Forum Politik und Gesellschaft Diskussion historischer Ereignisse Angenommen das Attentat vom 20.7.1944 wäre geglückt und Hitler wäre getötet worden ............

Diskussion historischer Ereignisse Angenommen das Attentat vom 20.7.1944 wäre geglückt und Hitler wäre getötet worden ............

nasti
nasti
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Re: Angenommen das Attentat vom 20.7.1944 wäre geglückt und Hitler wäre getötet worden ............
geschrieben von nasti
als Antwort auf nasti vom 22.07.2010, 10:15:03
Ich profitiere von diese Thema in ST. In meinem Kopf wächst d. Thema: "Wäre Hitler auf die Akademie der Schöne Künste aufgenommen" --als Comics. Vielleicht werde ich das realisieren.

Und überhaupt bin von ST schon politisch "angehaucht".
In gestrige Vernissage stellte ich auch mein neustes Bild aus - "Athen", welcher weckte die Aufmerksamkeit der Presse.



Meinte ich die Unruhen und Euro Krise damit. In unteren Teil des Bildes befanden sich Tiere, wo zw. Hörnern stecken die Euros. Eine fanatische Tierschützerin teilte mir mit....das ich die arme Tiere in meiner Bildern missbrauche. *ggg*
hafel
hafel
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Re: Angenommen das Attentat vom 20.7.1944 wäre geglückt und Hitler wäre getötet worden ............
geschrieben von hafel
als Antwort auf carlos1 vom 22.07.2010, 17:09:27
@ Carlos:

Nun Carlos, verlassen wir doch einmal Deine utopische "Hätte-Wenn-Philosophie" und bleiben bei den Tatsachen.
Ich stimme Dir zu, dass es unter den Verschwörern nicht nur "auf Eid und Ehre getrimmte Offiziere" gab, sondern auch eine Reihe Zivilpersonen. Da denke ich zunächst an den ehemaligen Oberbürgermeister meiner Geburtsstadt Leipzig; Carl Friedrich Goerdeler. Er gehörte zu den führenden zivilen Köpfen der Widerstandsbewegung und sollte nach dem Attentat vom 20. Juli 1944, an dessen Planung er maßgeblich beteiligt war, das Amt des Reichskanzlers übernehmen. Er war ein nationalkonservativer Politiker. Er trat bereits 1936 mutig von seinem OB-Amt zurück, als die Nazis in Leipzig das Denkmal des jüdischen Komponisten Felix Mandelsohn Bartholdy abgerissen hatten. So gab es seit Beginn des Zweiten Weltkrieges immer einen Konservativen Kreis des zivilen Widerstandes um Goerdler herum, den so genannten "Goerdler-Kreis". Goerdler wurde vom "Volksgerichthof" zum Tode verurteilt und am 02. Februar 1944 in Berlin Plötzensee hingerichtet.
Obwohl die Macher des Hitlerattentates überwiegend Mitglieder der Wehrmacht waren, kann es aus heutiger Sicht nicht als reinen Militärputsch gewertet werden. Den meisten ging es dabei nur um die Beseitigung der Person Hitler, nicht um eine die Beseitigung der politischen Verhältnisse! Hinzu kommt, dass nach der Kapitulation der 6ten Armee in Stalingrad ein Sieg Deutschlands unwahrscheinlicher geworden war.
Einige Historiker sahen den Putsch auch deshalb notwendig, bei einer Besetzung Deutschlands, den Adligen den Verlust ihrer Privilegien zu ersparen. Ein sehr merkwürdiges Argument.
So haben sich unter den Hitler-Attentätern auch einige Antisemiten und Kriegsverbrecher "gemischt". So zum Beispiel der Generalquartiermeister Eduard Wagner, der Mitverantwortung für den Tod von Millionen sowjetischer Kriegsgefangener trug und der sich aus Furcht vor der Rache der Roten Armee dem Widerstand angeschlossen hatte. Oder Arthur Nebe, oder Wolf-Heinrich Graf von Helldorf. Waren das auch Attentatshelden? Die wollten der Rache der Alliierten entkommen, mehr nicht! Die sind, genau genommen, für ihre eigenen Schandtaten hingerichtet worden!
Im heutigen vereinten Nachkriegsdeutschland musste das Attentat am 20. Juli etwas neu geschrieben werden. Während im „Westen“ die Männer des 20. Juli zu Helden stilisiert wurden, konnte die ostdeutsche Bevölkerung damit recht wenig anfangen. Die Kommunisten konnten sich lange Zeit nicht vorstellen, dass ein "Umsturzattentat" nicht von Arbeitern und Bauern, sondern von Adligen möglich war. Erst um die 80er Jahre besann sich die SED-Führung ihrer preußischen Tradition und bewertete den 20 Juli positiver Der Filmmehrteiler "Die Befreiung" gibt dem Attentat einen größeren Raum.
Aus den geschichtlichen Tatsachen kann ich also feststellen, dass die „Beweihräucherung“ der Attentäter differenziert gesehen werden muss. Die eigentlichen persönlichen Motive waren zu unterschiedlich.

Hafel
miriam
miriam
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Re: Angenommen das Attentat vom 20.7.1944 wäre geglückt und Hitler wäre getötet worden ............
geschrieben von miriam
Eine sehr berechtigte Frage, auch wenn sie nicht unbedingt unter "Diskussion historischer Ereignisse" gestellt werden sollte.
Dies scheint mir aber nebensächlich, angesichts der Tatsache, dass diese Frage viel mehr beinhaltet: sie führt uns in die Psychologie der Massen, hat auch einen philosophischen Aspekt – und nicht zuletzt, hat diese Art von Fragestellung, auch illustre Vorgänger, dazu aber etwas später.

Zur Frage selber: an der Front wären hunderttausende oder Millionen nicht gestorben, du erwähntest es bereits am Anfang, Carlos. In den KZs, wären in dieser Zeitspanne etwa 800.000 bis zu einer Million Menschenleben nicht vernichtet worden, genau kann man diese Zahlen, bezogen auf Zeitspannen nicht errechnen, auch wenn die Nazis noch so akkurat Buch geführt haben.
Städte wären nicht mehr bombardiert worden – damit meine ich nicht nur die Bausubstanz die in dieser Zeitspanne noch den Bomben zum Opfer fiel, sondern in erster Linie wieder die Menschenleben die für eine Wahnideologie geopfert wurden.

Nicht zu vergessen: wenn in Folge des Attentates Hitler getötet gewesen wäre – und dadurch die Geschichte einen anderen Kurs genommen hätte, wären es die Deutschen selber gewesen, die dieser Katastrophe ein Ende bereitet hätten.
Ich unterstreiche dies: angenommen, dass das geglückte Attentat, auch das Ende des Krieges bedeutet hätte.

Damit sehe ich eine Menge anderer wichtiger Fragen, die sich zu stellen, m.E. wenn auch rein hypothetisch, wichtig sind.
Unter anderen stellt sich ja auch die Frage, wie sehr das Volk, am Anfang doch völlig geblendet, zu diesem Zeitpunkt dem Wahn einer kleinen Klicke um Hitler, noch verfallen war.

Nun zum illustren Vorgänger solcher Fragen:

Jean Gireaudoux schrieb im Jahr 1935 "Der trojanische Krieg findet nicht statt" ("La guerre de Troie n’aura pas lieu").

Damit war natürlich der zweite Weltkrieg gemeint und der Schriftsteller und Diplomat Jean Gireaudoux, ahnte in welche Richtung die Geschichte sich entwickeln wird – und vermutete auch, dass nichts die Menschen von ihrer großen Leidenschaft Krieg zu führen, abhalten kann - auch nicht die Liebe.

Gireaudoux, der eigentlich ein positives Ende des Theaterstückes vorgesehen hatte, gelang dies nicht – das Stück endet duster.
Wahrscheinlich hat da der Diplomat, der ein profunder Kenner der Geschichte war, das letzte Wort gesprochen.


Miriam

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clara
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Re: Angenommen das Attentat vom 20.7.1944 wäre geglückt und Hitler wäre getötet worden ............
geschrieben von clara
Warum sollte man sich nicht mit „was wäre, wenn“ – Fragen befassen dürfen? Ich phantasiere manchmal ganz gern, nicht, ohne zu wissen, dass es, wie hier, nichts mehr bringt.

Miriam: Unter anderen stellt sich ja auch die Frage, wie sehr das Volk, am Anfang doch völlig geblendet, zu diesem Zeitpunkt dem Wahn einer kleinen Klicke um Hitler, noch verfallen war.

Da möchte ich anschließen und fragen: Hätte dieses großenteils verführte und der Massenhysterie verfallene Volk überhaupt die Bedeutung des Attentats richtig erkannt, falls es den Attentätern gelungen wäre, die Führung zu übernehmen? Schließlich hatte Goebbels Propaganda von der Vorsehung, die Hitler rettete, Erfolg. (s. Tagebuch Goebbels!) Oder hätte es die zweite Garnitur der Naziriege verstanden, das Heft wieder in die Hand zu nehmen? 1944 wurde ja immer noch der Endsieg suggeriert.

Wie weit die völlige Übernahme bis ins letzte von den Widerständlern geplant war, weiß ich nicht, sicher gibt es Dokumente darüber.

Außerdem wäre aufgrund der verschieden gearteten Widerstandsgruppen nicht klar gewesen, wie das kommende Deutschland hätte aussehen sollte. Es gab ja Vorstellungen von (parlamentarischer) Monarchie bis zur Demokratie wie sie heute existiert. Das Soldatentum war bei den Offizieren des Widerstands auch noch ein (preußisches) Ideal und sollte eine Säule des neuen Staates bilden...

Nur mal so ein paar Gedanken...

Clara
miriam
miriam
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Re: Angenommen das Attentat vom 20.7.1944 wäre geglückt und Hitler wäre getötet worden ............
geschrieben von miriam
als Antwort auf clara vom 23.07.2010, 14:42:20
Warum sollte man sich nicht mit „was wäre, wenn“ – Fragen befassen dürfen? Ich phantasiere manchmal ganz gern, nicht, ohne zu wissen, dass es, wie hier, nichts mehr bringt.

Miriam: Unter anderen stellt sich ja auch die Frage, wie sehr das Volk, am Anfang doch völlig geblendet, zu diesem Zeitpunkt dem Wahn einer kleinen Klicke um Hitler, noch verfallen war.

Da möchte ich anschließen und fragen: Hätte dieses großenteils verführte und der Massenhysterie verfallene Volk überhaupt die Bedeutung des Attentats richtig erkannt, falls es den Attentätern gelungen wäre, die Führung zu übernehmen?


Clara, du hast es viel besser auf dem Punkt gebracht - was mich betrifft, sind das die wichtigen Fragen Rund um dieses Thema.

Man befand sich nun etwa acht Jahre nach der Machtergreifung. Hatte man in Deutschland endlich begriffen welcher sich anbahnenden Katastrophe man seinerzeit zugejubelt hatte?

Es ist auch das große Thema der Verblendung und des sich gerne verblenden lassen - und dieses Thema bleibt leider immer noch aktuell.

Wenn man einen Aufmarsch der Glatzköpfe sieht, fragt man sich was diese aus der Geschichte gelernt haben.

Gruß von Miriam
stange
stange
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Re: Angenommen das Attentat vom 20.7.1944 wäre geglückt und Hitler wäre getötet worden ............
geschrieben von stange
als Antwort auf miriam vom 23.07.2010, 15:23:50
Wie die Geschichte gelaufen wäre, kann man heute doch nur spekulieren und das ist müsig, wie sie aber gelaufen ist, bin ich heute froh, das der Spuk des kalten Krieges vorrüber und die DDR Vergangenheit ist. Das das Deutschland wieder vereinigt ist, und wir die Chance haben daraus das Beste zu machen und dafür sorgen, das das ewig Gestrige, vor allem der neue rechte Mob keine Handhabe bekommt, wieder das Sagen zu haben. Dann ist schon viel geschafft, und in dem demokratischen Deutschland mit seinen Menschen, die aus der Geschichte die Erfahrungen gesammelt haben bin ich zuversichtlich, das es uns auch gelingt. Heute ist das gesamte Deutschland auferstanden aus Ruinen, nicht nur in West sondern auch in Ost und darüber kann ich nur froh und stolz sein in einem solchen Land zu Leben. Was soll daher die Wortspielerei, was wäre wenn.
Stange

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carlos1
carlos1
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Re: Angenommen das Attentat vom 20.7.1944 wäre geglückt und Hitler wäre getötet worden ............
geschrieben von carlos1
als Antwort auf hafel vom 23.07.2010, 11:36:54
„Aus den geschichtlichen Tatsachen kann ich also feststellen, dass die „Beweihräucherung“ der Attentäter differenziert gesehen werden muss. Die eigentlichen persönlichen Motive waren zu unterschiedlich.“ Hafel


@ hafel
ich habe nicht vor gehabt, eine „Beweihräucherung“ von Menschen vorzunehmen, da in unserer politischen Kultur der Personenkult unbekannt ist. Gedenktage sind aber für eine Gesellschaft die Gelegenheit sich „Rechenschaft über ihre Vergangenheit zu geben“ (Jan Huizinga). Am Beispiel des 20. Juli und der deutschen Widerstandsgruppen sowohl als auch der Überlegungen seit dem Jahre 1938 zur Beseitigung Hitlers lässt sich sehr wohl erklären, in welchem Ausmaß das System von den Menschen Besitz ergriff und ihr Handeln bestimmte. Miriam spricht von der Besessenheit der Deutschen. Dietrich Bonhoeffer, der im Jahre 1943 verhaftet und im April 1945 in Flossenbürg ermordet wurde, schrieb von der großen Maskerade des Bösen, die alle Grenzen zwischen Gut und Böse verwischt. Der nat.soz. Staat setzte in seinen Gesetzen Markierungen, die alles außer Kraft setzten, was bis dato als gut und konventionell als gültig angesehen wurde. Gut war, was dem deutschen Volk nützte, und was dem deutschen Volk nützte, bestimmte der Führer. Du bist nichts, dein Volk ist alles.


Hafel, du erinnerst an Eduard Wagner, den Generalquartiermeister des Heeres. Wer eine Website sucht, findet darin Angaben über dessen Lebenslauf, die ihn eindeutig einer bestimmten Richtung zuweisen. Kriegsteilnehmer, Freikorpsmann, dann Aufstieg in der Hierarchie. Auf einer Website erscheinen nur negative Aussagen. Ein Historiker wird hier nachfragen. So einfach, wie es hier dargestellt wird – die wollten doch nur ihre Haut retten – ist es nicht.


Seltsame Dinge passierten im Hitlerstaat. Johannes Popitz, Finanzminister zur Zeit der Weimarer Republik, Mitverschwörer des 20. Juli nahm 1943 direkt Kontakt mit Heinrich Himmler auf und sondierte wegen Friedensgesprächen mit den Westmächten. Popitz war als Finanz- und Kultminister in einer neuen Reichsregierung unter Goerdeler vorgesehen.


Zu dem Verschwörerkreis um Stauffenberg gehörte auch Julius Leber (Mitglied Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Kampforganisatione der SPD und Gewerkschaften) an, der mit der Saefkow-Jacob-Bästlein-Organisation zusammenarbeitete (einer kommunistischen Gruppierung). Bei einem Treffen im Juni 1944 wurde er verhaftet, weil die Gestapo einen Spitzel in der Organisation platziert hatte. Am 5. Januar 1945 wurde er hingerichtet. Leber nahm bereits 1940 Kontakt zu Stauffenberg auf.


Der Name der Roten Kapelle, der kommunistischen Gruppe um Offiziere im Reichsluftfahrtministerium, geführt von Oberleutnant Harro Schulze-Boysen und Arvid Harnack. Schulze-Boysen war ein Sohn des Marineoffiziers Erich Edgar Schulze und dessen Frau Marie Luise Boysen sowie ein Großneffe (väterlicherseits) des Admirals Alfred von Tirpitz[1] und (mütterlicherseits) des Soziologen Ferdinand Tönnies. Er war ursprünglich national gesinnt, wurde aber später Kommunist. 1942 flog sein Spionagering durch eine Unvorsichtigkeit Moskaus auf. In der DDR wurde Schulze-Boysen durch eine Briefmarke geehrt.

Deine Feststellung, dass es sich beim 20. Juli nicht allein um einen militärischen Alleingang handelte, ist richtig. Zivilisten konnten aber nichts Entscheidendes unternehmen, da sie nicht über die Waffen und den Zugang zu Hitler verfügten. Die Erfahrungen des Jahres 1938, als ein Staatsstreichplan durch das Einlenken der Westmächte auf der Münchener Konferenz scheiterte, vor allem aber das Scheitern der Denkschriftenaktion des Generalstabschefs Beck, der gegen Hitlers Kriegspläne offen opponierte, führten zur Erkenntnis, dass Widerstand nur möglich sei, wenn der Betreffende eine Position in der Beamten- oder Militärhierarchie einnehme. Beck war entlassen worden und warf kalt gestellt. Er gehörte zu den Opfern des 20. Juli. Allerdings war keine Aussicht auf Zustimmung zu einer Beseitigung Hitler sin der Bevölkerung zu erwarten angesichts der militärischen Erfolge des Diktators. Hitler schwamm auf einer unglaublichen Woge der Zustimmung nach seinem Sieg über Frankreich. Das änderte sich erst nach den schweren Niederlagen in Russland und den schrecklichen Menschenverlusten.
c.
ingo
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Re: Angenommen das Attentat vom 20.7.1944 wäre geglückt und Hitler wäre getötet worden ............
geschrieben von ingo
als Antwort auf carlos1 vom 21.07.2010, 19:04:42
Es hätte kein Wirtschaftswunder gegeben. Wir hätten nicht das vereinigte Europa. Womöglich hätten wir schon einen weiteren Krieg durchgemacht, weil wir nicht so eng miteinander verflochten wären. Es gäbe bestimmt noch die UDSSR. Ob wir "Demokratie" gelernt hätten, bewzeifele ich; schon alleine deshalb, weil unser Grundgetz aus einer riesigen Not heraus entstanden ist, die wir ohne den verlorenen Krieg nicht erlebt hätten....Tja.......Und ob mein Haushalt heute technisch so hochgerüstet wäre, wie er es ist, bezweifele ich.
hafel
hafel
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Re: Angenommen das Attentat vom 20.7.1944 wäre geglückt und Hitler wäre getötet worden ............
geschrieben von hafel
als Antwort auf carlos1 vom 24.07.2010, 20:22:16
Moin moin Carlos:

In der Gesamteinschätzung des Hitler-Attentates habe wir ja große Gemeinsamkeiten. Zum Teil nur mit anderen Worten:
Carlos: "Das änderte sich erst nach der Niederlage in Russland und den schrecklichen Menschenverlusten".
Hafel: "Hinzu kommt, dass nach der Kapitulation der 6ten Armee in Stalingrad ein Sieg Deutschlands unwahrscheinlich geworden war".
Die Hitler-Attentäter von 1944 gingen davon aus, dass dieser schreckliche Krieg verloren ging.

Nicht Deiner Meinung bin ich in der Einschätzung von Wagner. Wagner war tief in die deutschen Massenverbrechen des Krieges gegen die Sowjetunion verwickelt. Wagner fungierte als Vertreter des Heeres zusammen mit der SS in der besetzten Sowjetunion. Dabei wurden zahlreiche Zivilisten und Gefangene Rotarmisten ermordet.
Er war keinesfalls ein überzeugter Attentäter Hitlers. Der wollte nur seine Haut retten.

Carlos, nun hast Du das Thema bereits „Vorlesungsreif“ aufgearbeitet. Dann sollten wir versuchen, hier eine weitgehende vollständige Zusammenstellung über den Widerstand gegen Hitler aufzuführen.

Ohne weitere Berücksichtigung, dass es bereits zwischen 1933 und 1945 mehrere Attentate mit unterschiedlichen Zielen gab. Vor allem Kommunisten und Sozialdemokraten gruppierten sich deshalb im Untergrund.

Individuellen Widerstand, ohne Gruppe im Hindergrund, leistete z.B. der Schreiner Georg Eisler, der als Einzelgänger am 08. Nov. 1939 vergeblich versuchte, Hitler mit einer Zeitbombe zu töten.

Das 20te-Juli-1944-Attentat war jedoch von führenden militärischen Persönlichkeiten geprägt. An der Spitze Generaloberst Ludwig Beck. Er war es, der Hitler vor seinen Angriffsplänen gewarnt hatte und dabei seine Stellung aufs Spiel gesetzt hatte. Weiter gehörten zu diesem Kreis die Generalfeldmarschälle Von Witzleben, Rommel, die Generäle Von Stülpnagel, Hoeppner, Oster, Admiral Canaris und eben Oberst von Stauffenberg.

Es gab aber auch einen sozialistischen Widerstand, dessen Mitglieder weitgehend aus der Gewerkschaftsbewegung stammten. Sie gruppierten sich um Julius Leber. Kommunisten und Intellektuelle gründeten die "Rote Kapelle", die als einzige Widerstandsgruppe in ständiger Verbindung mit der Sowjetunion stand.

Im zivilen Bereich, der bereits genannte OB von Leipzig. Dr. Carl Goerdeler. Um ihn scharrten sich die ehemaligen Botschafter Von Hassel und der preuß. Minister Popitz wie andere Diplomaten.

Auch der "Kreisauer Kreis" war indirekt an dem Attentat auf Hitler beteiligt. Diese Gruppe bestand aus verschiedenen politischen Lagern und fanden heimliche Besprechungen auf dem schlesischen Gut Kreisau statt. Das geistige Haupt war der Graf Helmut von Moltke, wie der Adlige Graf York von Wastenburg und Adam von Trott zu Solz, sowie Vertreter beider Konfessionen.

Aber es gab auch einen direkten christlichen Widerstand. Dieser weitgehend. aus moralisch – ethnischer Motivation. Bedeutende Vertreter dieser Widerstandsgruppe waren Graf von Galen, Martin Niemoeller und der bereits genannte Dietrich Bohnhoeffer.

Erwähnt werden sollte in diesem Zusammenhang noch die "Weise Rose" mit den Geschwister Scholl, die bereits 1943 mit ihren Flugblättern gegen das Nazisystem demonstrierten.

Die Widerstandsbewegung war also sehr vielschichtig und die Ziele sehr unterschiedlich. Während einige nur Hitler beseitigen, oder den Krieg beenden wollten, wollten andere die Wiedereinführung einer demokratischen Freiheit und Rechtsordnung.

So kann zusammenfassend festgestellt werden, dass es neben den treuen Nazis, viele Mitläufer, Opportunisten und von der Propaganda Geblendete und Verführte gab. Nicht alle Deutsche waren Nazis im strengeren Sinne. Trotzdem wird sich diese Generation immer wieder die Frage stellen, inwieweit sie passiv das 3te Reich mit ermöglicht und getragen hat.

Hafel
carlos1
carlos1
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Re: Angenommen das Attentat vom 20.7.1944 wäre geglückt und Hitler wäre getötet worden ............
geschrieben von carlos1
als Antwort auf hafel vom 25.07.2010, 12:09:51
„Nicht Deiner Meinung bin ich in der Einschätzung von Wagner. Wagner war tief in die deutschen Massenverbrechen des Krieges gegen die Sowjetunion verwickelt. Wagner fungierte als Vertreter des Heeres zusammen mit der SS in der besetzten Sowjetunion. Dabei wurden zahlreiche Zivilisten und Gefangene Rotarmisten ermordet.
Er war keinesfalls ein überzeugter Attentäter Hitlers. Der wollte nur seine Haut retten.“ Hafel


Hallo Hafel,
wir sind nicht weit auseinander. Ich bevorzuge nur eine andere Perspektive. Es genügt nicht auf einige ausgewählte Daten einer Biographie zuzugreifen, um ein Bild eines Menschen zu zeichnen. Für mich ist der wenig erfolgreiche deutsche Widerstand im Hitlerreich kein Hinweis auf eine große Bewegung, sondern Mittel zum Zweck. Der Zweck besteht in der Erkenntnis des wahren Wesens des Nationalsozialismus. Es geht nicht nur um ein schlechtes, verfehltes Regierungssystem, sondern um die Grundlagen und Grundaussagen einer verbrecherischen Clique und ihrer "Bewegung", die sich des Staates bemächtigt hatte. Mit dem Zitat von Dietrich Bonhoeffer in meinem letzten Beitrag wollte ich das deutlich machen. Wer sich mit diesem Regime einließ, konnte kriminell werden. Keiner der Widerständler um Stauffenberg konnte sich dieser Tatsache verschließen, weil sie selber Teil des Systems waren. Darin lag das Dilemma des Widerstandes. Die Alternative wäre gewesen zu emigrieren, zum Feind über zu laufen oder sich ins Privatleben zurückzuziehen (soweit möglich)und damit völlig wirkungslos zu bleiben. Wer sich gegen das Regime stellte, in engem Kreis regimekritische Überlegengen anstellte und verraten wurde, war des Todes, wie am Beispiel Moltkes (Kreisauer Kreis) ersichtlich ist, der am 20. Juli nicht beteiligt war. Sie hätten überhaupt nichts getan, das irgendwie an eine Verschwörung erinnert, nur gemeinsam gedacht. Deshalb sterben wir, schreibt er in seinem Abschiedsbrief an seine Frau. Wagner hat Planungen angefertigt für Einsatzgruppen im Osten im Rahmen des Vernichtungskrieges gegen den “jüdischen Bolschewismus“ (!). Er war Schreibtischtäter. Darüber besteht kein Zweifel. Immerhin hat er niemand an die Gestapo verraten, sondern wurde Opfer. Die allermeisten Menschen sind keine geborenen Helden und neigen nicht zur Selbstaufopferung.


General Beck (1938 Chef des Generalstabes) schrieb in seinen Denkschriften an Hitler schon im Sommer 1938, dass ein Krieg in Europa für Dtld nicht zu gewinnen sei und dass der geplante Krieg gegen die Tschechoslowakei) die Führung mit einer Blutschuld belasten würde. Das war den meisten Generälen bekannt. Beck wurde entlassen, was ihn zu fernerer Wirkungslosigkeit verdammte. Genau das wurde von Einsichtigen als falscher Weg erachtet. Wer zum engeren Kreis der Verschwörer zählte, musste damit rechnen, dass im Entdeckungsfalle die ganze Familie mit dem Tode konfrontiert war (Sippenhaft). Im Falle Stauffenberg ging es zum Glück anders aus.


Eben deshalb sehe ich in einer Zusammenarbeit mit den Verschwörern nicht nur die Möglichkeit die eigene Haut zu retten (ein Argument, das von alliierter Seite aus vertreten wurde), sondern die Bereitschaft einen andern Weg zu beschreiten, eine verantwortungsbewusste, persönliche, moralisch begründete Abkehr von einem verbrecherischen Regime. Das Todesurteil im Fall Wagner zeigt, wie gefahrvoll dieser Weg war und wie wenige ihn beschritten, obwohl sie die Lage kannten. Das war allen Beteiligten klar. Die Verschwörer schätzten die Chancen für das Gelingen ihres Unternehmens nicht hoch ein. Sie ahnten, dass es ein Opfergang werden würde. Sie opferten damit sich und ihre Familien. Trotzdem wagten sie die Durchführung, damit wie der Mitverschwörer H. vom Tresckow es nannte, Zeugnis vor der Welt abgelegt würde. Es kam ihnen auf dieses Zeichen an.

Miriam wies bereits in ihrem Beitrag darauf hin, dass dies Thema eigentlich ein philosophisches sei. Zu welcher Pervertierung im Denken dieses System führte, zeigt der Fall Gerstein, des SS-Mannes, der sich aus christlicher Überzeugung gegen das Regime stellte und in die „Hölle“ ging. Er gehörte zu denen, die an Vergasungsaktionen teilnahmen, ZyklonB besorgte, dadurch Kenntnis von den Aktionen erhielten und versuchten die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen. In Schweden versuchte er es vergeblich. Hochhuth hat in seinem „Stellvertreter“ ihm ein Denkmal gesetzt (soweit ich mich erinnere).

Unter Bedingungen rechtlicher und sozialer Permissivität und Pervertierung könne ein unerhört kriminelles Verhalten bei Menschen zutage treten, die unter normalen Verhältnissen solche Taten niemals ernsthaft in Erwägung gezogen hätten, meint Hannah Arendt. Sie verweist auf den Auschwitz-Prozess und die dort Angeklagten. Die von den Angeklagten im Lager Auschwitz begangenen Gräueltaten hatten mit dem Befehl der „Endlösung“ nichts zu tun. Ihre Verbrechen waren auch nach Nazirecht strafbar. Kaum einer der Angeklagten hatte eine irgendwie kriminelle Vergangenheit aufzuweisen und keiner von ihnen war jemals wegen sadistischer Taten oder wegen Mordes straffällig geworden. Bevor sie nach Auschwitz gekommen waren und ebenso in den 18 Jahren im Nachkriegsdeutschland, waren sie ehrbare und angesehene Staatsbürger gewesen, die sich in nichts von ihren Nachbarn unterschieden hatten. Das Regime hatte sie zu Verbrechern gemacht, jedenfalls dabei mitgewirkt.

Hafel, die Tatsache, dass du eine ganze Reihe von Widerstandsgruppen aufgelistet hast, ist wichtig. Damit wird die ganze Breite der Empörung präsentiert. Mehr konnte es unter den Bedingungen einer brutalen Gewaltherrschaft nicht sein.

Im übrigen war die bedingungslose Kapitulation Dtlds bereits Kriegsziel Westalliierten (Januuar 1943). Es gibt keine Anzeichen dafür, dass sie sich von doesem Ziel hätten abbringen lassen. Viele Äußerungen, die von offizieller Seite bekannt sind. auch die
Kontakte über die Schweiz lassen ergeben keinen Hinweis auf ein mögliches Einlenken der Westmächte durch einen Separaratfrieden. Dies war den Verschwörern bekannt. Deshalb sprach ich von einem Opfergang.

c.

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