Diskussion historischer Ereignisse Die Zerstörung der Vergangenheit, ein historischer Umbruch
"Die Zerstörung der Vergangenheit, oder vielmehr die jenes sozialen Mechanismus, der die Gegenwartserfahrung mit derjenigen früherer Generationen verknüpft, ist eines der charakteristischsten und unheimlichsten Phänomene des späten 20. Jahrhunderts. Die meisten jungen Menschen am Ende dieses Jahrhunderts wachsen in einer Art permanenter Gegenwart auf, der jegliche organische Verbindung zur Vergangenheit ihrer eigenen Lebenszeit fehlt. ...."
Eric Hobsbawm, Das Zeitalter der Extreme, Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, 1995,Seite 17
Was meint der Historiker Hobsbawm damit?
Warum misst er solchen Vorgängen entscheidende Bedeutung bei?
c.
Eric Hobsbawm, Das Zeitalter der Extreme, Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts, 1995,Seite 17
Was meint der Historiker Hobsbawm damit?
Warum misst er solchen Vorgängen entscheidende Bedeutung bei?
c.
Hallo Carlos1,
da die Vergangenheit (wie übrigens auch die Planung der Zukunft) nur in der Gegenwart meiner Gedanken präsent ist, geht sie verloren, wenn ich mich nur mit dem Hier und Jetzt beschäftige.
Von Augustinus gibt es hierzu einen sehr intressanten Text, der es auf den Punkt bringt (leider besitze ich nur die englische Übersetzung des lateinischen Textes):
Meine Übersetzung: "Es gibt nichts wie die Zukunft oder die Vergangenheit (...). Es gibt nur die Gegenwart der Vergangenheit, die Gegenwart der Gegenwart und die Gegenwart der Zukunft. Diese drei Dinge sehe ich in meiner Seele, aber ich kann sie nicht unabhängig davon sehen: gegenwärtig ist die Erinnerung der Vergangenheit, gegenwärtig ist die Wahrnehmung der Gegenwart und gegenwärtig ist die Erwartung der Zukunft".
Ich finde diesen Text von Augustinus sehr bemerkenswert und ich kann die Befürchtungen von Hobsbawm deshalb nachvollziehen. Die Reizüberflutung, der Gehirne heutzutage ausgesetzt sind, lässt für die "Vergegenwärtigung der Vergangenheit" häufig nicht mehr viel Raum.
--
karl
da die Vergangenheit (wie übrigens auch die Planung der Zukunft) nur in der Gegenwart meiner Gedanken präsent ist, geht sie verloren, wenn ich mich nur mit dem Hier und Jetzt beschäftige.
Von Augustinus gibt es hierzu einen sehr intressanten Text, der es auf den Punkt bringt (leider besitze ich nur die englische Übersetzung des lateinischen Textes):
„There is nothing like future and past (. . .). There is only the presence of the past, the presence of the presence, and the presence of the future. These three I see in the soul, but I cannot see them independent of it: present is the memory of the past, present is the perception of the presence, and present is the expectation of the future.”
Meine Übersetzung: "Es gibt nichts wie die Zukunft oder die Vergangenheit (...). Es gibt nur die Gegenwart der Vergangenheit, die Gegenwart der Gegenwart und die Gegenwart der Zukunft. Diese drei Dinge sehe ich in meiner Seele, aber ich kann sie nicht unabhängig davon sehen: gegenwärtig ist die Erinnerung der Vergangenheit, gegenwärtig ist die Wahrnehmung der Gegenwart und gegenwärtig ist die Erwartung der Zukunft".
Ich finde diesen Text von Augustinus sehr bemerkenswert und ich kann die Befürchtungen von Hobsbawm deshalb nachvollziehen. Die Reizüberflutung, der Gehirne heutzutage ausgesetzt sind, lässt für die "Vergegenwärtigung der Vergangenheit" häufig nicht mehr viel Raum.
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karl
Hallo Carlos,
schade, dass dieses Thema nicht zu interessieren scheint. Ich habe noch einmal darüber nachgedacht. Die pessimistische Schlussfolgerung von Eric Hobsbawm bei der Betrachtung des Verhaltens der jungen Leute sollte dadurch abgemildert werden können, dass Informationen ja seit der Erfindung der Schrift nicht mehr nur in Hirnen gespeichert an die nächste Generation weiter gegeben werden. Wissen auch um die Vergangenheit wird in Büchern und heute auch in elektronischen Medien vorgehalten, so dass jederzeit jedem der Einstieg möglich ist, selbst wenn die verbale Tradierung von Wissen durch die Eltern oder Älteren nicht gegeben war.
Insofern wird die Vergangenheit nicht zerstört, sie ist (innerhalb gewisser Grenzen) rekonstruierbar.
--
karl
schade, dass dieses Thema nicht zu interessieren scheint. Ich habe noch einmal darüber nachgedacht. Die pessimistische Schlussfolgerung von Eric Hobsbawm bei der Betrachtung des Verhaltens der jungen Leute sollte dadurch abgemildert werden können, dass Informationen ja seit der Erfindung der Schrift nicht mehr nur in Hirnen gespeichert an die nächste Generation weiter gegeben werden. Wissen auch um die Vergangenheit wird in Büchern und heute auch in elektronischen Medien vorgehalten, so dass jederzeit jedem der Einstieg möglich ist, selbst wenn die verbale Tradierung von Wissen durch die Eltern oder Älteren nicht gegeben war.
Insofern wird die Vergangenheit nicht zerstört, sie ist (innerhalb gewisser Grenzen) rekonstruierbar.
--
karl
Re: Die Zerstörung der Vergangenheit, ein historischer Umbruch
geschrieben von ehemaliges Mitglied
Sicher Karl,da stimme ich Dir vollkommen zu.
Nur bedenke in der Schule haben es damals alle Kinder gelernt.
Wurden manches mal auch mit ein wenig Druck dazu bewogen zu lernen.Doch war es so schlimm? Ich sage mal nein.
Heute aber geht man hin oder auch nicht,Sie die Kinder übernehmen
oft die Regie in den heutigen Familien.Dann ist es nicht verwunderlich,wenn Sie sich auch die Freiheit herausnehmen
und sagen,habe kein Bock auf Schule/Beruf.Ob Sie dann freiwillig
ins Internet schauen und lernen,ist doch mehr als fraglich?
Ich denke eher nicht,Sie machen lieber Spielchen oder sehen
sich rauhe Filme an von denen Sie noch angetörnt werden,härter
zu werden.
Durch die Reizüberflutung in der heutigen schnelllebigen Zeit,
ob Sie,die Kinder da überfordert sind?
Wenn ja,dann kommt man doch zu dem Schluß,es ist nicht ALLES
gut,was NEU ist und muß man ALLES haben???
Und so kommt es noch,daß Sie nicht mal mehr wissen,wer Napoleon war und so fort.
Um sich weiterzubilden finde auch ich,heute noch,das Internet
für mich sehr interessant.
Gruß,Astrid
Nur bedenke in der Schule haben es damals alle Kinder gelernt.
Wurden manches mal auch mit ein wenig Druck dazu bewogen zu lernen.Doch war es so schlimm? Ich sage mal nein.
Heute aber geht man hin oder auch nicht,Sie die Kinder übernehmen
oft die Regie in den heutigen Familien.Dann ist es nicht verwunderlich,wenn Sie sich auch die Freiheit herausnehmen
und sagen,habe kein Bock auf Schule/Beruf.Ob Sie dann freiwillig
ins Internet schauen und lernen,ist doch mehr als fraglich?
Ich denke eher nicht,Sie machen lieber Spielchen oder sehen
sich rauhe Filme an von denen Sie noch angetörnt werden,härter
zu werden.
Durch die Reizüberflutung in der heutigen schnelllebigen Zeit,
ob Sie,die Kinder da überfordert sind?
Wenn ja,dann kommt man doch zu dem Schluß,es ist nicht ALLES
gut,was NEU ist und muß man ALLES haben???
Und so kommt es noch,daß Sie nicht mal mehr wissen,wer Napoleon war und so fort.
Um sich weiterzubilden finde auch ich,heute noch,das Internet
für mich sehr interessant.
Gruß,Astrid
Ohne Hobsbawn gelesen zu haben glaube ich trotzdem, die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Vergangenheit und Gegenwart bezogen auf die heutigen Verhaltensweisen und Entwicklungen sowohl der Jugend als auch meiner Generation, verstanden zu haben. Zumindest aus meiner Sicht.
Zugrunde liegt mir bei diesen Überlegungen das Zitat (Ich hab momentan den Urheber nicht parat): Das einzigste was der Mensch aus der Vergangenheit gelernt hat ist, daß er aus der Vergangenheit nichts gelernt hat.
Diese Zitat spricht m.E. ein grundlegendes Problem in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit an. Dies erklärt auch, warum Hochkulturen untergehen und warum sich viele Entwicklungen in ihrer Ausprägung immer wiederholen.
Unser heutiges Problem ist zum einen der rasante Fortschritt, welcher die Gesellschaften und Kulturen zu Änderungen Ihrer Verhaltensweisen zwingt, über deren negative Auswirkungen sich erst so allmählich alle klar werden.
Wir Menschen sehen doch im allgemeinen immer zuerst die Vorteile jeder neuen Erkenntnis, Entwicklung oder Entdeckung. Die Erfahrung lehrt uns im Nachhinein dann auch die "negativen Nebeneffekte". Oft ist es dann zu spät, um die Entwicklung zu korrigieren. Wir erleiden dann die Entwicklung und verpulvern unsere Zeit und Energie mit der Abmilderung der negativen Auswirkungen. Ändern wird daran wohl nie etwas.
Das heutige Überangebot an Informationen, beruflichen Möglichkeiten, Bildungsmöglichkeiten und Konsumgüter verbunden mit den gesellschaftlichen Strukturen auf Basis einer menschenverachtenden Marktwirtschaft, und allen daraus resultierenden Folgen wie z.B. Zusammenbruch von Sozialsystemen, falsche Ernährung, konsumgesteuerte meinungsbildende Medien ersetzen informierende Bücher, Playstation und Co. ersetzen die natürliche Bewegung und Fantasie usw., erzeugen über kurz oder lang soviele Probleme, daß der Zusammenbruch dieser Entwicklung längst vorprogrammiert ist.
--
yankee
Zugrunde liegt mir bei diesen Überlegungen das Zitat (Ich hab momentan den Urheber nicht parat): Das einzigste was der Mensch aus der Vergangenheit gelernt hat ist, daß er aus der Vergangenheit nichts gelernt hat.
Diese Zitat spricht m.E. ein grundlegendes Problem in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit an. Dies erklärt auch, warum Hochkulturen untergehen und warum sich viele Entwicklungen in ihrer Ausprägung immer wiederholen.
Unser heutiges Problem ist zum einen der rasante Fortschritt, welcher die Gesellschaften und Kulturen zu Änderungen Ihrer Verhaltensweisen zwingt, über deren negative Auswirkungen sich erst so allmählich alle klar werden.
Wir Menschen sehen doch im allgemeinen immer zuerst die Vorteile jeder neuen Erkenntnis, Entwicklung oder Entdeckung. Die Erfahrung lehrt uns im Nachhinein dann auch die "negativen Nebeneffekte". Oft ist es dann zu spät, um die Entwicklung zu korrigieren. Wir erleiden dann die Entwicklung und verpulvern unsere Zeit und Energie mit der Abmilderung der negativen Auswirkungen. Ändern wird daran wohl nie etwas.
Das heutige Überangebot an Informationen, beruflichen Möglichkeiten, Bildungsmöglichkeiten und Konsumgüter verbunden mit den gesellschaftlichen Strukturen auf Basis einer menschenverachtenden Marktwirtschaft, und allen daraus resultierenden Folgen wie z.B. Zusammenbruch von Sozialsystemen, falsche Ernährung, konsumgesteuerte meinungsbildende Medien ersetzen informierende Bücher, Playstation und Co. ersetzen die natürliche Bewegung und Fantasie usw., erzeugen über kurz oder lang soviele Probleme, daß der Zusammenbruch dieser Entwicklung längst vorprogrammiert ist.
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yankee
Ein schönes Beispiel dafür, Karl, wie leicht der Übergang von Geschichte zur Philosophie ist.
Nochmals Karls Text von Augustinus: "Es gibt nichts wie die Zukunft oder die Vergangenheit (...). Es gibt nur die Gegenwart der Vergangenheit, die Gegenwart der Gegenwart und die Gegenwart der Zukunft. Diese drei Dinge sehe ich in meiner Seele, aber ich kann sie nicht unabhängig davon sehen: gegenwärtig ist die Erinnerung der Vergangenheit, gegenwärtig ist die Wahrnehmung der Gegenwart und gegenwärtig ist die Erwartung der Zukunft".
Die Zeit ist etwas Rätselhaftes. Erleben können wir sie nur im Augenblick. Der aber ist nach Augustin ohne Dauer. Würde der Augenblick sich auf eine Zeitspanne erstrecken, wäre diese teilbar, es gäbe Vergangenheit und Zukunft und der Augenblick wäre gar kein ganz gegenwärtiger Augenblick.
Möglich, dass der Historiker H. diese Vorstellung hatte, als er betonen wollte, dass im letzten Jahrhundert alles fundamental anders geworden ist, dass heute eine Art permanente Gegenwart erstrebenswert ist. Natürlich gibt es die technologischen Veränderungen, einen tiefgreifenden sozialen Wandel. Wo in den 50er Jahren auf dem Lande reine Bauerndörfer waren, gibt es heute bestenfalls noch ein oder zwei landwirtschaftlivche Betriebe. Eine gewaltige soziale Veränderung. Millionen von Menschen waren betroffen. Tiefgreifender noch als dies sieht der Historiker Hobsbawm aber den Aufstieg einer spezifischen und außergewöhnlich mächtigen Jugendkultur. Reizüberflutung betrifft uns alle. Aber die Reaktion darauf ist spezifisch verschieden, je nach Altergruppen. Es betrifft auch den Umgang mit Technologien. Neue Computer und Software werden von Zwanzigjährigen entwickelt. Eltern verstehen nicht mehr, was in der Schule gelernt wird. Eltern müssen sich von ihren Kindern den Umgang mit Techniken beibringen lassen. Mit 40 Jahren ist man ausrangiertes altes Eisen, den Anforderungen nicht mehr gewachsen (wirklich?). Der Jugendwahn greift um sich. Jugendrevolte, Studentenrevolte der 60er. Ein Wertewandel ohnegleichen. Der Held, dessen Leben mit seiner Jugend endet, symbolisiert die Autonomie der Jugend. James Dean, der Idealtyp für diese Autonomie, in den 50ern vorweggenommen, Opfer eines Lebensstils oder einer Lebensauffassung, die den frühen Tod unausweichlich machte. Ab 30 geht es nur noch abwärts, das ist die Auffassung von Sportlern. Erfolg haben um jeden Preis, auch mit Doping, danach gibt es kein Leben mehr.
Es gäbe sehr viel hier zu sagen. Alles bekannte Dinge.
c.
Leider bin ich unterbrochen worden beim Schreiben und damit ist einiges durcheinander geraten. Löschen kann ich den Beitrag nicht mehr. Einige Absätze sind doppelt wieder gegeben worden.
c.
Ich hab das Duplikat in deinem Beitrag gelöscht.
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karl als Webmaster
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karl als Webmaster
Wenn man seit Jahrzehnten mit Menschen aller Schichten und Altersgruppen zu tun hat, und das in Alltagssituationen, kommt man zu dem Schluß, daß der wichtigste Satz am anfang jeder Kommunikation zu sein scheint: "Beruhigen Sie sich erstmal. Dann sehen wir weiter."
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seewolf
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seewolf
Das "Sich-Beruhigen" bei jeder Kommunikation sollte mit einem "Nach-denken" enden seewolf. Dann wird manches klarer. Kommunikation ist immer dem Augenblick verhaftet. Das Nachdenken über Veränderungen in der Vergangenheit hat nicht nur das Jetzt im Blick.
Heute erschien in der Sonntagszeitung ein Bild: Unterleib des mit Jeans bekleideten französichen Staatspräsidenten Sarkozy. Daneben der ebenfalls bejeanste Unterleib seiner Neuentdeckung Bruni, mit beträchtlicher Hautfreiheit. Wegen der Jeans erwähne ich das in diesem Zusammenhang. Die Jugendkultur - wir gehen zurück in die Vergangenheit - erleichterte es der Jugend, materielle oder kulturelle Identitätssysmbole zu entdecken und zu verwenden. Was aber zur Verschärfung dieser Gegensätze führte, die sich in diesen Symbolen früher ausdrückte, war die historische Kluft, die die Generation der vor 1925 Geborenen und die der nach 1950 Geborenen trennte (Hobsbawm). Sie war tiefer als jede, die in der Vergangenheit zwischen Eltern und Kindern je bestanden hatte. Nahezu weltweit lässt sich feststellen, dass die Jugend in Gesellschaften lebte, die von ihrer Vergangenheit losgelöst war, sei es durch Revolution (China, Ägypten, Jugoslawien), durch Niederlage und Besatzung (Japan, Deutschland) oder durch Dekolonialisierung. Die Jugend hatte keine Erinnerung an die Zeit vor dem Umbruch. Das Schweigen der Älteren verhinderte in vielen Fällen den Verständniszugang zu der Welt der Eltern, zu dem, was sie erlitten hatten. Deutsche, Franzosen und Japaner sprachen nicht offen über die Vergangenheit, konnten es nicht. Die goldenen Jahre der Vollbeschäftigung trugen zur Vertiefung der Kluft bei. Wie sollte ein junger Mensch im Zeitalter der Vollbeschäftigung die Erfahrungen aus der Zeit der 30er Jahre verstehen? Wie sollte auch jemand aus der älteren Generation einen Jüngeren verstehen, der in einem Arbeitsplatz keinen Rettungsanker sah, keine Quelle der Identifikation, sondern schlicht einen Job, den man sehr wohl aufgeben durfte, um ein Jahr lang durch die Welt zu bummeln und das Leben zu genießen? So beobachtet in der nachbarlichen Umgebung, wo zwischen Kindern und Eltern Schweigen herrscht, die Enkel wegbleiben.
Jeans als Identitätssymbol der Jugend, auch der Unterschicht. Hobsbawm nennt sie ein demotisches Utensil (demos = Volk, hier auf Unterschichten bezogen), das aber bald als spezifisches Symbol einen weltweiten Siegeszug antrat und die Massen der Konsumgesellschaften erreichte. Trendsetting war bis dahin eigentlich immer das Privileg der Oberschichten gewesen. Nun tragen es fast alle. Auch Staatspräsidenten. Das Wort "Globalisierung" war noch nicht geboren, es gab sie aber schon in der Mode und in der Jugendkultur.
Vielen Dank, Karl, für Korrektur meines letzten Textes
c.
Heute erschien in der Sonntagszeitung ein Bild: Unterleib des mit Jeans bekleideten französichen Staatspräsidenten Sarkozy. Daneben der ebenfalls bejeanste Unterleib seiner Neuentdeckung Bruni, mit beträchtlicher Hautfreiheit. Wegen der Jeans erwähne ich das in diesem Zusammenhang. Die Jugendkultur - wir gehen zurück in die Vergangenheit - erleichterte es der Jugend, materielle oder kulturelle Identitätssysmbole zu entdecken und zu verwenden. Was aber zur Verschärfung dieser Gegensätze führte, die sich in diesen Symbolen früher ausdrückte, war die historische Kluft, die die Generation der vor 1925 Geborenen und die der nach 1950 Geborenen trennte (Hobsbawm). Sie war tiefer als jede, die in der Vergangenheit zwischen Eltern und Kindern je bestanden hatte. Nahezu weltweit lässt sich feststellen, dass die Jugend in Gesellschaften lebte, die von ihrer Vergangenheit losgelöst war, sei es durch Revolution (China, Ägypten, Jugoslawien), durch Niederlage und Besatzung (Japan, Deutschland) oder durch Dekolonialisierung. Die Jugend hatte keine Erinnerung an die Zeit vor dem Umbruch. Das Schweigen der Älteren verhinderte in vielen Fällen den Verständniszugang zu der Welt der Eltern, zu dem, was sie erlitten hatten. Deutsche, Franzosen und Japaner sprachen nicht offen über die Vergangenheit, konnten es nicht. Die goldenen Jahre der Vollbeschäftigung trugen zur Vertiefung der Kluft bei. Wie sollte ein junger Mensch im Zeitalter der Vollbeschäftigung die Erfahrungen aus der Zeit der 30er Jahre verstehen? Wie sollte auch jemand aus der älteren Generation einen Jüngeren verstehen, der in einem Arbeitsplatz keinen Rettungsanker sah, keine Quelle der Identifikation, sondern schlicht einen Job, den man sehr wohl aufgeben durfte, um ein Jahr lang durch die Welt zu bummeln und das Leben zu genießen? So beobachtet in der nachbarlichen Umgebung, wo zwischen Kindern und Eltern Schweigen herrscht, die Enkel wegbleiben.
Jeans als Identitätssymbol der Jugend, auch der Unterschicht. Hobsbawm nennt sie ein demotisches Utensil (demos = Volk, hier auf Unterschichten bezogen), das aber bald als spezifisches Symbol einen weltweiten Siegeszug antrat und die Massen der Konsumgesellschaften erreichte. Trendsetting war bis dahin eigentlich immer das Privileg der Oberschichten gewesen. Nun tragen es fast alle. Auch Staatspräsidenten. Das Wort "Globalisierung" war noch nicht geboren, es gab sie aber schon in der Mode und in der Jugendkultur.
Vielen Dank, Karl, für Korrektur meines letzten Textes
c.