringen gelandet. Dort blieb ein Teil der Familie. Meine Mutter und drei ihrer Schwestern zogen 1947 in den Westen, jede in einen anderen Teil Deutschlands. In der alten Heimat ist niemand geblieben. Meine großväter starben beide im Krieg.
Mein späterer Vater kam nach Beendigung der Kriegsgefangenschaft in England, ebenfalls 1947 nach Westdeutschland.
Weitere Familienabwanderung von Ostdeutschland in den Westen war bis 1961 ohne große Probleme möglich.

Frauen, die in Syrien mit ihren Kindern zurückbleiben, während sich der Mann auf die Reise nach Europa begibt, sind sicher nicht zu beneiden. Diese mögen das tun, weil sie es für zu gefährlich für Frau und Kinder halten. Frauen sind jedoch keineswegs in ihrem Heimatland und, ich kann mir voestellen, auch nicht in den Flüchtlingslagern der Nachbarländer, sicher. Wenn sie Glück haben, stehen sie und ihre Kinder unter dem besonderen Schutz von anderen Familienangehörigen.
Gruß Mane
uki
uki
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Re: Flüchtlinge damals und heute
geschrieben von uki
als Antwort auf mane vom 07.11.2015, 18:24:02
Die deutschen Flüchtlinge von damals und die heutigen Flüchtlingen sind nur sehr schwer zu vergleichen.

Schon die Flucht in den letzten Kriegsmonaten und die nach dem 2. Weltkrieg ist schon unterschiedlich gewesen.
Während die Flüchtlinge, die noch während der Kriegskämpfe flüchteten, mit gezieltem Beschuss durch Tiefflieger rechnen mussten und auch Schiffe mit Flüchtlingen beschossen wurden, waren Gefahren dieser Art nach dem Waffenstillstand so nicht mehr zu erwarten.

Wurden die Zonen, insbes. Die russ. Zone, (nach dem Waffenstillstand) passiert, bestand die Gefahr, aus nichtigem Anlass, aus der Kolonne der Flüchtenden herausgeholt zu werden. Das bedeutete höchste Gefahr.

Äußerst anstrengend, besonders für die Alten, Kleinkinder und Kranke ist eine Flucht immer. Damals und heute.
-Eine ungewisse Zukunft in großer Armut-
Einmal am Zielort angekommen, ----statt einer, wenn auch bescheidenen Wohnung, nur Trümmer. Entweder wurde man zwangseinquartiert, meist zu Leuten die selbst nichts hatten und froh waren, überhaupt den Krieg heil überlebt zu haben.

Irgendwie wurden die nächsten Jahre geschafft. Mit Schuhen, die entweder viel zu groß waren oder zu klein und darum vorne einfach Öffnungen für die Zehen ausgeschnitten wurden. Holzpantinen im Winter, die vom Schnee immer höher wurden. Mitleidige Nachbarn spendeten manchmal ein altes Kleidungsstück woraus man, wenn man Glück hatte, etwas zurechtschneidern konnte.
Naja, viele überlebten trotz Hunger und Kälte, doch längst nicht alle.

Im Vergleich dazu die heutigen Flüchtlinge?
Wie kann man das richtig einschätzen? Die Flucht an sich kann ein Nichtbeteiligter schwer vergleichen. Jeder kennt nur sein Schicksal und seine Strapazen wirklich.

Der Vorteil der deutschen Flüchtlinge gegenüber den jetzigen, sie konnten nicht abgewiesen werden.

Die Armut damals war zum Teil lebensgefährlich und sehr deprimierend.
So gesehen sind die heutigen Flüchtlinge besser versorgt vor Hunger und Kälte.
Doch, wie erwähnt, sind Vergleiche nicht gut möglich.

Krieg ist nur zu ertragen, wenn ihn keiner führt.

~uki~

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