Forum Politik und Gesellschaft Diskussion historischer Ereignisse Ein bewegendes Stück Vergangenheitsbewältigung

Diskussion historischer Ereignisse Ein bewegendes Stück Vergangenheitsbewältigung

Crimmscher
Crimmscher
Mitglied

Re: Ein bewegendes Stück Vergangenheitsbewältigung
geschrieben von Crimmscher
als Antwort auf lupus vom 08.05.2014, 19:16:29
Er ist geschrieben, damit es jeder lesen kann!
Zwischen den ersten und letzten Satz, erkenne ich keinen Widerspruch.
Lass ihn mir aber gerne erklären.

Crimmscher
Re: Ein bewegendes Stück Vergangenheitsbewältigung
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf lupus vom 24.04.2014, 13:46:24
Cordt Schnibben ist auch Leiter des Ressorts Gesellschaft (Spiegel ).Warum er diese tragische Vergangenheitsbewältigung öffentlich macht,hat auch in diesem Bereich seine Begründung,oder was meinst Du ?
Mareike
Mareike
Mitglied

Re: Ein bewegendes Stück Vergangenheitsbewältigung
geschrieben von Mareike
als Antwort auf ehemaliges Mitglied vom 08.05.2014, 20:55:51
Eine wichtige Erkenntnis in seinem Bericht:

" Sie (seine verstorbene Eltern) zwingen mich, mein Leben neu zu betrachten; was mutig, logisch und nobel schien, steht nun unter Verdacht. Meine Radikalisierung in den sechziger Jahren, der Aufstand gegen Autoritäten, die sozialistischen Visionen - in vielem bin ich ihnen näher, als ich bisher dachte. In mir tobt ein Historikerstreit, der mich ankotzt; ich bin der bessere Mensch, okay, daran halte ich mich fest."

Mareike
(Blau von mir eingefügt)

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panda
panda
Mitglied

Re: Ein bewegendes Stück Vergangenheitsbewältigung
geschrieben von panda
als Antwort auf lupus vom 08.05.2014, 18:38:14


Panda meint , man beschmutzt sein Nest nicht und die Verbrecher haben Strafe genug erhalten. Ich meine, das Nest wird nicht beschmutzt , es ist so stark beschmutzt, dass es sensible Menschen nur schwer ertragen können


So-habe ich das nicht gesagt und schon gar nicht gemeint.

Die Täter sollen und haben ihre Strafe bekommen .In einem Rechtsstaat ( im Gegensatz zum Nazi-Staat )ist Schuld immer individuell und persönlich.
Die öffentlich gemachte Suche der Kinder nach den Motiven der Täter-Eltern nützt nur den dieses verbreitenden Medien ( wegen des voyeuristischen Interesses der Konsumenten daran )und nimmt den verurteilten Eltern den letzten Respekt , den man Eltern nach der Strafe noch erweisen kann - das nämlich privat zu halten.
Die öffentliche Verurteilung der Eltern durch die Kinder ( als Nazi-Schweine ) ist wie damals in Mao´s China ( als Klassen- und Volks-Feinde ) , der Weg in den Wahnsinn.

Aber die innere Reflexion über diese Dinge , und der daraus folgende Wunsch und Vorsatz , es einmal besser zu machen - könnte der richtige Weg sein.
Mareike
Mareike
Mitglied

Re: Ein bewegendes Stück Vergangenheitsbewältigung
geschrieben von Mareike
als Antwort auf panda vom 08.05.2014, 23:24:19
Der von Cordt Schnibben beschriebene innere "Historikerstreit" tobt in vielen, wirkt nach in den nachfolgenden Generationen und ist dadurch sehr wohl gesellschaftsrelevant.

Ob man da das Private vom Öffentlichen trennen kann und ob dieses "Nicht-öffentlich-thematisieren" hilfreich ist für die Auferarbeitung, wage ich zu bezweiflen.
Wie oft schon wurde über die Kollektivschuld debattiert.

Die Rolle des Einzelnen zu sehen kann dazu verhelfen die eigene Haltung im Hier und Jetzt zu überdenken: "Giordano sah die Hauptschuld der Millionen in ihrem Schweigen dem Unrecht gegenüber, dem sie täglich, stündlich überall begegneten." (Zitat aus dem eingestellten Link.)

Mareike
Karl
Karl
Administrator

Re: Ein bewegendes Stück Vergangenheitsbewältigung
geschrieben von Karl
als Antwort auf panda vom 08.05.2014, 23:24:19
Die Täter sollen und haben ihre Strafe bekommen
Das ist ja oft genug überhaupt nicht der Fall. Viele Täter waren nach dem Krieg in Amt und Würden, wurden sogar Ministerpräsidenten (z. B. Filbinger).

Karl

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panda
panda
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Re: Ein bewegendes Stück Vergangenheitsbewältigung
geschrieben von panda
als Antwort auf Mareike vom 09.05.2014, 07:35:23
Danke Mareike ,

Mein Vater wurde 1945 , nach kurzer Kriegsgefangenschaft , als unbelastet entlassen und entnazifiziert.
Da er sich jahrzehntelang im Bereich alliierter und dann deutscher Justiz aufgehalten hat , kann er " nicht durch die Lappen gegangen sein ".

Mit ihm und Anderen haben meine Freunde und ich trotzdem lange erbittert über all das diskutiert.
Heute bin ich der Meinung , daß in diesen Diskussionen , von der Seite unserer Generation aus , auch viel Heuchelei steckt.
Wie wir damals alle gehandelt hätten , und ob wir ,wie die Geschwister Scholl , das Schafott riskiert hätten....wir wissen es nicht.

Schon Bundeswehr-Soldaten in Ex-Jugoslawien oder Afghanistan mußten feststellen , daß Alle sehr schnell schuldig werden können.

Der Tenor meiner Beiträge richtet sich nur gegen die öffentliche Verurteilung der Eltern , von Kindern der Täter , wie es auch hier im ST geschieht - nicht gegen die sonstige öffentliche Thematisierung , ganz im Gegenteil .
Im gemeinsam verbindenden Teil der Religion der Opfer , aber auch der der Täter-Herkunft , gibt es das fünfte Gebot , aber auch das Vierte.

Eine Kollektivschuld ( mit der ich mich lange beschäftigt habe , trotzdem Danke für den Link ) -- lehne ich ab.
Sie wird nicht nur in den heutigen Rechtsstaaten abgelehnt ( Schuld ist immer individuell - im Sinne der aufklärerischen Bedeutung des Individuums ) , sondern auch von den Opfern ,in diesem Falle auch von den Juden -- abgelehnt.
Da bin ich mir , durch persönliche Begegnungen , aber auch durch intensive Recherche -- sicher.
Eine Kollektiv-Schuld entspricht im Prinzip leider der Nazi-Mentalität , die ja einer " Rasse "kollektiv , vom Kleinkind bis zum alten Mann ,die Schuld ihrer " angeblich negativen " Existenz aufbürdete und sie deswegen vernichteten wollte , bzw.es in gr0ßer Anzahl auch getan hat.
Crimmscher
Crimmscher
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Re: Ein bewegendes Stück Vergangenheitsbewältigung
geschrieben von Crimmscher
als Antwort auf Karl vom 09.05.2014, 09:31:55
Was die Kollektivschuld betrifft, so lehne ich sie ebenfalls ab.

Dennoch, ist es für mich wichtig, zu wissen welche Rolle in einem derartigen System meinen Elter oder Großeltern zuzuschreiben ist.

Waren sie aktiv beteiligt oder nur um ihrer Ruhe wegen Mitläufer.

Persönliche Mitschuld für aktives Handeln zu verdrängen, das ist keine Bewältigung der Vergangenheit.

Es blockiert die Fragestellung nach den Ursachen, ihrer Entwicklung und der sozialen wie emotionalen Motive, welche Menschen zu Mittätern werden ließ.

Das betrifft ebenso die Todesschützen an der innerdeutschen Grenze.

Crimmscher
Mareike
Mareike
Mitglied

Re: Ein bewegendes Stück Vergangenheitsbewältigung
geschrieben von Mareike
als Antwort auf panda vom 09.05.2014, 09:33:32
In meinem Wohnort gab es ein Gefangenenlager.
Schwiegermutters Garten grenzte unmittelbar am Lagerzaun.
Sie arbeitete als Köchin in der Offiziersküche.
Sie hatte als Älteste von 9 Kindern schon früh Verantwortung übernehmen müssen, die Eltern waren früh verstorben (Im Alter von 21 Jahren führte sie den kompletten Haushalt, das jüngste Kind war gerade 5).
Als der Krieg ausbrach, war sie gerade frisch verheiratet und erwartete ihr erstes Kind, mein späterer Ehemann.
Er hat seinen Vater nicht gekannt, der galt als vermisst und wurde 1955 für tot erklärt.
Mein Mann hat immer gefragt und keine Antworten bekommen
Als zwölfjähriger fand er eine Blechdose voller Briefe von seinem Vater. Wirsch hat seine Mutter die Briefe an sich genommen und verbrannt.

Später haben unsere Töchter Fragen gestellt.
Besonders die Mittlere hat nicht locker gelassen und so bekam ihr Vater über seine Kinder etwas an Info, wenn auch wenig.

Seufzend sagte sie zur Enkelin: So war damals das Gesetz.
Sie wurde zB dabei erwischt, als sie Lebensmittelabfälle über den Lagerzaun warf, weil sie täglich sah, wie die Menschen dort verhungerten und die Leichen im Viehwagen abtransportiert wurden und in Gruben abgekippt. (Zumindest die Russen, Franzosen bekamen ein Grab.)
Sie kam mit einer saftigen Verwarnung davon.
Was hätte sie tun können. Sie hatte noch einige Geschwister, dazu ihren Sohn und das Kind einer Schwester zu versorgen.

Mareike
Re: Ein bewegendes Stück Vergangenheitsbewältigung
geschrieben von ehemaliges Mitglied
als Antwort auf Crimmscher vom 09.05.2014, 10:08:44
Was die Kollektivschuld betrifft, so lehne ich sie ebenfalls ab.....

Crimmscher


Moin, Crimmscher,

wenn mit staatlicher Unterstützung bereits unmündige Kleinkinder in Schulen so geprägt werden, dass sie sich ein Leben lang den meinungsbildenden Kircheneliten unterordnen und alles ungeprüft hinnehmen - also ihnen bedingungslos vertrauen oder glauben -, muß es zwangläufig eine Kollektivschuld geben.
All die Verbrechen Hitlers waren ja kirchenkonform!

Hinter dieser Kollektivschuld haben sich die meinungsbildenden Kircheneliten immer gut verstecken können, so daß ihnen eine Strafverfolgung bis heute erspart wurde.

Gruß Grums

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